T 0572/88 () of 27.2.1991

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1991:T057288.19910227
Datum der Entscheidung: 27 Februar 1991
Aktenzeichen: T 0572/88
Anmeldenummer: 82100361.3
IPC-Klasse: C09B 62/085
Verfahrenssprache: DE
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Wasserlösliche Monoazoverbindungen, Verfahren zu ihrer Herstellung und ihre Verwendung als Farbstoffe
Name des Anmelders: Hoechst AG
Name des Einsprechenden: Sumitomo Chemical
Kammer: 3.3.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54(1)
European Patent Convention 1973 Art 111(1)
Schlagwörter: Novelty (yes) - no ex post facto analysis
Availability of a family of compounds through a
process
Remittal to the Opposition Division
Neuheit (ja) - keine ex post facto Betrachtung
Zugänglichkeit einer Stoffgruppe via Anwendungs-
verfahren
Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0012/81
T 0181/82
T 0194/84
T 0281/85
T 0124/87
T 0296/87
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0763/89
T 0248/93
T 0352/93
T 0158/94
T 0177/95
T 0077/97
T 0799/98
T 0123/00
T 0360/01
T 0566/01
T 0589/01
T 0326/02
T 0974/03
T 0042/04
T 0772/05
T 1008/05
T 1103/05
T 1478/05
W 0028/04

Sachverhalt und Anträge

I. Auf die am 20. Januar 1982 eingereichte europäische Patentanmeldung 82 100 361.3 wurde das europäische Patent 56 975 aufgrund von elf Patentansprüchen erteilt. Der Hinweis auf die Patenterteilung wurde am 16. Januar 1985 im Patentblatt 85/3 bekannt gemacht.

II. Gegen die Erteilung des Patents wurde von der Beschwerdegegnerin, der Firma Sumitomo Chemical Company, am 15. Oktober 1985 Einspruch erhoben und beantragt, das Patent mangels Neuheit und erfinderischer Tätigkeit zu widerrufen. Zur Begründung wurde auf sechs Dokumente verwiesen, von denen im Beschwerdeverfahren nur noch folgende eine Rolle spielen:

(2) EP-A-21 105

(3) Ullmann's Enzyklopädie der Technischen Chemie, 3. Ausgabe (1963), Band 14, Seite 620

(6) Seite 171 der englischen Übersetzung einer Japan. Patentpublikation No. Sho 55-39 672 (1980), veröffentlicht am 13. Oktober 1980

(7) Sin-i (Fiber), Vol. 12, No. 8 (1960-8).

III. Mit einer am 19. September 1988 ergangenen Entscheidung wurde das Patent auf der Grundlage geänderter Ansprüche widerrufen. Der geänderte Anspruch 1 hatte folgenden Wortlaut:

"Wasserlösliche Monoazoverbindungen, die der allgemeinen Formel (1)

(FORMEL) entsprechen, die wie folgt definiert ist:

D ist ein substituierter Phenylrest oder ein substituierter Naphtylrest, wobei mindestens einer der Substituenten eine wasserlöslich machende Gruppe ist oder ein solcher Substituent ist, der eine wasserlöslich machende Gruppe besitzt; R ist ein Wasserstoffatom, eine Alkylgruppe von 1 bis 6 C-Atomen, die ß-Hydroxyäthyl- oder die ß- Sulfatoäthylgruppe; R1 ist ein Wasserstoff- oder ein Chloratom oder eine Alkylgruppe von 1 bis 4 C-Atomen oder eine Alkoxygruppe von 1 bis 4 C-Atomen; R2 ist ein Wasserstoffatom, eine Alkylgruppe von 1 bis 4 C-Atomen oder eine Alkoxygruppe von 1 bis 4 C-Atomen; Y ist die Vinylgruppe; K ist ein Rest der Formel (3) oder (4)

(FORMEL) in welchen jeweils die Azogruppe an die 4-Stellung gebunden ist und R3 ein Wasserstoffatom, eine Alkylgruppe von 1 bis 4 C-Atomen, eine Alkoxygruppe von 1 bis 4 C-Atomen, eine Alkanoylaminogruppe von 2 bis 4 C-Atomen, eine Aryloylaminogruppe, die Ureido- oder eine N'-Aryl-ureido-Gruppe, eine Alkylsulfonylaminogruppe von 1 bis 4 C-Atomen, eine Arylsulfonylaminogruppe oder die Hydroxy-acetylamino-Gruppe bedeutet, R4 ein Wasserstoffatom, eine Alkylgruppe von 1 bis 4 C-Atomen, eine Alkoxygruppe von 1 bis 4 C-Atomen oder die Sulfogruppe ist, R5 ein Wasserstoffatom, eine Alkylgruppe von 1 bis 4 C-Atomen oder eine Alkoxygruppe von 1 bis 4 C-Atomen darstellt, R6 für ein Wasserstoffatom oder eine Alkoxygruppe von 1 bis 4 C-Atomen steht, M ein Wasserstoffatom oder das Äquivalent eines Alkali- oder Erdalkali-oder eines dreiwertigen Metalls bedeutet und wobei R, R1, R2, R3, R4, R5 und R6 gleich oder voneinander verschieden sein können und das Molekül der Formel (1) zwingend mindestens zwei wasserlöslich machende Gruppen enthält."

IV. In der Entscheidung wird ausgeführt, daß der Gegenstand dieses Anspruchs nicht neu sei.

Dokument (2) beschreibe entsprechende Farbstoffe die, statt einer Vinylsulfonyl-Reaktivgruppe eine ß- Sulfatoethylsulfonyl-Reaktivgruppe enthalten. Es sei zudem aus Dokument (3) bekannt gewesen, daß die Reaktion der in Dokument (2) offenbarten Farbstoffe mit cellulosehaltigen Textilmaterialien zwangsläufig über die Vinylsulfonylgruppe stattfindet. Deshalb müßten die bekannten Farbstoffe zeitweise den beanspruchten Farbstoffen entsprechen.

V. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin unter gleichzeitiger Zahlung der vorgeschriebenen Gebühr am 19. November 1988 Beschwerde erhoben. In der Beschwerdebegründung, eingegangen am 26. Januar 1989, sowie in der mündlichen Verhandlung am 27. Februar 1991, wurde geltend gemacht, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 neu sei, weil die Reaktion der im Dokument (2) offenbarten Farbstoffe mit cellulosehaltigen Textilmaterialien nicht zwangsläufig zu den beanspruchten Verbindungen führe, da auch die zweite Reaktivgruppe der Farbstoffe, die Chlortriazinylgruppe hydrolysierbar sei. Hierzu wurde auf die folgenden zwei Dokumente verwiesen:

(8) Rys-Zollinger, Leitfaden der Farbstoffchemie (1976), Seiten 212 und 213

(11) Hermann Rath, Lehrbuch der Textilchemie, Dritte neubearbeitete Auflage (1972), Seiten 407 und 408.

Eine Identität der Farbstoffe des Streitpatents mit denen, die während der Verwendung der Farbstoffe des Dokuments (2) entstehen, könne auch deshalb nicht bestehen, weil die Farbstoffe des Streitpatents ausweislich der am 11. Mai 1988 vorgelegten Versuche ein unterschiedliches färberisches Verhalten zeigten.

VI. Die Beschwerdegegnerin bestreitet weiterhin die Neuheit des Patentgegenstands. Zunächst wisse der Fachmann, daß die in Dokument (2) beschriebenen ß-Sulfatoethylsulfonyl- Farbstoffe zum Typ der entsprechenden Vinylsulfonyl- Farbstoffe gehörten, so daß letztere -obgleich nicht erwähnt - vom Inhalt des Dokuments (2) erfaßt seien. Druckschrift (3) repräsentiere nur dieses allgemeine Fachwissen.

Zudem wurde konform mit der Auffassung der Einspruchsabteilung geltend gemacht, daß die aus Dokument (2) bekannten Verbindungen bei der gleichfalls dort beschriebenen Verwendung als Farbstoffe zwangsläufig zuerst in die beanspruchten, eine Vinylsulfonylgruppe enthaltenden Verbindungen übergingen und daher neuheitsschädlich seien. Hierzu wurde auf die am 16. August 1989 eingereichten Versuche, sowie auf die Dokumente (3), (6) und gutachtlich auf J.S.D.C., Vol. 104 (1980), Seiten 425-431 (Dokument (10)) verwiesen.

VII. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents aufgrund der o. g. geänderten Ansprüche.

Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.

VIII. Am Ende der mündlichen Verhandlung wurde verkündet, daß der Beschwerde stattgegeben wird.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde genügt den Erfordernissen der Artikel 106 bis 108 EPÜ sowie der Regel 64; sie ist daher zulässig.

2. Einziger Streitpunkt in diesem Verfahren ist die Neuheit des Patentgegenstandes gegenüber Dokument (2).

3. Gegenstand dieses Dokuments sind unter anderem wasserlösliche Monoazoverbindungen, die den beanspruchten Verbindungen der Formel (1) in ihrer Grundstruktur entsprechen, aber eine ß-Sulfatoethylsulfonylgruppe statt einer Vinylsulfonylgruppe enthalten (vgl. Dokument (2), Anspruch 1 und Verbindung (18) auf Seite 24 mit dem geltenden Anspruch 1 sowie Farbstoff nach Beispiel 3). Daraus erhellt, daß sich die beanspruchten Reaktivfarbstoffe von denen nach (2) durch einen wesentlichen Strukturparameter unterscheiden. Dies wird auch von der Beschwerdegegnerin eingeräumt. Sie meint indes, das Basiswissen des Fachmanns, wonach die in (2) beschriebenen Farbstoffe dem sogenannten "Vinylsulfonyl"- Typ angehören, offenbare "implizit" auch die entsprechenden Vinylsulfonyl-Farbstoffe.

4. Vorab sei bemerkt, daß der unscharfe Begriff "implizite Vorbeschreibung" die Gefahr in sich birgt, Überlegungen in die Neuheitsbetrachtung einzubeziehen, wie sie bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit angemessen sind. Die gerechte Beurteilung einer Erfindung bezüglich ihrer Patentierbarkeit setzt aber u. a. eine strikte Trennung der Frage nach der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit voraus.

Die Kammer hat bereits in einer Reihe von Entscheidungen darauf hingewiesen, daß bei der Beurteilung der Frage, ob chemische Stoffe als neu gelten, darauf abzustellen ist, ob diese der Öffentlichkeit in Form einer ausführbaren technischen Lehre zugänglich gemacht worden sind (T 12/81, ABl. EPA 1982, 296, Ziffern 5 und 7, T 181/82, ABl. EPA 1984, 401, Nr. 8, T 198/84, ABl. EPA 1985, 209, Ziffer 4, T 281/85 vom 14.5.1987, Ziffer 4.2, T 124/87, ABl. EPA 1989, 491, Ziffer 3.2, T 296/87, ABl. EPA 1990, 195, Ziffer 6.1). Hierzu bedarf es der Offenbarung der für diese Stoffe charakteristischen Parameter, also entweder geeigneter Stoffparameter oder Verfahrensparameter, die diese Stoffe eindeutig festlegen. Solcher Parameter enthält das Dokument (2) für die Vinylsulfonyl- Reaktivfarbstoffe nicht.

Das bloße Wissen um die begriffliche Zugehörigkeit der ß-Sulfatoethylsulfonyl-Farbstoffe zum "Typ der Vinylsulfonylfarbstoffe" macht die von den ß- Sulfatoethylsulfonylverbindungen klar unterscheidbaren Vinylsulfonylfarbstoffe selbst der Öffentlichkeit nicht zugänglich, weil nur das als vorbeschrieben gelten kann, was ein Fachmann einem Dokument entnimmt. Sind Stoffe beschrieben, so sind damit im Sinne der bisherigen Rechtsprechung nicht automatisch alle typmäßig verwandten, aber nicht erwähnten Stoffe mitbeschrieben. Der Offenbarungsgehalt des Dokuments (2) erschöpft sich in der Beschreibung der formelmäßig näher bezeichneten ß-Sulfatoäthylsulfonylverbindungen. Die Aussage in (2) über deren Zugehörigkeit zum Typ der Vinylsulfonylfarbstoffe, dem übrigens auch die in (3) genannten bekannten monofunktionellen Remazolfarbstoffe sowie die in (10) beschriebenen bifunktionellen Sumifix Supra-Farbstoffe zuzurechnen sind, fügt der Offenbarung aus (2) nichts hinzu, sondern dient der Systematik, d. h. der Klassifizierung, indem eben diese Farbstoffe der umfänglichen Gruppe ähnlicher Reaktivfarbstoffe zugeordnet werden. Wenn die Beschwerdegegnerin trotzdem neben den in (2) genannten gerade die durch gedankliche Eliminierung von Schwefelsäure resultierenden Vinylsulfonylverbindungen als mitbeschrieben ansieht, so liest sie damit in das Dokument (2) etwas hinein, was auf der Kenntnis der Erfindung beruht.

Die Beschwerdegegnerin argumentiert ferner, daß der Fachmann sein allgemeines Wissen aus (3), wonach sich die monofunktionellen Remazolfarbstoffe färberisch wie Vinylsulfonverbindungen verhalten, auf die aus (2) bekannten bifunktionellen Farbstoffe übertragen hätte. Solche Überlegungen sind bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit geboten, sie können aber bei der Frage nach der Neuheit von Stoffen nicht Platz greifen.

5. Auch der Auffassung, wonach die im Dokument (2) offenbarten Verbindungen bei der dort beschriebenen Verwendung als Farbstoff zwangsläufig zunächst in die beanspruchten Verbindungen übergingen und daher neuheitsschädlich seien, vermag die Kammer aus den folgenden Gründen nicht beizutreten:

5.1. Das hierzu angezogene Dokument (3) betrifft Remazolfarbstoff, die nur eine einzige Reaktivgruppe, nämlich die ß-Sulfatoethylsuflonylgrupe besitzen (vgl. Seite 620, Zeilen 1 bis 10) und sich somit von den Monoazofarbstoffen des Streitpatents erheblich unterscheiden. Bei diesem gravierenden Unterschied hätte ein Fachmann keinesfalls gefolgert, daß die Farbstoffe des Streitpatents beim Färben von Cellulose in die entsprechenden Vinylsulfonylfarbstoffe mit intaktem Chlortriazinylrest übergehen.

5.2. Das gutachtlich angeführte Dokument (10) postuliert allerdings u. a., daß ein Azofarbstoff, der einen Monochlortriazinyl- und ß-Sulfatoethylsulfonylrest enthält, beim Färben zuerst in den entsprechenden Vinylsulfonyl-Farbstoff ohne Hydrolyse der Monochlotriazinylgruppe übergeht (vgl. Schema 1 und Seite 431, linke Spalte, Zeilen 16 bis 38, insbesondere Zeilen 19 und 20). Dabei handelt es sich jedoch um keine gesicherten Erkenntnisse, sondern lediglich um theoretische Betrachtungen über eine Vielzahl möglicher Reaktionsvorgänge, die beim Färben auftreten könnten; denn die betreffende Passage weist einleitend darauf hin, daß es kaum möglich ist, alle unterschiedlichen Konkurrenzreaktionen und nacheinander ablaufende Reaktionen eines bifunktionellen Farbstoffs beim Färben zu beschreiben (vgl. Zeilen 16 bis 18), ja sogar, daß das Schema 1 nicht komplett ist (Zeile 33).

Die Komplexität der beim Färben auftretenden Reaktionsvorgänge wird weiter bestätigt durch Dokument (8), das in Zusammenhang mit einer für Reaktivfarbstoffe nicht näher angegebenen Struktur charakteristischen Aufziehkurve auf die unterschiedlichen Konkurrenzreaktionen hinweist (vgl. Seite 212, 3. Zeile von unten bis Seite 213, Zeile 9). Zudem stellt Dokument (11) sogar die u. a. postulierte Umsetzung der ß-Sulfatoethylsulfonylgruppe in die Vinylsulfonylgruppe in Frage, weil die Möglichkeit einer direkten nucleophilen Substitution am ß-Kohlenstoffatom ohne die intermediäre Bildung einer Vinylverbindung nicht auszuschließen ist (vgl. Seite 408, zweiter Absatz).

Bei diesem Sachverhalt kann nach Überzeugung der Kammer keine Rede davon sein, daß die Vinylsulfonylfarbstoffe des Streitpatents beim Färben mit Textilfarbstoffen gemäß Dokument (2) intermediär entstehen, geschweige denn, der Fachwelt zugänglich waren.

5.3. Überdies stützt die Beschwerdegegnerin ihren Neuheitseinwand noch auf den am 16. August 1989 eingegangenen Versuchsbericht sowie Dokument (6), Seite 171. Dokument (6) beschreibt - ohne Bezugnahme auf das Färben -, daß man einen den -SO2CH2CH2Z Rest enthaltenden Farbstoff durch Behandlung mit Alkali in den entsprechenden Vinylsulfonyl-Farbstoff umsetzen kann. Der Versuchsbericht betrifft die Umsetzung einer Verbindung nach Dokument (2), die eine ß-Sulfatoethylsulfonylgruppe und eine Monochlortriazinylgruppe enthält, soll jedoch unter "färberischen Bedingungen" durchgeführt worden sein. Dies ist insofern unzutreffend, als die Umsetzung ohne cellulosehaltiges Material durchgeführt wurde. Ohne Faser gibt es aber kein Färben. Daraus erhellt, daß für den Nachweis des Übergangs der Verbindung nach Dokument (2) unter färberischen Bedingungen in die Vinylsulfonylverbindung mit intakter Monochlortriazinylgruppe, die Anwesenheit des zu färbenden cellulosehaltigen Materials unabdingbar ist. In diesem Zusammenhang sei darauf verwiesen, daß man beim Färben von cellulosehaltigem Material nach dem Stand der Technik den Reaktivfarbstoff zunächst auf die Faser aufziehen läßt und erst danach die Base hinzugefügt (vgl. Dokument (2), die Beispiele; Dokument (8), Abb. 11.15; und Dokument (10), Seite 426, unter "Dying"). Auch diese Beweismittel können deshalb nicht dartun, daß die Farbstoffe des Streitpatents durch Dokument (2) über das dort beschriebene Färbeverfahren der Öffentlichkeit zugänglich waren.

5.4. Hingegen sind die Versuchsergebnisse im Versuchsbericht der Beschwerdeführerin vom 11. Mai 1988 ein Indiz dafür, daß der betreffende Sulfatoethylsulfonyl-Farbstoff beim Färben intermediär nicht in die Vinylsulfonyl-Form übergeht; denn mit der Sulfatoethylsulfonyl-Farbstoff und dem entsprechenden Vinysulfonyl-Farbstoff werden keine identischen Ergebnisse erhalten. Diesen Versuchsergebnissen hat die Beschwerdegegnerin nicht widersprochen. In diesem Zusammenhang hat die Beschwerdegegnerin in ihrem Schriftsatz vom 16. August 1989 (vgl. Seite 7, Abschnitt 3.2.3) auch noch auf ihre Eingabe vom 15. Oktober 1985 hingewiesen. Im Abschnitt 3.3, zweiter Absatz, auf Seite 6 dieser Eingabe wird unter Verweisung nach Dokument (7), Seite 682 (vgl. die Übersetzung), sogar eingeräumt, daß ein Vinylsulfonyl-Farbstoff eine aktivierte Form eines Sulfatoethylsulfonyl-Farbstoffs darstellt.

5.4. Somit fehlen für den Neuheitseinwand, daß die im Dokument (2) offenbarten Verbindungen unter färberischen Bedingungen zwangsläufig in die beanspruchten Verbindungen übergehen, die notwendigen Beweise.

6. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist deshalb neu. Die abhängigen Ansprüche 2 bis 7 und die Ansprüche 8 und 9 (nach der Eingabe vom 26. Januar 1987) sind auf Anspruch 1 rückbezogen, so daß für sie das Gleiche gilt.

7. Die Einspruchsabteilung hat in ihrer Entscheidung zur Frage der erfinderischen Tätigkeit nicht Stellung genommen. Unter diesen Umständen hält es die Kammer für geboten, von ihrer Befugnis nach Artikel 111 (1) EPÜ Gebrauch zu machen und die Sache an die Einspruchsabteilung zur Fortsetzung des Einspruchsverfahrens zurückzuverweisen. Im Hinblick auf das Alter der Anmeldung erscheint eine zügige Behandlung angebracht.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird zur Fortsetzung des Verfahrens an die Vorinstanz zurückverwiesen.

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