T 1590/06 (Regelung der Stromversorgung mehrerer Feldgeräte/ENDRESS) of 23.9.2009

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2009:T159006.20090923
Datum der Entscheidung: 23 September 2009
Aktenzeichen: T 1590/06
Anmeldenummer: 02795064.1
IPC-Klasse: G06F 1/32
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zur Regelung der Stromversorgung mehrerer Feldgeräte
Name des Anmelders: Endress + Hauser GmbH + Co. KG, et al
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.5.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 111(1)
European Patent Convention R 103(1)(a)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 11
European Patent Convention 1973 Art 52(1)
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 113(1)
European Patent Convention 1973 Art 113(2)
European Patent Convention 1973 R 68(1)
Schlagwörter: Verletzung des rechtlichen Gehörs nach Art. 113(1) EPÜ (ja)
Entscheidung auf der Grundlage eines nicht von der Anmelderin gemäß Art. 113(2) EPC vorgelegten oder gebilligten Textes (ja)
Wesentlicher Verfahrensmangel (ja)
Rückerstattung der Beschwerdegebühr (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0666/90
T 0647/93
T 0425/97
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, die Patentanmeldung mit der Nr. 02795064.1 zurückzuweisen.

II. Mit der Beschwerdebegründung beantragten die Anmelderinnnen die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Erteilung eines Patents auf Grundlage der "in der mündlichen Verhandlung vom 21.03.2006 vorgelegten Ansprüche". Hilfsweise wurde mündliche Verhandlung im Beschwerdeverfahren beantragt.

III. Die Kammer hat in einem Bescheid vom 27. April 2009 ihre vorläufige Meinung zu der Beschwerde dargelegt, dass die Prüfungsabteilung anscheinend auf der Grundlage eines Textes entschieden hat, welcher nicht mehr Gegenstand des Antrags der Anmelderinnen war, und daher beabsichtigt die angefochtene Entscheidung aufzuheben und den Fall an die erste Instanz zurückzuverweisen sowie die Rückerstattung der Beschwerdegebühr anzuordnen.

IV. Mit Schreiben vom 13. August 2009 beantragten die Beschwerdeführerinnen daraufhin die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Zurückverweisung der Anmeldung an die Prüfungsabteilung sowie die Rückzahlung der Beschwerdegebühr. Weiter wurde mitgeteilt, dass auf den hilfsweisen Antrag auf mündliche Verhandlung verzichtet wird, sofern diesen Anträgen gefolgt werde.

V. Die beiden Patentanmelderinnen teilten dem Europäischen Patentamt mit Schreiben vom 11. Januar 2006 mit, dass sie gleichberechtigte Inhaberinnen seien, und sie bezeichneten die Endress+Hauser (Deutschland) Holding GmbH als gemeinsame Vertreterin. Mit Schreiben vom 5. Juli 2006 teilte die Endress+Hauser (Deutschland) AG+Co. KG mit, dass auf dem Wege der Gesamtrechtsnachfolge (Verschmelzung) sämtliche Rechte und Pflichten der Endress+Hauser (Deutschland) Holding GmbH auf sie übergegangen seien. In den Eingaben im Beschwerdeverfahren wurde teilweise nur die Endress+Hauser GmbH+Co. KG als Patentanmelderin genannt, und ein Teil der Anträge wurde entsprechend nur im Namen dieser Mitanmelderin gestellt. Sämtliche Eingaben wurden aber (auch) im Namen der Endress+Hauser (Deutschland) AG+Co. KG unterzeichnet.

Entscheidungsgründe

1. Zulässigkeit

Die Kammer versteht die Eingaben im Beschwerdeverfahren vom 7. Juli 2006, vom 13. September 2006 und vom 13. August 2009 so, dass sie von der Endress+Hauser (Deutschland) AG+Co. KG als gemeinsamer Vertreterin der beiden Mitanmelderinnen eingereicht wurden. Die beiden Mitanmelderinnen treten somit als gemeinsame Beschwerdeführerinnen auf. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Die angefochtene Entscheidung

Wie aus dem Protokoll der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung vom 21. März 2006 hervorgeht, wurde in der mündlichen Verhandlung nur ein einziger Anspruch 1 vorgelegt (siehe Punkt 11 des Protokolls, Anlage 1 zum Protokoll).

3. Wie aus dem Protokoll weiter hervorgeht, lautete der letzte gültige Antrag im erstinstanzlichen Verfahren auf Erteilung eines Patents auf Grundlage dieses in der mündlichen Verhandlung eingereichten Anspruchs 1. Andere Ansprüche sind nicht erwähnt und waren offensichtlich auch nicht beabsichtigt.

4. Gemäß dem Protokoll lautete die mündlich am 21. März 2006 verkündete Entscheidung, dass die Patentanmeldung zurückgewiesen wird, da der Gegenstand von Anspruch 1 nicht den Erfordernissen der Artikel 52(1) und 56 EPÜ 1973 gegenüber der D3 (EP-A-0 319 820) kombiniert mit dem allgemeinen Fachwissen genügt (siehe Punkt 14 des Protokolls) .

5. Die zugehörige schriftliche Entscheidung vom 08. Mai 2006 ist ebenfalls gestützt auf einen Einwand nach Artikel 56 EPÜ 1973 gegen diesen unabhängigen Anspruch 1 im Lichte von Dokument D3 kombiniert mit dem allgemeinen Fachwissen. Darüber hinaus jedoch sind die Entscheidungsgründe auch gegen die ursprünglichen abhängigen Ansprüche 2 bis 6 wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit sowie gegen den ursprünglichen unabhängigen Anspruch 7 wegen mangelnder Neuheit gegenüber Dokument D4 (DE 10015619 A1) gerichtet (siehe Punkte 2.4 sowie 3., 3.1 und 3.2 der Entscheidung).

6. Gemäß dem Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 21. März 2006 waren die Ansprüche 2 bis 7 aber gar nicht mehr Bestandteil des Antrags, über den die Prüfungsabteilung zu entscheiden hatte. In der mündlichen Verhandlung wurde die Zurückweisung dem Antrag entsprechend nur mit fehlender erfinderischer Tätigkeit des Anspruch 1 begründet (siehe Protokoll).

7. Dem Protokoll ist nur der in der mündlichen Verhandlung eingereichte Anspruch 1 als Anlage beigefügt. Der schriftlichen Entscheidung jedoch dieser Anspruch 1 und darüber hinaus auch noch die Ansprüche 2 bis 7.

8. Angesichts des vorliegenden Beweismaterials wird deutlich, dass die Prüfungsabteilung abschließend auf der Grundlage eines Textes entschieden hat, welcher nicht als von den Anmelderinnen vorgelegt oder gebilligt gelten kann. Dies stellt einen Verstoß gegen Artikel 113(2) EPC 1973 und damit einen wesentlichen Verfahrensmangel dar (vgl. die Entscheidung T 647/93, ABl. 1995, 132). Die Prüfungsabteilung hat in der schriftlichen Entscheidung somit über einen Gegenstand entschieden, zu dem die Beschwerdeführerinnen sich in der mündlichen Verhandlung nicht mehr äußern konnten und womit die Beschwerdeführerinnen auch nicht rechnen konnten. Die Kammer sieht darin eine Verletzung des rechtlichen Gehörs nach Artikel 113(1) EPÜ 1973, welche in diesem Fall ebenfalls einen wesentlichen Verfahrensmangel darstellt (vgl. T 647/93). Auch stellt nach geltender Rechtsprechung der Beschwerdekammern (vgl. z.B. die Entscheidungen T 666/90 und T 425/97) jede sachliche Abweichung der zugestellten schriftlichen Entscheidung von der in der mündlichen Verhandlung verkündeten Entscheidung - wie im vorliegenden Fall - einen Verstoß gegen Regel 68(1) EPÜ 1973 und damit einen wesentlichen Verfahrensmangel dar.

9. Aus diesen Gründen gelangt die Kammer zu der Schlussfolgerung, dass die angefochtene Entscheidung aufzuheben ist, und macht von ihrer Befugnis nach Artikel 111 (1) EPÜ und gemäß Artikel 11 VOBK Gebrauch, die Angelegenheit entsprechend dem Antrag der Beschwerdeführerinnen zur weiteren Entscheidung an die erste Instanz zurückzuverweisen. Darüber hinaus hält die Kammer angesichts des Verfahrensmangels die Rückzahlung der Beschwerdegebühr für angemessen (Regel 103(1)(a) EPÜ).

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird zur weiteren Entscheidung an die Prüfungsabteilung zurückverwiesen.

3. Dem Antrag auf Rückerstattung der Beschwerdegebühr wird stattgegeben.

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