European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2010:T136509.20100325 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 25 März 2010 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1365/09 | ||||||||
Anmeldenummer: | 01919368.9 | ||||||||
IPC-Klasse: | C04B 35/043 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Versatz zur Herstellung eines feuerfesten keramischen Formkörpers, daraus gebildeter Formkörper und dessen Verwendung | ||||||||
Name des Anmelders: | Veitsch-Radex GmbH & Co | ||||||||
Name des Einsprechenden: | LWB Refractories GmbH & Co. KG | ||||||||
Kammer: | 3.3.05 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Widerspruch zwischen der mündlich verkündeten und der schriftlich abgefassten Entscheidung Wesentlicher Verfahrensmangel (ja) Rückzahlung der Beschwerdegebühr (ja) |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Laut Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 4. Februar 2009 hat die Einspruchsabteilung entschieden und mündlich verkündet, dass das europäische Patent widerrufen werde. Siehe dazu insbesondere Seite 2, Punkt 10 der Niederschrift.
II. Die den Parteien zugestellte schriftliche Entscheidung der Einspruchsabteilung mit Datum vom 14. April 2009 lautete gemäß dem vorgedruckten Formblatt EPA 2327 auf Aufrechterhaltung des Europäischen Patents EP-B-1 261 565 in geändertem Umfang, und zwar auf Grundlage der Beschreibung, Seiten 2 bis 5, der Ansprüche 1 bis 13 und der Zeichnungen 1 bis 5 der Patentschrift. Die beigefügten schriftlichen Entscheidungsgründe führen aber aus, dass der Gegenstand des Hauptantrages und der Hilfsanträge 1 bis 3 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
III. Gegen diese Entscheidung hat die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) am 4. Juni 2009 Beschwerde eingelegt. In der Beschwerdebegründung ist die Beschwerdeführerin auf den Widerspruch zwischen dem Tenor in Formblatt EPA 2327 und den Entscheidungsgründen selbst eingegangen und hat die Kammer aufgefordert, "diesbezüglich durch Vorabentscheidung Klarheit zu schaffen". Die Beschwerdeführerin wies darauf hin, dass sie an der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung am 4. Februar 2009 selbst nicht teilgenommen habe und daher für sie nicht erkennbar sei, ob der Tenor der Entscheidung, die "für die Aufrechterhaltung" vorgesehenen Unterlagen und/oder die Beschlussgründe maßgeblich seien. Insofern erfolge die Beschwerde und die Beschwerdebegründung unter dem Vorbehalt der entsprechenden Beschwer.
IV. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) hat in ihrer Stellungnahme vom 11. Dezember 2009 ebenfalls auf die besagte Unstimmigkeit in der Entscheidung der Erstinstanz hingewiesen.
V. Die Beschwerdekammer hat mehrmals fernmündlich bei der Einspruchsabteilung angefragt, ob eine Berichtigung der Entscheidung gemäß Regel 140 EPÜ in Betracht käme. Eine diesbezügliche Berichtigung durch die Einspruchsabteilung erging jedoch bis zum Zeitpunkt der Abfassung der vorliegenden Entscheidung nicht.
VI. Die Kammer hat die Parteien in einer Mitteilung gemäß Regel 100(2) EPÜ u.a. darauf hingewiesen, dass die besagte Widersprüchlichkeit in der angefochtenen Entscheidung als ein offensichtlicher Fehler im Sinne von Regel 140 EPÜ angesehen werden könnte. Die Zuständigkeit, einen solchen offensichtlichen Fehler zu korrigieren, liege bei dem Spruchkörper, der die Entscheidung getroffen hat. Eine Korrektur hätte einen retrospektiven Effekt. Die Kammer kündigte in der besagten Mitteilung auch an, die angefochtene Entscheidung wegen Widersprüchlichkeit des Tenors und der Entscheidungsgründe aufzuheben und die Sache an die Einspruchsabteilung zur neuen Verhandlung zurückzuverweisen sowie die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wegen eines schwerwiegenden Verfahrensfehlers anzuordnen.
VII. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) hat auf Anfrage durch die Kammer mit Schreiben vom 2. März 2010 mitgeteilt, dass sie Ihren Antrag auf Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zurücknimmt unter der Voraussetzung, dass die Kammer die angefochtene Entscheidung aufhebt und die Sache an die Einspruchsabteilung zur neuen Verhandlung zurückverweist. Die Beschwerdeführerin hat mit Schreiben vom 5. März 2010 der von der Kammer skizzierten Vorgangsweise ebenfalls zugestimmt und für diesen Fall den hilfsweisen Antrag auf mündliche Verhandlung zurückgenommen.
VIII. Anträge Die Beschwerdeführerin und die Beschwerdegegnerin beantragen, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache an die Einspruchsabteilung zur neuen Verhandlung zurückzuverweisen.
Entscheidungsgründe
1. Zulässigkeit
1.1 Entscheidungen der Eingangsstelle, der Prüfungsabteilungen, der Einspruchsabteilungen und der Rechtsabteilung sind gemäß Artikel 106 EPÜ mit der Beschwerde anfechtbar. Beschwerde einlegen kann nach Artikel 107 EPÜ jeder Verfahrensbeteiligte, der durch die Entscheidung beschwert ist.
1.2 Die in der angefochtenen Entscheidung aufgeführten Entscheidungsgründe betreffen die Zurückweisung des Hauptantrags und aller Hilfsanträge mangels Vorliegens einer erfinderischen Tätigkeit. Die den Parteien zugestellte schriftliche Entscheidung der Einspruchsabteilung lautete gemäß dem vorgedruckten Formblatt EPA 2327 jedoch auf Aufrechterhaltung des Europäischen Patents EP 1 261 565 B1 "im geänderten Umfang", und zwar auf Grundlage der Beschreibung, Seiten 2 bis 5, der Ansprüche 1 bis 13 und der Zeichnungen 1 bis 5 der Patentschrift, wobei diese Unterlagen offenbar denjenigen des erteilten Patents gleichkommen.
1.3 Die Beschwerdeführerin konnte aufgrund besagter Widersprüchlichkeit der angefochtenen Entscheidung nicht erkennen, ob ihr Patent aufrechterhalten oder widerrufen wurde. Hinzu kommt, dass sie in der mündlichen Verhandlung, in der die Entscheidung verkündet wurde, nicht vertreten war. Die Beschwerdeführerin musste daher vorsorglich von einem möglichen Widerruf des Patentes ausgehen. Sie ist schon allein durch die Widersprüchlichkeit über die Folge der Entscheidung beschwert und daher beschwerdeberechtigt (Artikel 107 EPÜ).
1.4 Die Beschwerde ist daher zulässig.
2. Regel 111(1) EPÜ
2.1 Regel 111 EPÜ betrifft die Form der Entscheidungen und Mitteilungen des Europäischen Patentamtes. Gemäß Regel 111 EPÜ, Absatz (1), können die Entscheidungen in einer vor dem Europäischen Patentamt stattfindenden mündlichen Verhandlung verkündet werden. Diese Entscheidungen sind später schriftlich abzufassen und den Beteiligten zuzustellen. Es ist offenkundig, dass die in der Verhandlung verkündete Entscheidung mit derjenigen der schriftlichen Abfassung der Entscheidung übereinzustimmen hat, da in beiden Sätzen von Regel 111(1) EPÜ nur von einer einzigen Entscheidung die Rede ist. Dies geht am klarsten aus der Fassung in englischer Sprache hervor ("...the decision may be given orally. The decision shall subsequently be put in writing...").
2.2 Die schriftliche Abfassung der mündlich verkündeten Widerrufsentscheidung weicht zumindest gemäß dem vorgedruckten Formblatt EPA 2327 ab, das nämlich auf Aufrechterhaltung des Europäischen Patents EP 1 261 565 B1 in geändertem Umfang lautet. Es kann aber nur eine eindeutige Entscheidung geben. Somit wurde im vorliegenden Fall gegen die Bestimmungen der Regel 111(1) EPÜ verstoßen. Die angefochtene Entscheidung ist daher unklar und folglich aufzuheben.
3. Mangelnde Begründung Gemäß Regel 111 (2) EPÜ, erster Satz, sind Entscheidungen des Europäischen Patentamts, die mit der Beschwerde angefochten werden können, zu begründen. Die angefochtene Entscheidung verstößt auch gegen diese Vorschrift, da die mit Datum vom 14. April 2009 zugestellten Entscheidungsgründe keine Begründung für eine Aufrechterhaltung des Patents erkennen lassen. Die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben.
4. Rückzahlung der Beschwerdegebühr (Regel 103 EPÜ)
4.1 Gemäß Regel 103(1)a EPÜ wird die Beschwerdegebühr zurückbezahlt, wenn der Beschwerde stattgegeben wird und die Rückzahlung wegen eines wesentlichen Verfahrensmangels der Billigkeit entspricht. Es wird zunächst zu prüfen sein, ob ein wesentlicher Verfahrensmangel vorliegt.
4.2 Die schriftlich mitgeteilte Entscheidung verstößt gegen die Begründungspflicht nach Regel 111(1) EPÜ. Die Begründungspflicht ist eine spezielle Ausprägung des in Artikel 113(1) EPÜ festgelegten Rechts auf rechtliches Gehör, da eine Partei auch einen fundamentalen Anspruch darauf hat, zu erfahren, warum eine Entscheidung mit der festgestellten Folge ergangen ist. Nach der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts stellt ein Verstoß gegen das Recht auf rechtliches Gehör einen wesentlichen Verfahrensmangel dar. Der Widerspruch zwischen der mündlich verkündeten Entscheidung und der schriftlich mitgeteilten Entscheidung verstößt gegen die Bestimmungen von Regel 111(1) EPÜ und stellt ebenfalls einen wesentlichen Verfahrensmangel dar (siehe T 666/90 vom 28. Februar 1994; Entscheidungsgründe Punkt 2.2.2, hier Regel 68(1) EPÜ 1973).
4.3 Beide wesentlichen Verfahrensmängel rechtfertigen die Rückzahlung der Beschwerdegebühr aus Gründen der Billigkeit (Regel 103(1) a EPÜ).
5. Zurückverweisung Die Angelegenheit wird gemäß Artikel 111(1) EPÜ, zweiter Satz, an die erste Instanz zurückverwiesen
6. Hinweis Vorsorglich weist die Kammer darauf hin, dass mit der Aufhebung der angefochtenen Entscheidung diese rechtlich nicht mehr existiert und durch die erste Instanz nicht mehr berichtigt werden kann.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die am 4. Februar 2009 verkündete Entscheidung der Einspruchsabteilung und die schriftliche Entscheidung vom 14. April 2009 werden aufgehoben.
2. Die Sache wird an die erste Instanz zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen.
3. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.