T 0789/90 () of 26.3.1992

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1992:T078990.19920326
Datum der Entscheidung: 26 März 1992
Aktenzeichen: T 0789/90
Anmeldenummer: 84109967.4
IPC-Klasse: G05D 13/62
Verfahrenssprache: DE
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Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Einrichtung zur Ermittlung der Fahrbahnsteigung
Name des Anmelders: WABCO GmbH
Name des Einsprechenden: BMW AG
Kammer: 3.5.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 84
European Patent Convention 1973 Art 100
European Patent Convention 1973 Art 123
Schlagwörter: Clarity of claims (yes) - amendments before and after
grant of patent - Correction of mistake obvious for
skilled person - limitation vis-a-vis granted patent -
novelty (yes) - prior European applications disclosing
several features of the later application - inventive
step (yes)
Klarheit des Gegenstandes, für den Schutz gegehrt wird
(ja) - Gesamtheit und logische Folge der Merkmale -
Änderungen vor und nach Patenterteilung (zulässig) -
Korrektur für den Fachmann offensichtlicher Fehler und
Einschränkung gegenüber dem erteilten Patent - Neuheit
(gegeben) - Bekanntsein einzelner Merkmale aus älteren
europäischen Anmeldungen unschädlich - Erfinderische
Tätigkeit (anzuerkennen) - ältere europäische
Anmeldungen nicht zu berücksichtigen
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0082/92

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin ist Inhaberin des auf die europäische Patentanmeldung Nr. 84 109 967.4 erteilten europäischen Patents 142 633. Die Anmeldung war unter Inanspruchnahme einer Priorität vom 26. September 1983 am 22. August 1984 eingegangen und ein gleichlautender Prioritätsbeleg wurde vorschriftsgemäß nachgereicht.

Die Beschwerde richtet sich gegen die auf einen zulässigen, auf Artikel 100 a), 52 (1), 56, 57 und 100 b) EPÜ gestützten Einspruch hin am 25. September 1990 erlassene Entscheidung der Einspruchsabteilung, das Patent zu widerrufen.

Als Grund für den Widerruf war angegeben, der Gegenstand des am 5. Dezember 1989 eingereichten Anspruchs 1 erfülle zwar die Erfordernisse des Artikels 100 b) EPÜ, beruhe aber nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 100 a), 52 (1) und 56 EPÜ) gegenüber dem durch folgende Vorveröffentlichungen gegebenen Stand der Technik:

D3: DE-A-3 101 056

D4: Bussien: Automobiltechnisches Handbuch, 2. Band, 1965, Seite 2-11

Die weiteren Entgegenhaltungen der Einsprechenden, die in der Beschreibung (Spalte 2 Zeilen 30/31 und 40/41) angegebenen älteren nationalen Patentanmeldungen entsprechen:

D1: DE-A-3 314 800

D2: DE-A-3 246 201

seien erst nach dem Prioritätstag veröffentlicht und könnten daher nicht zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit herangezogen werden.

Im übrigen ist noch - im Zusammenhang mit einem sich auf eines der Merkmale des Anspruchs 1 beziehenden Argument der Einsprechenden -folgende, mit D2 inhaltsgleiche, erst im Prioritätsintervall vorveröffentlichte Druckschrift erwähnt:

D5: EP-A-0 111 636

Nicht erwähnt, aber jedem Patentfamiliendienst entnehmbar, ist folgende, mit D1 inhaltsgleiche, nicht vorveröffentlichte Druckschrift:

D6: EP-A-0 126 201.

II. Die Beschwerde wurde am 5. Oktober 1990 unter Zahlung der entsprechenden Gebühr erhoben. Der Schriftsatz enthält den Antrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent "in vollem Umfang" aufrechtzuerhalten, hilfsweise mündliche Verhandlung anzuberaumen.

Eine Beschwerdebegründung wurde am 22. Dezember 1990 eingereicht und legt dar, weshalb der Gegenstand des "gültigen" Anspruchs 1 auf erfinderischer Tätigkeit beruhe.

III. In einer Erwiderung hierauf hat die Beschwerdegegnerin auf die "überzeugende" Entscheidung der Einspruchsabteilung verwiesen und ergänzt, auch die beanspruchte Kombination von Merkmalen beruhe nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Andere Einspruchsgründe hat sie nicht mehr erwähnt.

Sie beantragt - sinngemäß -, die Beschwerde zurückzuweisen.

IV. Auf einen Bescheid der Kammer hin, in welchem die Frage der Klarheit des Anspruchs 1 angesprochen wurde, hat die Beschwerdeführerin am 17. September 1991 einen neuen Anspruch 1 eingereicht, der wie folgt lautet:

"Einrichtung zur Ermittlung der Fahrbahnsteigung p oder einer der Steigung proportionalen Steigungsgröße, auf der sich ein von einer Antriebsmaschine mit einem momentanen Antriebsmoment MA angetriebenes Fahrzeug mit einem Gewicht G befindet, gekennzeichnet durch folgende Merkmale:

a) Es ist eine Einrichtung zur Gewichtsermittlung (30) vorgesehen, die das Fahrzeuggewicht G nach der Formel

(FORMEL)

berechnet, wobei s die Beschleunigung des Fahrzeugs bedeutet, und Werte mit Index x1 zum Zeitpunkt 1 und Werte mit Index x2 zum Zeitpunkt 2 ermittelt sind, und wobei die beiden Zeitpunkte so gewählt sind, daß sie ausreichend dicht zusammenliegen, die zugehörigen Momente und Beschleunigungen aber verschieden sind.

b) Es ist eine Auswerteeinrichtung (41) zur Ermittlung eines stationären Antriebsmomentes Mstat oder einer hierzu proportionalen Rechengröße der Antriebsmaschine vorgesehen, das für eine geschwindigkeitskonstante Fahrt erforderlich ist, nach der Formel

Mstat = MA - G . f(s)

c) Es ist eine Einrichtung zur Steigungsermittlung (43) mit einer Differenzbildungseinrichtung (42) vorgesehen, in welcher die Fahrbahnsteigung p ermittelt wird als Differenz aus dem stationären Antriebsmoment Mstat und den am Fahrzeug auftretenden Reibungswiderstandsgrößen, nach der Formel:

(FORMEL)

wobei i die Übersetzung im Antriebsstrang, WL das Luftwiderstandsmoment, WR das Rollreibungsmoment des Fahrzeugs, und r der Abstand Antriebsachse-Fahrbahn bedeutet."

Die am 5. Dezember 1989 eingereichten Ansprüche 2 bis 7 sind -unmittelbar oder mittelbar - auf Anspruch 1 rückbezogen.

V. Der Antrag der Beschwerdeführerin, das Patent aufrechtzuerhalten, umfaßt demnach folgende geänderte Unterlagen:

- Beschreibung Seiten 1 bis 6 (Spalte 1 mit Einfügung A und Spalten 2 bis 9), eingegangen am 5. Dezember 1989;

- Anspruch 1, eingegangen am 17. September 1991, Ansprüche 2 bis 7, eingegangen am 5. Dezember 1990;

- Zeichnung, 1 Blatt, wie veröffentlicht.

VI. Die Beschwerdegegnerin hat sich zum Bescheid der Kammer und zur - ihr am 23. September 1991 zur Kenntnisnahme zugestellten - Erwiderung der Beschwerdeführerin nicht geäußert.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig (Artikel 106 bis 108 und Regel 64 EPÜ).

2. Bevor die eigentlich strittige Sachfrage in der vorliegenden Beschwerde behandelt wird, erscheint es zweckmäßig, die formalen Aspekte abzuhandeln.

3. Änderungen vor der Patenterteilung (Artikel 100 c) EPÜ) Ein Einwand unter Artikel 100 c) EPÜ wurde seitens der Einsprechenden mit Recht nicht erhoben.

Soweit das erteilte Patent Änderungen gegenüber der Anmeldung aufweist, gilt für diese das nachstehend Gesagte (Abschnitt 4.2).

4. Änderungen gegenüber der Patentanmeldung (Artikel 123 (2) EPÜ)

4.1. Der Anspruch 1 beruht - bei sachlich unverändertem Oberbegriff - bezüglich seiner kennzeichnenden Merkmale b) und c) auf dem urspünglichen Anspruch 1 (dort mit a) bzw. b) bezeichnet) und bezüglich seines kennzeichnenden Merkmals a) auf der Beschreibung (Seite 10, Zeile 24 bis Seite 11, Zeile 7).

4.2. Die Merkmale b) und c) sind jedoch gegenüber dem ursprünglichen Anspruch 1 im Sinne der Beschreibung (Seite 4, Zeile 2-7 bzw. 20-30) präzisiert.

4.3. Dabei wurde aber die in c) angegebene Formel gegenüber der in der ursprünglichen Beschreibung angegebenen Formel (Seite 4, Zeile 23) dahingehend abgeändert, daß die Nenner der Brüche durch den Faktor r ergänzt wurden.

Die ursprünglich angegebene Formel (desgleichen auf Seite 6, Zeile 15 sowie Seite 14, Zeile 9) war jedoch - fürden Fachmann offensichtlich -falsch. Da Momente (M und - hier auch - W) allgemein-bekanntlich die Dimension eines Produktes aus einer Kraft und einer Länge haben und i dimensionslos ist und da ferner G die Dimension einer Kraft hat, wäre p nicht - wie bekanntlich erforderlich - dimensionslos.

Es ist für den Fachmann auch ohne weiteres ersichtlich, daß der Fehler darin zu suchen ist, daß im Nenner der Brüche ein Faktor mit der Dimension einer Länge fehlte.

Weiterhin gehört es zum Grundwissen von Fahrzeugkonstrukteuren (und entspricht der Lebenserfahrung), daß (auf Grund der Hebelgesetze) der Radius der Antriebsräder in die mit einem gegebenen Antriebsmoment bewältigbare Fahrbahnsteigung in umgekehrtem Sinne (reziprok) eingeht.

Es ist daher als ohne weiteres erkennbar anzusehen, daß im Nenner der Brüche ein Faktor fehlte, der den Abstand zwischen der Antriebsachse und der Fahrbahn wiedergibt.

Die Einfügung des Faktors r im Nenner der Brüche von Merkmal c) verändert daher nicht den Gegenstand des Patents gegenüber dem Inhalt der Anmeldung in ihrer ursprünglichen Fassung.

4.4. Alternativ hätten die Größen W als Kräfte aufgefaßt werden können, wie dies die Einspruchsabteilung gemäß der angefochtenen Entscheidung getan hat. In diesem Fall hätte im Nenner des zweiten Bruchs in der Gleichung von Merkmal c) der Faktor r nicht hinzugefügt werden müssen und dürfen.

Dies wäre jedoch nur eine andere Betrachtungsweise eines und desselben, durch die ursprünglichen Unterlagen gedeckten Sachverhalts.

Diesbezügliche Bedenken wären daher nicht berechtigt.

4.5. Die abhängigen Ansprüche beruhen auf den ursprünglichen Ansprüchen 6 bis 11.

4.6. Die Änderungen der Beschreibung gegenüber der ursprünglichen Beschreibung verändern den Gegenstand des Patents ebenfalls nicht.

Außer einer Würdigung der Entgegenhaltung D3 wurde lediglich jeweils im ersten der beiden Brüche in den Gleichungen in Spalte 2, Zeile 53, Spalte 3, Zeile 60 und Spalte 8, Zeile 58 der fehlende Faktor r zulässigerweise (s. Abschnitt 4.3) hinzugefügt und definiert (Seite 3, Zeile 28/29).

4.7. Alle Änderungen sind daher zulässig im Sinne von Artikel 123 (2) EPÜ.

5. Änderungen gegenüber dem erteilten Patent (Artikel 123 (3) EPÜ)

5.1. Die Übernahme des Merkmals a) aus der Beschreibung (vgl. Abschnitt 4.1) in den kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 schränkt dessen Gegenstand ein.

5.2. Die Einfügung des Faktors r im Nenner der Brüche in der Gleichung von Merkmal c) stellt einen offensichtlichen Fehler richtig (vgl. Abschnitt 4.3) und verändert daher den Gegenstand des Patents nicht.

5.3. Dasselbe gilt für die Änderungen in der Beschreibung (vgl. Abschnitt 4.6).

5.4. Alle Änderungen sind daher zulässig auch im Sinne von Artikel 123 (3) EPÜ.

6. Formale Mängel des geänderten Patents

6.1. Da die Aufrechterhaltung des Patents in der geänderten Fassung beantragt ist (Abschnitt V), ist zu prüfen, ob das Patent unter Berücksichtigung der Änderungen den (formalen) Erfordernissen des Übereinkommens genügt (Artikel 102 (3) EPÜ).

6.2. Artikel 84 und Regel 29 EPÜ:

Im Oberbegriff des Anspruchs 1 bezieht sich "auf der" selbstverständlich auf die "Fahrbahn".

Die seitens der Kammer gerügten Klarheitsmängel des Anspruchs sind ebenfalls beseitigt.

Insbesondere ist dieser nunmehr so zu interpretieren, daß das Ergebnis der in Merkmal a) angegebenen Ermittlung von G in den in Merkmal b) und c) angegebenen Ermittlungen verwendet wird. Dies nicht nur deswegen, weil als Gegenstand eines Anspruchs grundsätzlich die Gesamtheit seiner Merkmale anzusehen ist, sondern auch auf Grund der logischen Folge dieser Merkmale im vorliegenden Anspruch sowie deswegen, weil im Merkmal c) keine Definition von G enthalten ist, so daß diesbezüglich auf Merkmal a) zurückgegriffen werden muß; desgleichen weil c) keine Definition von Mstat enthält, so daß diesbezüglich auf b) zurückgegriffen werden muß.

Aus diesen sachlichen Gründen steht der Punkt am Ende des Merkmals a) der angegebenen Interpretation nicht entgegen. Vielmehr ist dieser Punkt lediglich als grammatischer Schönheitsfehler anzusehen, der redaktionell in einen Strichpunkt berichtigt werden kann und sollte, ebenso wie das Merkmal b) mit einem Strichpunkt abgeschlossen werden sollte und die kennzeichnenden Merkmale mit Kleinbuchstaben beginnen sollten (siehe hierzu auch das erteilte Patent und die Anmeldung).

6.3. Regel 27 (1) b) (Fassung vom 1. Juni 1991) EPÜ:

Die Beschreibung würdigt (Spalte 1, Zeile 24) die vor der Patenterteilung in Betracht gezogene Druckschrift

D0: FR-A-2 349 071

sowie (Einfügung A) die Einspruchsentgegenhaltung D3.

Sie gibt ferner zwei (von derselben Anmelderin, also der Beschwerdeführerin stammende) nationale Patentanmeldungen an (Spalte 2, Zeilen 30/31 bzw. 40/41), die als D1 bzw. D2 entweder nicht vorveröffentlicht oder erst im Prioritätsintervall veröffentlicht wurden und daher bzw. weil die Priorität zu Recht in Anspruch genommen wird, nicht als Stand der Technik gemäß Artikel 54 (2) EPÜ zu gelten haben.

Nicht angegeben sind allerdings, wie dies Regel 27 (1) b) EPÜ erfordern würde, die diesen Druckschriften entsprechenden Druckschriften D6 bzw. D5, die zwar ebenfalls nicht vor dem Prioritätstag veröffentlicht sind, aber als Stand der Technik im Sinne von Artikel 54 (3) für alle im Patent benannten Vertragsstaaten (Artikel 54 (4) EPÜ) zu gelten haben.

Auf Grund dieser als auch der Beschwerdeführerin bekannt zu unterstellenden und unstreitigen Tatsachen kann jedoch und wird ihr Antrag auf Aufrechterhaltung des Patents "in der als Anlage beigefügten klargestellten Fassung" (Anspruch 1) als eine entsprechende Korrektur der Angaben in der Beschreibung (Spalte 2, Zeilen 30/31 und 40/41) einschließend interpretiert werden.

6.4. Regel 27 (1) c) EPÜ:

Die Beschreibung (Spalte 2, Zeile 53, Spalte 3, Zeile 60) steht -offensichtlich versehentlich und ohne weiteres ersichtlich - in Widerspruch zum Anspruch 1, nachdem im Nenner des zweiten Bruchs der Gleichung in Merkmal c) der Faktor r hinzugefügt wurde.

Der Antrag der Beschwerdeführerin ist daher als eine entsprechende Korrektur der Beschreibung einschließend zu interpretieren.

6.5. Regel 27 (1) e) EPÜ:

Für die Beschreibung eines Ausführungsbeispiels gilt ebenfalls, daß ein offensichtlicher Widerspruch zum Anspruch 1 bezüglich des Faktors r im Nenner des zweiten Bruchs auf dem Wege einer redaktionellen Korrektur zu beseitigen ist (Spalte 8, Zeile 58).

6.6. Regel 32 EPÜ:

Auch die Zeichnung steht in offensichtlichem Widerspruch zum Anspruch 1, was den im Nenner beider Brüche der im Block 42 angegebenen Gleichung fehlenden Faktor r betrifft.

Dieser Mangel wäre ebenfalls durch eine redaktionelle Korrektur zu beseitigen.

7. Ausführbarkeit (Artikel 100 b) EPÜ) Die von der Einsprechenden bezweifelte Ausführbarkeit der beanspruchten Erfindung wurde von ihr als Beschwerdegegnerin nicht mehr bestritten.

Sie ist auch offensichtlich gegeben.

8. Gewerbliche Anwendbarkeit (Artikel 57 EPÜ) Die von der Einsprechenden bezweifelte gewerbliche Anwendbarkeit wurde von ihr als Beschwerdegegnerin nicht mehr bestritten.

Sie ist auch offensichtlich gegeben.

9. Neuheit (Artikel 54 EPÜ)

Die Neuheit des beanspruchten Gegenstandes war nie strittig und ist offensichtlich gegeben.

Dies gilt nicht nur gegenüber D3 und D4 (Artikel 54 (2) EPÜ), sondern auch gegenüber D5 und D6 (Artikel 54 (3), (4) EPÜ). So ist gemäß D5 (Seite 4) lediglich das Merkmal a) zum Stand der Technik zu zählen; eine auch die Merkmale b) und c) einschließende Steigungsermittlung ist demgegenüber neu. Eine solche Steigungsermittlung ist auch neu gegenüber D6, selbst wenn danach außer dem Merkmal a) auch das Merkmal b) zum Stand der Technik zu rechnen ist (s. Seite 4).

10. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)

10.1. Eine Einrichtung der im Oberbegriff des Anspruchs 1 angegebenen Art (vgl. Abschnitt IV) ist aus D3 bekannt.

Zur Ermittlung der Fahrbahnsteigung können nach dieser Druckschrift die Meßgrößen des Motordrehmomentes, der Fahrzeuggeschwindigkeit (bzw. Getriebeausgangs-Drehzahl) und der Fahrzeugbeschleunigung sowie die - entweder mit einem weiteren Sensor gemessene oder von außen eingegebene - Fahrzeugmasse herangezogen werden (Seite 15, Zeile 14- 27).

10.2. Hiervon unterscheidet sich die beanspruchte Einrichtung gemäß dem kennzeichnenden Merkmal a) dadurch, daß das Fahrzeuggewicht (als Maß für die Fahrzeugmasse) weder gesondert gemessen noch eingegeben wird, sondern aus durch Änderungen des Antriebsmomentes erzeugten Beschleunigungsänderungen berechnet wird.

Eine Anregung hierfür ist D3 ersichtlich nicht zu entnehmen.

10.3. Eine solche Anregung ist auch D4 nicht entnehmbar.

Zwar offenbart diese Druckschrift eine Reihe von physikalischen Zusammenhängen, die in der Fahrtmechanik eine Rolle spielen, so insbesondere die die Fahrwiderstände, z. B. Rollwiderstand und Luftwiderstand sowie Steigungswiderstand, bestimmenden physikalischen Gesetze. Das Fahrzeuggewicht oder die Fahrzeugmasse rückschließend aus Beschleunigungsänderungen bei Antriebsmomentänderungen zu berechnen statt auf einen vorbekannten oder gemessenen Wert zuzugreifen, kann diesen Darlegungen nicht ohne weiteres entnommen werden, und für tiefergehende Überlegungen in dieser Richtung ist keine Veranlassung ersichtlich.

10.4. Andere relevante Vorveröffentlichungen sind im Einspruchsverfahren nicht genannt worden. Eine Veranlassung, D0 (s. Abschnitt 6.3) heranzuziehen, sieht die Kammer nicht.

10.5. D5 und D6, durch die einzelne Merkmale des Anspruchs 1 zum Stand der Technik zu rechnen sind (s. Abschnitt 9), sind bei der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit gemäß Artikel 56 Satz 2 EPÜ nicht in Betracht zu ziehen.

10.6. Bei dieser Sachlage, nach der dem für die erfinderische Tätigkeit zu berücksichtigenden Stand der Technik (D3, D4) eine Anregung für das Merkmal a) nicht entnehmbar ist, kommt es nicht mehr darauf an, ob bzw. inwieweit aus diesem Stand der Technik das Merkmal b) und/oder das Merkmal c) an sich bekannt oder hierdurch nahegelegt ist.

Vielmehr ist folglich festzustellen, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 sich nicht in naheliegender Weise aus dem zu berücksichtigenden Stand der Technik ergibt und deshalb als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend gilt.

Dieser Anspruch und die auf besondere Ausführungsformen gerichteten abhängigen Ansprüche haben daher Bestand.

11. Zur eigentlich strittigen Sachfrage in vorliegender Beschwerde hat sich die Beschwerdegegnerin äußern können und diese Gelegenheit auch ergriffen.

Der am 17. September 1991 eingereichte Anspruch 1 diente lediglich dem Zweck, die im Bescheid der Kammer aufgezeigten Unklarheiten zu beseitigen. Hinsichtlich der strittigen Sachfrage unterscheidet sich dieser Anspruch nicht vom vorhergehenden. Dennoch hatte die Beschwerdegegnerin Gelegenheit, sich auf jenen Bescheid hin noch einmal zur Sache zu äußern, hat diese Gelegenheit aber nicht ergriffen. Mündliche Verhandlung hat sie nicht beantragt.

Da das Ergebnis in der Sache (vgl. insbesondere Abschnitt 10.6) dem Hauptantrag der Beschwerdeführerin entspricht, ist deren Hilfsantrag auf mündliche Verhandlung gegenstandslos.

Bei diesem Sachstand ist die Beschwerde entscheidungsreif (Artikel 113 (1) EPÜ).

12. Aus den vorstehend abgehandelten Gründen ist unter Zurückweisung des Antrags der Beschwerdegegnerin (s. Abschnitt III) dem Hauptantrag der Beschwerdeführerin (s. Abschnitt V) mit der Maßgabe stattzugeben, daß die angegebenen redaktionellen Änderungen (s. Abschnitte 6.2 bis 6.6) noch vorzunehmen sind.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen mit der Auflage, das Patent in geändertem Umfang, nämlich auf der Grundlage der folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:

- Beschreibung Seite 1-6, eingegangen am 5. Dezember 1989, mit der Maßgabe, daß die in Abschnitt 6.3, 6.4 und 6.5 angegebenen redaktionellen Korrekturen durchzuführen sind;

- Anspruch 1, eingegangen am 17. September 1991, mit der Maßgabe, daß die in Abschnitt 6.2 angegebenen redaktionellen Korrekturen durchzuführen sind, und Ansprüche 2 bis 7, eingegangen am 5. Dezember 1989;

- Zeichnung, 1 Blatt wie veröffentlicht, mit der Maßgabe, daß die in Abschnitt 6.6 angegebene redaktionelle Korrektur durchzuführen ist.

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