T 0444/92 (Kohlenwasserstoff-Trennung/LINDE) of 11.4.1995

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1995:T044492.19950411
Datum der Entscheidung: 11 April 1995
Aktenzeichen: T 0444/92
Anmeldenummer: 85114519.3
IPC-Klasse: C07C 7/04
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zur Gewinnung von C2+-, C3+- oder von C4+- Kohlenwasserstoffen
Name des Anmelders: Linde Aktiengesellschaft
Name des Einsprechenden: STONE & WEBSTER ENG. CORP.
Air Products and Chemicals Inc.
Kammer: 3.3.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54(1)
European Patent Convention 1973 Art 111(1)
Schlagwörter: Neuheit: (Hauptantrag (nein); Hilfsantrag (ja)
Funktionelle Definitionen
Novelty - main request (no) - auxiliary request (yes)
Novelty - functional definitions
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0057/96

Sachverhalt und Anträge

I. Das europäische Patent Nr. 0 185 202 wurde der Beschwerdeführerin am 31. Januar 1990 mit 9. Patentansprüchen auf die europäische Patentanmeldung Nr. 85 114 519.3 erteilt. Auf zwei von den Beschwerdegegnerinnen eingelegte Einsprüche hin hat die Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts am 26. Februar 1992 die Entscheidung verkündet, das Patent zu widerrufen. Gegen diese Entscheidung, die am 17. März 1992 mit schriftlicher Begründung zur Post gegeben wurde, richtet sich die am 15. Mai 1992 unter gleichzeitiger Entrichtung der vorgeschriebenen Gebühr erhobene Beschwerde.

II. Der angefochtenen Entscheidung lagen die erteilten Patentansprüche zugrunde. Der einzige unabhängige Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

"1. Verfahren zur Abtrennung von C2+-, C3+- oder von C4+- Kohlenwasserstoffen aus einem leichte Kohlenwasserstoffe und gegebenenfalls leichter als Methan siedende Komponenten enthaltenden Gasstrom, bei dem der unter erhöhtem Druck stehende Gasstrom (1) abgekühlt, partiell kondensiert und in einem Abscheider (3, 28, 48) in eine flüssige und eine gasförmige Fraktion getrennt wird, bei dem die gasförmige Fraktion (10, 18, 65) arbeitsleistend entspannt und die flüssige Fraktion (4, 49) durch Rektifikation (5, 29, 44, 72) in einem im wesentlichen C2+-, C3+- bzw. C4+-Kohlenwasserstoffe enthaltenden Produktstrom (6, 30, 52, 75) und einen überwiegend leichter siedende Komponenten enthaltenden Restgasstrom (7, 56, 85) zerlegt wird und bei dem die nach der partiellen Kondensation anfallende gasförmige Fraktion vor der arbeitsleistenden Entspannung durch Wärmetausch (20, 34, 61) mit der arbeitsleistend entspannten gasförmigen Fraktion (12, 67, 69) weiter abgekühlt wird und die dabei zusätzlich auskondensierenden Komponenten vor der arbeitsleistenden Entspannung (11, 66) abgetrennt werden, dadurch gekennzeichnet, dass der Abscheider (3, 28, 48), in dem die Trennung in die flüssige und die gasförmige Fraktion durchgeführt wird, mindestens zwei Gleichgewichtsstufen aufweist und dass die zusätzlich auskondensierten Komponenten im Gegenstrom zu der in dem Abscheider (3, 28, 48) aufsteigenden gasförmigen Fraktion in den unteren Bereich des Abscheiders fallen."

III. Die angefochtene Entscheidung stützt sich auf zwölf Dokumente, von denen im Beschwerdeverfahren nur die folgenden eine Rolle spielten:

(3) US-A-4 002 042

(4) US-A-4 270 940

Sie führt aus, das Verfahren nach dem geltenden Patentanspruch 1 sei gegenüber der vorveröffentlichten Druckschrift (4) nicht mehr neu, u. a. weil diese Druckschrift ebenso wie das angegriffene Patent ein Verfahren zur Abtrennung von C2+-Kohlenwasserstoffen betreffe, bei dem ein aus einem leichte Kohlenwasserstoffe und leichter als Methan siedende Komponenten enthaltender Gasstrom unter Kühlung auf eine Temperatur auf 170 Kelvin (-103 C) und unter hohem Druck, d. h. zwangsläufig unter partieller Kondensation des im Gasstrom vorhandenen Ethans und Ethylens, einem Phasenabscheider zugeführt und dort in eine flüssige und eine gasförmige Fraktion getrennt werde.

IV. Am 22. Juli 1992 wurde die Beschwerde schriftlich begründet. Gleichzeitig wurden sechs als Hilfsanträge I bis VI bezeichnete weitere Sätze von Patentansprüchen eingereicht. Am 11. April 1995 fand eine mündliche Verhandlung statt, in deren Verlauf die Beschwerdeführerin einen weiteren Satz von fünf Patentansprüchen vorlegte, der inhaltlich dem früher als Hilfsantrag VI vorgelegten Anspruchssatz entsprach. Anspruch 1 dieses Anspruchssatzes hat folgenden Wortlaut:

"1. Verfahren zur Abtrennung von C2+-, C3+- oder von C4+- Kohlenwasserstoffen aus einem leichte Kohlenwasserstoffe und gegebenenfalls leichter als Methan siedende Komponenten enthaltenden Gasstrom, bei dem

(a) der unter erhöhtem Druck stehende Gasstrom (1) abgekühlt, partiell kondensiert und in einem Abscheider (3,48) in eine flüssige und eine gasförmige Fraktion getrennt wird, bei dem

(b) die gasförmige Fraktion (10,65) arbeitsleistend entspannt und

(c) die flüssige Fraktion (4,49) durch Rektifikation (5,44,72) in einen im wesentlichen C2+-, C3+- bzw. C4+-Kohlenwasserstoffe enthaltenden Produktstrom (6,52,75) und einen überwiegend leichter siedende Komponenten enthaltenden Restgasstrom (7,56,85) zerlegt wird und bei dem

(d) die nach der partiellen Kondensation anfallende gasförmige Fraktion vor der arbeitsleistenden Entspannung durch Wärmetausch (34,61) mit der arbeitsleisten entspannten gasförmigen Fraktion (12,67,69) weiter abgekühlt wird und

(e) die dabei zusätzlich auskondensierenden Komponenten vor der arbeitsleistenden Entspannung (11,66) abgetrennt werden,

dadurch gekennzeichnet, daß

(f) der Abscheider (3,48), in dem die Trennung in die flüssige und die gasförmige Fraktion durchgeführt wird, mindestens zwei Gleichgewichtsstufen aufweist, daß

(g) die zusätzlich auskondensierten Komponenten im Gegenstrom zu der in dem Abscheider (3,48) aufsteigenden gasförmigen Fraktion in den unteren Bereich des Abscheiders fallen und daß

(h) der Wärmetausch zwischen der nicht entspannten und der entspannten gasförmigen Fraktion in einem außerhalb des Abscheiders (3, 48) angeordneten Wärmetauscher (34, 61) durchgeführt wird und

(i) die dabei zusätzlich auskondensierten Komponenten im Gleichstrom mit der gasförmigen Fraktion aus dem Wärmetauscher (34, 61) herausgeführt, anschließend in einem weiteren Abscheider (35, 62) von der gasförmigen Fraktion abgetrennt und in den ersten Abscheider (3, 48) zurückgeführt werden."

V. Die Beschwerdeführerin beantragte am Ende der mündlichen Verhandlung, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in der erteilten Fassung, hilfsweise auf der Grundlage der Fassung der in der mündlichen Verhandlung überreichten Patentansprüche 1 bis 5 aufrecht zu erhalten.

Die Beschwerdegegnerinnen beantragten die Zurückweisung der Beschwerde.

VI. Zur Begründung ihrer Anträge trug die Beschwerdeführerin unter anderem vor, beim Verfahren nach Druckschrift (4) werde dem Abscheider, der in der angefochtenen Entscheidung dem Abscheider des Streitpatents gleichgesetzt werde, kein partiell kondensiertes Gasgemisch, sondern ein von flüssigen Komponenten befreiter, am Taupunkt befindlicher Dampf zugeführt. Dieser Dampf könne zwar erforderlichenfalls gekühlt werden; dies führe aber nicht zwingend zu einer partiellen Kondensation, da nur der Ausgleich eventueller Wärmeverluste beabsichtigt sei. Darüber hinaus stelle der in Druckschrift (4) gezeigte Abscheider nur eine gewöhnliche Phasentrenneinrichtung dar, die zum Auffangen von im darüberliegenden Dephlegmator gebildetem Kondensat diene. Für einen unvoreingenommenen Fachmann sei damit klar, daß dieser Separator nur eine einzige Gleichgewichtsstufe aufweise. Die von einem konventionellen Abscheider abweichende Funktion des Abscheiders nach Anspruch 1 des Streitpatents bedinge für den Fachmann zwangsläufig von der in Druckschrift (4) beschriebenen Kombination aus Dephlegmator und Separator abweichende strukturelle Merkmale. Dies gelte auch für den in Figur 5 des Streitpatents gezeigten Abscheider 3. Die Gleichsetzung einer Kombination aus Abscheider und Dephlegmator, wie sie in den Druckschriften (3) und (4) verwendet werde, mit dem zwei Gleichgewichtsstufen aufweisenden Abscheider des Streitpatents sei willkürlich und beruhe auf ex-post-facto-Überlegungen. In Druckschrift (3) werde zwar ebenso wie beim Streitpatent ein partiell kondensiertes Gasgemisch aufgetrennt; es werde jedoch nicht der den Dephlegmator verlassende Gasstrom arbeitsleistend entspannt, sondern eine durch Kondensation, Abscheidung in flüssiger Form und nachfolgende Entspannung ohne Arbeitsleistung gewonnene Fraktion desselben. Das Verfahren des Streitpatents sei daher gegenüber den genannten Druckschriften neu.

Das Verfahren nach Anspruch 1 des Hilfsantrags, das der in den Figuren 5 bis 7 und der zugehörigen Beschreibung erläuterten Ausführungsform entspreche, unterscheide sich zusätzlich durch ein konstruktives Merkmal von den Verfahren nach den Druckschriften (3) und (4), da das Restgas und das Kondensat dem Kopf des Wärmetauschers zusammen (im Gleichstrom) entnommen werden, während aus dem Dephlegmator des Standes der Technik die Flüssigkeit in den Abscheider zurückfließt und nur das Restgas als Kopfprodukt anfällt.

VII. Die Beschwerdegegnerin I (Stone & Webster Engineering Corporation) verteidigte im wesentlichen die der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegende Interpretation der Druckschrift (4) und vertrat den Standpunkt, der Abscheider gemäß Streitpatent entspreche vollständig der in Druckschrift (4) beschriebenen funktionellen Einheit aus einem Separatorteil und einem Dephlegmatorteil, die durch ein sowohl dem Gas- als auch dem Flüssigkeitstransport dienendes Rohrstück verbunden sind; diese Einheit werde in Druckschrift (4) als "kryogene Einheit" bezeichnet. Darüberhinaus trug sie vor, das Verfahren des Streitpatents werde auch von Druckschrift (3) vorweggenommen.

Die Beschwerdegegnerin II (Air Products and Chemicals, Inc.) wies darauf hin, daß der "Abscheider" im geltenden Anspruch 1 nicht nur die Funktion der Phasentrennung, sondern insbesondere die des Wärme- und Stoffaustauschs erfülle und somit genauer als "Dephlegmator" zu bezeichnen sei. Im übrigen komme es bei der Beurteilung der Neuheit des Verfahrens nach Anspruch 1 des Streitpatents weder auf die Bezeichnung dieser Vorrichtung noch auf deren konstruktive Gestaltung an, denn der "Abscheider" sei nicht durch strukturelle Merkmale, sondern lediglich durch seine Funktion definiert. Diese entspreche aber voll derjenigen der in den Druckschriften (3) und (4) als "dephlegmation zone" bezeichneten funktionellen Einheit. Diese funktionelle Übereinstimmung komme insbesondere bei einem Vergleich der Figur 1 der Druckschrift (3) mit Figur 5 des Streitpatents zutage. Aus Anspruch 7 des Streitpatents ergebe sich eindeutig, daß auch beim Verfahren nach diesem Patent keineswegs der gesamte den Abscheider verlassende Gasstrom einer arbeitsleistenden Entspannung zugeführt werde. Es komme also bei der Beurteilung der Neuheit nur darauf an, ob irgendein Teil des Gasstroms aus dem Abscheider im weiteren Verlauf des Verfahrens arbeitsleistend entspannt werde. Dies sei bem Verfahren nach Druckschrift (3) der Fall.

Beide Beschwerdegegnerinnen bestritten die Neuheit des Verfahrens nach Patentanspruch 1 des Hilfsantrags nicht, gaben jedoch zu erkennen, daß sie dieses Verfahren nicht für erfinderisch halten.

VIII. Am Ende der mündlichen Verhandlung wurde die Entscheidung der Kammer verkündet, die Sache zur Fortsetzung des Einspruchsverfahrens auf der Grundlage des Hilfsantrags an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Hauptantrag

2.1. Die Beschwerdeführerin meint, durch die Merkmale des Anspruchs 1 sei eindeutig eine vom Stande der Technik abweichende konstruktive Gestaltung des Abscheiders festgelegt, da ein Fachmann einen Abscheider, selbst wenn er eine zusätzliche Funktion erfülle, nicht ohne Kenntnis des Streitpatents als Kombination aus Abscheider und Dephlegmator wie in den Druckschriften (3) und (4) ansehen würde.

2.2. Die Kammer hat erhebliche Bedenken, sich dieser Auffassung anzuschließen, denn es ist gerade der Sinn der Definition technischer Merkmale durch die Angabe ihrer Funktion, alle konkreten konstruktiven Ausgestaltungen, die diese Funktion erfüllen, zu erfassen. Dem Streitpatent läßt sich entnehmen, daß in der in Anspruch 1. als "Abscheider" definierten Vorrichtung ein Wärmetauscher vorgesehen sein kann, der bevorzugt in deren oberen Teil angeordnet ist und nur "in der Regel", also nicht ausschließlich, ein gewickelter Wärmetauscher ist. Hieraus folgt, daß die Funktion des Wärmeentzugs im Prinzip durch jeden beliebigen Wärmetauscher, also auch durch den in den Druckschriften (3) und (4) vorgesehenen Dephlegmator, z.B. 40 in Druckschrift (4), Fig. 2 oder 27 in Druckschrift (3), Fig. 1, erfüllt werden kann. Je nach dem Raumbedarf dieser Wärmetauscher ergeben sich damit unterschiedliche Ausgestaltungen des "Abscheiders", sodaß keineswegs klar ist, daß die konstruktiven Ausgestaltungen der "dephlegmation zone" gemäß den genannten Figuren der Druckschriften (3) und (4) der Definition des "Abscheiders" in Anspruch 1 nicht entsprechen. Diese Frage braucht hier jedoch nicht entschieden zu werden, da dem Hauptantrag aus einem anderen Grund nicht stattgegeben werden kann.

2.3. Bei der Ausführungsform des patentgemäßen Verfahrens, die z. B. in Figur 5 des Streitpatents dargestellt wird, erfolgt der Wärmeaustausch zwischen der nicht entspannten und der entspannten gasförmigen Fraktion außerhalb des Abscheiders 3 und die dabei auskondensierten Komponenten werden in den Abscheider zurückgeführt, nachdem sie auf dessen Temperatur erwärmt worden sind (siehe Streitpatent, Spalte 9, Zeilen 2 bis 9).

(STREITPATENT FIGUR 5 - TEILWEISE)

Diese Arbeitsweise entspricht im Prinzip der in Figur 1 der Druckschrift (3) dargestellten, bei der, wie die Parteien übereinstimmend vorgetragen haben, ebenso wie beim Streitpatent ein partiell kondensierter Gasstrom 12 zunächst einem Abscheider 13 zugeführt wird.

(DRUCKSCHRIFT 3, FIGUR 1)

Der den Abscheider durch Leitung 14 verlassende Gasstrom wird im Wärmetauscher (Dephlegmator) 27 teilweise kondensiert. Das Kondensat fließt durch Leitung 14 in den Abscheider 13 zurück. Aus Spalte 2, Zeilen 64 bis 67 der Beschreibung ergibt sich, daß das zurückfließende Kondensat etwa so kalt sein kann wie der dem Abscheider zugeführte teilweise kondensierte Gasstrom. Der Abscheider 13 der Druckschrift (3) kann also unter denselben Bedingungen betrieben werden wie der Abscheider 3. in Figur 5 des Streitpatents.

2.4. Die Beschwerdeführerin meint, der Abscheider 3 des Streitpatents müsse sich konstruktiv deshalb vom Abscheider 13 der Druckschrift (3) unterscheiden, weil in ersterem zwingend ein in Druckschrift (3) nicht erwähnter Stoffaustausch zwischen dem aufsteigenden Gasstrom und dem im Gegenstrom herabfließenden Kondensat stattfinde. Dies bedinge entweder den Einbau von Stoffaustauschböden, einer Schüttung oder dergleichen, wie in der Beschreibung des Streitpatents erwähnt, oder das Vorhandensein einer Sprüheinrichtung oder einer gleichwirkenden Vorrichtung zur Verteilung des zurückgeführten Kondensats über das Volumen des Abscheiders. Diese Auffassung findet jedoch in den Angaben des Streitpatents keine Stütze. Die in Figur 5 des Streitpatents gezeigten Stoffaustauschböden 33. sind gemäß Anspruch 3 und der Beschreibung, Spalte 8, Zeilen 58 bis 61 nur gegebenenfalls zur Unterstützung des Stoffaustauschs vorgesehen, stellen also keine zwingend vorgeschriebenen Merkmale des Abscheiders 3 dar. Der Stoffaustausch findet nach diesen Angaben der Beschreibung ausdrücklich mit dem herabfließenden Kondensat statt. Von irgendwelchen zwingend erforderlichen Vorrichtungen zur Beeinflussung dieses "Herabfließens" ist nirgendwo im Streitpatent die Rede. Auch gemäß Druckschrift (3) fließt das Kondensat aus dem Dephlegmator 27 durch die Leitung 14 in den Abscheider 13 herab (Spalte 2, Zeile 64 bis Spalte 3, Zeile 6). Das Verfahren nach Figur 5 des Streitpatents unterscheidet sich also weder durch strukturelle Merkmale des Abscheiders noch durch dessen Betriebsbedingungen vom Verfahren nach Figur 1 der Druckschrift (3). Im übrigen hat die Beschwerdeführerin nicht bestritten, daß zumindest dann, wenn die Temperatur des in den Abscheider 13. der Figur 1 der Druckschrift (3) zurückfließenden Kondensats niedriger ist als die Temperatur des diesem Abscheider durch Leitung 12 zugeführten partiell kondensierten Gasgemischs, was gemäß Druckschrift (3), Spalte 2, Zeilen 64 bis 67 gewöhnlich der Fall ist, im Abscheider 13 mindestens zwei Gleichgewichtsstufen im Sinne des Anspruchs 1 des Streitpatents auftreten müssen.

2.5. Bei isolierter Betrachtung des Wortlauts des geltenden Anspruchs 1 könnte man jedoch den Eindruck gewinnen, die Neuheit des Verfahrens nach diesem Anspruch ergebe sich gegenüber dem Verfahren nach Figur 1 der Druckschrift (3) daraus, daß bei ersterem die gesamte den in Anspruch 1 definierten Abscheider 3 verlassende gasförmige Fraktion der arbeitsleistenden Entspannung zugeführt wird. So ist Anspruch 1 des Streitpatents jedoch nicht zu verstehen, wie sich aus dem auf Anspruch 1 rückbezogenen Anspruch 7 und den Figuren 5 bis 7 des Streitpatents entnehmen läßt. Die Arbeitsweise nach Anspruch 1 des Streitpatents umfaßt daher auch Ausführungsarten, bei denen nur ein Teil des den Abscheider verlassenden Gasstroms der arbeitsleistenden Entspannung zugeführt wird. Dies hat die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung auch nicht bestritten. Da Anspruch 1 jedoch keinerlei Angaben darüber enthält, welcher Teil dieses Gasstroms arbeitsleistend entspannt werden soll bzw. welche Verfahrensschritte zwischen dem in Anspruch 1 definierten Abscheider und der arbeitsleistenden Entspannung durchlaufen werden können, verwirklicht auch die Arbeitsweise nach Figur 1 der Druckschrift (3) das entsprechende Merkmal des geltenden Anspruchs 1, obwohl bei diesem Verfahren der den Dephlegmator 27 verlassende Gasstrom 29 in einem weiteren Wärmetauscher 30 partiell kondensiert wird und nur die dabei kondensierten Anteile nach Abtrennung im Abscheider 32, Wiederverdampfung (Ventil 35, Wärmetauscher 30) und Vermischen mit dem Gasstrom 24 aus der Rektifiziersäule 16 und Wärmetausch im Dephlegmator 27 in der Turbine 40 arbeitsleistend entspannt werden.

2.6. Aus diesen Gründen finden die von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Unterschiede zwischen dem Verfahren nach dem Streitpatent und dem Verfahren nach Figur 1 der Druckschrift (3) in den Merkmalen des geltenden Patentanspruchs 1 keine Grundlage. Auf Unterschiede in den nur der Beschreibung und den Zeichnungen entnehmbaren Merkmalen konkreter Ausführungsformen kommt es jedoch bei der Beurteilung der Neuheit nicht an.

Das Verfahren nach Druckschrift (3), Figur 1 in Verbindung mit der zugehörigen Beschreibung (Spalte 2, Zeile 28 bis Spalte 7, Zeile 24) weist auch alle übrigen im geltenden Anspruch 1 enthaltenen Merkmale auf. Da dies nicht bestritten worden ist, braucht hierauf nicht im einzelnen eingegangen zu werden.

Das Verfahren nach dem geltenden Patentanspruch 1 ist somit nicht neu.

2.7. Es erübrigt sich deshalb, der Frage nachzugehen, ob Druckschrift (4), auf die sich die angefochtene Entscheidung stützt, das Verfahren nach Anspruch 1 des Streitpatents ebenfalls vorwegnimmt.

3. Hilfsantrag

3.1. In Anspruch 1 dieses Antrags ist zusätzlich zu den Merkmalen des erteilten Anspruchs 3 vorgeschrieben, daß die im dem Abscheider (3,48) nachgeschalteten Wärmetauscher (34,61) auskondensierte flüssige Phase im Gleichstom mit dem arbeitsleistend zu entspannenden Restgas aus dem Wärmetauscher geführt wird, anschließend in einem weiteren Abscheider abgetrennt und dann erst in den ersten Abscheider (3,48) zurückgeführt wird. Diese Arbeitsweise ist den Figuren 5 bis 7 des Streitpatents zu entnehmen und in der Beschreibung (Spalte 8, Zeile 62 bis Spalte 9, Zeile 2) näher erläutert. Der Ausdruck "im Gleichstrom", der dort nicht vorkommt, ist nur eine andere Umschreibung dieser Vorgehensweise. Da das genannte Merkmal den Umfang des erteilten Anspruchs 1 weiter einschränkt, erfüllt Anspruch 1 des Hilfsantrags die Erfordernisse des Artikels 123 (2) und (3) EPÜ. Die Ansprüche 2 bis 5 entsprechen den erteilten Ansprüchen 4 bis 7, in denen lediglich die erforderlichen Anpassungen an den geänderten Anspruch 1 vorgenommen worden sind.

3.2. Wie sich aus dem Vergleich der Arbeitsweisen nach Figur 5 des Streitpatents mit derjenigen nach Figur 1 der Druckschrift (3) und der technisch diesbezüglich identischen Figur 2 der Druckschrift (4) ergibt, fließt bei den Verfahren des Standes der Technik das Kondensat aus dem dem Abscheider nachgeschalteten Wärmetauscher durch die Leitung 14 bzw. 24 im Gegenstrom zum den Abscheider verlassenden Gasstrom in den Abscheider zurück (siehe hierzu auch Druckschrift (3), Spalte 2, Zeile 67 bis Spalte 3, Zeile 3 und Druckschrift (4), Spalte 3, Zeilen 45 bis 50). Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist daher gegenüber diesen Druckschriften neu. Da dies von den Beschwerdegegnerinnnen in der mündlichen Verhandlung nicht mehr bestritten wurde, erübrigen sich weitere Ausführungen hierzu.

3.3. Erfinderische Tätigkeit

Die Einspruchsabteilung hat sich zur Frage der erfinderischen Tätigkeit bisher nicht einmal im Hinblick auf die erteilten Patentansprüche geäußert. Die Beschwerdegegnerinnen haben zu erkennen gegeben, daß sie das nunmehr beanspruchte Verfahren, das sich vom Verfahren nach den erteilten Patentansprüchen durch Aufnahme eines Merkmals aus der Beschreibung unterscheidet, nicht für erfinderisch halten. In der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit besteht daher keine Übereinstimmung zwischen den Parteien. Die Kammer hat es daher nicht für angemessen gehalten, über die Frage der erfinderischen Tätigkeit unmittelbar und letztinstanzlich zu entscheiden, zumal die Kammer den Sachverhalt aufgrund des bisherigen Akteninhalts noch für weitgehend unaufgeklärt hält. Insbesondere liegen noch keinerlei Äußerungen der Parteien darüber vor, welche technische Aufgabe mit den technischen Merkmalen des Verfahrens nach den geltenden Ansprüchen gegenüber dem einschlägigen Stande der Technik glaubhaft gelöst und der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit zugrundegelegt werden soll. Es ist jedoch in erster Linie Sache der Einspruchsabteilung, die entsprechenden Feststellungen zu treffen. Daher macht die Kammer von der in Artikel 111(1) EPÜ vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch, die Sache zur Fortsetzung des Einspruchsverfahrens an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die erste Instanz zur Fortsetzung des Einspruchsverfahrens auf der Grundlage der Ansprüche 1 bis 5 in der Fassung des in der mündlichen Verhandlung überreichten Hilfsantrags zurückverwiesen.

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