European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:1990:T042689.19900628 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 28 Juni 1990 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0426/89 | ||||||||
Anmeldenummer: | 83110823.8 | ||||||||
IPC-Klasse: | A61N 1/362 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | |||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Herzschrittmacher zum Beenden einer Tachykardie | ||||||||
Name des Anmelders: | Siemens AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Biotronik | ||||||||
Kammer: | 3.4.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: | |||||||||
Schlagwörter: | claim - clarity claim category - change on opposition proceedings therapeutische Behandlung, Auslegung der Ansprüche Deutlichkeit der Ansprüche (Hauptantrag, nein) Zulässigkeit eines Kategoriewechsels im Einspruchsverfahren (Hilfsantrag 1, ja) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerdegegnerin ist Inhaberin des europäischen Patents 0 108 360 (Anmeldenummer 83 110 823.8).
II. Gegen die Patenterteilung hat die Beschwerdeführerin wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit des Gegenstandes des Patents im Hinblick auf folgende Dokumente Einspruch erhoben:
GB-A-2 076 655 (D1) und US-A-4 280 502 (D2).
III. Der Einspruch wurde von der Einspruchsabteilung zurückgewiesen.
IV. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin Beschwerde erhoben.
V. Es wurde mündlich verhandelt.
VI. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Wiederruf des europäischen Patents.
VII. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragt die Beschwerde zurückzuweisen und das Patent mit folgenden Änderungen aufrechtzuerhalten (Hauptantrag):
Patentanspruch 1 wird ersetzt durch Anspruch 1, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 28. Juni 1990, der wie folgt lautet:
"1. Verfahren zum Betreiben eines Herzschrittmachers zum Beenden einer Tachykardie mit folgenden Verfahrensschritten:
a) Detektieren einer Tachykardie b) Auslösen einer Routine zum Beenden der Tachykardie bestehend aus
1. dem Erzeugen mindestens einer ersten Sequenz mit einer Anzahl n (n > 1) von Stimulierungsimpulsen innerhalb eines durch die möglichen Zeiten S1 ... Sn dieser Stimulierungsimpulse aufgespannten n- dimensionalen Raumes,
2. dem Überwachen der Herzreaktion auf die Stimulierung,
3. dem Verändern der Zeiten in der Sequenz und/oder der Anzahl n der Impulse derart, das zumindest ein Teil des n-dimensionalen Raumes abgerastert wird, bis eine effektive Sequenz zum Beenden der Tachykardie gefunden ist, gekennzeichnet durch c) Speichern von N (N > 1) effektiven Sequenzen in N (N > 1) Registern eines Speichers, d) Verwendung der vorhandenen Registerwerte als erste Sequenzen für Stimulierungsimpulse bei einer erneut auftretenden Tachykardie in einer vorgebbaren Reihenfolge, an die sich, wenn alle Squenzen ineffektiv sind, erneut die Routine zum Beenden der Tachykardie anschließt und e) Austausch einer gespeicherten Sequenz gegen eine in einer erneuten Routine gewonnene effektive Sequenz, wenn alle gespeicherten Sequenzen ineffektiv waren."
Hilfsweise beantragt die Beschwerdegegnerin das Patent mit folgenden Änderungen aufrechtzuerhalten (Hilfsantrag I):
Patentansprüche 1 bis 15 werden ersetzt durch die Ansprüche 1 bis 13 überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 28. Juni 1990. Die Bezeichnung und Beschreibung Spalte 1, Zeile 1 bis Spalte 10, Zeile 19 werden ersetzt durch die Bezeichnung und Beschreibung Spalte 1, Zeile 1 bis Spalte 10, Zeile 19 eingegangen am 5. Juni 1990.
Der einzige unabhängige Patentanspruch des Anspruchssatzes gemäß Hilfsantrag I lautet wie folgt:
"1. Herzschrittmacher zum Beenden einer Tachykardie mit folgenden Verfahrensschritten:
a) Detektieren einer Tachykardie b) Auslösen einer Routine zum Beenden der Tachykardie bestehend aus
1. dem Erzeugen mindestens einer ersten Sequenz mit einer Anzahl n (n > 1) von Stimulierungsimpulsen innerhalb eines durch die möglichen Zeiten S1 ... Sn dieser Stimulierungsimpulse aufgespannten n- dimensionalen Raumens,
2. dem Überwachen der Herzreaktion auf die Stimulierung,
3. dem Verändern der Zeiten in der Sequenz und/oder der Anzahl n der Impulse derart, das zumindest ein Teil des n-dimensionalen Raumes abgerastert wird, bis eine effektive Sequenz zum Beenden der Tachykardie gefunden ist, gekenzeichnet durch c) Speichern von N (N > 1) effektiven Sequenzen in N (N > 1) Registern (9,100) eines Speichers (8,100), d) Verwendung der vorhandenen Registerwerte als Sequenzen für Stimulierungsimpulse bei einer erneut auftretenden Tachykardie in einer vorgebbaren Reihenfolge, an die sich, wenn alle Sequenzen ineffektiv sind, erneut die Routine zum Beenden der Tachykardie anschließt und e) Austausch einer gespeicherten Sequenz gegen eine in einer erneuten Routine gewonnene effektive Sequenz, wenn alle gespeicherten Sequenzen ineffektiv waren."
Ein weiterer Hilfsantrag (Hilfsantrag II) der Beschwerdegegnerin ist durch die Entscheidung gegenstandslos geworden.
VIII. Die von der Beschwerdeführerin zur Stützung ihres Antrages vorgebrachten Argumente können wie folgt zusammengefaßt werden:
1. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag definiere ein Verfahren zur therapeutischen Behandlung des menschlichen Körpers, das gemäß Art. 52 (4) EPÜ nicht als gewerblich anwendbar gelte. Dieses Verfahren erziele nämlich das Beenden einer Tachykardie durch die Einleitung von bestimmten therapeutischen Maßnahmen, nämlich die Abgabe von Stimulierungsimpulsen an das Herz, wobei Anzahl und zeitlicher Abstand der Impulse nicht nur eindeutig festgelegt seien, sondern auch einen unmittelbaren kausalen Einfluß auf die ausgeübte therapeutische Wirkung hätten. In der Entscheidung T 245/87 - 3.4.1 (ABl. EPA 1989, 171), die ein Verfahren betreffe, bei welchem durch ein implantiertes Gerät anstatt von elektrischen Impulsen wie im vorliegenden Fall eine Medikamentenflüssigkeit abgegeben werde, sei in diesem Zusammenhang festgestellt worden, daß ein unter die Ausschlußbestimmungen des Art. 52 (4) EPÜ fallendes therapeutisches Verfahren zumindest dann vorliege, wenn eindeutig festgelegt werde, wann welches Volumen von welcher Medikamentenflüssigkeit innerhalb welcher Zeit dem Körper zugeführt werde. Dann würden nämlich die beanspruchten Steuerungsmaßnahmen bei ihrer Anwendung in dem implantierten Gerät funktionell mit der Qualität und Quantität der Medikamentengabe zusammenhängen und einen unmittelbaren kausalen Einfluß auf die ausgeübte therapeutische Wirkung haben. Ein darauf abgestellter Patentschutz würde somit den Arzt bei der Ausübung der Heilkunde behindern. Gerade diese Bedingungen seien im vorliegenden Fall erfüllt, so daß die Anwendung des gleichen Maßstabes daher unmittelbar zum Schluß führen müsse, daß das beanspruchte Verfahren aufgrund von Art. 52 (4) EPÜ nicht patentfähig sei.
Das gleiche gelte auch für den Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag I, weil er zwar nach seinem Wortlaut einen Herzschrittmacher angebe, jedoch lediglich einen verkappten Verfahrensanspruch zur Umgehung der Bestimmungen des Art. 52 (4) EPÜ darstelle. Darüber hinaus sei die Bereitstellung von frei programmierbaren Herzschrittmachern in nächster Zukunft durchaus denkbar, so daß das Gewähren eines Patentschutzes für einen lediglich durch ein Betriebsverfahren definierten Herzschrittmacher die Programmierfreiheit derartiger Herzschrittmacher einschränken und folglich auch den Arzt in der Ausübung der Heilkunde in unzulässiger Weise behindern könne.
2. Der Gegenstand des Patents beruhe auch nicht auf der erforderlichen erfinderischen Tätigkeit. Aus den Druckschriften D1 und D2 seien bereits Herzschrittmacher mit Registern zum Speichern der letzten beim Beenden einer Tachykardie effektiven Sequenz bekannt, wobei im Herzschrittmacher gemäß Druckschrift D2 sogar die Daten zur Bestimmung von zwei, jeweils aus einem Impuls bestehenden Sequenzen gespeichert würden. Die beanspruchte Erfindung unterscheide sich daher vom Gegenstand der Druckschrift D2 lediglich dadurch, daß die gespeicherten Sequenzen nicht nur dem zeitlich letzten Beenden einer Tachykardie zugeordnet seien, sondern zumindest noch einem früheren. Das Speichern lediglich einer zusätzlichen, einem früheren Tachykardieereignis entsprechenden Sequenz, das auch im Schutzumfang der Ansprüche 1 gemäß Haupt- und Hilfsanträge miteingeschlossen sei, stelle jedoch eine routinemäßige Maßnahme dar, die noch keine Beschleunigung des Beendens einer Tachykardie mit sich bringen könnte. Im übrigen sei das Registrieren und Ausnützen von mehreren Erfahrungswerten zur Steuerung von Automaten (sogenannten "lernenden Automaten") aus dem Dokument:
Taschenbuch der Nachrichtenverarbeitung, K. Steinbuch, Springer-Verlag Berlin, Heidelberg, New York 1967, Seiten 1394 und 1395 (D3) bekannt. Eine unmittelbare Übertragung dieser generellen Lehre auf die Steuerung eines Herzschrittmachers gemäß Druckschrift D2 führe zwangsläufig zum beanspruchten Gegenstand.
3. Schließlich sei der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag I, der nunmehr einen Herzschrittmacher betreffe, aus dem auf ein Verfahren zum Betreiben eines Herzschrittmachers abgestellten erteilten Anspruch 1 im Wege eines Kategoriewechsels hergeleitet worden. Dadurch sei der Schutzbereich des erteilten Anspruchs 1 unter Verstoß gegen die Bestimmungen des Art. 123 (3) erweitert worden.
IX. Ihrerseits bestritt die Beschwerdegegnerin, daß das Verfahren gemäß Anspruch 1 ihres Hauptantrags ein Verfahren zur therapeutischen Behandlung des menschlichen oder tierischen Körpers darstelle, weil es sich dabei nach ihrer Auffassung lediglich um ein Betriebsverfahren eines Gerätes handle, d.h. um ein rein technisches Verfahren, das die Mitwirkung des Arztes nicht erfordere sondern sich lediglich an den Hersteller des Geräts wende.
Da der Anspruch 1 des Hilfsantrags I, eindeutig auf einen Herzschrittmacher gerichtet sei, falle sein Gegenstand nicht unter die Ausschlußbestimmungen des Artikels 52 (4) EPÜ. Diese seien nicht auf Erzeugnisse (oder Geräte) zur Durchführung eines therapeutischen Verfahrens anwendbar.
Zur Patentfähigkeit des Gegenstandes des Patents wies sie darauf hin, daß der beanspruchten Erfindung die Erkenntnis zugrunde liege, daß der zeitliche Ablauf der für das Beenden einer Tachykardie erforderlichen Impulse nicht lediglich durch den Zufall bestimmt sei, sondern auch von anderen Faktoren, wie den physischen Aktivitäten des Patienten im Augenblick des Auftretens einer Tachykardie. Deshalb könnten beim Auftreten einer erneuten Tachykardie in einem wiederkehrenden physischen Zustand des Patienten nicht nur die letzte effektive Sequenz, sondern auch weitere, früher einmal effektive Sequenzen wieder zum erfolgreichen Beenden einer Tachykardie führen. Ein Hinweis auf die erneute Effektivität einer früher einmal erfolgreichen Sequenz, außer der jeweils letzten, sei jedoch dem Stand der Technik nicht zu entnehmen.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Hauptantrag der Beschwerdegegnerin.
2.1. Die Beschwerdekammer kann dem Argument der Beschwerdegegnerin nicht zustimmen, wonach jedes Verfahren zum Betreiben eines Gerätes zwangläufig ein nicht unter die Ausschlußbestimmungen des Artikels 52 (4) EPÜ fallendes technisches Verfahren darstellen würde.
In den Bestimmungen des Artikels 52 (4) EPÜ ist keine Stütze für eine solche Auslegung zu finden. Im Gegenteil zeigt der letzte Satz dieses Artikels, wonach diese Bestimmungen "nicht für Erzeugnisse, ......, zur Anwendung in einem der vorstehend genannten Verfahren" gelten, daß zwar die Erzeugnisse (z. B. Geräte) als solche patentfähig sind, die sie anwendenden Verfahren jedoch von der Patentfähigkeit ausgeschlossen bleiben.
Im vorliegenden Fall wäre daher ein tatsächliches Betriebsverfahren eines Herzschrittmachers zum Beenden einer Tachykardie zwangsläufig ein Verfahren zur therapeutischen Behandlung des menschlichen (oder tierischen) Körpers mittels eines Herzschrittmachers und somit von der Patentfähigkeit ausgeschlossen.
Die Beschwerdegegnerin hat jedoch geltend gemacht, daß Anspruch 1 gemäß ihrem Hauptantrag die Schritte eines technischen Verfahrens angebe, die kein Behandlungsverfahren sondern vielmehr die konstruktiven Merkmale eines Herzschrittmachers in funktionneller Weise definierten würden.
Dem stimmt die Kammer zu. Bei richtiger Auslegung gemäß Artikel 69 (1), Satz 2 EPÜ definiert nämlich Anspruch 1 kein Verfahren, sondern ein Gerät (Herzschrittmacher) durch die jeweilige Funktion seiner Bestandteile. Artikel 52 (4) EPÜ Hauptantrag nicht im Wege.
2.2. Die Beschwerdegegnerin hat jedoch ihren Hauptantrag auf die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang abgestellt. Einem solchen Antrag kann laut Art. 102 (3) EPÜ nur dann stattgegeben werden, wenn auch das europäische Patent (und nicht nur die Erfindung, die es zum Gegenstand hat) "den Erfordernissen des EPÜ" genügt. Daher ist nach den von der Beschwerdegegnerin in den Patentunterlagen vorgenommenen Änderungen auch zu prüfen, ob Anspruch 1 das in Artikel 84 EPÜ niedergelegte Erfordernis der Deutlichkeit der Patentansprüche erfüllt.
Obwohl der Gegenstand des Anspruchs 1 als ein "Verfahren", nämlich ein Verfahren zum Betreiben eines Herzschrittmachers bezeichnet ist, wird nach der bereits unter Punkt 2.1 oben dargelegten Auffassung der Kammer im Anspruch 1 keine eigentliche, anhand des Herzschrittmachers selbst oder im Laufe seiner Herstellung auszuübende Handlung definiert. Da insbesondere im kennzeichnenden Teil des Anspruchs ausschließlich Merkmale angegeben sind, die die Handhabung von Registerwerten in einem Speicher betreffen (Speichern von Sequenzen in Registern eines Speichers, Verwenden der vorhandenen Registerwerte in einer vorgebbaren Reihenfolge, Austausch einer gespeicherten Sequenz), und somit die Funktion eines Herzschrittmachers angeben, ist der Inhalt des Anspruchs 1 vielmehr mit einer funktionellen Definition eines Herzschrittmachers und der Anspruch selbst somit einem Sachanspruch gleichzustellen.
Da der Hinweis auf ein Verfahren in der Bezeichnung des Gegenstands des Anspruchs 1 diesen Sachverhalt jedoch nicht zweifelsfrei erkennen läßt, ist Anspruch 1 nach Auffassung der Kammer nicht "deutlich" im Sinne von Art. 84 EPÜ.
Aus diesen Gründen kann dem Hauptantrag der Beschwerdegegnerin nicht stattgegeben werden.
3. Erster Hilfsantrag der Beschwerdegegnerin
3.1. Im Vergleich zu den Patentunterlagen in der erteilten Fassung wurde das Patent gemäß Hilfsantrag I außer der Streichung der erteilten abhängigen Ansprüche 11 und 12 und der entsprechenden Umnumerierung der folgenden Ansprüchen im wesentlichen nur insofern geändert, als im Anspruch 1 die Bezeichnung der Erfindung als ein "Verfahren zum Betreiben eines Herzschrittmachers" durch die Bezeichnung "Herzschrittmacher" ersetzt wurde, und im Absatz c) des kennzeichnenden Teils präzisiert wurde, daß N (N > 1) effektive Sequenzen in N Registern eines Speichers gespeichert werden, anstatt von nur einer effektiven Sequenz in einem von N Registern. Die Beschreibung wurde entsprechend angepaßt.
Diese Änderungen sind unter Art. 123 (2) EPÜ nicht zu beanstanden, weil in den ursprünglich eingereichten Unterlagen, insbesondere in der Beschreibung im Zusammenhang mit den Zeichnungen, tatsächlich ein Herzschrittmacher offenbart ist, der dazu geeignet ist, unter Durchführung der im Anspruch 1 angegebenen Schritten a) bis e) eine Tachykardie zu beenden. Die Verwendung von N Registern oder Registergruppen, in denen jeweils eine von N effektiven Sequenzen eingespeichert wird, ist insbesondere im vorletzten Absatz der Beschreibung erwähnt.
Die Änderung des Anspruchs 1, einschließlich seines Kategoriewechsels, verstößt auch nicht gegen die Bestimmungen des Art. 123 (3) EPÜ, weil aus den im obigen Absatz 2 im Zusammenhang mit Anspruch 1 des Hauptantrags der Beschwerdegegnerin dargelegten Gründen, der erteilte Anspruch 1 bereits ein Sachanspruch mit funktioneller Definition eines Herzschrittmachers ist. Daher wird auch durch den nur scheinbaren Kategoriewechsel der Inhalt des Anspruchs nicht geändert, sondern der Anspruch lediglich klargestellt (vgl. auch T 378/86 - 3.2.2, ABl. EPA 1988, 386).
Wegen der erfolgten Klarstellung der Bezeichnung des Gegenstandes des Anspruchs 1 als ein Herzschrittmacher, der zum Beenden einer Tachykardie (unter Durchführung der im Anspruch angegebenen Schritte) geeignet ist, ist Anspruch 1 auch im Hinblick auf Art. 84 EPÜ nicht mehr zu beanstanden.
Somit genügen die Patentunterlagen gemäß Hilfsantrag 1 der Beschwerdegegnerin den formellen Erfordernissen des EPÜ.
3.2. Gemäß Art. 52 (4) EPÜ gelten Verfahren zur therapeutischen Behandlung des menschlichen oder tierischen Körpers nicht als gewerblich anwendbare Erfindungen. Diese für therapeutische Verfahren geltende Bestimmung gilt jedoch ausdrücklich nicht für Erzeugnisse zur Anwendung in einem solchen Verfahren (Art. 52 (4) EPÜ, letzter Satz). Daher steht Art. 52 (4) EPÜ der Patentfähigkeit der Ansprüche gemäß Hilfsantrag 1 der Beschwerdegegnerin, die nunmehr eindeutig auf ein derartiges Erzeugnis abgestellt sind, nämlich auf einen Herzschrittmacher zum Beenden einer Tachykardie, nicht entgegen.
Dem von der Beschwerdeführerin vorgetragenen Argument, die Durchsetzung der Rechte aus den vorliegenden Ansprüchen könnte einen Arzt daran hindern, einen rechtmäßig erworbenen frei programmierbaren Herzschrittmacher so zu programmieren, daß er die beanspruchten Verfahrensschritte ausführt, und ihn daher in der Ausübung der Heilkunde in unzulässiger Weise einschränken, kann die Kammer nicht folgen. Das Programmieren eines Herzschrittmachers stellt nämlich lediglich eine an einem Gerät durchgeführte Maßnahme dar, die zwar von einem Arzt im Rahmen der Ausübung der Heilkunde ausgeführt werden kann, an sich jedoch noch keine unmittelbare therapeutische Behandlung des menschlichen oder tierischen Körpers darstellt, wie sie allein durch die Bestimmungen des Art. 52 (4) EPÜ von der Ausübung von Patentrechten freigehalten werden soll. Ebenso kann ja auch jedes gültige Patent für ein Erzeugnis zur therapeutischen Behandlung des menschlichen oder tierischen Körpers der Herstellung dieses Erzeugnisses durch einen Arzt entgegenstehen, ohne daß deswegen von einer unzulässigen Einschränkung bei der Ausübung der Heilkunde die Rede sein kann.
3.3. Neuheit Aus den Druckschriften D1 und D2 ist unbestritten jeweils ein Herzschrittmacher zum Beenden einer Tachykardie bekannt, der die im Oberbegriff des Anspruchs 1 angegebenen Verfahrensschritte ausführt, nämlich das Detektieren einer Tachykardie und das Auslösen einer Routine zum Beenden der Tachykardie, die im wesentlichen aus dem Erzeugen von Sequenzen von Stimulierungsimpulsen zeitlich festgelegten Verlaufs besteht, wobei diese Sequenzen in vorgegebener Weise solange verändert werden, bis eine effektive Sequenz zum Beenden der Tachykardie gefunden ist (D1, Anspruch 1; D2, Anspruch 1).
Bei diesen bekannten Herzschrittmachern wird jeweils lediglich die zuletzt gefundene effektive Sequenz gespeichert, und als Ausgangspunkt für die beim Auftreten einer erneuten Tachykardie erforderliche Routine verwendet (D1, Seite 7, Zeilen 111 bis 113; D2, Spalte 3, Zeilen 38 bis 41).
Von diesen bekannten Herzschrittmachern unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 durch die Ausführung der im kennzeichnenden Teil des Anspruchs angegebenen Schritten, wonach, im wesentlichen,
- mehrere, zumindest einmal erfolgreiche Sequenzen gespeichert werden; und
- diese gespeicherten Sequenzen in einer vorgebbaren Reihenfolge erst ausprobiert werden, bevor, falls keine davon effektiv ist, die eigentliche Suchroutine eingeleitet wird.
Die Druckschrift D3 betrifft die Steuerung von Automaten im allgemeinen, und sie beschreibt insbesondere das Funktionsprinzip des "probierenden Automaten mit Erfahrungsspeicher", der in seiner Wechselwirkung mit der Umwelt "Erfolge" als "Erfahrungswerte" registriert und für seine weitere Tätigkeit heranzieht (Seite 1394, Abbildung 12/3.c; Seite 1395, Absatz 3). Diese Druck-schrift bezieht sich nicht auf einen Herzschrittmacher zum Beenden einer Tachykardie.
Die weiteren sich im Verfahren befindlichen Druckschriften kommen dem Gegenstand des Anspruchs 1 nicht näher.
Aus diesen Gründen ist der Gegenstand des Anspruchs 1 neu im Sinne von Art. 54 EPÜ.
3.4. Erfinderische Tätigkeit Ausgehend von dem aus der Druckschrift D1 oder D2 bekannten nächstkommenden Stand der Technik ist die dem Anspruch 1 zugrundeliegende Aufgabe darin zu sehen, einen Herzschrittmacher zu schaffen, bei welchem mehrere früher einmal effektive Sequenzen gespeichert und beim Auftreten einer neuen Tachykardie ausprobiert werden können.
Nach Auffassung der Kammer war bereits diese Aufgabenstellung für den Fachmann am Anmeldetag nicht naheliegend, weil er ohne die der Erfindung vorausgegangene Erkenntnis, daß die zum Beenden einer Tachykardie jeweils erforderliche Impulssequenz u. a. auch vom momentanen physischen Belastungszustand des Patienten abhängt, keine Veranlassung hatte das Gerät durch zusätzliche Speicher zu komplizieren. Auch konnte er im Stand der Technik keinen Hinweis darauf finden, daß früher einmal erfolgreiche Sequenzen, außer der allerletzten, noch von irgendwelchem Nutzen für das Beenden von erneuten Tachykardien sein könnten.
Im Gegenteil ist aus der Druckschrift D1 einerseits zu entnehmen, daß das Fenster, in dem das Herz für einen Terminierungsimpuls empfänglich ist, sich nicht nur im Laufe des Tages ändert, sondern sogar während eines einzigen Tachykardievorfalls (Seite 1, Zeilen 36 bis 42), und andererseits, daß sogar die zuletzt erfolgreiche Sequenz das Beenden einer Tachykardie keinesfalls garantiert (Seite 1, Zeilen 98 bis 104). Eine unvoreingenommene, ohne Kenntnis der vorliegenden Erfindung erfolgende Berücksichtigung dieser Informationen bringt den Fachmann nicht auf den Gedanken, vor dem Einleiten der Suchroutine außer der zuletzt effektiven Sequenz noch andere früher einmal effektive Sequenzen auszuprobieren.
Die weiteren sich im Einspruchs- oder Prüfungsverfahren befindlichen, das Beenden einer Tachykardie betreffenden Druckschriften entbehren jeden Hinweises bezüglich der zeitlichen Änderung der dafür effektiven Sequenzen.
Die aus der Druckschrift D3 zu entnehmende Lehre, Automaten anhand von gespeicherten Erfahrungswerten zu steuern, wird der Fachmann auch nur in Situationen berücksichtigen, in welchen zu erwarten ist, daß solche Erfahrungswerte für das spätere Verhalten einer zu steuerenden Vorrichtung von irgendwelchem Belang sind. Daß dies tatsächlich bei dem Beenden einer Tachykardie zutrifft, ist, wie oben dargelegt, aus dem Stand der Technik nicht erkennbar und setzt die obenerwähnte medizinische Erkenntnis voraus.
Aus diesen Gründen beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Art. 56 EPÜ.
3.5. Aufgrund ihrer Rückbeziehung auf Anspruch 1 definieren die übrigen Ansprüche 2 bis 13 ebenso wie Anspruch 1 eine patentfähige Erfindung.
Somit genügen unter Berücksichtigung der von der Beschwerdegegnerin gemäß deren Hilfsantrag I Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des Übereinkommens, so daß die Aufrechterhaltung des Patents in diesem Umfang beschlossen werden kann.
4. Hilfsantrag II.
Da dem ersten Hilfsantrag der Beschwerdegegnerin stattgegeben werden kann, braucht auf ihren Hilfsantrag II nicht weiter eingangen werden.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an die Vorinstanz zurückverwiesen mit der Auflage, das Patent gemäß Hilfsantrag I der Beschwerdegegnerin mit folgenden Änderungen aufrechtzuerhalten:
Die Patentansprüche 1 bis 15 werden ersetzt durch die Ansprüche 1 bis 13 überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 28. Juni 1990; die Bezeichnung und Beschreibung Spalte 1, Zeile 1 bis Spalte 10, Zeile 19 werden ersetzt durch die Bezeichnung und Beschreibung Spalte 1, Zeile 1 bis Spalte 10, Zeile 19 eingegangen am 5. Juni 1990.