European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:1990:T055088.19900327 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 27 März 1990 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0550/88 | ||||||||
Anmeldenummer: | 82304950.7 | ||||||||
IPC-Klasse: | C10M 139/00 | ||||||||
Verfahrenssprache: | EN | ||||||||
Verteilung: | |||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | - | ||||||||
Name des Anmelders: | Mobil | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Mobil | ||||||||
Kammer: | 3.3.01 | ||||||||
Leitsatz: | 1. Ein älteres nationales Recht ist keine "europäische Patentanmeldung" im Sinne des Artikels 54 (3) EPÜ und gehört damit nicht zum Stand der Technik. 2. Um zulässig zu sein, muß die Einspruchsschrift darlegen, aus welchen rechtlichen und faktischen Gründen dem Einspruch stattgegeben werden soll. Wenn die einzigen in der Einspruchsschrift genannten Tatsachen und Beweismittel die vorgebrachten Einspruchsgründe aus rechtlichen Gründen nicht stützen können, ist der Einspruch unzulässig. Dies ist der Fall, wenn die zur Begründung der mangelnden Neuheit vorgelegten Tatsachen und Beweismittel nur auf ältere nationale Rechte zurückgehen. 3. Änderungen im Einspruchsverfahren, die lediglich aufgrund bestehender älterer nationaler Rechte vorgeschlagen werden, sind weder notwendig noch sachdienlich im Sinne der Regel 58 (2) EPÜ und daher nicht zulässig (in Abweichung von den Richtlinien C-III, 8.4 und der Rechtsauskunft 9/81 - 3.3.1, ABl. EPA 1981, 68). 4. Auf einen Einspruch hin vorgeschlagene Änderungen sind nicht statthaft, wenn der Einspruch unzulässig ist. |
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Relevante Rechtsnormen: | |||||||||
Schlagwörter: | Mangelnde Neuheit nach Artikel 54 (3) EPÜ als einziger Einspruchsgrund Ältere nationale Rechte als einzige Stützung dieses Grundes Ältere nationale Rechte nicht Stand der Technik im Sinne des Artikels 54(3) EPÜ Einspruch unzulässig Aufgrund älterer nationaler Rechte vorgeschlagene Änderungen nicht zulässig |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerdeführerin und Inhaberin des europäischen Patents Nr. 075 478 legte gegen ihr eigenes Patent Einspruch ein. In der Einspruchsschrift verwies sie auf Artikel 100 a) EPÜ und erklärte, sie habe kürzlich einen möglichen Einwand gegen die Gültigkeit des europäischen Patents entdeckt, der Änderungen erforderlich mache; es handle sich um sechs auf den Namen eines Dritten lautende nationale Patente bzw. Anmeldungen, deren Prioritätstage alle vor dem Anmeldetag des europäischen Patents lägen, die aber erst nach diesem Anmeldetag veröffentlicht worden seien. Sie beantragte eine Änderung der Fassung des europäischen Patents in jedem der sechs benannten Vertragsstaaten, in denen die oben genannten nationalen Patente bzw. Anmeldungen mit früheren Prioritätstagen bestehen ("ältere nationale Rechte").
II. Nach einem Schriftwechsel entschied die Einspruchsabteilung am 19. September 1988, daß der Einspruch nach Regel 56 (1) EPÜ unzulässig sei, weil erstens ein Einspruchsgrund nach Artikel 100 a) nicht eindeutig vorgebracht worden sei; zweitens - und dies sei noch schwerwiegender - sei die Einspruchsschrift auf jeden Fall insofern mangelhaft, als sie keine Begründung des Einspruchs enthalte, weil nämlich keines der genannten Dokumente vor dem Anmeldetag des europäischen Patents veröffentlicht worden sei und es sich bei den genannten Patenten bzw. Anmeldungen durchweg um ältere nationale Rechte handle, die nicht zum Stand der Technik nach Artikel 54 EPÜ gehörten.
In der Entscheidung wurde auch auf die Richtlinien C-III, 8.4 verwiesen; diese seien so auszulegen, daß die Vorlage gesonderter Patentansprüche für einzelne benannte Vertragsstaaten (in denen ältere nationale Rechte bestünden) erst zulässig sei, wenn ein zulässiges Einspruchsverfahren eingeleitet worden sei.
III. Die Beschwerdeführerin reichte eine Beschwerdeschrift mit einer Begründung ein, in der die Gründe für die Feststellung der Unzulässigkeit vor allem mit dem Argument angefochten wurden, daß die bestehenden älteren nationalen Rechte zum Stand der Technik im Sinne des Artikels 54 (3) EPÜ gehörten. Sie berief sich insbesondere auf den Wortlaut des Artikels 54 (3) EPÜ "... der Inhalt der europäischen Patentanmeldungen in der ursprünglich eingereichten Fassung..." und behauptete, daß darunter sowohl Anmeldungen nach dem EPÜ als auch ältere "europäische" nationale Anmeldungen fielen.
IV. Auf einen Bescheid der Kammer hin reichte die Beschwerdeführerin eine Stellungnahme ein; am 27. März 1990 fand eine mündliche Verhandlung statt, in der die Beschwerde zurückgewiesen wurde.
Entscheidungsgründe
1. In dieser Beschwerde, die zulässig ist, geht es in erster Linie um die Frage, ob ältere nationale Rechte nach Artikel 54 (3) EPÜ "als Stand der Technik" gelten.
Nach Auffassung der Kammer ging aus der Einspruchsschrift ganz klar hervor, daß dies das Hauptvorbringen der Beschwerdeführerin war; die Feststellung in der angefochtenen Entscheidung, daß der Einspruch unzulässig sei, weil er keine dahingehende eindeutige Aussage enthalte, war unnötig formalistisch. Die Zulässigkeit eines Einspruchs ist eine Frage des Inhalts und nicht der Form.
2. Zur Hauptfrage brachte die Beschwerdeführerin folgendes Argument vor: Wenn diese älteren nationalen Rechte nicht zum Stand der Technik nach Artikel 54 (3) EPÜ gehörten, würde dies insofern zu Anomalien führen, als möglicherweise ungültige europäische Patente im Einspruchsverfahren bewußt aufrechterhalten würden; dies sei mit dem von der Großen Beschwerdekammer in der Entscheidung G 1/84 (ABl. EPA 1985, 299) unter Nummer 3 genannten Grundsatz nur schwer vereinbar, daß "die ausführlichen Bestimmungen des EPÜ über die Sachprüfung und den Einspruch sicherstellen sollen, daß - soweit dies in der Macht des EPA steht - nur rechtsgültige europäische Patente erteilt und aufrechterhalten werden".
Nach Meinung der Kammer gehören bei richtiger Auslegung des Artikels 54 (3) EPÜ ältere nationale Rechte aus den nachstehend genannten Gründen nicht zum Stand der Technik; nur früher eingereichte europäische Patentanmeldungen nach dem EPÜ (die an oder nach dem Anmeldetag der europäischen Patentanmeldung veröffentlicht worden sind) gelten nach Artikel 54 (3) EPÜ als Stand der Technik.
Nach Auffassung der Kammer ist dieses Ergebnis tatsächlich etwas anomal. Offenbar ist jedoch diese Anomalie im EPÜ beabsichtigt, so daß es aus den nachstehend genannten Gründen nicht in der Macht des EPA liegt, ältere nationale Rechte zum Stand der Technik zu rechnen.
3. Zum Nachteil einiger europäischer Patentinhaber enthält das EPÜ keine speziellen Bestimmungen, die die Änderung eines europäischen Patents in einem zentralisierten Verfahren vor dem EPA zuließen. Vor diesem Hintergrund hat die Große Beschwerdekammer in ihrer Entscheidung G 1/84 wie folgt entschieden: "Ein Einspruch gegen ein europäisches Patent ist nicht allein deshalb unzulässig, weil er vom Inhaber des Patents eingelegt worden ist" (wie dies hier der Fall ist) - siehe die Nummern 1 bis 3. Trotzdem gelten hier selbstverständlich die üblichen Anforderungen sowohl bezüglich der Zulässigkeit des Einspruchs als auch der Zulässigkeit von Änderungen, die im Verlauf eines Einspruchsverfahrens vorgeschlagen werden.
4. Nach Regel 55 c) EPÜ muß eine Einspruchsschrift u. a. eine Erklärung darüber enthalten,
i) "auf welche Einspruchsgründe der Einspruch gestützt wird", sowie
ii) "die Angabe der zur Begründung vorgebrachten Tatsachen und Beweismittel".
4.1. Was die Ziffer i anbelangt, so geht - wie bereits dargelegt - aus der Einspruchsschrift als Ganzem klar hervor, daß nur ein einziger Einspruchsgrund vorgebracht werden soll, nämlich mangelnde Neuheit nach Artikel 54 (1) und (3) EPÜ; nach Auffassung der Kammer wird dies in der Einspruchsschrift hinreichend deutlich gemacht.
4.2. Was die Ziffer ii anbetrifft, so können sich die zur Begründung vorgebrachten Tatsachen und Beweismittel, wenn überhaupt, nur auf die sechs älteren nationalen Rechte stützen. Es stellt sich daher die Frage, ob solche älteren nationalen Rechte von Rechts wegen "Tatsachen oder Beweismittel" darstellen können, die für die Begründung der mangelnden Neuheit nach Artikel 54 (1) und (3) EPÜ relevant sind. Falls nicht, stützen sie den angegebenen Einspruchsgrund nicht und erfüllen damit nicht das Erfordernis der Regel 55 c) EPÜ.
Entgegen dem Vorbringen der Beschwerdeführerin genügt es für die Zwecke der Regel 55 c) EPÜ nicht schon, daß eine Einspruchsschrift eine Einspruchsbegründung enthält und Tatsachen und Beweismittel nennt, die diese Begründung stützen sollen. Wie bereits in Absatz 1 erwähnt, ist die Zulässigkeit eines Einspruchs nicht nur eine Frage der Form, sondern auch des Inhalts.
Im Zusammenhang mit der Frage, ob die Zulässigkeit einer Beschwerde vom Inhalt der Beschwerdebegründung abhängt, wurde in der Entscheidung T 145/88 - 3.2.2 folgendes festgestellt: "Es geht aus der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern hervor, daß in der Beschwerdebegründung (damit sie zulässig ist) darzulegen ist, aus welchen rechtlichen bzw. tatsächlichen Gründen die angefochtene Entscheidung aufgehoben und der Beschwerde stattgegeben werden soll". Außerdem hänge die Zulässigkeit einer Einspruchsbegründung von ihrem "Inhalt und nicht von ihrer Überschrift oder Form ab". Nach Auffassung der Kammer gelten diese Grundsätze zweifellos auch für die Zulässigkeit einer Einspruchsbegründung: Die Einspruchsschrift muß (um zulässig zu sein) insbesondere darlegen, aus welchen rechtlichen bzw. tatsächlichen Gründen dem Einspruch stattgegeben werden soll. Umgekehrt ist der Einspruch unzulässig, wenn die einzigen in der Einspruchsschrift genannten Tatsachen und Beweismittel die vorgebrachten Einspruchsgründe aus rechtlichen Gründen nicht stützen können. In diesem Fall enthält die Einspruchsschrift zwangsläufig nichts, was zum Widerruf des Patents führen könnte.
Die Beschwerdeführerin berief sich auf die Entscheidung T 234/86 - 3.4.1 (ABl. EPA 1989, 79), in der erklärt wurde, daß "keine Vorschrift des EPÜ für die Zulässigkeit des Einspruchs verlangt, daß das Einspruchsvorbringen insofern in sich schlüssig sein muß". Dies ist selbstverständlich richtig und unbestreitbar, doch geht es in dieser Entscheidung auch nicht um die Frage, ob Tatsachen und Beweismittel, die für die vorgebrachte Einspruchsbegründung rechtlich irrelevant sind, diese gemäß Regel 55 c) EPÜ ordnungsgemäß stützen können.
4.3. Im vorliegenden Fall hängt die Beantwortung der Frage, ob das Bestehen älterer nationaler Rechte von Rechts wegen als Begründung mangelnder Neuheit nach Artikel 54 (1) EPÜ herangezogen werden kann, von der korrekten Auslegung des Artikels 54 (3) EPÜ und insbesondere davon ab, ob nationale Patentanmeldungen in dem in Artikel 54 (3) EPÜ verwendeten Begriff "europäische Patentanmeldungen" eingeschlossen sind.
Zunächst heißt es von diesen europäischen Patentanmeldungen in Artikel 54 (3) EPÜ selbst, daß sie "nach Artikel 93 EPÜ veröffentlicht worden sind". Dies weist eindeutig darauf hin, daß sich der Begriff nur auf Patentanmeldungen nach dem EPÜ und nicht auf nationale Anmeldungen in einem Vertragsstaat beziehen soll. Diese Auslegung haben sich die Beschwerdekammern in ihrer Rechtsprechung schon früh zu eigen gemacht - siehe z. B. die Entscheidung T 4/80 - 3.3.1 (ABl. EPA 1982, 149, Nr. 4).
Außerdem wird der Begriff im EPÜ durchweg in diesem engen Sinn verwendet. In Artikel 139 (1) EPÜ beispielsweise wird der Begriff "europäische Patentanmeldung" einer nationalen Patentanmeldung gegenübergestellt. Und in Artikel 139 (2) EPÜ, der zum achten Teil des EPÜ mit der Überschrift "Auswirkungen auf das nationale Recht" gehört, heißt es ausdrücklich, daß eine nationale Patentanmeldung "... in einem Vertragsstaat ... gegenüber einem europäischen Patent, soweit dieser Vertragsstaat benannt ist, die gleiche Wirkung als älteres Recht (hat) wie gegenüber einem nationalen Patent". Somit ist festgelegt, daß die Wirkung einer nationalen Patentanmeldung als älteres Recht gegenüber einem europäischen Patent (anders als die einer europäischen Patentanmeldung) Sache des nationalen Rechts ist.
Die Beschwerdeführerin berief sich auf Artikel 137 (1) EPÜ, der europäische Patentanmeldungen betrifft, die Gegenstand eines Antrags auf Umwandlung in eine nationale Patentanmeldung sind, und die "Formerfordernisse" des nationalen Rechts beschränkt, denen diese Anmeldungen unterworfen werden dürfen. Sie verwies außerdem auf Artikel 138 (1) a) EPÜ, in dem unter den zulässigen Gründen für den Widerruf eines europäischen Patents aufgrund eines nationalen Rechts auch der in Artikel 100 a) EPÜ genannte aufgeführt wird, nämlich daß der Gegenstand des Patents "nach den Artikeln 52 bis 57 EPÜ nicht patentfähig" ist. Artikel 138 (1) a) EPÜ enthält die ausdrückliche Angabe, daß er vorbehaltlich des Artikels 139 EPÜ gilt. Nach Auffassung der Kammer helfen die Bezugnahmen auf den achten Teil der Beschwerdeführerin nicht, sondern bestätigen vielmehr, daß die Wirkung eines älteren nationalen Rechts gegenüber einem europäischen Patent ausschließlich Sache des nationalen Rechts ist, während die Wirkung einer früheren europäischen Patentanmeldung gegenüber einem europäischen Patent in Artikel 54 (3) EPÜ (der gemäß Artikel 138 (1) a) EPÜ auch nach nationalem Recht als Nichtigkeitsgrund geltend gemacht werden kann) genau geregelt ist. Mit anderen Worten, die Artikel 138 (1) und 139 EPÜ sollen in Verbindung miteinander dem nationalen Recht das Bestehen eines älteren nationalen Rechts als weiteren möglichen Nichtigkeitsgrund an die Hand geben, der ihm nach Artikel 54 EPÜ nicht zur Verfügung steht.
4.4. Die Beschwerdeführerin beantragte, daß Artikel 54 (3) EPÜ aus dem Zusammenhang der nunmehr harmonisierten einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften heraus ausgelegt werde; insbesondere seien in allen Vertragsstaaten, in denen ältere nationale Rechte bestünden, die sich auf das angefochtene europäische Patent bezögen (Belgien, Deutschland, Frankreich, Niederlande, Schweden und Vereinigtes Königreich), Artikel 54 (3) EPÜ entsprechende Bestimmungen in Kraft, so daß sowohl europäische wie auch nationale Anmeldungen als älteres Recht einen Nichtigkeitsgrund darstellten. Daher liege es im Interesse eines harmonisierten europäischen Patentrechts, Artikel 54 (3) EPÜ so auszulegen, daß sowohl nationale als auch europäische Anmeldungen als älteres Recht wirkten.
Nach Auffassung der Kammer liegt es jedoch auf der Hand, daß Artikel 54 (3) EPÜ bewußt so formuliert wurde, daß nationale Anmeldungen gegenüber europäischen Patenten keine Wirkung als älteres Recht entfalten sollten. Als das EPÜ in Kraft trat, stand noch nicht fest, ob das nationale Recht der Vertragsstaaten dieselbe Bestimmung bezüglich der Wirkung des älteren Rechts vorsehen würde, wie sie Artikel 54 (3) EPÜ beinhaltet. Das nationale Recht der Schweiz sieht auch heute noch eine andere Regelung des älteren Rechts vor ("prior claim" (älterer Patentanspruch)) als Artikel 54 (3) EPÜ ("whole contents" (Gesamtinhalt)). Daß ältere nationale Rechte aus Artikel 54 (3) EPÜ ausgespart blieben, steht in Zusammenhang mit dieser internationalen Ungewißheit.
Wenn Artikel 54 (3) EPÜ ältere nationale Rechte einschließen würde, hätte dies außerdem - insbesondere im Fall der Schweiz - im Hinblick auf Artikel 139 (2) EPÜ eine rechtliche Unvereinbarkeit zur Folge: würde nämlich beim EPA ein Einspruch gegen ein europäisches Patent eingelegt, der mit einem älteren nationalen Recht nach Artikel 54 (3) EPÜ begründet würde, so würde der Streit entsprechend dem "Whole-contents"-System nach Artikel 54 (3) EPÜ gelöst, während er in der Schweiz in einem nationalen Nichtigkeitsverfahren zum europäischen Patent (CH) nach Artikel 139 (2) EPÜ entsprechend dem "Prior-claim"-System gelöst würde (Bundesgesetz betreffend die Erfindungspatente von 1954 in der revidierten Fassung von 1976, in Kraft seit 1. Januar 1978, Artikel 7a).
4.5. In ihren Schriftsätzen stützte sich die Beschwerdeführerin auf die Richtlinien C-III, 8.4 und auf die Rechtsauskunft 9/81 (ABl. EPA 1981, 68); in beiden heißt es, daß im Einspruchsverfahren sachdienliche Änderungen der Ansprüche zugelassen werden sollten (bzw. in den Richtlinien "zuzulassen" sind), wenn das Bestehen älterer nationaler Rechte nachgewiesen wird. Hätte die Einspruchsschrift mindestens einen weiteren, ordnungsgemäß gestützten Einspruchsgrund enthalten (z. B. mangelnde Neuheit oder erfinderische Tätigkeit gegenüber einem älteren veröffentlichten Dokument), so hätten demnach die von der Beschwerdeführerin vorgeschlagenen Änderungen zugelassen werden müssen, selbst wenn der vorgebrachte Grund nur fingiert gewesen wäre. In ihrem Vorbringen in der mündlichen Verhandlung versuchte die Beschwerdeführerin - nach Auffassung der Kammer zu Recht - nicht, sich diesbezüglich auf die Richtlinien oder die Rechtsauskunft zu berufen.
Die Richtlinien und die Rechtsauskunft würden es zulassen, ja sogar erfordern, daß in einem Fall wie dem vorliegenden wegen der bestehenden älteren nationalen Rechte Änderungen vorgenommen werden, auch wenn diese älteren nationalen Rechte keinen Einspruchsgrund darstellen; Voraussetzung ist allerdings, daß der Einspruch aus anderen Gründen zulässig ist, beispielsweise weil, wie oben erwähnt, ein fingierter Grund vorgebracht und glaubhaft gemacht worden ist (im vorliegenden Fall ist jedoch kein weiterer Einspruchsgrund vorgebracht worden). Nach Auffassung der Kammer beruhen die Richtlinien und die Rechtsauskunft auf einer Auslegung des EPÜ, die sich von der ständigen Rechtsprechung früherer Entscheidungen der Beschwerdekammern unterscheidet; danach sind Änderungen im Einspruchsverfahren nur dann als "sachdienlich" und "notwendig" im Sinne der Regel 58 (2) EPÜ zu erachten, wenn vernünftigerweise behauptet werden kann, daß sie durch die Einspruchsgründe bedingt sind (s. z. B. die Entscheidung T 295/87 - 3.3.1, ABl. EPA 1990, 470, die Entscheidung T 406/86 - 3.3.1, ABl. EPA 1989, 302, die Entscheidung T 127/85 - 3.3.2, ABl. EPA 1989, 271).
Nach Auffassung der Kammer sind Änderungen im Einspruchsverfahren, die nur wegen des Bestehens älterer nationaler Rechte vorgeschlagen werden, weder notwendig noch sachdienlich im Sinne der Regel 58 (2) EPÜ und somit nicht statthaft.
4.6. Schließlich brachte die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf den derzeitigen Wortlaut der Regel 57 (1) EPÜ - der auf einen am 1. Oktober 1988 in Kraft getretenen Beschluß des Verwaltungsrats zurückgeht - vor, daß die vorgeschlagenen Änderungen auch dann statthaft seien, wenn der Einspruch als unzulässig verworfen werde. Nach dem derzeitigen Wortlaut muß die Einspruchsabteilung nach Eingang eines Einspruchs den Patentinhaber auffordern, gegebenenfalls Änderungen einzureichen, während die frühere Fassung der Regel zwar das gleiche Erfordernis enthielt, jedoch mit den Worten begann "Ist der Einspruch zulässig, ...". Die Beschwerdeführerin behauptete, die Änderung der Regel impliziere, daß ein Patentinhaber auch dann zur Einreichung von Änderungen aufgefordert werden müsse, wenn der Einspruch unzulässig sei; jedenfalls schließe die Regel in ihrer derzeitigen Fassung Änderungen auch bei einem unzulässigen Einspruch nicht aus.
Dazu sei bemerkt, daß die frühere Fassung der Regel 57 (1) EPÜ auch dahingehend hätte ausgelegt werden können, daß dem Patentinhaber ein Einspruch erst nach der Entscheidung über seine Zulässigkeit mitgeteilt werden soll. Wie aber in der Entscheidung T 222/85 - 3.3.2 (ABl. EPA 1988, 128) festgestellt wurde, würde eine solche Auslegung dem Patentinhaber zu Unrecht die Möglichkeit nehmen, gegen die Zulässigkeit des Einspruchs Einwände zu erheben. Die derzeitige Fassung klärt diesen Punkt.
Nach Auffassung der Kammer sind Änderungen am Wortlaut eines Patents im Einspruchsverfahren nur statthaft, wenn der Einspruch selbst zulässig ist. Dies ergibt sich insbesondere aus Artikel 101 (1) EPÜ, wonach die Einspruchsabteilung die Einspruchsgründe nur dann prüfen und danach über den Einspruch entscheiden kann, "wenn der Einspruch zulässig ist". Außerdem wären Änderungen im Einspruchsverfahren, wie unter Nummer 4.5 erörtert, nur dann "sachdienlich" im Sinne der Regel 57 (1) EPÜ, wenn sie durch einen zulässigen Einspruchsgrund bedingt sind. Eine Einspruchsabteilung dürfte mit der Prüfung der Sachdienlichkeit von Änderungen noch nicht einmal beginnen, wenn der Einspruch nicht zulässig ist. Die Prüfung der Statthaftigkeit der vom Patentinhaber auf einen Einspruch hin vorgeschlagenen Änderungen ist Teil der Sachprüfung im Einspruchsverfahren, die nur durchgeführt wird, wenn der Einspruch zulässig ist.
5. Daher sind nach Auffassung der Kammer trotz des sorgfältig und gründlich ausgearbeiteten Vorbringens der Beschwerdeführerin der Einspruch und die vorgeschlagenen Änderungen nicht zulässig. Da der Beschwerde somit nicht stattgegeben wird, kann die Beschwerdegebühr nicht, wie von der Beschwerdeführerin beantragt, nach Regel 67 EPÜ zurückgezahlt werden.
6. (...)
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.