European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:1994:T045591.19940620 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 20 Juni 1994 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0455/91 | ||||||||
Anmeldenummer: | 82300949.3 | ||||||||
IPC-Klasse: | C12N 15/00 | ||||||||
Verfahrenssprache: | EN | ||||||||
Verteilung: | |||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | - | ||||||||
Name des Anmelders: | GENENTECH, et al | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Boehringer Chiron Celltech Zymogenetics Delta Biotechnology Takeda Novo Industri Gist Brocades Behringwerke Ciba-Geigy |
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Kammer: | 3.3.02 | ||||||||
Leitsatz: | Ein auf einem bestimmten Gebiet der Gentechnik (z. B. die Expression in Hefe) tätiger Fachmann würde ein Mittel, das sich auf einem benachbarten gentechnischen Gebiet (z. B. die bakterielle Technik) als brauchbar erwiesen hat, auch auf seinem eigenen Fachgebiet für geeignet halten, wenn eine solche Übertragung des technischen Wissens ohne weiteres und ohne offensichtliche Risiken möglich erscheint. | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit (verneint) - naheliegender Versuch mit guten Erfolgsaussichten Haltung des Fachmanns |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
Sachverhalt und Anträge
I. Das europäische Patent Nr. 60 057 wurde am 6. Mai 1987 für zehn Vertragsstaaten mit 26 und für Österreich mit 25 Ansprüchen auf die europäische Patentanmeldung Nr. 82 300 949.3 erteilt. Es wurde die Priorität der früheren US-Anmeldung Nr. 237 913 (25. Februar 1981) in Anspruch genommen.
II. Gegen das europäische Patent wurde im Zeitraum vom 2. bis 5. Februar 1988 von zehn Parteien (nachstehend als Beschwerdegegner I bis X bezeichnet) Einspruch eingelegt.
Der Antrag auf Widerruf des Patents wurde mit Artikel 100 a) bis c) EPÜ begründet. Im Verfahren vor der Einspruchsabteilung zogen die Einsprechenden zahlreiche Entgegenhaltungen [Entgegenhaltungen 1 bis 129] und Stellungnahmen an. Im folgenden sind die für diese Entscheidung besonders relevanten Entgegenhaltungen (unter Beibehaltung der in der Entscheidung der Einspruchsabteilung verwendeten Numerierung) aufgeführt:
(5) EP-A-0 001 929;
(10) Proc. Natl. Acad. Sci USA, Bd. 78, Nr. 4, April 1981, S. 2199 bis 2203;
(13A) Dissertation von J. L. Bennetzen, vorgelegt bei der Universität Washington, 1980;
(24) Referat Nr. 112, S. 32, 10th International Conference of Yeast Genetics and Molecular Biology, Louvain-La-Neuve, 8. bis 12. September 1980;
(28) Cell, Bd. 16, 1979, S. 753 bis 761;
(30) Cell, Bd. 20, 1980, S. 215 bis 222;
(52) Proc. Natl. Acad. Sci. USA, Bd. 77, Nr. 1, Januar 1980, S. 541 bis 545;
(61) J. Biol. Chem., Bd. 254, Nr. 19, 1979, S. 9839 bis 9845;
(64) Gene, Bd. 10, 1980, S. 157 bis 166;
(120) Science, Bd. 209, 19. September 1980, S. 1428 bis 1430;
(122) Yeast Genetics and Molecular Biology 1980, Workshop Reports of the 10th International Conference, Louvain-La-Neuve, 8. bis 12. September 1980, S. 51 bis 54 (Beitrag von K. Struhl);
(123) wie 122, S. 91 bis 93 (Beitrag von M. Guerineau);
(124) wie 122, S. 95 bis 97 (Beitrag von H. Heslot und P. J. Strijkert).
Für die Zwecke dieser Entscheidung werden sämtliche Entgegenhaltungen, die in Zusammenhang stehen mit der mündlichen Offenbarung Dr. Guarentes auf der 10th International Conference of Yeast Genetics and Molecular Biology vom 8. bis 12. September 1980 in Louvain-La-Neuve, als Dokument 24' bezeichnet. Hierzu gehören die Entgegenhaltung 24, deren spätere Veröffentlichung (Entgegenhaltung 10), die Entgegenhaltungen 122 und 124 und eine Reihe von Stellungnahmen und eidesstattlichen Versicherungen.
III. Die durch ein rechtskundiges Mitglied ergänzte Einspruchsabteilung verkündete am Ende der am 4. und 5. September 1990 abgehaltenen mündlichen Verhandlung ihre Entscheidung, das Patent aufgrund des Artikels 102 (1) EPÜ zu widerrufen, weil sowohl der Hauptantrag (Ansprüche 1 bis 31 für alle Staaten außer AT und Ansprüche 1 bis 30 für AT) als auch der Hilfsantrag (Ansprüche 1 bis 31 für alle Staaten außer AT und Ansprüche 1 bis 30 für AT) den Erfordernissen des EPÜ nicht entsprächen. Die begründete Entscheidung erging am 30. April 1991.
Die Einspruchsabteilung begründete ihre Entscheidung sinngemäß wie folgt:
a) Der Anspruch 9 beider Anträge erfülle die Erfordernisse des Artikels 123 (2) und (3) EPÜ deshalb nicht, weil das darin im Zusammenhang mit dem DNA-Insertionselement verwendete Wort "umfassend" auch dahingehend ausgelegt werden könnte, daß die DNA aus drei Komponenten, nämlich i) der exogenen DNA, ii) dem Translations-Startcodon und iii) zusätzlicher DNA (die sog. Version B), bestehe. Dieser Aspekt der Erfindung sei jedoch den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen nicht zu entnehmen.
b) Der Gegenstand sowohl des Haupt- als auch des Hilfsantrags mit Ausnahme der Ausführungsformen, die eine Transkriptions- Terminationssequenz eines Hefegens enthielten, beruhe im Hinblick auf die von Dr. Guarente auf der 10th International Conference of Yeast Genetics and Molecular Biology vom 8. bis 12. September 1980 in Louvain-La-Neuve gemachte mündliche Offenbarung (24') und in Anbetracht des allgemeinen Fachwissens nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Art. 56 EPÜ). Der einzige Unterschied zwischen den beanspruchten und den von Dr. Guarente offenbarten DNA-Vektoren bestehe darin, daß das Startsignal (ATG) nun Bestandteil des exogenen DNA-Insertionselements sei. Für den Fachmann sei es jedoch nicht schwierig, einen solchen alternativen rekombinanten Hefevektor herzustellen, weil
- Strukturgene bekannt seien, die für ein gewünschtes Polypeptid codierten und denen ein ATG-Startsignal vorangestellt sei (s. Entgegenhaltung 5);
- die enzymatischen Werkzeuge zum Spleißen, Zurechtschneiden und Wiederzusammenfügen von DNA-Fragmenten ebenfalls allgemein bekannt seien;
- auch die Expression eines normalerweise für Hefe exogenen Polypeptids in Hefe bekannt sei [s. z. B. Entgegenhaltung 24].
IV. Der Beschwerdeführer (Patentinhaber) legte gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung Beschwerde ein und reichte seine Beschwerdebegründung zusammen mit der Erklärung Herrn Kim Emmons' sowie weiteren, als Anlagen 1 bis 8 bezeichneten Schriftstücken ein. Mit Schreiben vom 17. Dezember 1993 wurden zwei weitere Erklärungen von Herrn Dr. J. Corden und Herrn Dr. R. Zitomer vorgelegt. Ein an die Kammer gerichtetes Schreiben von Herrn Professor Benjamin Hall und weitere Stellungnahmen von Herrn Professor Michael Smith wurden vom Beschwerdeführer mit Schreiben vom 2. bzw. 4. März 1994 eingereicht.
V. Acht Beschwerdegegner (Einsprechende) nahmen zur Beschwerde Stellung.
Gleichzeitig reichten die Beschwerdegegner IV/VII und X jeweils zwei weitere, mit OP Anl. 1 & 2 bzw. OX 1 & 2 bezeichnete Schriftstücke ein.
Mit Schreiben vom 27. Januar, 15. Februar und 8. März 1994 legte der Beschwerdegegner II drei eidesstattliche Versicherungen von Herrn Professor K. Struhl vor.
VI. Am 17. Januar 1994 informierte die Kammer in einer Mitteilung nach Artikel 11 (2) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern die Parteien über ihre vorläufige Auffassung in dieser Sache.
VII. Die mündliche Verhandlung begann am 15. und 16. März 1994.
In der Verhandlung wurden ein neuer Hauptantrag (Ansprüche 1 bis 30) und vier neue Hilfsanträge gestellt.
Anspruch 1 des Hauptantrags lautete wie folgt:
"Für die Expression exogener Gene in Hefe geeigneter DNA-Vektor, umfassend eine in Hefe replizierbare Sequenz, eine das 5'-Ende flankierende Sequenz eines Hefestrukturgens einschließlich seines Promotors, eine in Transkriptionsrichtung stromabwärts von der das 5'-Ende flankierenden Sequenz geschaffene Stelle zum Einfügen eines Strukturgens, das für ein biokompetentes Polypeptid codiert, das normalerweise für Hefe exogen ist, so daß es unter der Steuerung des Promotors transkribiert und von einem zum DNA- Insertionselement gehörenden Startsignal translatiert werden kann, sowie eine Sequenz, die eine phänotypische Selektion von transformierten Hefen ermöglicht"
Anspruch 9 des Hauptantrags hatte folgenden Wortlaut:
"Für die Expression exogener Gene in einem geeigneten Hefestamm geeigneter rekombinanter DNA-Vektor, umfassend eine Sequenz, die eine phänotypische Selektion von transformierten Hefen ermöglicht, eine in Hefe replizierbare Sequenz, eine das 5'-Ende flankierende Sequenz eines Hefestrukturgens einschließlich seines Promotors, die auch eine in die nichttranslatierte 5'- Leadersequenz des Gens hineinreichende Deletion enthält, und eine DNA, die in eine Stelle stromabwärts von der das 5'-Ende flankierenden Sequenz eingefügt ist, so daß sie unter der Steuerung des Promotors transkribierbar ist, wobei das DNA- Insertionselement eine Sequenz, die für ein normalerweise für Hefe exogenes biokompetentes Polypeptid codiert, sowie ein Translations-Startcodon enthält, von dem die transkribierte, codierende Sequenz im transformierten Hefewirt translatiert werden kann"
Anspruch 28 des Hauptantrags lautete wie folgt:
"Verfahren zur Herstellung eines gewünschten heterologen biokompetenten Polypeptids in Hefe durch Kultivieren eines Hefestammes, der mit einem in diesem Stamm replizierbaren rekombinanten DNA-Expressionsvektor transformiert worden ist, dadurch gekennzeichnet, daß der Vektor eine für das Polypeptid codierende exogene DNA-Sequenz enthält, die in Transkriptionsrichtung stromabwärts von einer das 5'-Ende flankierenden Sequenz eines Hefestrukturgens mit einem in diesem Hefestamm funktionellen Promotor eingefügt ist, wobei die flankierende Sequenz auch eine in die nichttranslatierte 5'- Leadersequenz des Gens hineinreichende Deletion enthält, und daß ein anderes als das für das Hefestrukturgen endogene Translations-Initiationssignal vorgesehen ist, das stromabwärts vom Promotor und im Leseraster mit der exogenen, codierenden Sequenz liegt, so daß die exogene Sequenz ab dem Promotor und dem Translations-Initiationssignal transkribiert wird"
Die Ansprüche 2 bis 8 bezogen sich auf besondere Ausführungsformen des Vektors nach Anspruch 1, die Ansprüche 10 bis 19 auf besondere Ausführungsformen des rekombinanten Vektors nach Anspruch 9, die Ansprüche 20 bis 25 auf mit den rekombinanten Vektoren transformierte Hefestämme und die Ansprüche 26 und 27 auf Verfahren zu deren Herstellung. Die Ansprüche 29 und 30 waren auf besondere Ausführungsformen des Verfahrens nach Anspruch 28 gerichtet.
VIII. Am Ende der mündlichen Verhandlung am 16. März 1994 verkündete die Kammer die Zurückweisung des Hauptantrags und vertagte die Verhandlung über die vorliegenden Hilfsanträge auf einen späteren Zeitpunkt.
IX. Mit Schreiben vom 29. April 1994 bekundete der Beschwerdeführer seine Absicht, 16 weitere Hilfsanträge einzureichen, um die noch offenen Beanstandungen auszuräumen und das Beschwerdeverfahren auf schriftlichem Wege zu einem raschen Abschluß zu bringen.
In einer Mitteilung nach Artikel 11 (2) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern wies die Kammer den Beschwerdeführer darauf hin, daß sie die neuen Anträge nicht zum Verfahren zulasse, und überließ es dem Beschwerdeführer, ob er das Merkmal "wobei die flankierende Sequenz auch eine in die nichttranslatierte 5'- Leadersequenz des Gens hineinreichende Deletion enthält" in die bereits vorliegenden Hilfsanträge aufnehmen wolle.
Mit Schreiben vom 13. Juni 1994 reichte der Beschwerdeführer die geänderten Hilfsanträge I bis III sowie eine neue Entgegenhaltung, nämlich die Ausgabe der Zeitschrift Nature vom März 1981, S. 77, und einen Auszug aus einer Zeugenaussage ein, die Herr Dr. Kingsman in der Sache Biogen ./. Medeva vor dem Patentgericht des High Court of Justice gemacht hatte. Der vierte Hilfsantrag wurde zurückgenommen.
X. Die mündliche Verhandlung wurde am 20. Juni 1994 fortgesetzt.
Die Kammer stimmte einer Zulassung der mit Schreiben vom 13. Juni 1994 eingereichten Hilfsanträge I bis III zum Verfahren nicht zu. Sie ließ jedoch die Aufnahme des Merkmals "wobei die flankierende Sequenz auch eine in die nichttranslatierte 5'-Leadersequenz des Gens hineinreichende Deletion enthält" in die bereits vorliegenden Hilfsanträge I bis III zu. Die Hilfsanträge I bis III wurden mit dieser Änderung als Grundlage für die Überprüfung der Beschwerde in der mündlichen Verhandlung verteilt.
Der Hilfsantrag I (Ansprüche 1 - 30) entspricht im wesentlichen dem Hauptantrag. Der einzige Unterschied besteht darin, daß alle Ansprüche als Verfahrensansprüche formuliert sind. Außerdem enthält der Anspruch 1 das Merkmal "wobei die flankierende Sequenz auch eine in die nichttranslatierte 5'-Leadersequenz des Gens hineinreichende Deletion enthält", die in Anspruch 1 des Hauptantrags fehlt.
Der Anspruch 1 der beiden Hilfsanträge II (Ansprüche 1 - 41) und III (Ansprüche 1 - 40) ist identisch und lautet wie folgt:
"Für die Expression exogener Gene in Hefe geeigneter DNA-Vektor, umfassend eine in Hefe replizierbare Sequenz, eine das 5'-Ende flankierende Sequenz eines Hefestrukturgens einschließlich seines Promotors, wobei die flankierende Sequenz auch eine in die nichttranslatierte 5'-Leadersequenz des Gens hineinreichende Deletion enthält, eine in Transkriptionsrichtung stromabwärts von der das 5'-Ende flankierenden Sequenz geschaffene Stelle zum Einfügen eines Strukturgens, das für ein normalerweise für Hefe exogenes biokompetentes Polypeptid codiert, so daß es unter der Steuerung des Promotors transkribiert und von einem zum DNA- Insertionselement gehörenden Startsignal translatiert werden kann, eine Sequenz, die eine phänotypische Selektion von transformierten Hefen ermöglicht, und eine Transkriptions- Terminationssequenz, die von einer flankierenden Sequenz eines Hefegens stromabwärts von der Insertionsstelle bereitgestellt wird"
Anspruch 11 des Hilfsantrags II lautet wie folgt:
"Für die Expression eines exogenen Strukturgens in einem geeigneten Hefestamm geeigneter rekombinanter DNA-Vektor, umfassend eine Sequenz, die eine phänotypische Selektion von transformierten Hefen ermöglicht, eine in Hefe replizierbare Sequenz, eine das 5'-Ende flankierende Sequenz eines Hefestrukturgens einschließlich seines Promotors, wobei die flankierende Sequenz auch eine in die nichttranslatierte 5'- Leadersequenz des Gens hineinreichende Deletion enthält, eine an einer Insertionsstelle stromabwärts von der das 5'-Ende flankierenden Sequenz eingefügte DNA, so daß sie unter der Steuerung des Promotors transkribiert werden kann, wobei dieses DNA-Insertionselement eine Sequenz, die für ein normalerweise für Hefe exogenes biokompetentes Polypeptid codiert, und ein Translations-Startcodon enthält, ab dem die transkribierte Codiersequenz im transformierten Hefewirt translatiert werden kann, sowie eine Transkriptions-Terminationssequenz für die DNA stromabwärts von der Insertionsstelle"
Anspruch 11 des Hilfsantrags III unterscheidet sich von Anspruch 11 des Hilfsantrags II dadurch, daß die Transkriptions- Terminationssequenz durch den Zusatz "von einer flankierenden Sequenz eines Hefegens ... bereitgestellt" näher spezifiziert wird.
Der Einfachheit halber werden hier die übrigen Ansprüche dieser Hilfsanträge nicht erwähnt (bezüglich der näheren Einzelheiten wird auf die Akte verwiesen).
XI. Der Beschwerdeführer machte geltend, daß man die erfinderische Tätigkeit des beanspruchten Gegenstands nur dann richtig einschätzen könne, wenn man den bei der Einreichung der Patentanmeldung gegebenen Stand der Technik gebührend berücksichtige; dieser habe sich wie folgt dargestellt:
a) Zwar seien bereits einige exogene Gene in Hefe exprimiert worden [s. Entgegenhaltung 6, 8, 74], doch habe daraus noch nicht endgültig gefolgert werden können, weshalb es zur Expression gekommen sei. Daß die Hefe den fremden Promotor zufällig erkannt habe, sei nur eine von vielen möglichen Erklärungen gewesen. Transkriptionelles Lesen von einem entfernten Promotor aus oder das zufällige Erkennen einer anderen Nichtpromotorsequenz hätten sich als weitere Erklärungsmöglichkeiten angeboten.
b) Es habe klar auf der Hand gelegen, daß sich die bakterielle Expression in vielen wesentlichen Punkten sowohl transkriptioneller als auch translationeller Art entscheidend von der eukaryontischen Expression unterscheide. Im Bereich der Eukaryonten sei über Hefe sehr viel weniger bekannt gewesen als über Säugetierzellen. Es habe keine direkte Verbindung zwischen Bakterien und Hefen gegeben. Insbesondere seien im Stand der Technik bei den Promotoren und ihren Funktionsmechanismen deutliche Unterschiede zwischen bakteriellen und eukaryontischen Organismen festzustellen gewesen.
c) Obwohl für die das 5'- und die das 3'-Ende flankierende Sequenz von Hefegenen einige Daten vorgelegen hätten [s. Entgegenhaltungen 28, 13A], seien die Grenzen dieser Bereiche nicht bekannt gewesen. Unklarheit habe auch über die genaue Lage der Promotorregionen von Hefegenen und inbesondere ihrer 3'- Grenzen sowie darüber bestanden, ob es stromaufwärts vom Startcodon Leaderregionen gebe und ob diese die Initiierung der Translation beeinflußten [s. z. B. die Entgegenhaltungen 28 und 52].
d) Die sog. Regel des ersten AUG (s. Herrn Dr. Zitomers Erklärung) sei ein Arbeitsmodell gewesen, das die Auswahl der Startstelle während der Translation erklären sollte, sich aber nicht mit den Promotorwirkungen während der Transkription befaßt habe. Die Beobachtung, daß die Translation von mRNA am ersten verfügbaren AUG beginne, bedeute nicht, daß das erste AUG alles sei, was für die Expression benötigt werde. In dem vorgeschlagenen Modell würden die Vorgänge nicht berücksichtigt, die zwischen der Initiierung der Transkription und derjenigen der Translation stattfänden.
e) In der Entgegenhaltung 30 seien Versuche beschrieben, bei denen mittels massiver, auf dem Zufallsprinzip beruhender Mutationsexperimente in einem mutierten Hefegen, dem das natürliche Startcodon fehle, ATG-Codons in der Region -3 bis 9 erzeugt würden und die Proteinexpression gemessen werde. Es würden jedoch keine DNA-Sequenzdaten angegeben, aus denen hervorgehe, wie die Mutation aussehe und wo sie stattfinde. Auch werde die Auswirkung der beabsichtigten Änderungen der DNA- Sequenz in der Region nicht untersucht, in der die Translation ausgelöst werde. Diese Arbeit habe die Annahme erhärtet, daß auch bei den Hefen der Translationsvorgang am nächstliegenden AUG- Codon ausgelöst werde. Das Dokument 30 lasse jedoch weder die Schlußfolgerung, daß auf die natürliche Leadersequenz verzichtet und das Startsignal auch außerhalb seiner natürlichen Umgebung verwendet werden könne, noch den Schluß zu, daß es stromaufwärts vom Startsignal keine für die Auslösung der Translation wichtigen Sequenzen gebe.
f) Die Offenbarung Dr. Guarentes (24') zeige, daß das für das "Indikations"-Molekül lacZ' codierende Gen in Hefe exprimiert werden könne, wenn es an zwei verschieden große Fragmente der für Cyc 1 von Hefe codierenden Region gebunden werde. Es seien verschiedene Expressionsgrade und verschiedene Arten der Expressionsregulation beobachtet worden. Diese Unterschiede würden unter anderem damit erklärt, daß stromabwärts von der Position, die bei der kürzeren der beiden Konstruktionen herausgeschnitten gewesen sei, promotorregulatorische Elemente vorhanden gewesen seien. Diese Arbeit erhärte die Vorstellung, daß die Hefepromotoren tatsächlich groß und komplex seien [s. auch die Stellungnahme Dr. Struhls in der Entgegenhaltung 122]. Dr. Guarente habe nicht versucht, die 3'-Endposition des Promotorbereichs herauszuschneiden. Die von ihm vorgenommenen Deletionen hätten weit oberhalb des mRNA-Startsignals gelegen, weil er - aufgrund des damaligen Wissensstands - nicht davon habe ausgehen können, daß die rund um das natürliche ATG liegenden Sequenzen deletiert oder geändert werden könnten. Dr. Guarente habe nicht gewußt, ob und in welchem Umfang die Hefepromotoren Elemente in ihrem Inneren oder wichtige Elemente an der Grenze zur codierenden Region umfaßten. Die 3'-Grenze eines Hefepromotors sei damals weder untersucht noch festgelegt, noch kartiert gewesen.
Der Beschwerdeführer machte geltend, das vorliegende Patent habe die Funktion der Region im 3'-Bereich des Promotors unmittelbar stromaufwärts vom Startcodon geklärt, indem es erstmals gezeigt habe, daß man auch ohne die natürliche Leaderregion in Hefe auskommen könne und daß die betreffende Region für die Einfügung eines gewünschten heterologen Gens zur Verfügung stehe, das für ein biokompetentes Polypeptid codiere. Dem oben angeführten Stand der Technik sei dies auch anhand des Dokuments 24' nicht eindeutig zu entnehmen, da es zu viele Unklarheiten gebe und keine Angaben über die 3'-Grenzen der Hefepromotoren vorlägen; außerdem gelte diese Region als "sakrosankt". Erst nachdem die Erfinder im vorliegenden Fall erkannt hätten, daß die unmittelbar stromaufwärts vom Translations-Startcodon liegende DNA-Sequenz für eine wirksame Expression ohne Bedeutung sei, sei es möglich gewesen, Hefe-Vektorkonstruktionen für die Einfügung einer codierenden Sequenz eines gewünschten exogenen biokompetenten Polypeptids zusammen mit einem Translations-Startcodon bereitzustellen.
Was das die Transkriptions-Termination betreffende Merkmal anbelange, das für den in den Hilfsanträgen II und III beanspruchten Gegenstand ebenfalls kennzeichnend sei, so sei im Stand der Technik nur wenig bekannt gewesen über die Gegenwart von DNA-Sequenzen bei der Termination in Hefe [s. z. B. Entgegenhaltungen 28 und 13A]. Es habe auch noch keine Beweise dafür gegeben, daß diese Sequenzen möglicherweise funktionell seien. Somit wäre es 1981 für einen Fachmann nicht naheliegend gewesen, stromabwärts von dem zu exprimierenden Gen eine eigene Terminationseinheit in einer Hefe-Vektorkonstruktion anzubringen, wie dies hier getan worden sei.
XII. Die Beschwerdegegner vertraten die Ansicht, daß der Beschwerdeführer durch Weglassen der Spezifizierung "andere als die für das Wachstum der transformierten Zellen erforderlichen" in Zusammenhang mit dem normalerweise für Hefe exogenen biokompetenten Polypeptid gegen Artikel 123 (2) EPÜ verstoßen habe, weil die Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung auf ein Polypeptid gerichtet gewesen sei, das zwei untrennbare Merkmale aufgewiesen habe, nämlich 1. daß es sich um "ein normalerweise für Hefe exogenes biologisch kompetentes Polypeptid" gehandelt habe und 2. daß dieses "für das Wachstum der transformierten Zellen nicht erforderlich" gewesen sei (s. S. 6, letzter Absatz).
Außerdem wurde aufgrund von Artikel 123 (2) EPÜ beanstandet, daß die Worte "wobei die flankierende Sequenz auch eine in die nichttranslatierte 5'-Leadersequenz dieses Gens hineinreichende Deletion enthält" in die Ansprüche aufgenommen wurden. Als Begründung wurde angeführt, daß die Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hierfür keinerlei Handhabe biete.
Alle Beschwerdegegner beanstandeten unter Berufung auf Artikel 123 (2) und (3) EPÜ den in Zusammenhang mit der Transkriptions- Terminationssequenz verwendeten Ausdruck "bereitgestellt" (s. z. B. Anspruch 1 der Hilfsanträge II und III). Nach ihrem Dafürhalten stelle dies eine unzulässige Form einer "vorläufig vorgenommenen Verallgemeinerung" der gewährten Ansprüche dar. Außerdem sei in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen keine Grundlage für diesen Ausdruck zu finden.
Der Beschwerdegegner III griff unter Berufung auf Artikel 84 EPÜ die Erzeugnisansprüche an, weil sie Formulierungen enthielten, die die Strukturmerkmale des Erzeugnisses durch den Vorgang definierten, durch den sie eingeführt würden ("geschaffen", "zugehörig", "bereitgestellt" usw.). Dadurch werde die Feststellung des angemessenen Umfangs der Ansprüche extrem erschwert.
Ferner vertraten alle Beschwerdegegner die Auffassung, daß in keinem der Anträge der beanspruchte Gegenstand eine erfinderische Tätigkeit erkennen lasse, und begründeten dies sinngemäß wie folgt:
(1) Die Technik der Genexpression sei zum Prioritätszeitpunkt bereits weit entwickelt gewesen und habe durchaus im Bereich der Möglichkeiten des Fachmanns gelegen. Die hierfür erforderlichen Verfahren und Mittel seien bekannt gewesen. Die Manipulation im Bereich des Startcodons habe zu den Routineverfahren gehört [s. z. B. Entgegenhaltungen 120 und 5]. So offenbare die Entgegenhaltung 120 das Zuschneiden eines bakteriellen Promotors und seine Fusion mit einem eingefügten Gen und dessen ATG- Startcodon zur Erzielung einer direkten Expression.
(2) Die Parallelen zwischen bakterieller und Hefeexpression seien im Stand der Technik bekannt gewesen [s. Entgegenhaltung 12]. Der Fachmann habe in makroskopischer Hinsicht gewußt, was für die Expression in Hefe benötigt werde. Auch sei es erwünscht gewesen, Hefe als Wirt zu verwenden (5).
(3) Eine Reihe von Hefegenen sei kloniert und sequenziert worden. Die stromauf- und stromabwärts liegenden Sequenzen seien identifiziert worden [s. z. B. Entgegenhaltung 28]. Es sei bekannt gewesen, daß die das 5'-Ende flankierenden Sequenzen die wesentlichen Elemente des Hefepromotors darstellten; auch habe einiges dafür gesprochen, daß die Translation am ersten AUG beginne [s. Entgegenhaltung 28].
In Entgegenhaltung 30 sei nachgewiesen worden, daß auch bei Änderung des Umfelds des ATG durch Mutation eine Expression möglich sei. Dies zeige, daß die Region um das ATG nichts Wesentliches enthalte, und lege die Vermutung nahe, daß die Position des Initiationscodons flexibel sei.
(4) Dr. Guarente habe nachgewiesen, daß eine heterologe Genexpression in Hefe unter der Steuerung eines Hefepromotors möglich sei (24'). In seiner Präsentation, in der es sowohl um bakterielle als auch um Hefe-Vektorkonstruktionen gegangen sei, die das lacZ-Gen enthielten, stelle er eine direkte Verbindung zwischen dem bakteriellen und dem Hefe-Expressionssystem her.
Diese Präsentation habe vor einer Gruppe von Fachleuten stattgefunden, die sofort deren Bedeutung erkannt hätten, wie der folgenden von Dr. Heslot im Workshop geäußerten Bemerkung (124) zu entnehmen sei: "Dieses System kann offensichtlich zur Expression anderer fremder Gene in Hefe verwendet werden."
(5) Die Offenbarung Dr. Guarentes (24') in Verbindung mit der bekannten Lehre [s. z. B. Entgegenhaltung 30], daß zwischen dem ATG-Startcodon und dem Promotor kein bestimmter Abstand bestehen müsse, damit eine normale Expression stattfinde, mache es für den Fachmann naheliegend, Hefe-Vektorkonstruktionen für die direkte Expression heterologer Gene der hier beanspruchten Art herzustellen. Der bakteriellen Technik sei ganz klar zu entnehmen, wie das 3'-Ende des Promotors gentechnisch bearbeitet werden müsse, damit sichergestellt sei, daß das erste AUG, auf das das Ribosom stoße, auch tatsächlich das erste AUG des zu exprimierenden Gens sei. Die Herstellung der Konstruktionen erfordere also lediglich die Anwendung bekannter, durchaus erfolgversprechender Techniken.
Der Beschwerdeführer habe weder eine erhöhte Expressionswirkung nachgewiesen noch irgendwelche überraschenden oder unvorhersehbaren Ergebnisse in Zusammenhang mit den beanspruchten Konstruktionen vorgelegt. In den Ansprüchen würden lediglich die technischen Möglichkeiten für die bekannte Herstellung von Expressionserzeugnissen angewandt, die keine modifizierten N- Termini aufwiesen. Dies sei jedoch angesichts des Stands der Technik zuverlässig voraussagbar gewesen.
(6) Was die den Hilfsanträgen II und III zugrunde liegende Aufgabe anbelange, für eine geeignete Transkriptionstermination zu sorgen, so sei es für den Fachmann offensichtlich, daß auch die mRNAs von Hefe eigene, Terminationssequenzen enthaltende 3'- Enden aufwiesen. So sei es naheliegend gewesen, Terminationssequenzen in eine Hefe-Vektorkonstruktion einzubauen. Die Gegenwart von Transkriptions-Terminationssequenzen in Hefegenen werde im Stand der Technik ausdrücklich erwähnt [s. z. B. (28) und (13A)]. Somit habe der Fachmann allen Grund gehabt, sie bei der Konstruktion von Hefe-Expressionsvektoren zu verwenden. Die Tatsache, daß die Aufnahme dieser Sequenzen naheliegend gewesen sei, habe jedenfalls nichts damit zu tun, daß sich diese Sequenzen später möglicherweise als für die fremde Genexpression wichtig erwiesen hätten. Das vorliegende Patent offenbare weder konkrete Terminationssignale, noch beschreibe es irgendwelche unerwarteten oder überraschenden Wirkungen bezüglich ihrer Verwendung, so daß sich letztlich seine Lehre diesbezüglich nicht von der bekannten unterscheide.
XIII. Der Beschwerdeführer beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage des am 16. März 1994 eingereichten Hauptantrags oder hilfsweise auf der Grundlage des ersten, zweiten oder dritten Hilfsantrags in der am 20. Juni 1994 verteilten Fassung.
Die Beschwerdegegner beantragten die Zurückweisung der Beschwerde.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Formale Zulässigkeit [Art. 123 (2), (3) EPÜ]
Nach den vorgenommenen Änderungen ist der Gegenstand der Ansprüche aller Anträge nun enger definiert als in den Ansprüchen in der erteilten Fassung und führt somit auch zu einem engeren Schutzbereich als demjenigen der Ansprüche in der erteilten Fassung. Die Erfordernisse des Artikels 123 (3) EPÜ sind daher erfüllt.
Auch Artikel 123 (2) EPÜ ist Genüge getan, weil die erwähnten Änderungen durch die ursprünglichen Anmeldungsunterlagen wie folgt gestützt sind:
i) Die Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung bezog sich ausdrücklich auf die Herstellung eines "biokompetenten Polypeptids" und war allgemein formuliert (s. S. 4, Abs. 3). Die darin enthaltene Bezugnahme auf andere biokompetente Polypeptide "als die für das Wachstum der transformierten Zellen erforderlichen" ist als besondere Ausführungsart anzusehen. Somit stellt nach Auffassung der Kammer die Streichung dieses Ausdrucks in den unabhängigen Ansprüchen keinen Verstoß gegen Artikel 123 (2) EPÜ dar.
ii) Was die Aufnahme des Ausdrucks "wobei diese flankierende Sequenz auch eine in die nichttranslatierte 5'-Leadersequenz des Gens hineinreichende Deletion enthält" in die Ansprüche anbelangt, so stellt die Kammer fest, daß sich die Bezugnahme auf die Leadersequenz und die Deletionen in dieser Region in den ursprünglichen Anmeldungsunterlangen zwar nur in Verbindung mit dem konkreten Beispiel des Alkohol-Dehydrogenase-(ADH)-Gens findet, aus dem Gesamtzusammenhang jedoch eindeutig zu entnehmen ist, daß die Lehre dieses Beispiels allgemein anwendbar sein soll (s. z. B. S. 24, Abs. 4 und S. 25, Abs. 4). Durch diese Änderung wird also der Gegenstand nicht über den Inhalt der Anmeldung in der eingereichten Fassung hinaus erweitert.
iii) Der Ausdruck "bereitgestellt" in Hilfsantrag II und III wird nach Auffassung der Kammer durch die Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung voll und ganz gestützt, da darin klar zum Ausdruck gebracht wird, daß die Transkriptions- Terminationselemente in Form von das 3'-Ende flankierenden Sequenzen von Hefegenen bereitgestellt werden (s. S. 18, Abs. 6 und S. 25, Abs. 2). Im ursprünglichen Anspruch 2 findet sich das Wort "Bereitstellung".
3. Klarheit (Art. 84 EPÜ)
Nach Auffassung der Kammer erfüllen die neu eingereichten Ansprüche aller Anträge sämtlich das Erfordernis der Klarheit nach Artikel 84 EPÜ. Die vom Beschwerdegegner III beanstandeten Ausdrücke lassen keinerlei Zweifel an der Kategorie und dem Umfang der Ansprüche. Sie werden im Gesamtzusammenhang der Ansprüche zur näheren Bezeichnung der Position oder des Ursprungs eines Strukturmerkmals verwendet. Auch technisch gesehen werden die Ansprüche durch diese Merkmale keineswegs unklar.
4. Neuheit (Art. 54 EPÜ)
4.1 Nächstliegender Stand der Technik
Den nächstliegenden Stand der Technik bildet Dr. Guarentes mündliche Offenbarung auf der 10th International Conference of Yeast Genetics and Molecular Biology, die vom 8. bis 12. September 1980 in Louvain-La-Neuve stattfand (24').
Aus den verfügbaren Unterlagen geht hervor, daß Dr. Guarente bei der Posterpräsentation und in zwei Workshops dieser Konferenz von seinen Studien über die Charakterisierung des Cyc1 (iso-1- Cytochrom c)-Promotors und das hierzu verwendete lacZ'-Gen berichtete. Diese Studien wurden durchgeführt, um die Funktion dieses Promotors zu klären. Dr. Guarente offenbarte die Konstruktion von Plasmiden, die Fusionen des lacZ'-Gens aus E. coli mit einer an das 5'-Ende von Cyc1 angrenzenden Region enthielten und Selektionsmarker und den Replikationsursprung sowohl für E. coli als auch für S. cerevisiae aufwiesen, insbesondere die Konstruktion eines Plasmids, das dem Plasmid pLG669-Z in Abbildung 1 der späteren Veröffentlichung (Entgegenhaltung 10) entspricht. Er berichtete, daß sowohl E.- coli- als auch S.-cerevisiae-Zellen, die mit diesen Plasmiden transformiert worden seien, unter Einwirkung des Cyc1-Promotors ß-Galactosidase exprimieren könnten. Das lacZ'-Gen stand in diesen Konstruktionen für die exogene DNA-Sequenz.
Das Plasmid pLG669-Z (Plasmid mit der eingefügten exogenen DNA- Sequenz = "beladener Vektor") war laut seiner Offenbarung aus dem Plasmid pLG669 (Plasmid vor Einfügen der exogenen DNA-Sequenz = "leerer Vektor") durch Einfügung der für lacZ' codierenden Sequenz an der Bam HI-Stelle gebildet worden. Dieses Vorläuferplasmid pLG669 umfaßte die folgenden Strukturelemente: i) ein Hefereplikon, ii) eine das 5'-Ende flankierende Sequenz eines Hefestrukturgens einschließlich seines Promotors (und der ersten vier Nucleotide ATGA des Cyc1-Gens, d. h. des Startcodons und eines weiteren Nucleotids), iii) eine stromabwärts davon gelegene Stelle zum Einfügen eines Gens (Bam HI-Stelle), iv) einen Hefemarker, v) einen bakteriellen Marker und vi) einen bakteriellen Replikationsursprung.
Dr. Guarente beschrieb auch bestimmte in die das 5'-Ende flankierende Sequenz hineinreichende Deletionen, insbesondere die Deletion des Xhol(-700)-Xhol(-250)-Fragments. Letztere habe zwar eine Verringerung der Expression in Hefe, nicht aber derjenigen in E. coli zur Folge. Auf diese Weise lasse sich die wahrscheinliche Lage der Cyc1-Promotorregion innerhalb der aus 1100 Nucleotiden bestehenden Region bestimmen, die dem Cyc1- Strukturgen im Hefechromosom vorangestellt sei. Auch lasse sich damit die Lage der Hogness-Box (ca. 120 Nucleotide stromaufwärts vom Beginn der Cyc1-Codiersequenz) feststellen.
Im vorliegenden Verfahren bestand allgemeines Einverständnis bezüglich des oben beschriebenen Gesamtgehalts der mündlichen Offenbarung Dr. Guarentes.
4.2 Die Beschwerdegegner haben die Neuheit der Ansprüche der neuen Anträge gegenüber der mündlichen Offenbarung 24' nicht bestritten.
Es ist festzuhalten, daß das für das "Indikations"-Molekül lacZ' codierende Gen unter die Definition "ein für ein normalerweise für Hefe exogenes biokompetentes Polypeptid codierendes Strukturgen" in dem hier verwendeten Sinne fällt.
Die Vektoren nach den Ansprüchen 1 und 9 und das Verfahren nach Anspruch 28 des Hauptantrags sind gegenüber den aus der Entgegenhaltung 24' bekannten neu, weil
- der "leere" Vektor nach Anspruch 1 nicht das ATG-Codon des Hefegens enthält, das auch den Promotor zur Verfügung stellt;
- der "beladene" Vektor nach den Ansprüchen 9 und 28 eine in die nichttranslatierte 5'-Leadersequenz des Hefegens hineinreichende Deletion enthält, das auch den Promotor zur Verfügung stellt.
Somit ist der Hauptantrag nicht wegen mangelnder Neuheit zu beanstanden.
Die unabhängigen Ansprüche der Hilfsanträge I bis III enthalten alle unter anderem das Merkmal der in die nichttranslatierte 5'-Leadersequenz hineinreichenden Deletion. Daher sind auch diese Anträge aus den obengenannten Gründen nicht wegen mangelnder Neuheit zu beanstanden.
5. Erfinderische Tätigkeit (Art. 56 EPÜ)
5.1 Hauptantrag
5.1.1 Technische Aufgabe
Angesichts der Entgegenhaltung 24' besteht die technische Aufgabe, die mit dem streitigen Patent gelöst werden soll, in der Konstruktion von alternativen Hefe-Expressionsvektoren, die zur Expression eines gewünschten exogenen Gens in Hefe geeignet sind.
5.1.2 Vorgeschlagene Lösung
Zur Lösung dieses Problems wird in Anspruch 1 die Konstruktion eines "leeren" Vektors vorgeschlagen, der stromabwärts von der das 5'-Ende flankierenden Sequenz eines Hefegens, das auch den Promotor zur Verfügung stellt, eine Stelle zum Einfügen der gewünschten exogenen DNA-Sequenz bietet, die ein eigenes Startsignal enthält. Bei diesem "einsatzbereiten" Vektor fehlt das Startsignal des Hefegens. Anspruch 9 hingegen schlägt einen "beladenen" Vektor vor, der eine in die nichttranslatierte 5'-Leadersequenz des Hefegens hineinreichende Deletion aufweist, wobei das Hefegen den Promotor zur Verfügung stellt.
Die Patentschrift enthält Beispiele für Vektorkonstruktionen, bei denen eine DNA-Sequenz, die für von Leukocyten gebildetes Interferon D codiert, zusammen mit ihrem Startsignal stromabwärts von der das 5'-Ende flankierenden Sequenz des ADH-Gens von Hefe eingefügt wird, das den Promotor enthält und Deletionen aufweist, die sich über das natürliche Startsignal hinaus in die nichttranslatierte 5'-Leaderregion hinein erstrecken. Es wird der Nachweis erbracht, daß Hefezellen, die mit diesen Vektorkonstruktionen transformiert worden sind, ein biologisch aktives Erzeugnis exprimieren (s. Tabelle 1).
5.1.3 Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit
5.1.3.1 Dr. Guarente lieferte mit seiner mündlichen Offenbarung (24') nach Ansicht der Konferenzteilnehmer die erste Demonstration einer Expression einer für Hefe exogenen Sequenz in Hefe unter der Steuerung eines Hefegenpromotors [s. hierzu insbesondere die Anmerkungen in der Entgegenhaltung 124].
5.1.3.2 Da es zur normalen Arbeit eines Fachmanns gehört, sich laufend um die Beseitigung von Mängeln und Nachteilen und die Verbesserung bekannter Vorrichtungen oder Erzeugnisse zu bemühen (s. hierzu z. B. die Entscheidungen T 15/81, ABl. EPA 1982, 2, Nr. 3 der Entscheidungsgründe und T 195/84, ABl. EPA 1986, 121, Nr. 8.1 der Entscheidungsgründe), darf man realistischerweise davon ausgehen, daß der Fachmann, der die Präsentation Dr. Guarentes (24') kannte, sofort daran gedacht hätte, Alternativen zu den dargelegten Vektoren und Verfahren zu entwickeln oder diese zu verbessern.
5.1.3.3 Einige Entscheidungen auf biotechnologischem Gebiet enthalten bereits eine Definition des Durchschnittsfachmanns für die Zwecke des Artikels 56 EPÜ (s. z. B. T 60/89, ABl. EPA 1992, 268, Nr. 2.2.4 der Entscheidungsgründe; T 500/91 vom 21. Oktober 1992, Nr. 2.2 der Entscheidungsgründe und T 223/92 vom 20. Juli 1993, Nr. 5.5 der Entscheidungsgründe, beide Entscheidungen nicht im ABl. EPA veröffentlicht).
Die Kammer hält es für nützlich, im Rahmen dieser Entscheidung einige Überlegungen darüber anzustellen, wie der Fachmann an etwaige Änderungen oder Anpassungen bekannter Erzeugnisse (z. B. eines Plasmids) oder Verfahren (z. B. eines Versuchsprotokolls) herangeht. Sie will auf diese Weise eine möglichst objektive Antwort auf die Frage geben, wie man erkennt, ob die Vornahme einer bestimmten Änderung an einer Struktur oder einem Verfahren für den Fachmann naheliegend wäre, ohne dabei in den Fehler einer Ex-post-facto-Analyse zu verfallen.
Nach Auffassung der Kammer ist sich der Fachmann auf diesem Gebiet durchaus dessen bewußt, daß schon eine kleine strukturelle Änderung eines Erzeugnisses (z. B. eines Vektors, eines Proteins, einer DNA-Sequenz) oder eines Verfahrens (z. B. eines Reinigungsverfahrens) drastische funktionelle Änderungen hervorrufen kann. Daher würde sich der Fachmann immer am Stand der Technik ausrichten und eine etwaige Änderung oder Anpassung vor dem Hintergrund des aktuellen Wissensstands sorgfältig abwägen, bevor er zu Werke geht. Er nähme also nach Ansicht der Kammer eine konservative Haltung ein. Darunter darf jedoch nicht verstanden werden, daß er gar nicht oder nur widerstrebend bereit wäre, ein bekanntes Erzeugnis oder Verfahren abzuändern oder anzupassen, sondern vielmehr, daß er dabei vorsichtig vorginge. So würde der betreffende Fachmann z. B. weder gegen ein bestehendes Vorurteil angehen noch sich auf "sakrosanktes" oder unsicheres Terrain vorwagen, noch unkalkulierbare Risiken eingehen. Er wäre jedoch bereit, im Rahmen der üblichen Konstruktionsverfahren nach sich anbietenden geeigneten Änderungen oder Anpassungen zu suchen, die wenig Mühe und Aufwand verursachen und kein oder allenfalls nur ein kalkulierbares Risiko mit sich bringen, um auf diese Weise vor allem zu handlicheren oder passenderen Erzeugnissen oder zu Verfahrensvereinfachungen zu gelangen. Insbesondere hielte ein auf einem bestimmten Gebiet (z. B. der Expression in Hefe) tätiger Fachmann ein Mittel, das sich auf einem benachbarten Gebiet der Technik (z. B. der bakteriellen Technik) als brauchbar erwiesen hat, auch auf seinem eigenen Fachgebiet für geeignet, wenn eine solche Übertragung des technischen Wissens ohne weiteres möglich wäre.
5.1.3.4 Ausgehend von diesen Überlegungen lautet die Frage also nicht, ob der Fachmann den Versuch hätte unternehmen können, die in Dokument 24' offenbarte technische Lehre zu ändern, sondern ob er dies auch tatsächlich getan hätte. Bei der Beantwortung dieser Frage sollte man berücksichtigen, daß der Fachmann auf dem Gebiet der Expression von Polypeptiden in Hefe allen Grund hatte, sich in Richtung der technischen Lehre des streitigen Patents zu bewegen, weil er wußte, wie er die technische Lehre des aus einem benachbarten Fachgebiet, nämlich der bakteriellen Gentechnik, stammenden Dokuments 24' würde anpassen müssen. Dies wäre für einen Fachmann Anreiz genug gewesen, zumindest den Versuch zu unternehmen, das Wissen über die bakterielle Technik auf Hefe zu übertragen. Es ist darauf hinzuweisen, daß insoweit der Fachmann auf dem Gebiet der bakteriellen Gentechnik gleichzeitig auch der für Hefen zuständige ist.
5.1.3.5 Was nun die in Anspruch 1 des Streitpatents vorgeschlagene Lösung anbelangt, so stellt die Kammer hierzu fest, daß sich der "leere" Vektor in diesem Anspruch von dem in der Entgegenhaltung 24' offenbarten "leeren" Plasmid nur dadurch unterscheidet, daß er nicht das Startsignal (ATG) des Hefegens enthält, das den Promotor zur Verfügung stellt. Hinter diesem Vorschlag des vorliegenden Patents steht der Gedanke, einen "einsatzbereiten" Vektor bereitzustellen, in den eine DNA-Sequenz eingefügt werden kann, die aus einem Startsignal, einer exogenen DNA-Sequenz und (wahlweise) aus einem Terminationssignal besteht. Dieser Ansatz war jedoch bereits aus der bakteriellen Technik bekannt [s. z. B. Entgegenhaltung 120, insbesondere Abb. 1 A]. Der Stand der Technik enthielt nichts, was den Fachmann bei der Konstruktion von Hefe-Expressionsvektoren davon abgehalten hätte, dieses Konzept auch auf Hefen anzuwenden. Außerdem hätte es für den Fachmann keinen Unterschied gemacht, ob das Startsignal bereits im Vektor vorhanden ist oder ob es zusammen mit der exogenen DNA-Sequenz eingeführt wird, solange es sich nur an der richtigen Stelle im Vektor befindet.
Nach Auffassung der Kammer wäre die strukturelle Veränderung, die den Unterschied zwischen dem Vektor nach Anspruch 1 und dem "leeren" Plasmid nach Dokument 24' ausmacht, von einem Fachmann, der sich mit der Konstruktion alternativer Hefe- Expressionsvektoren befaßt, ohne weiteres in Betracht gezogen worden. Die Vornahme einer solchen Veränderung bei dem bekannten Plasmidvektor verlangte dem Fachmann nichts ab, was außerhalb seiner normalen Aufgaben gelegen hätte; sie weist demnach keine erfinderische Tätigkeit auf, sondern ist lediglich eine Frage der technischen Zweckmäßigkeit.
5.1.3.6 Der "beladene" Vektor nach den Ansprüchen 9 und 28 unterscheidet sich von dem in der Entgegenhaltung 24' offenbarten "beladenen" Plasmid dadurch, daß er in die nichttranslatierte 5'- Leadersequenz des Hefegens hineinreichende Deletionen enthält, wobei das Hefegen den Promotor zur Verfügung stellt. Die Kernfrage bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit dieser Ansprüche lautet, ob ein Fachmann ausgehend von der Lehre der Entgegenhaltung 24' die Einführung dieser Deletionen ohne weiteres in Betracht gezogen hätte.
Hierzu bringt der Beschwerdeführer im wesentlichen vor, daß der Fachmann das unkalkulierbare Risiko einer Manipulation in dieser Region nicht eingegangen wäre, weil nur sehr wenig darüber bekannt gewesen sei, wie sich dies auf die Expression in Hefe auswirken könnte. Außerdem sei über Hefepromotoren und insbesondere ihre 3'-Grenzen zu wenig bekannt, als daß es für den Fachmann naheliegend gewesen wäre, in die nichttranslatierte 5'- Leaderregion hineinreichende Deletionen vorzunehmen. Daher hätte der Fachmann diese Region als "sakrosankt" betrachtet.
Die Kammer bemerkt hierzu, daß Anfang 1981 bereits eine Reihe von Hefegenen kloniert und sequenziert und die stromauf- und stromabwärts darin enthaltenen Sequenzen identifiziert worden waren [s. z. B. Entgegenhaltung 13A, insbesondere Abb. 25, und Entgegenhaltung 28]. Es war bekannt, daß in der oberen Region der das 5'-Ende flankierenden Sequenzen Promotorsequenzen lagen [s. Entgegenhaltungen 13A und 24']. Das Modell, bei dem die Translation in Hefe beim ersten AUG stromabwärts vom 5'-Ende der mRNA einsetzt, ohne daß die Sequenz weitere Bedingungen erfüllen muß, war weithin anerkannt und akzeptiert [s. Entgegenhaltungen 28, 30 und 120]. So hatten insbesondere die in der Entgegenhaltung 30 beschriebenen Studien gezeigt, daß es nicht unbedingt einer bestimmten Sequenz am 5'-Ende des Initiationscodons bedarf und daß die Translation bei dem dem 5'- Ende der mRNA am nächsten liegenden AUG-Codon beginnt. Diese Entgegenhaltung ist für die vorliegende Diskussion besonders relevant und sollte näher erläutert werden.
5.1.3.7 Bei den in der Entgegenhaltung 30 beschriebenen Studien wurden Mutationen in der Cyc1-Position eines mutierten Hefestamms durchgeführt, dem das normale ATG-Codon fehlte, um intragene Revertanten zu erzielen, bei denen das Initiationscodon an eine andere Stelle innerhalb der aus den Codons -3 bis 9 bestehenden Region verlagert ist. Es war festzustellen, daß normale Mengen von Iso-1-cytochrom c gebildet werden, wenn die Translation an den den Codonpositionen -3, -2, 3 und 5 sowie der normalen Position -1 entsprechenden Stellen beginnt; daraus wurde der Schluß gezogen, daß das Translations-Initiationscodon irgendwo in einem sich über 37 Nucleotide erstreckenden Bereich und wahrscheinlich an jeder Stelle liegen kann, die dem normalen Initiationscodon vorausgeht oder auf es folgt.
Der Beschwerdeführer weist nachdrücklich darauf hin, daß die in der Entgegenhaltung 30 beschriebenen Studien
- keine Deletionen, sondern Mutationen beträfen;
- sich nicht mit der Transkription, sondern mit der Initiierung der Translation befaßten;
- keine konkreten DNA-Sequenzdaten erwähnten.
Somit habe aus diesen Studien nicht gefolgert werden können, daß in der Leadersequenz eines Hefegens ohne weiteres Veränderungen vorgenommen werden könnten.
Die Kammer neigt nun aber zu der Ansicht, daß der Fachmann der Entgegenhaltung 30 ohne weiteres entnehmen konnte, daß Veränderungen in der DNA in der Region unmittelbar stromaufwärts vom Startsignal (Leaderregion) - zumindest im Wege der Mutation - möglich sind, und zwar aus folgenden Gründen:
- Die Änderungen in der Position des Translations- Initiationscodons, über die in der Entgegenhaltung 30 in Zusammenhang mit den mRNA-Sequenzen berichtet wird, spiegelten die durch die Mutationen an den entsprechenden Stellen in der DNA hervorgerufenen Veränderungen wider. Um dies zu erkennen, bedurfte es keiner konkreten DNA-Daten.
- Die Tatsache, daß die Translation in den mutierten intragenen Revertanten in normalem oder fast normalem Umfang stattgefunden hatte, legte den Schluß nahe, daß die Transkription, die bei der DNA-Expression der Translation vorausgeht, ebenfalls relativ ungestört vor sich ging.
Daher ist die Kammer der Ansicht, daß der Fachmann ausgehend von der Lehre der Entgegenhaltung 30 die unmittelbar vor dem Startsignal eines Hefegens liegende Region (die nichttranslatierte 5'-Leaderregion) trotz der angeblichen Ungewißheit über die mögliche Funktion der Leadersequenz nicht als "sakrosankt" oder "unantastbar" angesehen hätte. Die Tatsache, daß sich durch Punktmutationen in dieser Region die Translationswirkung nicht nennenswert geändert hatte, weist vielmehr darauf hin, daß hier Änderungen machbar sind.
5.1.3.8 Nun gilt es noch zu klären, ob es der Fachmann, der sich vor die Aufgabe gestellt sieht, alternative Hefe- Expressionsvektoren bereitzustellen, in Betracht gezogen hätte, die aus der Entgegenhaltung 24' bekannten Vektoren durch Deletionen in der nichttranslatierten 5'-Leadersequenz des den Promotor stellenden Hefegens zu verändern.
In diesem Zusammenhang ist anzumerken, daß in der Entgegenhaltung 30 ausdrücklich darauf hingewiesen wird, daß das Initiationscodon unter anderem an einer Stelle vor seiner normalen Position liegen könnte (z. B. an der den Codons -3, -2 entsprechenden Stelle). Dies war für den Fachmann gleichbedeutend mit der Lehre, daß durch Herbeiführen einer mutationsbedingten Änderung der Codons das Startsignal von seiner normalen Position stromaufwärts zum Promotor hin, also in die nichttranslatierte 5'-Region hinein, verlagert werden könnte. Der Fachmann wußte aus der bakteriellen Gentechnik [s. z. B. Entgegenhaltung 120, insbesondere S. 1429, linke Spalte, Passage betreffend Abb. 1 B], daß der Abstand zwischen dem Promotor und dem ATG-Startsignal durch Herausschneiden mittels Nucleasen variiert werden kann. Durch diesen Stand der Technik war ihm auch bekannt, daß der Abstand zwischen dem Promotor und dem Startsignal optimiert werden kann. Somit bot es sich als eine der Möglichkeiten zur Veränderung des "beladenen" Plasmids nach Entgegenhaltung 24' an, den Abstand zwischen dem Startsignal der exogenen Gene und dem Promotor zu ändern, von dem bekannt war, daß er in der oberen Region der das 5'-Ende flankierenden Sequenz des Hefegens lag (s. Nr. 4.1, Abs. 4). Zur Durchführung dieser Veränderung standen dem Fachmann zwei Möglichkeiten offen:
- Entweder führt er durch Mutation eine Änderung in den dem natürlichen Startsignal vorgelagerten Codons herbei, wie es in der Entgegenhaltung 30 beschrieben wird, oder
- er schneidet Nucleotide heraus, führt also Deletionen in den nicht wesentlichen Regionen stromaufwärts vom Startsignal herbei, wie dies aus der bakteriellen Gentechnik bekannt ist.
Beide Möglichkeiten verlangen vom Fachmann nichts, was über seine normalen Aufgaben hinausginge, sondern erfordern nur Routineversuche.
Die Kammer gelangt daher und auch aufgrund der unter Nr. 5.1.3.3 angestellten Überlegungen zu dem Schluß, daß es für den Fachmann naheliegend gewesen wäre, den aussichtsreichen Versuch zu unternehmen, das "beladene" Plasmid nach der Entgegenhaltung 24' durch Herbeiführen einer oder mehrerer Deletionen in der nichttranslatierten 5'-Leadersequenz des den Promotor enthaltenden Hefegens zu verändern. Im Hinblick auf den Stand der Technik [insbesondere die Entgegenhaltungen 24' und 30] hätte er diese Modifizierung für machbar gehalten und etwaige damit verbundene Risiken als durchaus kalkulierbar eingeschätzt. Auf diese Weise wäre er ohne weiteres zu dem Hefevektor nach Anspruch 9 gelangt und hätte ihn - wie in Anspruch 28 beschrieben - zur Expression eines exogenen Polypeptids in Hefe verwenden können. Es handelt sich hierbei um übliche Konstruktionsvorgänge, die weder "Kreativität" noch "Erfindungsgabe" voraussetzen.
5.1.3.9 Aus diesen Gründen basieren die Ansprüche 1, 9 und 28 nicht auf erfinderischer Tätigkeit; der Hauptantrag ist demnach nicht gewährbar.
5.2 Hilfsantrag I
Die Ansprüche 1 bis 30 dieses Antrags entsprechen im wesentlichen den Ansprüchen 1 bis 30 des Hauptantrags mit dem einzigen Unterschied, daß sie alle als Verfahrensansprüche formuliert sind. Anspruch 1 enthält jedoch das Merkmal "wobei die flankierende Sequenz auch eine in die nichttranslatierte 5'- Leadersequenz des Gens hineinreichende Deletion enthält", das in Anspruch 1 des Hauptantrags fehlt.
Nach Angaben des Beschwerdeführers gibt dieser Antrag wieder, was tatsächlich gemacht wurde.
Nach Auffassung der Kammer reicht die bloße Umwandlung von Erzeugnisansprüchen in Verfahrensansprüche nicht aus, um dem Anspruchsgegenstand erfinderischen Charakter zu verleihen, wenn die kennzeichnenden Merkmale der beanspruchten Verfahren dieselben sind wie diejenigen des Erzeugnisses. Genau dies ist hier der Fall. Die in Zusammenhang mit dem Hauptantrag getroffene Feststellung, daß es keiner erfinderischen Tätigkeit seitens des Fachmanns bedurfte, um zu den beanspruchten "leeren" und "beladenen" Vektoren zu gelangen, hat zwangsläufig zur Folge, daß auch den Verfahren zu ihrer Herstellung eine erfinderische Tätigkeit abzusprechen ist. Daher ist der Hilfsantrag I aus denselben Gründen nicht gewährbar wie der Hauptantrag.
5.3 Hilfsanträge II und III
5.3.1 Die technische Aufgabe und ihre Lösung
Für beide Anträge stellt die mündliche Offenbarung Dr. Guarentes (24') den nächstliegenden Stand der Technik dar.
Die technische Aufgabe, die den beiden Anträgen zugrunde liegt, ist dieselbe wie die im Hauptantrag gestellte, nämlich die Konstruktion alternativer Hefe-Expressionsvektoren, die für die Expression eines gewünschten exogenen Gens in Hefe geeignet sind (s. Nr. 5.1.1).
Als Lösung wird in beiden Anträgen die Konstruktion eines "beladenen" Vektors (Anspruch 11) und eines "leeren" Vektors (Anspruch 1) vorgeschlagen.
Wie bereits gesagt (s. Nr. X), ist der Anspruch 1 in den beiden Hilfsanträgen II und III identisch. Es wird also mit dem "leeren" Vektor dieselbe Lösung vorgeschlagen.
Anspruch 11 unterscheidet sich in den beiden Anträgen dadurch, daß das den Anspruch 11 des Hilfsantrags II charakterisierende Merkmal, wonach "eine Transkriptions-Terminationssequenz für die DNA stromabwärts von der Insertionsstelle" vorgesehen ist, in Anspruch 11 des Hilfsantrags III durch die Worte "die von einer ein Hefegen flankierenden Sequenz bereitgestellt wird" näher erläutert wird.
5.3.2 Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit
Die Frage der erfinderischen Tätigkeit wird hier im Hinblick auf die in beiden Anträgen als Lösung beanspruchten "beladenen" Vektoren (s. Anspruch 11) erörtert.
Die "beladenen" Vektoren der Hilfsanträge II und III unterscheiden sich von dem "beladenen" Vektor des Hauptantrags (s. dessen Anspruch 9) dadurch, daß sie eine Transkriptions- Terminationssequenz stromabwärts von der eingefügten exogenen DNA enthalten, wobei diese Sequenz beim Hilfsantrag III von einer ein Hefegen flankierenden Sequenz bereitgestellt wird.
Unter Nr. 5.1.3.6 bis 5.1.3.9 kam die Kammer zu dem Schluß, daß der "beladene" Vektor nach Anspruch 9 des Hauptantrags keine erfinderische Tätigkeit aufweist. Somit stellt sich nun die entscheidende Frage, ob das weitere Merkmal, nämlich das Vorhandensein einer Terminationssequenz, den beanspruchten Vektoren erfinderischen Charakter verleiht.
Nach Auffassung der Kammer zöge ein "vorsichtiger" Fachmann, der es sich unter Berücksichtigung der Entgegenhaltungen 24' und 30 zur Aufgabe gemacht hat, alternative Hefe-Expressionsvektoren zu konstruieren, alle Strukturelemente, die als für die Expression in Hefe geeignet oder notwendig gelten, sorgfältig in Betracht.
Der Fachmann wußte, daß die Sequenzen am 3'-Ende der Hefegene jenseits des Translations-Stopcodons mit der Termination der RNA- Transkription in Verbindung gebracht werden [s. z. B. Entgegenhaltung 13A, insbesondere S. 7, Abb. 25, S. 134, Zeile 10 bis 136, Zeile 3, Tabelle V und S. 141, letzter Absatz bis S. 145, Zeile 13; Entgegenhaltung 28, insbesondere Abb. 2 und S. 759, linke Spalte, Absätze 3 und 4; Entgegenhaltung 52, insbesondere S. 544, rechte Spalte bis S. 545, linke Spalte, Absatz 1 und Abb. 3 und 4; Entgegenhaltung 61, insbesondere Abb. 2b; Entgegenhaltung 64, insbesondere S. 164, rechte Spalte, letzter Absatz].
Obwohl Anfang 1981 über die genaue Struktur und den Wirkungsmechanismus dieser Hefe-Terminationssequenzen noch wenig bekannt war, ist die Kammer der Auffassung, daß der Fachmann, der sich die Konstruktion alternativer Hefe-Expressionsvektoren zur Aufgabe gemacht hatte, ohne weiteres in Betracht gezogen hätte, in die Vektoren stromabwärts von der exogenen DNA-Sequenz ein eigenständiges, relativ großes Fragment mit einer Terminationssequenz (vgl. Anspruch 11 des Hilfsantrags II) aufzunehmen, insbesondere ein Fragment, das aus der das 3'-Ende flankierenden Sequenz eines Hefegens besteht (vgl. Anspruch 11 des Hilfsantrags III). Aufgrund der ihm vorliegenden Informationen hätte der Fachmann erwarten können, daß mit dieser Strukturmaßnahme die ordnungsgemäße Beendigung der Transkription, d. h. die normalerweise in Hefe ausgeübte funktionelle Rolle, gewährleistet ist. Dem Stand der Technik war auch nichts zu entnehmen, das darauf hingedeutet hätte, daß diese Maßnahme für die Expression in irgendeiner Weise nachteilig sein könnte. Nach dem eher vorsichtigen und vom Beschwerdegegner so treffend formulierten Versuchsgrundsatz "Wenn du mit Hefe arbeitest, mach es wie die Hefe" wäre der Fachmann im Gegenteil der Ansicht gewesen, daß diese Strukturmaßnahme für eine wirksame Expression geeignet ist. Da die Terminationssequenzen enthaltenden DNA- Sequenzen bekannt waren (s. oben), wäre die Konstruktion von Hefe-Expressionsvektoren, die diese Sequenzen enthalten, für den Fachmann nur Routinearbeit mit dem üblichen Versuchsaufwand gewesen.
5.3.3 Aus diesen Gründen ist dem Anspruch 11 der beiden Hilfsanträge II und III eine erfinderische Tätigkeit abzusprechen. Die Anträge sind demnach nicht gewährbar.
Unter diesen Umständen braucht auf die Frage einer erfinderischen Tätigkeit in Zusammenhang mit dem "leeren" Vektor nicht eingegangen zu werden.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.