T 0666/90 () of 28.2.1994

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1994:T066690.19940228
Datum der Entscheidung: 28 Februar 1994
Aktenzeichen: T 0666/90
Anmeldenummer: 83401339.3
IPC-Klasse: C01B 33/32
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: B
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Nouveaux granules de métasilicate de sodium, leur procédé d'obtention et leur utilisation dans les compositions détergentes pour lave-vaisselle.
Name des Anmelders: Rhône-Poulenc Chimie de Base
Name des Einsprechenden: 01) Joh. A. Benkiser GmbH
02) EKA Nobel Aktiebolag
03) Unilever PLC und Unilever NV
Kammer: 3.3.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 106
European Patent Convention 1973 Art 107
European Patent Convention 1973 Art 113(2)
European Patent Convention 1973 R 67
European Patent Convention 1973 R 68
Schlagwörter: -
Orientierungssatz:

Artikel 113(2) - Antragslage nicht klargestellt - Regel 68(1) - Widerspruch zwischen mündlicher Verkündigung und schriftlicher Abfassung

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0425/97
T 0552/97
T 0740/00
T 1590/06
T 1698/06
T 1365/09
T 1839/09
T 0206/10
T 0382/10
T 1104/14

Sachverhalt und Anträge

I. Auf die am 29. Juli 1983 eingegangene europäische Patentanmeldung 83 401 339.3 der Beschwerdeführerin wurde das europäische Patent 0 100 700 für die Vertragsstaaten AT, BE, CH, DE, FR, GB, IT, LI, LU, NL, SE erteilt.

II. Gegen das erteilte Patent erhoben die Einsprechenden I, II und III (Beschwerdegegnerinnen I, II und II) Einspruch. Sie beantragten den Widerruf des Patentes in vollem Umfang, da der Gegenstand des Streitpatentes nicht die Erfordernisse der Artikel 52 bis 57 EPÜ (Beschwerdegegnerinnen I, II und III) erfülle und nicht im Einklang mit dem Artikel 100 b) und c) EPÜ (Beschwerdegegnerin III) sei.

III. Die Beschwerdeführerin widersprach mit Schriftsatz vom 2. Juni 1987, eingegangen am 4. Juni 1987, den Ausführungen der Einsprechenden, legte einen neuen Anspruchssatz vor und beantragte, das Streitpatent mit den neuen Ansprüchen aufrechtzuerhalten, die Einsprüche zurückzuweisen, sowie hilfsweise eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.

IV. Die Einsprechenden nahmen zur Erwiderung der Patentinhaberin Stellung und hielten ihre Anträge auf Widerruf des Streitpatentes in vollem Umfang aufrecht.

V. In einer Anlage zur Ladung zur mündlichen Verhandlung am 20. Februar 1989, legte die Einspruchsabteilung den Verfahrensbeteiligten dar, daß im Hinblick auf den bekannten Stand der Technik nicht mit der Aufrechterhaltung des Streitpatentes gerechnet werden könne.

VI. Daraufhin teilten die Einsprechenden mit, daß sie bei der gegebenen Sachlage nicht an der anberaumten mündlichen Verhandlung teilnehmen würden.

VII. In einem Brief vom 14. Februar 1989, eingegangen 15. Februar 1989, nahm die Beschwerdeführerin nochmals zu den bis dahin vorgetragenen Argumenten Stellung und legte noch vier neue Ansprüche 1 bis 4 bei.

VIII. Am 20. Februar 1989 fand die mündliche Verhandlung vor der Einspruchsabteilung statt, bei der der Vertreter der Beschwerdeführerin, zeitweise mit zwei Begleitern, aber kein Vertreter irgendeiner der Einsprechenden anwesend war.

Im Laufe der mündlichen Verhandlung legte die Patentinhaberin geänderte Ansprüche in Form eines Hauptantrags und zweier Hilfsanträge vor. Die Niederschrift über diese mündliche Verhandlung gibt an, daß nach der letzten Unterbrechung der Verhandlung der Vorsitzende dem inzwischen noch allein anwesenden Vertreter der Patentinhaberin mitteilte, daß die Einspruchsabteilung zum Schluß gekommen wäre, daß weder dem Hauptantrag, noch dem ersten und zweiten Hilfsantrag in der beantragten Form stattgegeben werden könne, daß aber einem gemäß den Vorschlägen der Einspruchsabteilung zur Überwindung genannter Einwände abgeänderten ersten oder zweitem Hilfsantrag stattgegeben werden könne. Nach Beratung der Einspruchsabteilung teilte der Vorsitzende dann dem Beteiligten mit, daß der Patentinhaberin eine Frist von zwei Monaten zur Einreichung neuer Unterlagen im Einklang mit der von der Einspruchsabteilung als gewährbar erachteten Anspruchsfassung gewährt, und die Aufrechterhaltung des europäischen Patents in geändertem Umfang in Aussicht genommen werde.

IX. Die Abschrift der Niederschrift der mündlichen Verhandlung, die am 28. März 1989 zur Post gegeben wurde, weicht von der Niederschrift der mündlichen Verhandlung durch den folgenden zusätzlichen Absatz ab: "Der Vertreter erklärt sich bereit, neue Unterlagen auf der Basis seines ersten Hilfsantrags einzureichen, um die in der abschliessenden Feststellung genannten Einwände zu überwinden. Er beantragt eine Aufrechterhaltung des Streitpatentes mit den zuvor genannten Änderungen."

X. Nachdem die Beschwerdeführerin eine Verlängerung der in der Abschrift der Niederschrift über die mündliche Verhandlung gesetzten Frist beantragt, und diese gewährt wurde, reichte sie mit Schreiben vom 21. Juni 1989 Reinschriften von Patentansprüchen designiert als "auf Basis des ersten Hilfsantrags unter Berücksichtigung der genannten Einwände der Einspruchsabteilung" mit einer angepaßten Beschreibung ein, und führte unter anderem aus "Abweichend von der Abschrift, aber in Übereinstimmung mit der Niederschrift, werden die in der mündlichen Verhandlung gestellten Anträge aufrechterhalten (vgl. T 234/86)."

XI. Mit der Mitteilung gemäß Regel 58 (4) EPÜ (Form 2325.2) vom 11. September 1989 wurde allen Parteien mitgeteilt, daß die Einspruchsabteilung beabsichtige das europäische Patent in der sich aus den darin genannten Unterlagen ergebenden Fassung, mit den Ansprüchen, die die Einwände der Einspruchsabteilung berücksichtigen, aufrechtzuerhalten. Die Parteien wurden gebeten, innerhalb einer Frist von zwei Monaten Stellung zu nehmen, wenn sie mit dieser Fassung nicht einverstanden seien (Regel 58 (4) EPÜ), oder ihr Einverständnis zu erklären.

XII. Mit dem am 18. November 1989 eingegangenen Schreiben antwortete die Beschwerdeführerin "Auf die Mitteilung vom 11. September 1989 wird erklärt, daß der Patentinhaber mit der Fassung, in der das Europäische Patent aufrecht erhalten werden soll, nicht einverstanden ist, weil weder dem Hauptantrag noch dem ersten und zweiten Hilfsantrag stattgegeben wurde."

XIII. In einer Anlage zum Bescheid gemäß Artikel 102 (2) und Regel 58 (1) bis (4) EPÜ (Form 2323) vom 10. Januar 1990 teilte die Einspruchsabteilung mit:

"Die Einspruchsabteilung ist der Auffassung, daß der geltende Hilfsantrag 1 die von der Einspruchsabteilung in der mündlichen Verhandlung vom 22/02/89 vorgeschlagenen Änderungen (vgl. insbes. Niederschrift über diese Verhandlung, Blatt 3, Absatz B) umfaßt.

Im übrigen hat die Inhaberin des angegriffenen Patentes nach der Anpassung der Unterlagen im Einklang mit den von der Einspruchsabteilung vorgeschlagenen Änderungen und durch fristgerechte Einreichung dieser Unterlagen eindeutig ihr Einverständnis zu diesen Änderungen erklärt.

Die Erklärung der Inhaberin des angegriffenen Patentes in ihrem Schriftsatz vom 17/11/89 basiert somit auf einem unrichtigen Tatbestand. Die Inhaberin des angegriffenen Patentes wird daher gebeten, zu den voranstehenden Ausführungen begründet Stellung zu nehmen."

XIV. Mit einem acht Seiten langen Brief eingegangen am 28. Februar 1990 seitens der Beschwerdeführerin wird unter anderen erwähnt, daß sie ein handschriftliches Protokoll nach der mündlichen Verhandlung erhalten habe, und wird betont, daß auch die Einreichung angepaßter Unterlagen im Einklang mit den von der Einspruchsabteilung vorgeschlagenen Änderungen nicht als konkludente Handlung den Verzicht auf weitergehende Anträge bedeute.

XV. Mit der am 25. Juni 1990 zur Post gegebenen schriftlichen Abfassung der Entscheidung wurde das Patent widerrufen. Für den Vorsitzenden hat der erste Prüfer unterschrieben. In der Begründung wird u. a. ausgeführt, daß dem Gegenstand eines Patentes nach den geänderten und einzig geltenden Unterlagen gemäß den Eingaben vom 21. Juni 1989 und 29. August 1989 zwar keine der von den einsprechenden Parteien vorgetragenen Einspruchsgründe im Rahmen von Artikel 100 EPÜ mehr entgegenstünden, jedoch mit Bezug auf Artikel 113 (2) EPÜ eine Aufrechterhaltung im Rahmen von Artikel 102 (3) EPÜ nicht beschlossen werden könne, da die Erklärung vom 17. November 1989 zu dem Tatbestand führe, daß derzeit keine von der Inhaberin des Streitpatentes gebilligte Fassung vorläge.

XVI. Die Beschwerdeführerin legte mit dem am 17. August 1990 eingegangenen Schreiben Beschwerde ein und beantragte die Entscheidung aufzuheben, die Einsprüche zurückzuweisen und das Patent aufrechtzuerhalten und hilfsweise eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer anzuberaumen. In der am 3. November 1990 eingegangenen Beschwerdebegründung wurde beantragt, die Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 25. Juni 1990 aufzuheben, die Einsprüche zurückzuweisen und das Patent mit den Ansprüchen und einer angepaßten Beschreibung gemäß dem Hauptantrag, hilfsweise mit den Ansprüchen und einer angepaßten Beschreibung gemäß einem ersten Hilfsantrag, äußert hilfsweise mit den Unterlagen eines zweiten Hilfsantrags aufrechtzuerhalten.

Zur Antragslage wurde unter anderen noch ausgeführt, daß es befremdlich sei, daß die Patentinhaberin zwar mit Bescheid vom 10. Januar 1990 noch gebeten wurde, zur Auffassung der Einspruchsabteilung über die geltenden Antragslage Stellung zu nehmen, die Antwort vom 27. Februar 1990 dann aber "als Vorbringen nach Entscheidungsfindung" angesehen wurde, das jedenfalls im erstinstanzlichen Verfahren nicht mehr heranzuziehen sei. Bei Schluß der mündlichen Verhandlung hätten der Hauptantrag sowie ein erster und ein zweiter Hilfsantrag vorgelegen, so wie sie richtig protokolliert seien. Daneben gäbe es noch den nach der Beratung modifizierten ersten Hilfsantrag, den die Einspruchsabteilung am Ende des Abschnitts II, 5. der Entscheidung vom 25. Juni 1990 als zweiten Hilfsantrag bezeichnete. Der der Verhandlung zugrundeliegende zweite Hilfsantrag wäre damit, daß die Aufrechterhaltung mit einem modifizierten ersten Hilfsantrag in Aussicht gestellt werde, gegenstandslos. Er hätte bei sorgfältigerer Protokollierung der am Schluß der Verhandlung geltende Anträge entweder in einen dritten Hilfsantrag umnumeriert oder gestrichen werden müssen, nachdem der modifizierte erste Hilfsantrag genau genommen ein zweiter Hilfsantrag gewesen sei. Für den anwesenden Vertreter der Beschwerdeführerin habe es auch nach der Beratungspause außer Frage gestanden, daß sich sein Einverständnis neue Unterlagen einzureichen nur auf die Patentansprüche nach dem modifizierten ersten Hilfsantrag beziehen könne, weil das die von der Einspruchsabteilung als gewährbar erachtete Anspruchsfassung wäre. Der Dissens bezüglich der bei Schluß der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung vorliegenden Anträge der Beschwerdeführerin und die Frage, ob nach der Beratungspause bereits eine abschließende Sachentscheidung verkündet worden sei, gebiete eine Zurückverweisung an die erste Instanz, was in der Sache aber nicht weiterhelfe.

Die unterschiedlichen Auffassungen seien wahrscheinlich damit zu erklären, daß der Vorsitzende im Zeitraum zwischen der mündlichen Verhandlung und dem Bescheid vom 10. Januar 1990 wegen Pensionierung ausgeschieden sei, und letzteren nicht unterzeichnet habe. Damit stelle sich die Frage, ob die angegriffene Entscheidung nicht analog zum Leitsatz der Entscheidung T 390/86 - 3.3.1 (ABl. EPA 1989, 30) ungültig sei.

XVII. Die Beschwerdegegnerin II beantragte, das Streitpatent in seiner Gesamtheit als ungültig zu erklären und reichte weitere Beweismittel ein.

XVIII. Mit der am 9. Februar 1994 eingegangenen Eingabe der Beschwerdeführerin wurden die Hilfsanträge abgeändert, indem ein neuer erster Hilfsantrag gestellt und die im Punkt XVI erwähnten zwei Hilfsanträge in zweiten und dritten Hilfsantrag umnumeriert wurden.

XIX. Es liegen keine Anträge oder sonstige Eingaben der Beschwerdegegnerinnen I und III vor.

Entscheidungsgründe

1. Zulässigkeit

1.1. Artikel 106 EPÜ

Gemäß Artikel 106 EPÜ sind Entscheidungen der Eingangsstelle, der Prüfungsabteilungen, der Einspruchsabteilungen und der Rechtsabteilung mit der Beschwerde anfechtbar. Hier liegt formell gesehen eindeutig eine Entscheidung der Einspruchsabteilung vor. Für den Vorsitzenden hat zwar der erste Prüfer unterschrieben, aber aus diesem Grund allein kann für den Zweck der Zulässigkeit der Beschwerde nicht der Schluß gezogen werden, daß keine Entscheidung der Einspruchsabteilung vorliegt. Daß bei Verhinderung eines Mitglieds, ein anderes Mitglied für ihn unterschreibt kann aus Gründen der praktischen Effizienz nötig sein.

1.2. Artikel 107 EPÜ

1.2.1. Nach Artikel 107 EPÜ steht die Beschwerde denjenigen zu, die an dem Verfahren beteiligt waren, soweit sie durch die Entscheidung beschwert sind.

1.2.2. Nach der angefochtenen Entscheidung ist die Einspruchsabteilung der Meinung, daß am Ende der mündlichen Verhandlung am 20. Februar 1989 die Beschwerdeführerin nunmehr nur einen einzigen Antrag aufrechterhielt. Die Erklärung vom 17. November 1989 führte nach Ansicht der Einspruchsabteilung zum Tatbestand, daß keine von der Patentinhaberin gebilligte Fassung mehr vorlag. Wenn die Beschwerdekammer diese Auffassung der Antragslage teilen würde, wäre es fraglich, ob überhaupt eine Beschwer der Beschwerdeführerin existiere.

1.2.3. Die Beschwerdekammer teilt aber die Ansicht der Einspruchsabteilung nicht.

In der handschriftlichen Niederschrift über die mündliche Verhandlung fehlt eine Festlegung der Anträge, die am Ende der mündlichen Verhandlung aufrechterhalten wurden. Daraus schließt die Kammer, daß am Ende der mündlichen Verhandlung am 20. Februar 1989 die Antragslage nicht mit dem Vertreter der Beschwerdeführerin klargestellt wurde. Jedenfalls ist keine Rücknahme der Anträge mit den am weitesten gefaßten Produktansprüchen, d. h. des Hauptantrags und des ersten Hilfsantrags, in der handschriftlichen Niederschrift protokolliert. Daß ein zusätzlicher Antrag mit einem enger abgefaßten Produktanspruch, entsprechend dem ersten Vorschlag der Einspruchsabteilung (modifiziertem ersten Hilfsantrag) gemacht wurde, ist an sich kein Grund zu schließen, daß die Beschwerdeführerin die Anträge mit demgegenüber weiter abgefaßten Produktansprüchen zurückzieht, und so auf das Recht zur Beschwerde gegen die angedeutete Zurückweisung dieser Anträge verzichtet. Somit kommt die Kammer zum Schluß, daß der Hauptantrag und mindestens der erste Hilfsantrag von der Beschwerdeführerin weiter aufrechterhalten wurden. In der schriftlichen Abfassung der Entscheidung ist kein Antrag der Beschwerdeführerin gewährt worden. Somit ist die Beschwerdeführerin im Sinne des Artikels 107 EPÜ beschwert.

1.3. Artikel 108 und Regel 64 EPÜ

1.3.1. Die Beschwerde ist mit dem am 17. August 1990, innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der Entscheidung, eingegangenen Schreiben schriftlich beim EPA eingelegt worden, und zugleich wurde die Beschwerdegebühr entrichtet. Es wurde beantragt die angefochtene Entscheidung aufzuheben. Der Name und die Anschrift der Beschwerdeführerin wurden angegeben.

1.3.2. Eine schriftliche Beschwerdegründung ist am 3. November 1990, innerhalb von vier Monaten nach Zustellung der Entscheidung, eingegangen.

1.4. Die Beschwerde genügt demnach den Erfordernissen der Artikel 106, 107 und 108 und Regel 64 EPÜ, und ist zulässig.

2. Verfahrensmängel

2.1. Artikel 113 (2) EPÜ

2.1.1. Wie in 1.2.3 oben festgestellt, ist am Ende der mündlichen Verhandlung die Antragslage nicht klargestellt worden. Das führte in diesem Fall zu einem Dissens über die Antragslage und zu einer vielen Seiten langen Korrespondenz zwischen der Einspruchsabteilung und der Beschwerdeführerin im Zeitraum zwischen der mündlichen Verhandlung und der schriftlichen Abfassung der Entscheidung. Gerade um die Möglichkeit eines solchen Dissens zu verhindern, wäre es besonders in diesem Fall, wo die Anträge noch während der mündlichen Verhandlung abgeändert wurden, angebracht gewesen von der Beschwerdeführerin eine schriftliche Abfassung der endgültigen Anträge mit der jeweiligen Rangordnung als Hauptantrag oder erster, zweiter usw. Hilfsantrag und den jeweils dazugehörigen Anspruchssätzen zu fordern bevor die Verkündigung stattfand. Jedenfalls wäre es notwendig gewesen sicherzustellen, welche Anträge in welcher Reihenfolge vorlagen. Nur so wäre die Einspruchsabteilung in der Lage gewesen gemäß Artikel 113 (2) EPÜ bei der Entscheidung über das europäische Patent sich an die vom Patentinhaber vorgelegte oder gebilligte Fassung zu halten. Deshalb muß die Beschwerdekammer die nicht erfolgte Klarstellung der Antragslage als Verstoß gegen Artikel 113 (2) EPÜ und damit als wesentlichen Verfahrensmangel werten.

2.2. Regel 68 (1) EPÜ

2.2.1. Regel 68 (1) EPÜ lautet "Findet eine mündliche Verhandlung vor dem Europäischen Patentamt statt, so können die Entscheidungen verkündet werden. Später sind die Entscheidungen schriftlich abzufassen und den Beteiligten zuzustellen." Diese Bestimmung erlaubt nur eine schriftliche Abfassung, die mit dem Tenor der mündlichen Verkündigung der Entscheidungen übereinstimmt, da in beiden Sätzen von Regel 68 (1) EPÜ die gleichen Entscheidungen gemeint sind.

2.2.2. In der mündlichen Verhandlung am 20. Februar 1989 wurde verkündet, daß die Aufrechterhaltung des europäischen Patents in geändertem Umfang in Aussicht genommen würde, sofern neue Unterlagen im Einklang mit der von der Einspruchsabteilung als gewährbaren Anspruchsfassung eingereicht würden. Wenn auch ein entsprechender Anspruchssatz noch nicht schriftlich und in aller Form vom Vertreter der Anmelderin während der mündlichen Verhandlung eingereicht wurde, hatte dieser sich bereit erklärt solchen nachzureichen, und tat dies auch innerhalb der dafür gewährten Frist. In der schriftlichen Abfassung vom 25. Juni 1990 wurde das Patent aber widerrufen. Dieser Widerspruch zwischen der mündlich verkündeten Entscheidung und der schriftlichen Entscheidung ist ein Verstoß gegen Regel 68 (1) EPÜ und damit ein wesentlicher Verfahrensmangel.

2.3. Die oben genannten wesentlichen Verfahrensmängel erfordern eine Aufhebung der Entscheidungen der Einspruchsabteilung und eine Zurückverweisung an die erste Instanz.

3. Die Beschwerdeführerin hat bezweifelt, ob die schriftliche Entscheidung vom 25. Juni 1990 von dem Vorsitzenden mitgetragen wurde. Da die Kammer in diesem Fall schon aus anderen Gründen eine Aufhebung der Entscheidung und Zurückverweisung beschlossen hat, erübrigen sich weitere Nachforschungen dazu.

4. Regel 67 EPÜ

4.1. Die Beschwerdekammer hat der Beschwerde insofern stattgegeben, daß sie die Entscheidungen der ersten Instanz aufgehoben hat. Wegen der unter den Punkten 2.1, und 2.2 oben aufgeführten wesentlichen Verfahrensmängel entspricht es auch der Billigkeit die Beschwerdegebühr gemäß Regel 67 EPÜ zurückzuzahlen.

5. Die Anträge über Sachfragen, die im Beschwerdeverfahren gestellt wurden, sind vorerst im neuen erstinstanzlichen Verfahren zu behandeln, so daß eine Stellungnahme der Beschwerdekammer dazu nicht angebracht wäre. Da die Sache sich schon sehr in die Länge gezogen hat, wäre es wünschenswert wenn die Einspruchsabteilung die Sache beschleunigt behandelte.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die am 20. Februar 1989 verkündete Entscheidung der Einspruchsabteilung und die schriftliche Entscheidung vom 25. Juni 1990 werden aufgehoben.

2. Die Sache wird an die Einspruchsabteilung zur erneuten Prüfung und Entscheidung zurückverwiesen.

3. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.

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