T 1097/18 () of 4.9.2020

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2020:T109718.20200904
Datum der Entscheidung: 04 September 2020
Aktenzeichen: T 1097/18
Anmeldenummer: 10703800.2
IPC-Klasse: B42D15/00
B42D25/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Optisch variables Sicherheitselement
Name des Anmelders: Giesecke+Devrient Mobile Security GmbH
Name des Einsprechenden: CCL Secure Pty Ltd
Bundesdruckerei GmbH
Kammer: 3.2.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54(1) (2007)
European Patent Convention Art 100(a) (2007)
European Patent Convention Art 100(b) (2007)
European Patent Convention Art 100(c) (2007)
RPBA2020 Art 011 (2020)
Schlagwörter: Ausführbarkeit (ja)
Unzulässige Erweiterung (nein)
Neuheit gegenüber der Druckschrift E1 (ja)
Zurückverweisung an die erste Instanz zur weiteren Entscheidung
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0042/92
T 3247/19
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Patentinhaberin hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das europäische Patent Nr. 2 391 512 zu widerrufen, Beschwerde eingelegt.

Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass die erteilten Ansprüche nicht neu waren, dass der Gegenstand des Hilfsantrags 1 nicht klar und der Gegenstand des Hilfsantrags 2 nicht neu war, und dass alle weiteren Hilfsanträge nicht zulässig waren.

II. Von den von der Einspruchsabteilung berücksichtigten Druckschriften sind vor allem die Druckschriften E1 (WO 2006/102700 A1) und E3 (Auszug aus Rudolf L. van Renesse, "Optical Document Security", Artech House, Boston, 2005, pp. 85-86, 176-178 und 223-260) für das Beschwerdeverfahren relevant.

III. Die mündliche Verhandlung vor der Kammer fand am 4. September 2020 statt. Wie angekündigt, nahm die Beschwerdegegnerin I nicht an der Verhandlung teil.

IV. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte, die angefochtene Entscheidung dahingehend aufzuheben, dass der Hauptantrag neu ist, hilfsweise, dass der Hilfsantrag 1 klar ist, weiter hilfsweise, dass der Hilfsantrag 2 neu ist, weiter hilfsweise, dass die Hilfsanträge 3 bis 7 zulässig sind, und das Verfahren im Übrigen an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen.

Die Beschwerdegegnerinnen (Einsprechende) beantragten die Zurückweisung der Beschwerde.

V. Die Ansprüche 1 und 12 des Patents (Hauptantrag) lautet wie folgt (für Anspruch 1 ist die Merkmalsgliederung der Kammer in eckigen Klammern angegeben):

"1. [A] Optisch variables Sicherheitselement zur Absicherung von Datenträgern (10), [B] in das durch Einwirkung von Laserstrahlung visuell erkennbare Kennzeichnungen (16, 18) in Form von Mustern, Zeichen oder einer Kodierung eingebracht sind, dadurch gekennzeichnet, dass [C] das Sicherheitselement eine optisch variable Aufzeichnungsschicht (22) mit einem ersten Kippeffekt enthält, [D] die zumindest teilweise mit einem Oberflächenrelief in Form eines Linsenrasters (26) versehen ist, wobei [E] zumindest erste und zweite Kennzeichnungen (16, 18) mit Laserstrahlung aus unterschiedlichen Richtungen (30, 32) durch das Linsenraster hindurch in die optisch variable Aufzeichnungsschicht eingebracht sind, [F] die bei der Betrachtung jeweils aus denselben Richtungen erkennbar sind und einen weiteren Kippeffekt bilden."

"12. Verfahren zum Herstellen eines optisch variables [sic] Sicherheitselements zur Absicherung von Datenträgern, bei dem durch Einwirkung von Laserstrahlung visuell erkennbare Kennzeichnungen in Form von Mustern, Zeichen oder einer Kodierung eingebracht werden, dadurch gekennzeichnet dass

- eine optisch variable Aufzeichnungsschicht mit einem ersten Kippeffekt zumindest teilweise mit einem Oberflächenrelief in Form eines Linsenrasters versehen wird; und

- zumindest erste und zweite Kennzeichnungen mit Laserstrahlung aus unterschiedlichen Richtungen durch das Linsenraster hindurch in die optisch variable Aufzeichnungsschicht eingebracht werden, die bei der späteren Betrachtung des Sicherheitselements jeweils aus denselben Richtungen erkennbar sind und einen weiteren Kippeffekt bilden."

VI. Die Beschwerdegegnerin I (Einsprechende 1) hat sich im Beschwerdeverfahren nicht zur Sache geäußert. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) und die Beschwerdegegnerin II (Einsprechende 2) trugen Folgendes vor:

a) Auslegungsfragen

i) Beschwerdeführerin (Patentinhaberin)

Der Begriff "Linsenraster" sei mit lenticular grid zu übersetzen (siehe Patent, englische Fassung des Patentanspruchs 1). In der Druckschrift E1 werde stets von einem Feld (array) gesprochen, welches so keinen Kippeffekt hervorbringen würde. Ein Feld (array) sei derart zu verstehen, dass in einer Draufsicht ein schachbrettartiges Muster entsteht, wobei in jedem Feld kreisrunde Linsen angeordnet sind. Somit handle es sich also um eine Vielzahl einzelner Linsen, welche jeweils nebeneinander angeordnet würden. Ein Raster (bzw. im Englischen ein grid) hingegen sei eine Anordnung länglicher Linsen, wie es die Fig. 1 des Patents vorsehe.

Der Anspruch 1 verlange, dass es eine optisch variable Aufzeichnungsschicht mit einem ersten Kippeffekt gebe (Merkmal C), und dass ein zweiter Kippeffekt entstehe mittels Kennzeichnungen, die in die Aufzeichnungs-schicht eingebracht werden (Merkmal E) und die in Verbindung mit einem Linsenraster einen zweiten Kippeffekt erzielen (Merkmale F und D). Eine solche Aufzeichnungsschicht sei aber in der Druckschrift E1 nicht offenbart.

Zur Auslegung des Begriffs "Kippeffekt" sei festzustellen, dass die Beschreibung zumindest im Zusammenhang mit dem "weiteren Kippeffekt" klar mache, dass zwischen zwei oder mehreren diskreten Bilder hin- und hergekippt werde. Das in der Druckschrift E1 genannte Iriodin führe aber nicht zu einem Kippeffekt in diesem Sinne, da es nur eine winkelabhängige Änderung der Farbe bewirken könne. Der Anspruch verwende zweimal denselben Begriff "Kippeffekt"; es sei nicht zulässig, ihm zwei verschiedene Bedeutungen zuzuschreiben.

ii) Beschwerdegegnerin II (Einsprechende 2)

Es sei nicht richtig, dass ein array of microlenses kein Linsenraster im Sinne des Patents sei. Der Begriff "Linsenraster" des Patents beinhalte eine regelmäßige Struktur bestehend aus einer Vielzahl von Linsen. Der Begriff "Raster" sei ursprünglich in der Fernsehtechnik verwendet worden und bezeichne die Gesamtheit der Punkte, aus denen sich ein Fernsehbild zusammensetzt. Diese Punkte seien regelmäßig in Spalten und Zeilen angeordnet. Eine solche Anordnung umfasse auch der Begriff "Linsenraster" in Merkmal D des Anspruchs 1, wobei anstelle von Punkten Linsen vorgesehen seien. Das Patent enthalte keine andere Definition. Die Fig. 1 und 2 des Patents würden ein "Linsenraster" mit einer Vielzahl von parallelen Zylinderlinsen zeigen, wobei jede Zylinderlinse eine Zeile des Rasters ausbilde. Alle Zylinderlinsen der jeweiligen Figur zusammen würden eine einzige Spalte des Rasters bilden. Somit würden auch die Abbildungen die oben genannte Auslegung des Begriffs "Linsenraster" stützen. Im Patent würden zudem in Absatz [0013] als Linsenraster "Zylinderlinsen und/oder sphärische Linsen" genannt und verschiedene Anordnungen für Zylinderlinsen angegeben, wobei die Achse der Zylinderlinsen geradlinig oder geschwungen verlaufen bzw. ein vertikales oder horizontales Linsenraster ausbilden könne. Die Auffassung, dass das Linsenraster lediglich Zylinderlinsen in einer Anordnung beinhalte, die in Fig. 1 und 2 gezeigt ist, entspreche nicht der Bedeutung des Worts "Raster" und den Angaben in Absatz [0013] des Patents, insbesondere nicht der Ausführung des Linsenrasters mit sphärischen Linsen. Der Begriff sei weiter auszulegen.

Zur Auslegung des Begriffs "Kippeffekt" verwies die Beschwerdegegnerin II auf die Ausführungen in Punkt 5.2 des Ladungsbescheids der Kammer (siehe Punkt der Entscheidungsgründe unten). Etwas anderes sei dem Anspruchswortlaut nicht zu entnehmen. Der Anspruch sei bewusst breit gehalten, weil der Verfasser eine Vielzahl von optischen Effekten erfassen wollte.

b) Hauptantrag: Ausführbarkeit

i) Beschwerdegegnerin II (Einsprechende 2)

Die erstinstanzlichen Beanstandungen zu den Ansprüchen 1, 6 und 10 der erteilten Fassung hinsichtlich Artikel 83 EPÜ würden aufrecht erhalten (Verweis auf die erstinstanzlichen Schriftsätze vom 6. Februar 2015 und 13. September 2017). Darüber hinaus entspreche der Gegenstand von Anspruch 3, welcher die Ausführungsform "Mattstruktur" als optisch variable Aufzeichnungsschicht beinhalte, ebenfalls nicht den Bestimmungen des Artikels 83 EPÜ. In der Beschreibung des Patents fänden sich keinerlei Angaben, wie eine "Mattstruktur" als optisch variable Aufzeichnungsschicht mit einem Kippeffekt realisiert werde. Es sei insbesondere nicht ersichtlich, wie eine Schicht als Struktur ausgeführt werden könne. Eine entsprechende Strukturierung sei in der Beschreibung nicht angegeben. Weiters werde nicht erläutert, wie eine solche Struktur beschaffen sein müsse, damit der erste Kippeffekt verwirklicht werde. In der Beschreibung des Patents werde die angeblich vorhandene Möglichkeit in den Absätzen [0010] und [0028] lediglich erwähnt, ohne dass der Aufbau bzw. die Zusammensetzung des Sicherheitselements im Detail beschrieben werde. Darüber hinaus sei nicht ersichtlich, wie sich eine "Mattstruktur" von einer "diffraktiven Beugungsstruktur" unterscheide (siehe die Absätze [0010] und [0028] und den Anspruch 3 des Patents). Der Begriff "Mattstruktur" sei kein Begriff, der in der Fachwelt eine genau definierte Bedeutung besitze. Er könnte als Struktur verstanden werden, die nicht glänze, also matt sei. Bei glänzenden Strukturen sei der Glanz häufig in einem bestimmten Winkelbereich für den Betrachter sichtbar, so dass mit diesem Verhalten der Kippeffekt verbunden werden könne. Für eine "matte" Struktur sei eine derartige Winkelabhängigkeit weder üblich, noch sei sie aus den Angaben des Patents ersichtlich. Die Beschwerdeführerin gebe lediglich an, dass "nicht völlig ausgeschlossen" sei, "dass sich hier ein optisch variabler Effekt ergibt". Dies sei jedoch für das Kriterium der Ausführbarkeit gemäß Artikel 83 EPÜ nicht ausreichend. Ferner werde im Patent nicht erläutert, wie in eine solche Struktur durch ein Linsenraster hindurch erste und zweite Kennzeichnungen mittels Laserstrahlung derart eingebracht werden könnten, dass ein weiterer Kippeffekt entstehe. Wenn der Begriff "Mattstruktur" als "matte" Struktur (nichtglänzende Struktur) verstanden werde, sei insbesondere aus der Beschreibung des Patents nicht ersichtlich, wie der Laserstrahl mit der Struktur der Mattstruktur wechselwirke. Bei einer "matten" Erscheinung eines Elements würden die diffuse Reflexion bzw. die starke Absorption des einfallenden Lichts häufig eine Rolle spielen. Wenn die optisch variable Schicht eine Struktur beinhalte, die diffus reflektiere und/oder stark absorbiert werde, dann könnte ein solches Verhalten für das Einschreiben von ersten und zweiten Kennzeichnungen in die optisch variable Schicht hinderlich sein. Das Patent enthalte hierzu keine Angaben. Nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern zu Artikel 83 EPÜ reiche die Offenbarung eines einzigen Wegs zur Ausführung der Erfindung nur dann aus, wenn sie die Ausführung der Erfindung im gesamten beanspruchten Bereich ermöglicht und es nicht nur erlaube, zu einigen Mitgliedern der beanspruchten Klasse zu gelangen. Der Fachmann solle durch die Beschreibung in die Lage versetzt werden, im Wesentlichen alle in den Schutzbereich der Ansprüche fallenden Ausführungsarten nacharbeiten zu können. Dies gelte auch für die in den erteilten Ansprüchen 3, 6 und 10 definierten Bereiche der Erfindung und somit auch für die entsprechenden Teile des Schutzbereichs des Anspruchs 1. Die Erläuterungen der Einspruchsabteilung in Abschnitt 2 der Entscheidungsbegründung seien auf die Argumente zu den Ansprüchen 1, 6 und 10 nicht eingegangen. Die Begründung habe sich mit den technischen Erörterungen zu Artikel 83 bzw. 100 b) EPÜ überhaupt nicht auseinandergesetzt. Sie habe lediglich vorgebracht, dass "die wesentlichen Merkmale der Erfindung auch in den unabhängigen Ansprüchen definiert werden sollten, wobei die abhängigen Ansprüche weitere Ausführungsformen enthalten", sodass "eine fehlende Offenlegung in abhängigen Ansprüchen nicht als mangelnde Offenbarung im Sinne von Art. 83 EPÜ angesehen" werden könne. Die Einspruchsabteilung habe ausgeführt, dass die Einwände eigentlich die Klarheit (Artikel 84 EPÜ) beträfen. Somit sei die Entscheidung aufgrund der fehlenden Erörterung der technischen Argumente zu den Ansprüchen 6, 10 und somit auch zu Anspruch 1 nicht ausreichend im Sinne von Regel 111 (2) EPÜ begründet.

ii) Beschwerdeführerin (Patentinhaberin)

Die Tatsache, dass das Merkmal einer matten Struktur nicht üblich sei, wäre im Rahmen der erfinderischen Tätigkeit zu diskutieren. Ein solches Merkmal sei tatsächlich unüblich, jedoch in jedem Fall ausführbar. Wie eine solche Mattstruktur auszugestalten sei, werde dem Fachmann ausgehend von der bereitgestellten technischen Lehre klar, da er sogar mehrere Möglichkeiten habe, ein solches Merkmal zu verwirklichen. Eine Mattstruktur könne bezüglich des Grads der Lichtabsorption derart variiert werden, dass sich hieraus eine optisch variable Aufzeichnungsschicht ergebe. So unterscheide sich eine matte Struktur von einer glänzenden Struktur durch den Grad der Absorption, wobei nicht völlig ausgeschlossen sei, dass sich ein optisch variabler Effekt ergebe. So könne selbst eine matte Struktur Licht zurückwerfen, wobei hier eine Einschränkung dahingehend bestehe, dass die Reflexionsmöglichkeit eher im diffusen Bereich liege und keine Spiegelung geschaffen werde, wie es bei einer reflektierenden Schicht der Fall sei. Somit könne generell auch eine matte Struktur als eine optisch variable Aufzeichnungsschicht vorliegen. Darüber hinaus umfasse das Merkmal "Mattstruktur" auch eine Struktur, die es ermögliche, eine optisch variable Aufzeichnungs-schicht zu schaffen. Unbestritten ergebe sich ein optischer Effekt aus der Struktur derart, dass unterschiedliche Oberflächengegebenheiten einen unterschiedlichen optischen Effekt hervorrufen. Der Fachmann kenne unzählige Gestaltungsmöglichkeiten, um eine optisch variable Struktur zu schaffen. Allein durch die Struktur an sich werde der Lichteinfall moderiert, und somit könne es sich eben auch um ein optisch variables Element handeln. Kippeffekte könnten z.B. derart hervorgerufen werden, dass mittels Lasers eine Karbonisierung geschaffen wird, die sich von der übrigen Mattstruktur abhebt. Es gebe unzählige Gestaltungsmöglichkeiten, wie der Laser z.B. winkelabhängig eingebracht werde bzw. auch wie hoch der Grad der Karbonisierung sei. All das könne mittels der Intensität des Lasers, also der Höhe des Energieeintrags, bestimmt werden. Insgesamt stelle die vorgebrachte Argumentation auf die Klarheit des Anspruchswortlauts ab, was jedoch nicht zulässig sei.

c) Hauptantrag: Unzulässige Erweiterung

i) Beschwerdegegnerin II (Einsprechende 2)

Im Hinblick auf das Merkmal C des Anspruchs 1 habe die Einspruchsabteilung in Abschnitt 3 der Entscheidungsbegründung auf die Offenbarung auf Seite 3, Zeilen 3 bis 5, der ursprünglichen Anmeldung verwiesen. Bei einer Gegenüberstellung der ursprünglich offenbarten Merkmale und des Merkmals C des Anspruchs 1 ergebe sich Folgendes:

FORMULA/TABLE/GRAPHIC

Der in der ursprünglichen Offenbarung angesprochene Kippeffekt (der zusätzlich zu dem bekannten Kippeffekt des durch Einschreiben durch das Linsenraster entstehende Laserkippbilds vorhanden sein soll) werde ganz abstrakt als Kippeffekt "eines optisch variablen Merkmals" beschrieben, ohne dass erläutert werde, welche Elemente des Sicherheitselements diesen Kippeffekt erzeugen und wie dieser Kippeffekt zustande komme. Dies ergebe sich insbesondere aus der Verwendung des Begriffs "Merkmals" in der ursprünglichen Offenbarung, das weder allein noch in Zusammenhang mit einem der Elemente Linsenraster, optisch variable Aufzeichnungsschicht, Sicherheitselement oder einem anderen Element des Sicherheitselements definiert sei. Insbesondere ergebe sich aus der ursprünglichen Offenbarung nicht, dass der zweite Kippeffekt lediglich mit der optisch variablen Aufzeichnungsschicht verbunden sei. Demgegenüber beinhalte das Merkmal C des Anspruchs 1 die Definition, dass der erste Kippeffekt mit der optisch variablen Aufzeichnungsschicht (und nur mit ihr) verknüpft sei ("optisch variable Aufzeichnungsschicht mit einem ersten Kippeffekt"). Hieraus ergebe sich, dass die ursprüngliche Beschreibung auf Seite 3, Zeilen 1 bis 5, das Merkmal C des Anspruchs 1 nicht unmittelbar und eindeutig offenbart. Anspruch 1 entspreche somit nicht den Anforderungen von Artikel 123 (2) EPÜ. Gleiches gelte analog auch für das gleichlautende Merkmal des Anspruchs 12 und somit für Anspruch 12 sowie, durch den Rückverweis auf die Ansprüche 1 und 12, für den Anspruch 15.

Die Beschwerdeführerin habe lediglich vorgetragen, dass der Fachmann die ursprüngliche Offenbarung "mit dem Ziel lesen" würde, "diese auch zu verstehen und eben nicht diese derart missinterpretieren, dass in der zitierten Fundstelle keine hinreichende Offenbarung findet". Dies stelle keine ausreichende Begründung dafür dar, dass das Merkmal C unmittelbar und eindeutig in der ursprünglichen Beschreibung auf Seite 3, Zeilen 3 bis 5 offenbart ist.

ii) Beschwerdeführerin (Patentinhaberin)

Der erste Absatz auf Seite 3 der ursprünglichen Anmeldung liefere eine unmittelbare und eindeutige Offenbarung von Merkmal C. Insbesondere beziehe sich das optisch variable Merkmal stets auf die optisch variable Aufzeichnungsschicht, da dieser Satz gar nicht anders ausgelegt werden könne. Der Fachmann würde die Beschreibung mit dem Ziel lesen, diese auch zu verstehen und sie nicht derart missverstehen, dass in der zitierten Fundstelle keine hinreichende Offenbarung bestehe.

d) Hauptantrag: Neuheit des Gegenstands von Anspruch 1 und 12 gegenüber der Druckschrift E1

i) Beschwerdeführerin (Patentinhaberin)

Der Gegenstand von Anspruch 1 unterscheide sich von der Offenbarung der Druckschrift E1 zumindest durch die Merkmale C und D.

Merkmal C

Die Druckschrift E1 offenbare nicht, dass das Sicherheitselement eine optisch variable Aufzeichnungsschicht mit einem ersten Kippeffekt enthält. Die Einspruchsabteilung gehe davon aus, dass das Element Iriodin ein optisch variables Element sei, das auch der Aufzeichnungsschicht eine solche optische Variabilität vermitteln könne. Dies sei nicht richtig. Im Lichte des Merkmals C sei davon auszugehen, dass die Aufzeichnungsschicht derart optisch variabel sein müsse, dass es zu einem ersten Kippeffekt kommt. Es sei der Druckschrift E1 nicht zu entnehmen, dass Iriodin tatsächlich einen Kippeffekt hervorruft. Auf Seite 13, Zeilen 1 bis 11, werde beschrieben, dass eine Einfärbung mit Iriodin derart erfolge, dass eine Karbonisierung mittels eines Lasers stattfinde. Eine solche Karbonisierung sei permanent und rufe gerade keine optische Variabilität hervor. Die Offenbarung auf Seite 6, Zeilen 24 bis 27, der Druckschrift E1 und insbesondere die Fig. 7 und 8, würden den Fachmann geradezu vom erfindungsgemäßen Beitrag wegführen. Das gezeigte Sicherheitselement umfasse Merkmale, welche betrachtungswinkelabhängig ihr Erscheinungsbild ändern (Kängurus 51 und 52). Die beiden Bilder würden also einen ersten Kippeffekt bewirken. Der weitere Kippeffekt würde durch die beiden Kennzeichnungen 51 und 52 geschaffen, aber das weitere Bild 50 sei statisch (siehe auch Seite 6, Zeile 25: fixed image) Der Fachmann werde vom erfindungsgemäßen Beitrag weggeführt, da explizit ein starres Bild gelehrt werde. Somit bestehe für den Fachmann keinerlei Veranlassung, eine optisch variable Aufzeichnungsschicht mit einem ersten Kippeffekt bereitzustellen. Auch Seite 8, Zeilen 21 bis 25, offenbare keine solche Schicht.

Die Druckschrift E3, die das Fachwissen dokumentieren solle, offenbare nicht, dass es sich bei Iriodin um ein optisch variables Pigment handelt. Sie führe vielmehr von einer solchen Auslegung weg. Generell lehre die Druckschrift E3 (Seite 227, Zeile 9), dass sogenannte pearl luster pigments lediglich einen schwachen optischen Effekt liefern, der sogar vernachlässigbar ist (Seite 227, Zeile 12 und Seite 228, Zeile 6: negligible). Das Patent hingegen lehre ganz klar, dass das Unterscheidungsmerkmal C wesentlich ist. Seine technischen Effekte seien z.B. im Absatz [0021] angegeben. Hier finde der Fachmann auch, wie er ein entsprechendes Merkmal zu deuten habe, nämlich derart, dass sich dieses Merkmal derart auswirkt, dass neben der Fälschungssicherheit eben auch der Aufmerksamkeitswert und der Wiedererkennungswert gesteigert werde. Folglich liefere das Patent einen klaren Maßstab dafür, wann ein solches Merkmal tatsächlich optisch variabel sei. Dies sei lediglich dann der Fall, wenn der Endkunde ein solches Merkmal erkennen könne, so dass sich also auch wirklich der Aufmerksamkeitswert und der Wiedererkennungswert steigern lasse. Richtig ausgelegt, sehe der Anspruchswortlauts explizit vor, dass ein maschinelles Zutun nicht gewünscht ist, sondern dass vielmehr das Merkmal C mit dem unbewaffneten Auge erkennbar sein soll, da der Endkunde normalerweise keine technischen Hilfsmittel mit sich führe, die die Aufmerksamkeit bzw. die Wiedererkennung steigern würden. All dies vermöge der Stand der Technik (und insbesondere die Druckschrift E1) nicht zu offenbaren. Der Stand der Technik zur mangelnden Neuheit müsse die technische Lehre insgesamt offenbaren; eine mosaikartige Betrachtung sei nicht zulässig. Ausgehend von der Druckschrift E1 sei das in Rede stehende Merkmal C nicht offenbart, selbst wenn der Fachmann hierzu die Offenbarung der Druckschrift E3 berücksichtige. Letztere dokumentiere auch nicht das Fachwissen. Das Patent zeige vielmehr in Absatz [0021], warum Iriodin im Kontext der Erfindung ungeeignet sei.

Merkmal D

Das Merkmal D sei in der Druckschrift E1 nicht offenbart. Das Linsenraster gemäß Merkmal D wirke unmittelbar mit der technischen Lehre von Merkmal C zusammen, sodass die Aufzeichnungsschicht einen ersten Kippeffekt aufweist. Der erste Kippeffekt entstehe genau dann, wenn das Sicherheitselement entlang der Achse des Linsenrasters gekippt werde. Ohne ein solches Linsenraster werde kein erster Kippeffekt erzeugt, und deshalb auch nicht das optisch doppelt variable Erscheinungsbild. Insbesondere werde das Erscheinungsbild nicht erreicht wenn lediglich ein Feld einzelner Linsen bereitgestellt werde. Ausgehend von der Druckschrift E1 erhalte der Fachmann keine diesbezügliche Lehre betreffend die Mikrolinsen, da die Druckschrift E1 den ersten Kippeffekt und implizit auch den doppelten Kippeffekt nicht offenbare. Die Druckschrift E1 offenbare getrennte Ausführungsbeispiele, die von einem array von Mikrolinsen ausgehen, also einzelnen Mikrolinsen, und nicht von einem Linsenraster. Dem Fachmann werde also ein Ausführungsbeispiel ohne Linsenraster gegeben. Folglich könne auch der optische Kippeffekt nicht erzeugt werden.

Die Beschwerdegegnerin betrachte den Stand der Technik auf mosaikartige Art und Weise. Sie stelle lediglich darauf ab, die entsprechenden Merkmale willkürlich im Stand der Technik aufzuzeigen, ohne die technische Lehre insgesamt zu berücksichtigen. Sie diskutiere das Merkmal D außerhalb seines Kontexts. Es gehe jedoch um eine Wechselwirkung mit dem Merkmal C, da die Merkmale C und D synergetisch zusammenwirken. Insbesondere sei die Aufzeichnungsschicht mit einem Oberflächenrelief in der Form eines Linsenrasters versehen. Deshalb sei eben nicht das Merkmal D isoliert zu betrachten, sondern die technische Lehre insgesamt, der zufolge die Merkmale C und D in Wechselwirkung stünden. Folglich sei nicht nur das Merkmal C für sich genommen, sondern auch das Merkmal D neuheitsbegründend, da es nicht isoliert zu betrachten sei. Vielmehr müsse eine Merkmalsgliederung, welche die technische Lehre insgesamt berücksichtigt, auch Teile des Wortlauts von Merkmal C in das Merkmal D aufnehmen.

Offenbarung der Merkmale C und D in Kombination

Damit ein Dokument neuheitsschädlich sein könne, sei es erforderlich, dass alle Anspruchsmerkmale unmittelbar und in Kombination miteinander offenbart sind (Richtlinien G-VI, 1; T 305/87, T 411/98, T 42/92). Dies sei hier nicht der Fall.

Selbst wenn man - wie die Kammer in ihrer vorläufigen Meinung - davon ausgehe, dass die Druckschrift E1 jedes der Merkmale C und D offenbare, so offenbare sie dennoch nicht die beiden Merkmale in Kombination.

Im Zusammenhang mit dem Merkmal D (Oberflächenrelief in Form eines Linsenrasters) offenbare die Druckschrift E1 auf Seite 1, Zeilen 17 bis 26, einen ersten Aspekt der Erfindung mit drei konkreten Ausführungsformen:

1. Mikrobild + Linsenanordnung (Seite 3, Zeilen 11 bis 14)

2. Optisch variables Sicherheitselement mit verschlungenen Bildern + Linsenanordnung oder gedruckter Screen: Fig. 2 (siehe dazu auch Seite 7, Zeilen 16 bis 28) und 4 (Seite 8, Zeilen 21 bis Seite 9, Zeilen 6)

3. Optisch variables Sicherheitselement in Gestalt von Mikrobildern mit Linsenanordnung (Seite 7, Zeilen 21 bis 24)

Die Idee des ersten Aspekts bestehe darin, dass ein Versuch, die gedruckten Daten zu ändern, zu einer Zerstörung der Lasermarkierung führt (vgl. Seite 1, Zeilen 25 und 26, sowie Seite 2, Zeilen 2 und 3).

Die in den Fig. 2 und 4 dargestellten Ausführungsformen würden das Merkmal C (optisch variable Aufzeichnungs-schicht mit einem Kippeffekt) nicht aufweisen.

Die Offenbarung der Seite 5, Zeilen 24 bis 27, beziehe sich auf eine weitere, unabhängige Ausführungsform eines dritten Aspekts der Erfindung (Seite 4, Zeilen 18 bis 28). Es handle sich um einen Alternativvorschlag zum ersten Aspekt, der eine ähnliche Wirkung auf andere Weise erziele (siehe Seite 4, ab Zeile 26). Diese Ausführungsform entspreche der Fig. 13 (vgl. Seite 12, Zeile 15 bis Seite 14, Zeile 2). In dieser Ausführungsform sei aber das Linsenraster nach Merkmal D nicht vorgesehen. Auch der Verweis auf die Fig. 3 betreffe nur die Erzeugung des Permanentbilds und das dazu verwendete Lasersystem.

Der Hinweis auf Iriodin werde nur im Zusammenhang mit dem dritten Aspekt gemacht; ein solches Pigment werde im ersten Aspekt überhaupt nicht gebraucht, da dort die Darstellung monochrom sei.

Die zweite Ausführungsform (Fig. 2) und die weitere Ausführungsform (Fig. 13) würden darüber hinaus als Alternativen zueinander dargestellt. Eine Vermischung werde nirgends vorgeschlagen oder angedeutet. Wie aus einem Vergleich der Vorrichtungen der Abbildungen 2 und 13 hervorgehe, werde die der Druckschrift zugrundeliegende Aufgabe auf zwei verschiedene Weisen gelöst. Darüber hinaus würden die beiden Ausführungsformen noch weitere strukturelle Gegensätzlichkeiten aufweisen (Anordnung des transparenten Substrats).

Die beiden Ausführungsformen seien daher unabhängig voneinander und als Alternativen zu sehen. Die eine weise das Merkmal D, nicht aber das Merkmal C, die andere das Merkmal C, nicht aber das Merkmal D auf. Eine Kombination werde nicht vorgeschlagen und würde strukturelle Umgestaltungen (Anordnung der transparenten Schicht) erforderlich machen.

Selbst wenn man nur den allgemeinen Teil der Beschreibung betrachte, sei festzustellen, dass sie zwei verschiedene Lösungen der erfindungsgemäßen Aufgabe (entsprechend den Ansprüchen 1 bis 39 bzw. 40 bis 52) beschreibe. Der Hinweis auf der Seite 5, Zeilen 24 bis 27, gehöre zum "dritten Aspekt" der Erfindung, der nur das Merkmal C offenbare, nicht aber das Merkmal D. Die Tatsache, dass in der darauf folgenden Zeile 28 von den verschiedenen Aspekten die Rede sei, stehe dem nicht entgegen, da es sich um eine Art Schlusswort der Einleitung handle, das tatsächlich die Vorteile aller Aspekte der Erfindung betreffe. Der Hinweis auf die lasermarkierbaren Schichten in den Zeilen 24 und 25 der Seite 5 beziehe sich gerade auf den dritten Aspekt (vgl. Seite 4, Zeile 20). Die Schichten des ersten und zweiten Aspekts würden gerade keine farbgebenden Pigmente enthalten.

Die Stelle auf Seite 4, Zeilen 14 bis 17, der Druckschrift E1 entspreche genau den Ansprüchen 18 und 19 dieser Druckschrift und offenbare nichts, was darüber hinausgehen würde.

Betreffend die Ansprüche der Druckschrift E1 sei festzuhalten, dass der Offenbarungsgehalt einer Schrift in der Beschreibung zu finden sei, nicht aber in einer beliebigen Kombination der Ansprüche, selbst wenn sie so verfasst seien, dass die Kombination kombinatorisch möglich sei (siehe T 42/92). Eine Stütze in der Beschreibung sei notwendig, damit der Fachmann dem Stand der Technik eine Lehre entnehmen könne.

Selbst wenn man die Anspruchskombination heranziehen würde, ergebe sich daraus noch keine neuheitsschädliche Offenbarung, da die Pigmente sich nicht in der Schicht befänden, in der der Kippeffekt entsteht. Anspruch 19 der Druckschrift E1 spreche von einer zusätzlichen Schicht (a further ink receptive coating); es könne sich also nicht um eine der dort in Anspruch 16 genannten Schichten handeln.

Bezüglich der Fig. 13 und der dort gezeigten Schicht 98 sei festzustellen, dass dies genau der Offenbarung der Seite 2 entspreche. Es gehe um monochrome Markierungen; von Farben sei nicht die Rede. In der Ausführungsform der Fig. 13 befänden sich die farbgebenden Pigmente ausschließlich in den Schichten 94 bis 96. Das Iriodin könne sich in diesen Schichten, nicht aber in der Schicht 98 befinden. Der Verweis auf die Fig. 3 betreffe das Erstellen von Lasermarkierungen in der Schicht 98. Alles andere würde auch zu Widersprüchen führen, da das Vorsehen von Linsen zu einer Verzerrung des Bildes führen würde. Die Schicht 98 sei von den lasermarkierbaren Schichten, die auf Seite 5, Zeilen 24 bis 27 erwähnt werden, zu unterscheiden. Es gebe zwei verschiedene Arten von lasermarkierbaren Schichten in dieser Ausführungsform: die einen würden die Pigmente (wie z.B. Iriodin) enthalten, die anderen die lasermarkierbaren Zusatzstoffe.

Somit sei der Gegenstand von Anspruch 1 neu gegenüber der Druckschrift E1. Dasselbe gelte für Anspruch 12.

ii) Beschwerdegegnerin II (Einsprechende 2)

Die Einsprechende 2 stimme der Einspruchsabteilung in ihrer Beurteilung des Dokuments E1 zu.

Merkmal C

Iriodin, das in der Druckschrift E1 auf Seite 5, Zeilen 24 bis 27 und Seite 13, Zeilen 5 bis 11 erwähnt ist, sei ein optisch variables Pigment. Wie in Dokument E3 auf Seite 227 dargestellt sei, kenne der Fachmann die sogenannten pearl luster inks, zu denen auch Iriodin gehöre. Derartige Farben würden kleine Teilchen beinhalten, die auf der Oberfläche dünne Interferenz- Metalloxidschichten mit einem hohen Brechungsindex aufweisen (Druckschrift E3, Seite 227 und Fig. 7.5). Das Erscheinungsbild dieser pearl luster inks beinhalte das Hervorheben der Interferenzfarbe bei einem ersten Betrachtungswinkel, die beim Kippen verschwindet, sodass der diffuse Hintergrund des Substrats erscheine (siehe Fig. 7.3 auf Seite 226). Dieser Effekt sei auch ein Kippeffekt im Sinne des Patents. Der Kippeffekt des Merkmals C beschränke sich nicht nur auf einen Farbkippeffekt (Farbumschlag), sondern schließe andere Kippeffekte mit ein (z.B. den Umschlag von diffus zu farbig). Folglich werde in der Druckschrift E1 eine optisch variable Aufzeichnungsschicht (nämlich das inkjet receptive coating 24) offenbart, die Iriodin enthalte und den ersten Kippeffekt ausbilde. Es würden auch im Patent optisch variable Aufzeichnungs-schichten 22 verwendet, die eine Farbschicht mit optisch variablen Pigmenten, insbesondere Interferenzschichtpigmenten, darstellen (Absatz [0028] des Patents). Iriodin sei ein solches Interferenz-schichtpigment. Analog zum Patent werde in der Druckschrift E1 der Kippeffekt, den die optisch variable Aufzeichnungsschicht durch die optisch variablen Pigmente (Iriodin) ausbildet, durch das darüber liegende Linsenraster modifiziert, insbesondere durch das Einbringen eines bekannten Laserkippbilds (vgl. Absatz [0021] des Patents). Dem stehe auch die von der Beschwerdeführerin erwähnte Karbonisierung der mit dem Laser behandelten Bereich nicht entgegen. Die Verfärbung durch den Laserstrahl erfolge nur an den Stellen der Schicht, an denen der Laserstrahl auftreffe. An den anderen Stellen der Aufzeichnungs-schicht 24 bleibe es bei dem durch das unveränderte Iriodin hervorgerufenen Kippeffekt. Auch die Offenbarung der Druckschrift E1 in Zusammenhang mit den Fig. 7 und 8 (siehe Seite 9, Zeilen 25 bis 33) stehe dem Einwand der fehlenden Neuheit des Merkmals C nicht entgegen. Es sei nicht richtig, dass, weil das Bild 50 als fixed image bezeichnet werde, der Fachmann gerade von dem erfindungsgemäßen Beitrag weggeführt würde. Zum einen beziehe sich die Beschwerdegegnerin II nicht auf das Ausführungsbeispiel gemäß den Fig. 7 und 8, sondern auf die Offenbarung der Druckschrift E1 zu den Fig. 1 bis 5 sowie den allgemeinen Teil der Beschreibung der Druckschrift E1 und die allgemeine Angabe zu farbgebenden Pigmenten auf Seite 13. Außerdem könne es Kippeffekte in einer Aufzeichnungsschicht geben, bei denen sich das Bild, d.h. dessen Form, beim Kippen nicht verändere, jedoch seine Farbe oder seine Sichtbarkeit (im Sinne von mehr oder weniger diffus). Das Merkmal C werde somit durch die Druckschrift E1 vorweggenommen.

Die Druckschrift E3 erläutere zu den sogenannten pearl luster pigments, zu denen Iriodin gehöre, zwei Kippeffekte, nämlich einen (kleinen) Farbkippeffekt und einen Kippeffekt zwischen einem diffusen Erscheinungsbild und der jeweiligen Interferenzfarbe. Auf diese Eigenschaften werde der Fachmann in der Druckschrift E3 explizit hingewiesen, was sich auch daraus ergebe, dass diese Kippeffekte im Zusammenhang mit OVDs (optically variable devices) erläutert werden (siehe Fig. 7.1 auf Seite 223 der E3), zu denen die ISISs (interference security image structure) gehören, die in Einlagenstrukturen (single layer structures) und Multilagenstrukturen (multilayer structures) unterteilt würden (siehe Fig. 7.2 auf Seite 224 der Druckschrift E3), wobei pearl luster inks zu den Einlagenstrukturen zählen würden. Darüber hinaus sei Anspruch 1 nicht auf die Sichtbarkeit des ersten Kippeffekts der optisch variablen Aufzeichnungsschicht mit dem Auge oder dergl. beschränkt. Der Wortlaut von Anspruch 1 schließe einen maschinellen Nachweis nicht aus, weshalb auch kleine Kippeffekte erkannt werden könnten.

Merkmal D

Das Merkmal D sei in der Druckschrift E1 offenbart, da ein array of microlenses 22, oberhalb der optisch variablen Aufzeichnungsschicht (inkjet receptive coating 24) angeordnet sei. Dies ergebe sich aus der Offenbarung der Druckschrift E1 auf Seite 9, Zeilen 3 bis 6, in der sphärische Linsen und Zylinderlinsen erwähnt werden ("The lenses of the microlens array 22 may take a variety of forms depending upon the desired optical effect. For instance, the microlenses may be semi-cylindrical, spherical ... "). Zudem werde unter einem array eine Matrix, das heißt eine Struktur aus einzelnen Elementen verstanden, die in Zeilen und Spalten angeordnet sind. Ein array sei nichts anderes als ein Raster im Sinne des Patents. Das Argument, dass ein Feld von sphärischen Linsen keinen Kippeffekt hervorbringen würde, sei nicht nachvollziehbar. Eine sphärische Linse lenke, bezogen auf eine Schnittebene, Licht gleichermaßen ab wie eine Zylinderlinse. Da das Linsenraster (array of microlenses 22) und die optisch variable Aufzeichnungsschicht (inkjet receptive coating 24) der Druckschrift E1 in der gleichen Weise wie diese Elemente in dem Patent angeordnet sind, würden durch das aus der Druckschrift E1 bekannte Sicherheitselement auch die gleichen optischen Effekte wie im Patent erreicht. Auch das Merkmal D gehe somit aus der Druckschrift E1 hervor.

Es sei nicht richtig, dass das Merkmal D aus seinem Zusammenhang gerissen und die synergetische Zusammenwirkung mit Merkmal C vernachlässigt worden sei. Das Merkmal D wirke mit Merkmal C in der Form zusammen, dass die Aufzeichnungsschicht zumindest teilweise mit dem Linsenraster versehen sei, was sich auf die räumliche Anordnung von Aufzeichnungsschicht und Linsenraster beziehe. Diese räumliche Anordnung sei z.B. Fig. 5 der Druckschrift E1 entnehmbar. Ein weiteres Zusammenwirken zwischen Aufzeichnungsschicht und Linsenraster sei in den Merkmalen E und F erkennbar, deren Offenbarung unbestritten sei.

Kombination der Merkmale C und D

Im allgemeinen Teil der Beschreibung der Druckschrift E1 seien verschiedene Aspekte der Erfindung beschrieben. Es sei nicht zulässig, diese allgemein beschriebenen Aspekte auf die Ausführungsbeispiele, die in den Figuren gezeigt werden, einzuengen.

Auf Seite 5, Zeilen 24 bis 26, würden die farbgebenden Pigmente beschrieben. Es sei dort offenbart, dass die Pigmente in der lasermarkierbaren Schicht vorgesehen sind. Dies sei ganz allgemein für die verschiedenen Aspekte der Erfindung beschrieben und nicht auf ein bestimmtes Ausführungsbeispiel reduziert. Diese Lehre beziehe sich auch auf alle vorher beschriebenen Aspekte und Ausführungsformen der Erfindung. Deshalb sei auch von den "lasermarkierbaren Schichten" (laser markable layers) die Rede, also den Schichten, in die die Bilder mittels Laser eingebracht würden. Auf Seite 3, Zeilen 10 bis 24, seien die Linsenanordnungen beschrieben. In diesem Zusammenhang sei auch zu beachten, dass auf Seite 5, ab Zeile 28, ein Bezug zu den verschiedenen Aspekten der Erfindung hergestellt werde ("in accordance with the aspects of the invention"). Damit werde offenbart, dass die verschiedenen Aspekte gemeinsam vorhanden sein können.

Eine Kombination werde auch auf Seite 4, Zeilen 14 bis 17, der Beschreibung angeregt.

Dem Fachmann sei klar, dass die Ansprüche die Lehre eines Patentdokuments verallgemeinern und zusammen-fassen. Die Ansprüche 1 bis 20 der Druckschrift E1 würden sowohl das Merkmal C (Ansprüche 16 bis 19) als auch das Merkmal D (Anspruch 11) beschrieben. Sowohl der Anspruch 11 als auch die Ansprüche 16 bis 19 seien auf den Anspruch 1 rückbezogen. Ihre Kombination führe zu einem Sicherheitselement, in dem dieselbe Schicht sowohl die farbgebenden Pigmente als auch die laser-markierbaren Zusatzstoffe enthalte. Sowohl Anspruch 18 als auch Anspruch 19 bezögen sich auf dieselben gedruckten Daten. Es könne dahingestellt bleiben, was die Figuren zeigen: die Offenbarung der Druckschrift könne nicht auf die Figuren reduziert werden.

Im Ausführungsbeispiel der Fig. 13 sei gemäß Seite 12, Zeile 18, eine Schicht 98 mit einem laser forming additive vorgesehen. In der Zeile 19 werde für die Herstellung Bezug auf die Fig. 3 genommen. Bezüglich der Fig. 3 sei auf Seite 8, Zeilen 19 und 20, offenbart, dass beiderseits eine Mikrolinsenanordnung vorgesehen werden könne. Auch dies entspreche einer Kombination der Merkmale C und D. Dass das Vorsehen von Linsen zu einer Verzerrung des Bildes führen würde, sei eine nicht belegte Behauptung.

Seite 5, Zeilen 24 bis 27, offenbare, dass sich die Pigmente in den lasermarkierbaren Schichten befänden.

Die Druckschrift E1 sei somit neuheitsschädlich gegenüber dem Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags. Dies gelte in gleicher Weise für den Gegenstand von Anspruch 12.

e) Zurückverweisung an die erste Instanz

i) Beschwerdeführerin (Patentinhaberin)

Falls die Kammer entscheiden sollte, dass der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags neu sei, sollte der Fall zur Prüfung der erfinderischen Tätigkeit an die erste Instanz zurückverwiesen werden.

ii) Beschwerdegegnerin II (Einsprechende 2)

Die Beschwerdegegnerin II erklärte sich einverstanden mit einer Zurückverweisung zur Prüfung der erfinderischen Tätigkeit.

Entscheidungsgründe

1. Auslegungsfragen

1.1 "optisch variabel"

Das Patent enthält keine Definition dessen, was genau unter "optisch variabel" zu verstehen ist. Dem Fachmann auf dem Gebiet der Sicherheitselemente ist der Begriff "optisch variabler Effekt" jedoch vertraut. Er versteht darunter in der Regel einen optischen Effekt, der sich in Abhängigkeit von der Beobachtungsposition ändert. Ein Beobachter, der den Effekt aufweisenden Gegenstand betrachtet, nimmt eine Veränderung des optischen Erscheinungsbilds des Gegenstands wahr, wenn sich die relative Position des Gegenstands in Bezug auf den Beobachter ändert. Rein geometrische Effekte (perspektivische Verzerrung, entfernungsabhängige Größenwahrnehmung, usw.) sind jedoch keine optisch variablen Effekte in diesem Sinne. Typische optisch variable Effekte drücken sich in Veränderungen der Farbe, des Kontrasts oder der Intensität des optischen Erscheinungsbilds aus. Ein Bild, das beim Kippen oder Drehen des bildgebenden Gegenstands erscheint oder verschwindet, wird in der Regel auch als optisch variabel verstanden.

Die Kammer kann sich dem Vortrag der Beschwerdeführerin, dass ein optisch variabler Effekt nur dann vorliege, wenn der Aufmerksamkeitswert und Wiedererkennungswert des Sicherheitsmerkmals dadurch gesteigert wird, nicht anschließen, da diese Behauptung keine Entsprechung im Anspruchswortlaut hat. Es ist nicht möglich, ein an sich klares und auf dem Gebiet der Sicherheitselemente geläufiges Merkmal mit Verweis auf die Patentbeschreibung einschränkend zu deuten, wenn letztere nicht eine explizite Definition in diesem Sinne enthält.

1.2 Kippeffekt

Kippeffekte sind Sonderfälle von optisch variablen Effekten. Nicht alle optisch variablen Effekte sind Kippeffekte (gewisse optisch variablen Effekte erscheinen z.B. beim Verdrehen des Gegenstands, auch ohne Kippen), aber optische Kippeffekte gehören notwendigerweise zur Kategorie der optisch variablen Effekte.

Die optisch variable Aufzeichnungsschicht des Sicherheitselements gemäß Anspruch 1 weist zumindest zwei Kippeffekte auf. Die Kammer kann sich der Auffassung, dass beide in Anspruch 1 genannten Kippeffekte von derselben Art sein und somit einem Hin- und Herkippen zwischen diskreten Bildern entsprechen müssen, nicht anschließen. Dies ist aus dem Wortlaut von Anspruch 1 und insbesondere aus der zweifachen Verwendung des Begriffs "Kippeffekt" nicht abzuleiten. Der erste Kippeffekt (Merkmal C) wird im Anspruch 1 nicht näher definiert. Es kann sich also z.B. um einen der auf dem Gebiet der Sicherheitselemente üblichen optisch variablen Farbeffekte handeln. Der zweite Kippeffekt (Merkmal F) hingegen wird näher beschrieben, da er durch Kennzeichnungen hervorgerufen wird, die über ein Linsenraster – und zwar mittels Laserstrahlung aus unterschiedlichen Richtungen – in die Schicht eingebracht werden (Merkmal E). Wenn der Betrachter den Gegenstand entlang einer dieser Richtungen betrachtet und den Gegenstand dann so kippt, dass sein Blick einer anderen dieser Richtungen folgt, dann ändert sich das Bild, das von den Kennzeichnungen hervorgerufen wird.

1.3 Linsenraster

Es wurde geltend gemacht, dass zwischen einem Feld und einem Raster von Linsen zu unterscheiden sei. Ein "Feld" (oder array) bezeichne ein "in einer Draufsicht ... schachbrettartiges Muster ..., wobei in jedem Feld kreisrunde Linsen angeordnet sind", wohingegen ein "Raster" (oder "grid") eine Anordnung länglicher Linsen bezeichne. Die Kammer kann sich dieser Auslegung nicht anschließen. Das Patent enthält keine Definition des Begriffs "Raster", weshalb der allgemeine Wortsinn des Begriffs zu verwenden ist. Dementsprechend ist ein Raster als ein regelmäßiges Muster zu deuten. Insofern kann die Kammer keinen Unterschied zwischen einem Feld oder array von Linsen und einem Linsenraster erkennen. Auch scheint es keine Grundlage dafür zu geben, dass die Linsen eines Linsenrasters notwendigerweise länglich sind. Aus der rasterartigen Anordnung von Linsen lässt sich grundsätzlich nichts über ihre Form ableiten.

1.4 "mit einem Oberflächenrelief ... versehen"

Bei der Suche nach der Bedeutung des Begriffs "versehen" würde der Fachmann die Offenbarung des Patents in Betracht ziehen und feststellen, dass die einzige dargestellte Ausführungsform so gestaltet ist, dass der Linsenraster 26 nicht in der Aufzeichnungsschicht 22 selbst abgeformt, sondern durch eine transparente Anstandsschicht 24 von ihr getrennt ist. Der Begriff "versehen" umfasst daher eine solche Konfiguration.

FORMULA/TABLE/GRAPHIC

2. Ausführbarkeit (Artikel 100 b) EPÜ)

Die Einspruchsabteilung hat in Punkt 2.2 der Gründe der angefochtenen Entscheidung dargelegt, dass die geltend gemachten Einwände als Klarheitseinwände nach Artikel 84 EPÜ zu werten sind.

Die Beschwerdegegnerin II hat sich in diesem Zusammenhang pauschal auf ihren erstinstanzlichen Vortrag (Schriftsätze vom 6. Februar 2015 und vom 13. September 2017) berufen, hat aber nicht dargelegt, weshalb die Auffassung der Einspruchsabteilung, wie sie in der angefochtenen Entscheidung zum Ausdruck kommt, unzutreffend ist. Diese Einwände sind somit nicht hinreichend substantiiert.

Mit der Beschwerdeerwiderung hat die Beschwerdegegnerin II erstmals Einwände gegen das Merkmal "Mattstruktur" des abhängigen Anspruchs 3 erhoben. Sie hat dies als Reaktion auf die Aufnahme dieses Merkmals in die Ansprüche 1 und 10 der Hilfsanträge 3 bzw. 3a während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung dargestellt. Dazu ist allerdings festzustellen, dass das besagte Merkmal auch in Anspruch 3 des Patents (sowie des Hauptantrags, der der Einspruchsabteilung vorlag) zu finden ist. Ein entsprechender Einwand hätte somit bereits im Rahmen des Einspruchs erhoben werden müssen. Die Einreichung der Hilfsanträge 3 bzw. 3a während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung mag die Aufmerksamkeit der Beschwerdegegnerin II auf dieses Merkmal gelenkt haben, sie schafft aber keine neue Sachlage, die eine derartige Reaktion rechtfertigt.

Darüber hinaus teilt die Kammer die Auffassung der Beschwerdeführerin, dass es sich auch bei diesem Einwand um einen versteckten Klarheitseinwand handelt. Der Begriff "Mattstruktur" ist problematisch, zumal nicht klar ist, ob bzw. ab wann z.B. eine Beugungs-struktur als Mattstruktur angesehen werden kann. Dennoch kann die Kammer nicht erkennen, warum das Vorhandensein einer unklaren Alternative in Anspruch 3 den Fachmann daran hindern würde, die Erfindung auszuführen.

Der Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 b) EPÜ steht der Aufrechterhaltung des Patents daher nicht entgegen.

3. Unzulässige Erweiterung (Artikel 100 c) EPÜ)

Im Laufe des Patenterteilungsverfahrens wurde der ursprüngliche Anspruch 1 dahingehend geändert, dass die Worte "mit einem ersten Kippeffekt" bzw. "und einen weiteren Kippeffekt bilden" in das Merkmal C bzw. F von Anspruch 1 aufgenommen wurden.

Die Einspruchsabteilung hat in Punkt 3 der Gründe für die angefochtene Entscheidung ausgeführt, dass die Seite 3, Zeilen 3 bis 5, der ursprünglichen Anmeldung eine hinreichende Grundlage für die Änderungen biete. Der entsprechende Absatz lautet folgendermaßen:

"Wie nachfolgend genauer erläutert, entsteht durch die Kombination eines Linsenrasters mit einer optisch variablen Aufzeichnungsschicht ein optisch multivariables Sicherheitselement, bei dem der erste Kippeffekt eines Laserkippbilds und der zweite Kippeffekt eines optisch variablen Merkmals miteinander wechselwirken und einander gegenseitig visuell aufwerten."

Aus diesem Abschnitt geht unzweifelhaft hervor, dass das erfindungsgemäße Sicherheitselement einen Linsenraster mit einer optisch variablen Aufzeichnungsschicht kombiniert. Der Linsenraster ist mit einem Laserkippbild verknüpft, das einen ersten Kippeffekt aufweist, während ein zweiter Kippeffekt mit einem optisch variablen Merkmal verbunden ist.

Der Einwand der Beschwerdegegnerin II betrifft den Kippeffekt, der mit dem optisch variablen Merkmal verbunden ist, und insbesondere die Tatsache, dass dieser Effekt in der genannten Beschreibungsstelle mit einem nicht näher definierten "Merkmal", im Anspruch hingegen mit der Aufzeichnungsschicht verbunden ist. Die Beschwerdegegnerin II versteht den Absatz so, dass das genannte "Merkmal" nicht notwendigerweise ein Merkmal der Aufzeichnungsschicht ist.

Die Beschwerdeführerin hat dem entgegengehalten, dass sich das optisch variable Merkmal in der ursprünglichen Anmeldung stets auf die optisch variable Aufzeichnungsschicht bezieht. Die Kammer stimmt der Beschwerdeführerin zu, dass die Aussagen des genannten Abschnitts der Beschreibung im Gesamtzusammenhang der Beschreibung zu lesen sind. Obwohl der Absatz für sich genommen so verstanden werden könnte, wie es die Beschwerdegegnerin II vorschlägt, ist dennoch für den Fachmann, der die ursprüngliche Anmeldung liest und verstehen will, klar, dass das genannte "Merkmal" ein Merkmal der optisch variablen Aufzeichnungsschicht sein muss, und dass nicht gemeint war, dass neben der optisch variablen Aufzeichnungsschicht ein davon getrenntes optisch variables aber sonst völlig unbestimmtes Element vorhanden ist.

Deshalb kann die Kammer in der Änderung, die zum Anspruch 1 des Hauptantrags geführt hat, keine Verletzung von Artikel 123 (2) EPÜ erkennen.

Der Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 c) EPÜ steht somit der Aufrechterhaltung des Patents nicht entgegen.

4. Neuheit gegenüber der Druckschrift E1

Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass die Druckschrift E1 alle Merkmale von Anspruch 1 offenbart. Die Beschwerdeführerin hat dem widersprochen und geltend gemacht, dass die Druckschrift E1 das Merkmal C sowie das Merkmal D in Kombination mit dem Merkmal C nicht offenbare.

4.1 Merkmal C

Die Einspruchsabteilung hat in diesem Zusammenhang auf die Offenbarung der Verwendung von Iriodin® hingewiesen. Die Druckschrift E1 offenbart auf Seite 5, Zeilen 24 bis 27, dass die farbbildenden Pigmente, die in den lasermarkierbaren Schichten unterschiedliche Farben erzeugen, aus Pigmenten ausgewählt werden können, die bei Bestrahlung mit Infrarot-Laserstrahlung eine Farbe entwickeln, und nennt als Beispiel laserempfindliche Iriodin-Pigmente. Ein weiterer Hinweis auf diese Pigmente findet sich auf Seite 13, Zeilen 5 bis 11, der Druckschrift E1.

Wie aus der Druckschrift E3 (siehe Seite 227) hervorgeht, wusste der Fachmann, dass Iriodin ein von der Firma Merck vertriebenes Perlglanzpigment ist. Perlglanzpigmente bestehen aus einem dünnen Film eines Metalloxids mit hohem Brechungsindex, im Allgemeinen Titandioxid (TiO2), der auf beiden Seiten von winzigen Glimmerplättchen abgeschieden ist (Druckschrift E3, Seite 225, letzter Absatz). Der von diesen Pigmenten hervorgerufene Perlglanz verleiht der mit dem Pigment versehenen Schicht in Abhängigkeit von der Größenverteilung der Pigmente seidigen Glanz bzw. glitzerndes Funkeln. Durch das Aufbringen von dünnen Schichten gewisser Metalloxide lassen sich so Gold- und Bronzeeffekte erreichen. Es besteht ein kleiner optisch variabler Effekt (Druckschrift E3, Seite 227: an only small color shift with angle of observation). Es ist daher nicht richtig, dass diese Pigmente keine optische Variabilität aufweisen. Wie unter Punkt dargelegt wurde, ist ein solcher Effekt als Kippeffekt im Sinne von Merkmal C anzusehen.

Die Tatsache, dass der optisch variable Effekt wiederholt als "vernachlässigbar" bezeichnet wird, führt zu keinem anderen Ergebnis, da diese Aussage im Vergleich mit anderen Tinten (OVI bzw. Flüssigkristall-tinten) getroffen wird (siehe z.B. die Tabelle 7.3 auf Seite 248 der Druckschrift E3).

Daher ist die Kammer zum Schluss gelangt, dass die Druckschrift E1 bei Berücksichtigung des allgemeinen Fachwissens das Merkmal C implizit offenbart.

Angesichts dieser Feststellung kann dahingestellt bleiben, ob die dortigen Fig. 7 und 8 den Fachmann von dem erfindungsgemäßen Beitrag wegführen oder nicht.

4.2 Merkmal D

Das Merkmal D verlangt, dass die Aufzeichnungsschicht zumindest teilweise mit einem Oberflächenrelief in Form eines Linsenrasters versehen ist.

Die Einspruchsabteilung hat in Punkt 4.3.1 der angefochtenen Entscheidung festgestellt, dass die Druckschrift E1 dieses Merkmal unstreitig offenbart.

Die Einspruchsabteilung sah das Merkmal D vermutlich als im Zusammenhang mit der Fig. 4 sowie der zugehörigen Passage auf Seite 8, Zeilen 21 bis 27, der Druckschrift E1 offenbart an (siehe Punkt 4.3 der angefochtenen Entscheidung).

Dort wird ein alternatives Verfahren zur Bildung der lasergeformten Bilder 14, 18 in der Schicht 24 beschrieben. Ein Laserstrahl 30 wird durch eine Anordnung von Mikrolinsen 22 gelenkt und durchdringt das transparente Substrat 20 bevor er in der den Tintenstrahl aufnehmenden Schicht 24 die Bilder 14 und 18 erzeugt.

FORMULA/TABLE/GRAPHIC

Die Beschwerdeführerin hat darauf hingewiesen, dass das Linsenraster gemäß Merkmal D deshalb so relevant sei, weil es im Zusammenwirken mit dem Merkmal C den ersten Kippeffekt bewirke. Dieser entstehe dann, wenn das Sicherheitselement entlang der Achse des Linsenrasters gekippt werde. Die Kammer kann dem nicht zustimmen. Gemäß dem Anspruch 1 ist nur der "weitere Kippeffekt" gemäß Merkmal F notwendigerweise mit dem Linsenraster verbunden. Der erste Kippeffekt wird der Aufzeichnungsschicht zugeschrieben (die mit dem Linsenraster versehen ist). Der erste Kippeffekt kann also ein gewöhnlicher Farbeffekt sein, der vom Linsenraster unabhängig ist.

Angesichts der Bedeutung des Begriffs "versehen" im Patent (siehe dazu den Punkt oben) ist die Frage, ob in der in der Fig. 4 gezeigten Vorrichtung die Aufzeichnungsschicht 24 zumindest teilweise mit einem Oberflächenrelief 22 in Form eines Linsenrasters versehen ist, zu bejahen.

Daher offenbart die Druckschrift E1 auch das Merkmal D.

4.3 Kombination der Merkmale C und D

Da die Druckschrift E1 sowohl das Merkmal C (siehe Punkt ) als auch das Merkmal D (siehe Punkt ) offenbart, hängt die Neuheit des Gegenstands von Anspruch 1 entscheidend davon ab, ob sie die beiden Merkmale in Kombination offenbart oder nicht.

Die Beschwerdegegnerin II hat in diesem Zusammenhang zwei verschiedene Argumentationslinien verfolgt. Die erste bezieht sich auf den Offenbarungsgehalt der Beschreibung der Druckschrift D1, die zweite auf jenen des Anspruchsatzes dieser Druckschrift.

4.3.1 Offenbarung der Beschreibung

Im ersten Teil der Beschreibung der Druckschrift E1 werden nach einer kurzen Darstellung des Gebiets der Erfindung und des Stands der Technik (Seite 1, Zeilen 2 bis 16) die verschiedenen "Aspekte" der Erfindung dargestellt. Dieser Teil der Beschreibung gibt im Wesentlichen dem Inhalt der Ansprüche der Seiten 15 bis 22 wieder. Der erste Aspekt (der dem Sicherheitselement des unabhängigen Anspruchs 1 entspricht) und der zweite Aspekt (entsprechend dem zugehörigen Herstellungsverfahren des unabhängigen Anspruchs 21) werden zusammen erörtert und der Gegenstand der abhängigen Ansprüche 2 bis 19 wird jeweils kurz diskutiert (von Seite 1, Zeile 17, bis Seite 4, Zeile 17). Anschließend werden ein dritter und vierter Aspekt der Erfindung (wiederum ein Sicherheitselement und ein zugehöriges Herstellungsverfahren, die den unabhängigen Ansprüchen 40 und 47 entsprechen) angesprochen (Seite 4, Zeile 18, bis Seite 5, Zeile 10). Darauf folgt eine kurze Erwähnung bevorzugter Ausführungsformen (entsprechend den abhängigen Ansprüchen 48 bis 52; siehe Seite 5, Zeilen 11 bis 27). Der letzte Abschnitt des allgemeinen Teils der Beschreibung nennt Verwendungsmöglichkeiten, die beiden Lösungsansätzen (also den Aspekten 1/2 bzw. 3/4) gemeinsam sind. Die Möglichkeit einer Kombination der Lösungsansätze wird nicht erwähnt.

Der zweite Teil der Beschreibung geht auf die Ausführungsbeispiele der Fig. 1 bis 13 ein. Diese Ausführungsbeispiele werden nicht explizit den verschiedenen Aspekten der Erfindung zugeordnet, aber es liegt auf der Hand, dass das Ausführungsbeispiel der Fig. 3 mit seiner tintenempfänglichen Beschichtung 24 dem ersten und zweiten Aspekt zuzuordnen ist,

FORMULA/TABLE/GRAPHIC

während das Ausführungsbeispiel der Fig. 13, das eine Vielzahl von Farbschichten 94 bis 96 aufweist, dem dritten bzw. vierten Aspekt der Erfindung entspricht.

FORMULA/TABLE/GRAPHIC

Die einzige Stelle der Druckschrift E1, die einen expliziten Bezug zwischen den beiden genannten Ausführungsformen herstellt, befindet sich auf Seite 13, Zeilen 24 bis 29. Dieser Offenbarungsstelle zufolge kann das Bild 99 in der Beschichtung 98 mit einem Lasersystem, das dem in Zusammenhang mit der Fig. 3 beschriebenen System ähnelt, geformt werden. Weiters wird dargelegt, dass die Beschichtung 98 vorzugsweise eine tintenaufnehmende Beschichtung ist, die einen lasermarkierbaren Zusatzstoff enthält, welcher unter Laserbestrahlung eine monochrome, grauschwarze Markierung bildet, z.B. wie das im Zusammenhang mit der Fig.3 beschrieben ist. Die Bezüge zur Fig. 3 betreffen also zum einen das dort verwendete Lasersystem und zum anderen die Bildung der Markierung. Auch diese Stelle liefert somit keine Offenbarung einer Kombination der Aspekte 1/2 bzw. 3/4 der Erfindung.

Die Stelle auf Seite 4, Zeilen 14 bis 17, der Druckschrift E1 entspricht genau den Ansprüchen 18 und 19, welche die Aspekte 1 bzw. 2 der Erfindung betreffen. Auch sie stellt keinen Zusammenhang mit den Aspekten 3 bzw. 4 der Erfindung her.

Eine Kombination der Aspekte 1/2 bzw. 3/4 der Erfindung ist daher in der Beschreibung der Erfindung nicht unmittelbar und eindeutig offenbart.

Wie aus der obigen Diskussion zur Offenbarung des Merkmals C hervorgeht (siehe Punkt ), ist dieses Merkmal nur in Zusammenhang mit dem Pigment Iriodin offenbart. Dieses Pigment wird nur auf Seite 5, Zeilen 24 bis 27, und auf Seite 13, Zeilen 5 bis 11, erwähnt, also im Kontext der Diskussion der Aspekte 3/4 der Erfindung bzw. der Fig. 3, die ebenfalls diese Aspekte betrifft.

Das Merkmal D hingegen wird nur in Zusammenhang mit den Aspekten 1/2 bzw. der Ausführungsform der Fig. 4, die diesen Aspekten entspricht, offenbart (siehe dazu Punkt ).

Da die Aspekte 1/2 und 3/4 der Erfindung in der Beschreibung der Druckschrift E1 nicht kombiniert werden, kann deshalb auch eine Kombination der Merkmale C und D dort nicht direkt und unmittelbar offenbart sein.

4.3.2 Offenbarung der Ansprüche

Es bleibt noch zu prüfen, ob der Anspruchssatz der Druckschrift E1 eine Kombination der Merkmale C und D offenbart.

Die Beschwerdeführerin hat die Möglichkeit einer solchen Offenbarung grundsätzlich bestritten und sich dabei auf den Orientierungssatz der Entscheidung T 42/92 vom 29. November 1994 berufen:

"Der als Stand der Technik zu würdigende Offenbarungsgehalt einer Patentschrift umfaßt nicht durch Anspruchsrückbeziehungen entstandene Merkmalskombinationen von Einzelmerkmalen, die aus patentrechtlichen Überlegungen in separaten Ansprüchen beansprucht wurden und deren Kombination in der Beschreibung keine Stütze findet oder gar - wie im vorliegenden Fall - in Widerspruch zu den in der Beschreibung stehenden Ausführungsbeispielen steht (vgl. Pkt. 3.4)".

Wie bereits aus diesem Orientierungssatz hervorgeht, betraf die ihm zugrundeliegende Entscheidung einen Fall, in dem die Kombination der Anspruchsmerkmale zu einem Widerspruch zu den Ausführungsbeispielen führte. Dies ist hier nicht der Fall. Der Orientierungssatz geht zwar über diesen Fall hinaus und verallgemeinert die Feststellung auf den Fall, in dem die Kombination in der Beschreibung keine Stütze findet, aber die Entscheidung begründet dies nicht.

Es erschließt sich der Kammer nicht, wie eine derartige Unterscheidung zwischen dem Offenbarungsgehalt der Ansprüche und jedem der Beschreibung in dieser Allgemeinheit auf der Grundlage des EPÜ zu rechtfertigen wäre. Die Kammer macht sich also in dieser Hinsicht das nicht weiter begründete und verallgemeinerte Postulat der Entscheidung T 42/92 nicht zu eigen.

Dessen ungeachtet ist aber festzustellen, dass eine Kombination der Ansprüche 1, 11 und 16 bis 19 der Druckschrift E1 nicht zum Gegenstand von Anspruch 1 des Patents führen kann.

Dies folgt schon daraus, dass sich in den Ansprüchen keine Offenbarung betreffend Iriodin findet. Die bloße Offenbarung von Pigmenten in Anspruch 16 der Druckschrift E1 kann jedoch nicht als implizite Offenbarung eines ersten Kippeffekts im Sinne von Anspruch 1 des Patents gelten, denn nicht jedes beliebige Pigment führt zu einem optisch variablen Effekt.

Darüber hinaus ist festzustellen, dass Anspruch 1 des Patents verlangt, dass die Lasermarkierungen in die optisch variable Aufzeichnungsschicht mit dem ersten Kippeffekt eingebracht sind. Anspruch 19 der Druckschrift E1 offenbart zwar, dass eine Schicht mit lasermarkierbaren Zusatzstoffen vorgesehen ist, aber es handelt sich dabei um eine zusätzliche (further) Schicht, die von den farbgebenden pigmentierten Schichten gemäß den Ansprüchen 16 bis 18 zu unterscheiden ist.

Daher kommt die Kammer zum Schluss, dass auch der Anspruchssatz der Druckschrift E1 den Gegenstand von Anspruch 1 des Patents nicht neuheitsschädlich vorwegnimmt.

Dasselbe gilt analog auch für den unabhängigen Verfahrensanspruch 12.

4.4 Ergebnis

Die Gegenstand von Anspruch 1 und 12 ist neu gegenüber der Offenbarung der Druckschrift E1 (Artikel 54 (1) und (2) EPÜ).

5. Zurückverweisung an die erste Instanz

Die Einspruchsabteilung war zum Schluss gelangt war, dass der Gegenstand von Anspruch 1 angesichts der Offenbarung der Druckschrift E1 nicht neu ist. Sie hatte daher keinen Anlass, zur Frage der erfinderischen Tätigkeit Stellung zu nehmen.

Die Beschwerdegegnerin II hat in ihrer Beschwerdeerwiderung nur pauschal auf ihren erstinstanzlichen Vortrag zur erfinderischen Tätigkeit verwiesen und hat diese Frage im Beschwerdeverfahren nicht substantiiert. Sowohl die Beschwerdeführerin als auch die Beschwerdegegnerin II haben eine Zurückverweisung an die erste Instanz beantragt.

Es liegen somit besondere Gründe im Sinne von Artikel 11 Satz 1 VOBK 2020 vor, das Verfahren nach Artikel 111 (1) EPÜ an die erste Instanz zur weiteren Entscheidung zurückzuverweisen (vgl. hierzu T 3247/19, Nr. 8 bis 12 der Gründe).

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zur weiteren Entscheidung zurückverwiesen.

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