T 0042/92 () of 29.11.1994

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1994:T004292.19941129
Datum der Entscheidung: 29 November 1994
Aktenzeichen: T 0042/92
Anmeldenummer: 89117500.2
IPC-Klasse: H01L 29/06
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: B
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Thyristor
Name des Anmelders: Asea Brown Boveri Aktiengesellschaft
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.4.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit nach Änderung (ja)
Offenbarungsgehalt einer vorveröffentlichten Patentschrift
Orientierungssatz:

Der als Stand der Technik zu würdigende Offenbarungsgehalt einer Patentschrift umfaßt nicht durch Anspruchsrückbeziehungen entstandene Merkmalskombinationen von Einzelmerkmalen, die aus patentrechtlichen Überlegungen in separaten Ansprüchen beansprucht wurden und deren Kombination in der Beschreibung keine Stütze findet oder gar - wie im vorliegenden Fall - in Widerspruch zu den in der Beschreibung stehenden Ausführungsbeispielen steht (vgl. Pkt. 3.4)

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0496/96
T 0525/99
T 0275/10
T 1570/10
T 2436/10
T 1658/12
T 1097/18

Sachverhalt und Anträge

I. Die europäische Patentanmeldung Nr. 89 117 500.2 wurde durch die am 14. August 1991 zur Post gegebene Entscheidung der Prüfungsabteilung zurückgewiesen.

II. Die Zurückweisung wurde damit begründet, daß dem Gegenstand des ursprünglich eingereichten Anspruchs 1 im Hinblick auf die Dokumente

D1: DE-A-2 812 658

D2: J.K. Ghandhi, Semiconductor Power Devices, J. Wiley and Sons-New York 1977, Seiten 56 - 72

D3: Patent Abstracts of Japan, Vol. 11, Nr. 271 (E-536) [2718], 3. September 1987

D4: EP-A-0 235 706

die aufgrund von Artikel 52 (1) und 56 EPÜ erforderliche erfinderische Tätigkeit fehle.

III. Der Beschwerdeführer hat gegen diese Entscheidung der Prüfungsabteilung am 19. September 1991 Beschwerde eingelegt und am 26. September 1991 die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung wurde mit dem am 4. Dezember 1991 eingegangenen Schriftsatz eingereicht. Gleichzeitig mit der Beschwerdebegründung wurde zum Stand der Technik eine weitere Druckschrift

D5: IEEE Transactions on Electron Devices, Vol. ED-27, No. 1, January 1980, Seiten 261 bis 265

genannt und ein neuer unabhängiger Anspruch 1 eingereicht.

IV. Aufgrund einer telephonischen Unterredung am 21. Januar 1994 zwischen dem Vertreter des Beschwerdeführers und dem Berichterstatter der Beschwerdekammer, bei der gewisse Mängel des seinerzeit gültigen Anspruchs 1 diskutiert wurden, reichte der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 3. Mai 1994 einen neuen Anspruch 1 und eine angepaßte Beschreibungseinleitung ein.

Der nunmehr gültige Anspruch 1 unterscheidet sich im wesentlichen von der durch die Prüfungsabteilung zurückgewiesenen Fassung durch folgende zusätzlichen Merkmale:

- die Isolationsdiffusionszone ist durch doppelseitige Trenndiffusion hergestellt, die einen bezüglich dieser Isolationsdiffusionszone konkaven (d. h. positiv gekrümmten) PN-Übergang erzeugt;

- für den Randabschluß des in Sperrichtung sperrenden PN-Übergangs sind keine weiteren Maßnahmen zur Erniedrigung der Oberflächenfeldstärke durchgeführt.

Der gültige und einzige unabhängige Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

"1. Thyristor mit

- einer ersten Hauptfläche (3) als Kathodenseite und einer zweiten Hauptfläche (4) als Anodenseite,

- einer zwischen diesen Hauptflächen (3, 4) liegenden Folge von Schichten von jeweils abwechselndem Leitungstyp,

- einer durch Isolationsdiffusion hergestellten Zone (2), die den Thyristor an seinem Rand abschließt, wobei die Randzone (2) vom gleichen Leitungstyp wie die an die zweite Hauptfläche (4) grenzende Schicht (5) ist, und die Isolationsdiffusionszone (2) durch doppelseitige Trenndiffusion hergestellt ist, die einen bezüglich dieser Isolationsdiffusionszone (2) konkaven pn-Übergang (6) erzeugt,

- einem in Sperrichtung sperrenden pn-Übergang (6) und einem in Blockierrichtung sperrenden pn- Übergang (10), die beide ohne Graben direkt an der ersten Hauptfläche (3) austreten,

dadurch gekennzeichnet, daß

- sowohl der in Sperrichtung als auch der in Blockierrichtung sperrende pn-Übergang (6, 10) auf der ersten Hauptfläche (3) mit einer Passivierungsschicht (11) abgedeckt ist,

- für den Randabschluß des blockierenden pn- Übergangs (10) feldbegrenzende Ringe (8) in der ersten Hauptfläche (3) angeordnet sind, die ebenfalls von der Passivierungsschicht (11) abgedeckt sind und daß

- für den Randabschluß des in Sperrichtung sperrenden pn-Übergangs (6) keine weiteren Maßnahmen zur Erniedrigung der Oberflächenfeldstärke durchgeführt sind."

V. Der Beschwerdeführer beantragt, die Zurückweisungsentscheidung der Prüfungsabteilung aufzuheben und die Erteilung eines Patents auf der Grundlage folgender Unterlagen zu beschließen:

- Beschreibung, Seiten 1 und 2, eingegangen am 4. Mai 1994 mit Schreiben vom 3. Mai 1994;

- Beschreibung, Seiten 3 bis 5 der ursprünglich eingereichten Beschreibung;

- Anspruch 1, eingegangen am 4. Mai 1994 mit Schreiben vom 3. Mai 1994;

- Anspruch 2, wie ursprünglich eingereicht;

- 1 Blatt Zeichnungen (Figuren 1 und 2) wie ursprünglich eingereicht.

Falls seinem Antrag nicht stattgegeben werden könne, beantragt der Beschwerdeführer die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung.

VI. Zur Stützung seines Antrags macht der Beschwerdeführer im wesentlichen folgende Argumente geltend:

- Die Offenbarung der zusätzlich in den Anspruch aufgenommenen Merkmale ergibt sich aus den beiden ursprünglich eingereichten Figuren und dem Gesamtoffenbarungsgehalt der ursprünglichen Unterlagen, insbesondere Seite 2, Absatz 1 bis Seite 3, letzter Absatz.

- Die Begründung der Prüfungsabteilung, daß die seinerzeit geltende Anspruchsfassung zwar einen Graben aber keine anderen feldbegrenzenden Maßnahmen an der Austrittsfläche des sperrenden PN-Übergangs ausschließe, trifft auf die nunmehr gültige Fassung des Anspruchs 1 nicht mehr zu.

- Die in der Zurückweisungsentscheidung gemachten Ausführungen (S. 6, Abs. 1, Z. 1 mit 8 von unten), wonach der Fachmann das aus D2 bekannte Beispiel eines zylindrischen PN-Überganges zur Abschätzung der Durchbruchspannung am in Sperrichtung sperrenden PN-Übergang heranziehen konnte, treffen für den gültigen, auf eine konkave Ausbildung des PN-Übergangs beschränkten Anspruch 1 nicht zu, weil in der Druckschrift D2 nur Aussagen für konvexe, d. h. "negativ" gekrümmte PN-Übergänge gemacht werden. Denn nur für solche PN-Übergänge ist eine Extrapolation auf Verhältnisse rj/W' > 1 erlaubt.

- Selbst wenn man unterstellt, daß die von der Prüfungsabteilung aus der Druckschrift D2 gezogenen Schlußfolgerungen auch für ein konkaves P-Trenndiffusionsgebiet zutreffen würden, wäre für ein praktisch ausgeführtes Bauelement die Höhe der Abbruchspannung allein noch nicht maßgebend, sondern von gleicher Bedeutung ist auch die Größe der Feldstärke an der Oberfläche (an der der PN-Übergang austritt), weil eine zu hohe Oberflächenfeldstärke zur Instabilität der Sperr-Charakteristik des Bauelements führt. Daher würden Überlegungen allein zur Abbruchspannung noch keine Änderung des Randabschlusses des PN-Überganges nahelegen.

- Auch kann man nicht behaupten, wie in der Zurückweisungsentscheidung ausgeführt ist, daß es "allgemein bekannt" sei, daß die Durchbruchspannung bei einem PN-Übergang (im Falle eines P+N-Übergangs) mit einer konkav ausgeführten P+-Zone (das Trenndiffusionsgebiet) höher ist als mit einer konvexen P+-Zone (der blockierende PN-Übergang), weil die Oberflächenfeldstärke an der Austrittsstelle des trenndiffundierten PN-Überganges mit wachsender Dicke des Bauelements ansteigt und sich der Feldstärke am parallelen PN-Übergang nähert. Dieser Sachverhalt würde den Fachmann als Folge dieser Erkenntnis geradezu veranlassen, feldbegrenzende Maßnahmen vorzusehen. Denn wenn Oberflächenfeldstärken von der Größenordnung der Volumenfeldstärke keine besonderen Maßnahmen erfordern würden, dann könnte man die zu den Hauptflächen eines Bauelements parallelen PN-Übergänge einfach an den dazu senkrechten Mantelflächen des Bauelements austreten lassen und müßte nicht, wie in der Praxis erforderlich, aufwendig herzustellende Randabschlüsse, wie Mesawinkel, Passivierungsgräben oder planare Passivierungssysteme, vorsehen.

Entscheidungsgründe

1. Offenbarung (Art. 123 (2) EPÜ)

Sämtliche Merkmale des zurückgewiesenen Anspruchs 1 sind im ursprünglichen Anspruch 1 bereits offenbart.

Die ursprüngliche Offenbarung der im gültigen Anspruch 1 neu hinzugekommenen Merkmale ergibt sich aufgrund folgender ursprünglicher Unterlagen:

- Daß die Isolationsdiffusion durch Trenndiffusion hergestellt ist, geht hervor aus Seite 2, Absatz 1, Zeilen 1 und 2, in Verbindung mit Seite 1, Absatz 1 und Absatz 2, Zeilen 1 und 2, wo ausdrücklich festgestellt wird, daß der erfindungsgemäße Thyristor nach dem Oberbegriff ein solcher ist, der nach dem Isolationsdiffusionsverfahren hergestellt ist, welches auch als Trenndiffusion bezeichnet wird (S. 2, Z. 2). Daß die Trenndiffusion "doppelseitig" ausgeführt wird, ergibt sich aus Seite 3, letzter Absatz, Zeilen 6 bis 8.

- Die bezüglich der Isolationsdiffusionszone "konkave" Ausbildung des PN-Überganges läßt sich unzweideutig aus den zwei Figuren der beiden Ausführungsbeispiele ableiten.

- Daß für den Randabschluß des in Sperrichtung sperrenden PN-Überganges "keine weiteren Maßnahmen" zur Erniedrigung der Oberflächenfeldstärke durchgeführt sind, ist herleitbar aus den letzten 7. Zeilen der Seite 3 und Seite 4, Absatz 5, wo festgestellt wird, daß bei völligem Verzicht auf einen Passivierungsgraben die am Ort des Austritts des sperrenden PN-Übergangs an der Oberfläche auftretende Feldstärke zwar höher als beim Austritt des PN-Übergangs in einen Graben ist, aber durch Abdecken mit der bekannten Passivierungsschicht beherrschbar ist, ohne daß andere Maßnahmen erwähnt werden. Im Gegensatz hierzu werden die feldbegrenzenden Maßnahmen zur Beherrschung der Oberflächen-Feldstärke am Austritt des in Blockierrichtung sperrenden PN-Übergangs für die Ausführungsbeispiele im Detail diskutiert und beschrieben; vgl. Seite 4, Absatz 1 und Seite 4, Absatz 6 bis Seite 5, Absatz 1.

Nach Auffassung der Kammer genügen somit die zusätzlich in den Anspruch aufgenommenen Merkmale den Erfordernissen des Artikels 123 (2) EPÜ.

2. Stand der Technik

2.1. Der Oberbegriff des Anspruchs 1 geht aus von einer Thyristorstruktur, wie sie in Figur 1f der in der Beschreibungseinleitung gewürdigten Druckschrift DE-A-2 900 747 dargestellt ist. Diese Druckschrift befaßt sich mit einem selektiven Diffusionsverfahren zur Herstellung einer doppelseitigen Trenndiffusion in Siliziumhalbleitern mittels in Grübchen auf der Halbleiteroberfläche abgeschiedenem Aluminium. Die Problematik, mittels welcher Maßnahmen die Feldstärke an der Austrittsstelle eines in Sperrichtung vorgespannten PN-Überganges an die Halbleiteroberfläche beherrscht werden kann, wird in dieser Druckschrift nicht angesprochen. Demzufolge werden in dieser Druckschrift auch keinerlei Randausbildungen von an die Oberfläche eines Halbleiterbauelements tretenden PN-Übergängen behandelt.

2.2. Die Druckschrift D1 befaßt sich in dem in Figur 6 gezeigten Ausführungsbeispiel mit einem Herstellungsverfahren für einen durch doppelseitige Trenndiffusion hergestellten Thyristor, dessen in Sperrichtung sperrender, an der Kathodenseite an die Oberfläche austretender PN-Übergang von einem in die Kathodenhauptoberfläche eingeätzten und passivierten Graben begrenzt ist, um die Oberflächenfeldstärke zu begrenzen.

2.3. Die Druckschrift D2 behandelt in Sperrichtung betriebene, zylindrische und sphärische PN-Übergänge, die am Austritt der PN-Übergänge an die Halbleiteroberfläche bezüglich des P-Gebietes konvex gekrümmt sind und für die Schutzmaßnahmen gegen die die Durchbruchfeldstärke übersteigenden Oberflächenfeldstärken untersucht werden. Als Schutzmaßnahmen werden feldbegrenzende Ringe als auch Feldplatten über der Austrittsstelle des PN-Überganges an die Halbleiteroberfläche behandelt. Die Frage, ob sich auch ohne feldbegrenzende Maßnahmen ausreichend hohe Sperrspannungen ohne Überschreitung der zulässigen Oberflächenfeldstärke erzielen lassen, wird in dieser Druckschrift nicht angesprochen.

2.4. Desgleichen behandelt die Druckschrift D3 die Verbesserung der Spannungsfestigkeit von an der Oberfläche austretenden PN-Übergängen einer planaren Transistorstruktur mittels Feldringen.

2.5. Schließlich behandelt die Druckschrift D4 eine Thyristorstruktur, bei der wenigstens ein an der Halbleiteroberfläche austretender PN-Übergang zum Schutze gegen zu hohe Oberflächenfeldstärken mit wenigstens einer polykristallinen Feldplatte geschützt wird. Gemäß dem Anspruch 1 dieser Patentanmeldung handelt es sich dabei nicht um eine Thyristor- sondern um eine Transistorstruktur, welche mit nur einer einzigen Feldplatte ausgestattet ist. Der Anspruch 2 fügt der mit einer Feldplatte ausgestatteten Transistorstruktur des Anspruchs 1 dann eine weitere Halbleiterzone des entgegengesetzten Leitfähigkeitstyps hinzu, um auch eine Thyristorstruktur in den Patentschutz einzubeziehen, deren beide durch zu hohe Oberflächenfeldstärken gefährdete PN-Übergänge gemäß Anspruch 3 mit einer weiteren Feldplatte abgedeckt werden. Somit sind - zur Erlangung eines möglichst weitreichenden Patentschutzes der in dieser Druckschrift offenbarten feldbegrenzenden Maßnahmen - die Einzelelemente der ins Auge gefaßten Halbleiterbauelemente in jeweils separate Anspruchsbegehren gefaßt worden.

3. Erfinderische Tätigkeit

Die Neuheit des Anmeldungsgegenstandes gegenüber dem entgegengehaltenen Stand der Technik steht außer Zweifel. Es ist daher zu untersuchen, ob der Gegenstand des gültigen Anspruchs 1 auf einer für die Erteilung eines Patents erforderlichen erfinderischen Tätigkeit beruht.

3.1. Ausgehend vom Stand der Technik gemäß der Druckschrift D4 liegt der Anmeldung die objektive Aufgabe zugrunde, einen nach der Planartechnik herstellbaren, isolationsdiffundierten Thyristor anzugeben, bei dem hinsichtlich des in Sperrichtung sperrenden PN-Überganges keine über die Abdeckung mit einer Passivierungsschicht hinausgehenden Maßnahmen zur Erniedrigung der Oberflächenfeldstärke erforderlich sind. Hierdurch soll eine besonders einfache Herstellbarkeit und eine hohe Sperrspannung ermöglicht werden; vgl. die Beschreibung, Seite 2, Absatz 3.

3.2. Die Beschwerdekammer folgt aus den nachstehenden Gründen nicht der Auffassung der Prüfungsabteilung, daß der Offenbarungsgehalt der Druckschrift D4 auch einen Thyristor umfaßt, dessen in Sperrichtung sperrender PN-Übergang nicht mit einer Feldplatte abgedeckt wäre.

Zwar muß der Prüfungsabteilung zugestimmt werden, daß durch die - rein formal gesehene - Zusammenziehung des sich auf einen Transistor mit einer Feldplatte beziehenden Anspruchs 1 mit dem Anspruch 2, der dem Anspruch 1 eine weitere Halbleiterzone des entgegengesetzten Leitfähigkeitstyps hinzufügt, eine Thyristorstruktur entsteht, bei der lediglich der in Blockierrichtung sperrende PN-Übergang mit einer Feldplatte ausgestattet wäre, wobei über Schutzmaßnahmen für den nunmehr in Sperrichtung sperrenden weiteren PN-Übergang keine explizite Aussage gemacht wird. Diese aus der Kombination zweier Ansprüche entstandene Thyristor-Struktur ist jedoch aufgrund schutzrechtlicher und nicht technischer Überlegungen entstanden. Nur durch eine isolierte Herauslösung der Ansprüche 1 und 2 aus dem Gesamtzusammenhang der Druckschrift D4 und unter Ignorierung des Anspruchs 3 und sämtlicher Ausführungsbeispiele ließe sich nämlich gedanklich ein Thyristor konstruieren, bei dem der in Sperrichtung auf der ersten Hauptfläche austretende PN-Übergang mit einer Passivierungsschicht abgedeckt wäre und bei dem keine weiteren Maßnahmen zur Erniedrigung der Oberflächenfeldstärke durchgeführt wären. Die vier unterschiedlichen Ausführungsbeispiele von D4 beziehen sich ausnahmslos auf eine Thyristorstruktur, bei der sowohl der in Sperrichtung als auch der in Blockierrichtung sperrende PN-Übergang an seiner an die Oberfläche tretenden Stelle mit einer Feldplatte überdeckt ist. An keiner Stelle der gesamten Beschreibung wird jedoch in Erwägung gezogen, die die Oberflächenfeldstärke herabsetzende Feldplatten-Maßnahme wegzulassen. Insbesondere wird auch im letzten Absatz der Beschreibung (Sp. 6, Z. 29 - 33), wo zum ersten Mal und einzigen Mal in der Beschreibung auf den Ersatz einer Thyristorstruktur durch eine Transistorstruktur hingewiesen wird, mit keinem Wort die Möglichkeit der Weglassung der zweiten Feldplatte erwähnt. Obwohl die Beschreibung der Druckschrift D4 auf andere, zum Teil nicht einmal in den Figuren gezeigte Alternativformen zu den gezeigten Ausführungsbeispielen eingeht (vgl. beispielsweise Sp. 5, Z. 26 - 32), wird das Weglassen einer der beiden Feldplatten als Alternative nicht erwähnt.

3.3. Der die gesamte Druckschrift studierende Halbleiter-Fachmann sieht daher die die Druckschrift prägende technische Lehre, die insbesondere durch die Beschreibung und die Ausführungsbeispiele vermittelt wird, darin, daß zur Herabsetzung der Oberflächenfeldstärke die an einer Oberfläche austretenden sperrenden PN-Übergänge mit einer Feldplatte zu überdecken sind. Die Beschwerdekammer ist daher der Auffassung, daß die dem Fachmann beim Studium dieser Druckschrift vermittelte Lehre darin zu sehen ist, sowohl den in Blockierrichtung als auch den in Sperrichtung sperrenden PN-Übergang mit einer Feldplatte dort zu überdecken, wo der PN-Übergang an die Halbleiteroberfläche tritt. Hingegen stellt die sich aus der Schutzdefinition des Anspruchs 2 des Dokuments D4 ergebende fehlende Feldplatte über dem sperrenden PN-Übergang nach Auffassung der Beschwerdekammer eine künstlich-theoretische, in Kenntnis der Erfindung rückblickend vorgenommene Auslegung des technischen Offenbarungsgehalts dieser Druckschrift dar, die nicht als Stand der Technik zu würdigen ist.

3.4. Entsprechend der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA umfaßt der Offenbarungsgehalt einer vorveröffentlichten Patentschrift als Stand der Technik gemäß Artikel 54 (2) EPÜ nur diejenigen Merkmale, die ein Fachmann des betreffenden technischen Gebietes dem Gesamtdokument widerspruchsfrei entnimmt. Der als Stand der Technik zu würdigende Offenbarungsgehalt einer Patentschrift umfaßt jedoch nicht durch Anspruchsrückbeziehungen entstandene Merkmalskombinationen von Einzelmerkmalen, die aus patentrechtlichen Überlegungen in separaten Ansprüchen beansprucht wurden und deren Kombination in der Beschreibung keine Stütze findet oder gar - wie im vorliegenden Fall - in Widerspruch zu den in der Beschreibung stehenden Ausführungsbeispielen steht.

3.5.1. Die Druckschrift D1 beschreibt einen mittels doppelseitiger Trenndiffusion hergestellten Thyristor, dessen in Sperrichtung sperrender, an der Kathodenseite an die Oberfläche austretender PN-Übergang von einem in die Kathodenhauptoberfläche eingeätzten und passivierten Graben begrenzt ist. Erklärtes Ziel dieser Maßnahme ist, die Oberflächenfeldstärke zu begrenzen.

3.5.2. Die Druckschrift D2 untersucht die Durchbruchspannung von bezüglich des P-Gebietes konvex gekrümmten PN-Übergängen sphärischer und zylindrischer Ausbildung (S. 61, Fig. 2.16). Sodann werden mögliche Schutzmaßnahmen zur Begrenzung der Oberflächenfeldstärke wie eindiffundierte feldbegrenzende Ringe (S. 64, Fig. 2.18 und 2.19) als auch die Abdeckung des an die Oberfläche tretenden PN-Überganges mit einer Feldplatte (S. 67, Fig. 2.21) untersucht. All diese Untersuchungen beziehen sich nur auf konvex gekrümmte P-Gebiete. Diese Beschränkung geht auch klar hervor aus der vom Beschwerdeführer eingereichten Druckschrift D5, die später als die Druckschrift D2 veröffentlicht wurde und in der erstmals konkave PN-Übergänge untersucht werden; vgl. Seite 261, rechte Spalte, zweiter Absatz, letzter Satz der Druckschrift D5. Insofern ist dem Beschwerdeführer zuzustimmen, daß die Argumentation der Prüfungsabteilung bezüglich der Druckschrift D2 ins Leere geht, da eine Extrapolation auf Werte rj/W' > 1 für D2 nicht zulässig ist.

3.5.3. Auch die Druckschrift D3 bezieht sich auf die Verbesserung der Spannungsfestigkeit von Halbleiterbauelementen, insbesondere Transistoren, mittels eindiffundierten feldbegrenzenden Schutzringen, die zusätzlich mit einer unter hohem Druck aufgebrachten doppellagigen Oxidschicht abgedeckt werden.

3.6. Keiner einzigen der unter 3.5.1 bis 3.5.3 genannten Druckschriften können irgendwelche Hinweise entnommen werden, auf Maßnahmen zu verzichten, die die Oberflächenfeldstärke an den Stellen herabsetzen, wo die sperrenden PN-Übergänge an die Oberfläche treten. Daher ist die Beschwerdekammer der Auffassung, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 durch den nachgewiesenen Stand der Technik nicht nahegelegt wird. In allen im Verfahren befindlichen Druckschriften werden Maßnahmen zur Herabsetzung der Oberflächenfeldstärke für notwendig erachtet und ausführlich diskutiert, so daß der Fachmann geradezu animiert wird, wenigstens eine der bekannten Maßnahmen zu ergreifen.

3.7. Daher bedarf es nach Auffassung der Beschwerdekammer einer erfinderischen Tätigkeit, um vom vorgezeichneten Weg gemäß dem nachgewiesenen Stand der Technik abzuweichen und den in Sperrichtung sperrenden PN-Übergang lediglich als konkave Trenndiffusion, aber ohne weitere Maßnahme zur Erniedrigung der Oberflächenfeldstärke auszuführen.

Aufgrund dieser Merkmale weist der Thyristor gemäß dem Anspruchs 1 den Vorteil auf, daß er technisch besonders einfach herstellbar ist, da sämtliche Diffusionsschritte von einer planaren Oberfläche aus durchführbar sind, wodurch die Ausrichtung der entsprechenden Masken sehr vereinfacht wird, und da keinerlei Gräben in diese Oberfläche geätzt werden müssen. Auch zusätzliche Schritte für die Aufbringung von Feldplatten, sei es in Form von polykristallinen Si-Schichten oder in Form von metallischen Schichten, sind nicht erforderlich.

3.8. Es kann somit dahingestellt bleiben, ob das weitere Unterscheidungsmerkmal des Anspruchs 1 gegenüber den nächstkommenden Druckschriften D1 und D4, den Randabschluß des blockierenden PN-Überganges mit feldbegrenzenden Ringen anstelle eines Grabens gemäß D1 oder anstelle einer Feldplatte gemäß D4 auszustatten, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

3.9. Der Gegenstand des Anspruchs 1 genügt somit den Erfordernissen des Artikels 56 EPÜ.

4. Der vom gewährbaren Anspruch 1 abhängige Anspruch 2 ist auf eine besondere Ausgestaltung des Gegenstands nach Anspruch 1 gerichtet und deshalb ebenfalls gewährbar.

5. Da der Zurückweisungsgrund mangelnder erfinderischer Tätigkeit im Hinblick auf die nunmehr gültige Fassung der Ansprüche nicht mehr gegeben ist, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Anordnung, ein Patent aufgrund der Beantragten Unterlagen (vgl. Punkt V) zu erteilen.

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