T 0068/88 () of 28.4.1989

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1989:T006888.19890428
Datum der Entscheidung: 28 April 1989
Aktenzeichen: T 0068/88
Anmeldenummer: 82103099.6
IPC-Klasse: C04B 35/56
Verfahrenssprache: DE
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Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Homogener Siliciumcarbid-Formkörper und Verfahren zu seiner Herstellung
Name des Anmelders: Hoechst AG
Name des Einsprechenden: 1 United Kingdom Atomic
2 Feldmühle AG
3 Hutschenreuther AG
Kammer: 3.3.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 83
European Patent Convention 1973 Art 113
European Patent Convention 1973 Art 123
European Patent Convention 1973 R 67
Schlagwörter: Nichtbescheiden ein.Hilfsantr.-Entscheid.gründe zum
Hauptantrag reichen aus
Unzulässige Änderung (verneint)
Weglassen eines Parameters des nach dem beanspruchten
Verfahren erhaltenen Produktes
Einspruchgsgrund-zum 1. Mal 1 Jahr n.Abl.d.Einspr.frist
- berücksichtigt (ja) unerhebl.f.d.Entscheid. (ja)
No notice of decision to auxiliary request - reasons
of decision for the main request are sufficient;
inadmissible amendment (no); omission of parameter
belonging to a product which has been obstained by
the claimed process; reason for appeal - for the
first time after expiry of the time limit for appeal -
considered (yes), irrelevant for decision (yes)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0172/82
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Auf die europäische Patentanmeldung Nr. 82 103 099.6, die am 10. April 1982 mit deutscher Priorität vom 28. April 1981 angemeldet worden war, wurde am 2. Januar 1985 das europäische Patent Nr. 64 606 auf der Grundlage von fünf Ansprüchen erteilt, von denen die unabhängigen Ansprüche 1 und 3 lauteten, wie folgt:

"1. Homogener Formkörper aus Siliciumcarbid und Silicium, dadurch gekennzeichnet, daß dieser aus 70 bis 92 Gew.-% Siliciumcarbid und 8 bis 30 Gew.-% Silicium mit einem Gehalt an freiem Kohlenstoff von max. 0,2 Gew.-% besteht und einen Volumenanteil an geschlossenen Poren von max. 0,1% enthält.

3. Verfahren zur Herstellung eines homogenen Formkörpers nach Anspruch 1 und 2 nach dem Reaktionssinterverfahren, dadurch gekennzeichnet, daß ein Gemisch von 80 bis 92 Gew.-% vorwiegend hexagonalem Siliciumcarbid mit einer Kornverteilung zwischen 1 und 100 µm, 3 bis 10 Gew.-% Kohlenstoff mit einer Kornverteilung zwischen 0,5 und 5 µm und 5 bis 15 Gew.-% eines aromatischen Harzes mit einem Verkokungsrückstand zwischen 30 und 70 Gew.-% Kohlenstoff verformt und anschließend in einer nichtoxidierenden Atmosphäre bei 1000°C verkokt wird, wobei der Rohling eine Dichte von 1,9 bis 2,4 g/cm3 besitzt und der Anteil des freien Kohlenstoffs im verkokten Körper zwischen 5 und 15 Gew.-% beträgt, und der verkokte Rohling zwischen 1420 und 1700°C unter Vakuum zwischen 1,33 und 666,44 Pascal siliciert wird, so daß eine Formkörper-Dichte von 2,90 bis 3,15 g/cm3 erzielt wird."

II. Gegen die Patenterteilung legten

(i) die UK Atomic Energy Authority (kurz: "UKAEA") sowie die Firmen

(ii) Feldmühle AG ("Feldmühle") und

(iii) Hutschenreuther AG ("Hutschenreuther") am 10. (Begründung am 13. nachgereicht), 28. September bzw. 2. Oktober 1985 wegen fehlender Neuheit und erfinderischer Tätigkeit Einsprüche ein, wobei sie sich auf verschiedene vor das Prioritätsdatum zurückgehende Dokumente und Benutzungshandlungen stützten.

III. Die Patentinhaberin (Rechtsvorgängerin der jetzigen Beschwerdeführerin) hat daraufhin das Patent unter Wegfall der erteilten Ansprüche 1 und 2 nur noch mit Verfahrensansprüchen verteidigt, die im wesentlichen den erteilten Ansprüchen 3 bis 5 entsprachen (unter Einbeziehung des erteilten Anspruchs 1 in den Oberbegriff des zum neuen Anspruch 1 gewordenen erteilten Anspruchs 3).

IV. Dies wurde seitens der Einsprechenden (nunmehrigen Beschwerdegegnerin) UKAEA mit der Geltendmachung eines neuen Einspruchsgrundes (Art. 100 (b) EPÜ) beantwortet und zwar unter Bezugnahme auf einen behaupteten Widerspruch zwischen einerseits dem Siliciumgehalt (8 bis 30 Gew.-%) und andererseits dem Dichtebereich (2,90 bis 3,15 g/cm3) des anspruchsgemäß herzustellenden Formkörpers. (Dieser Widerspruch hatte bereits im erteilten Anspruch 3 bestanden, war aber mit der Einspruchsschrift nicht angegriffen worden.) V. Am 25. März 1987 erging Ladung zu einer für den 5. Oktober 1987 anberaumten mündlichen Verhandlung; gleichzeitig wies die Einspruchsabteilung darauf hin, daß dort auch der oben erwähnte Widerspruch zur Debatte stehen werde.

VI. Am 22. September 1987 - gleichzeitig mit der Mitteilung, daß das Streitpatent auf die jetzige Beschwerdeführerin übertragen worden sei -gingen zwei neue Anspruchssätze (A und B) beim EPA ein. In einem Begleitschreiben mit Datum vom 19. September 1985 (sic; sollte "1987" heißen) wurde hierzu ausgeführt, der Satz A solle dem weiteren Verfahren zugrundegelegt werden, wogegen Satz B die Grundlage für einen Hilfsantrag bilden könnte.

Satz A unterscheidet sich von den oben in Abschnitt III erwähnten Verfahrensansprüchen im wesentlichen dadurch, daß eine andere Verteilung der Merkmale zwischen Oberbegriff und Anspruchskennzeichen vorgenommen wurde, sowie - vor allem - durch den (den oben erwähnten Widerspruch behebenden) Wegfall der oberen Dichtegrenze von 3,15 g/cm3. Sein einziger unabhängiger Anspruch lautet, wie folgt:

"1. Verfahren zur Herstellung eines homogenen Formkörpers aus 70-92 Gew.-% Siliciumcarbid, 8-30 Gew.-% Silicium, max. 0,2 Gew.-% an freiem Kohlenstoff, einem Anteil an geschlossenen Poren von max. 0,1 Vol.-% und einer Dichte von mindestens 2,90 g/cm3 nach dem Reaktionssinterverfahren, bei dem ein Gemisch von 80 bis 92 Gew.-% vorwiegend hexagonalem Siliciumcarbid mit einer Kornverteilung zwischen 1 und 100 µm, 3 bis 10 Gew.-% Kohlenstoff mit einer Kornverteilung zwischen 0,5 und 5 µm und 5 bis 15 Gew.-% eines Harzes verformt und anschließend in einer nichtoxidierenden Atmosphäre bei erhöhter Temperatur verkokt wird, wobei der Rohling eine Dichte von 1,9 bis 2,4 g/cm3 besitzt, der Anteil des freien Kohlenstoffs im verkokten Körper zwischen 5 und 15 Gew.-% beträgt und der verkokte Rohling zwischen 1420 und 1700°C unter Vakuum zwischen 1,33 und 666,44 Pa siliciert wird, dadurch gekennzeichnet, daß das umgesetzte Harz aromatisch ist und einen Verkokungsrückstand zwischen 30 und 70 Gew.-% Kohlenstoff aufweist und man die Verkokung bei 1000°C vornimmt."

Im Satz B, der demgegenüber weiter eingeschränkt war, fehlte gleichfalls die obere Dichtgrenze.

VII. Mit einer im Anschluß an die mündliche Verhandlung vom 5. Oktober 1987 verkündeten, am 27. November 1987 mit beigehefteten Entscheidungsgründen zur Post gegebenen Entscheidung hat die Einspruchsabteilung das Streitpatent widerrufen, weil "die geänderte Fassung" - gemeint war Anspruchssatz A; siehe Punkt 2 des Sachverhalts, Seiten 1 bis 2 der angefochtenen Entscheidung - über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehe (Punkt 2 der Gründe, Seite 3 der angefochtenen Entscheidung, unter Bezugnahme auf Art. 123 (2) EPÜ). Durch das Weglassen der Obergrenze der Formkörperdichte werde zwar der oben erwähnte Widerspruch beseitigt; diese Änderung sei jedoch nicht zulässig, weil aus den ursprünglichen Unterlagen nicht hervorgehe, ob die Angabe einer Dichteobergrenze von 3,15 g/cm3 (entsprechend einer Formkörperzusammensetzung von 95 Gew.-% Siliciumcarbid und 5 Gew.-% Silicium) oder einer Silicium-Untergrenze von 8 Gew.-% (entsprechend einer Formkörperdichte von 3,116 g/cm3) richtig gewesen sei. Wenn aber nicht (ursprünglich) eindeutig geklärt werden konnte, welche der beiden widersprüchlichen Angaben richtig sei, so dürfe man sich nicht später für eine davon entscheiden; denn gemäß Art. 83 EPÜ müsse die Erfindung am Anmeldetag so deutlich und vollständig offenbart sein, daß ein Fachmann sie ausführen kann.

Anspruchssatz B ist in der Entscheidung vom 27. November 1987 mit keinem Wort erwähnt, doch ergibt sich aus Punkt 3 von Anlage A zur Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 5. Oktober 1987, daß er als Hilfsantrag gewertet wurde, aber wegen zu späten Vorbringens unberücksichtigt blieb (vgl. hierzu Abschnitt 1 der Gründe vorliegender Entscheidung).

VIII. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin am 27. Januar 1988 unter gleichzeitiger Entrichtung der vorgeschriebenen Gebühr Beschwerde erhoben und hierzu mit fristgerecht bestätigter Telekopie vom 7. April 1988 eine Begründung eingereicht. Sie stimmt darin der Behauptung der Beschwerdegegnerin UKAEA ausdrücklich zu, wonach einem Formkörper mit 8 Gew.-% Si eine Dichte von 3,116 g/cm3 entspreche, eine obere Dichtegrenze von 3,15 g/cm3 somit mit einer Untergrenze des Siliciumgehaltes von 8 Gew.-% unvereinbar sei. Sie hält sich entgegen der angefochtenen Entscheidung für berechtigt, diesen Widerspruch durch Streichung der Dichteobergrenze zu beseitigen. Im Gegensatz zu Regel 88 EPÜ, die als Voraussetzung für den Ersatz einer Angabe durch eine andere in Beschreibung, Ansprüchen oder Zeichnungen verlange, daß erkennbar nichts anderes beabsichtigt sein konnte, fordere Art. 123 (2) keine solche absolute Eindeutigkeit, sondern lediglich eine Stütze durch die Offenbarung. Die von der Einspruchsabteilung geforderte Eindeutigkeit folge nicht aus Art. 83 EPÜ, weil die Herstellung von Körpern mit einer Dichte von mindestens 2,90 g/cm3 und Siliciumgehalten von 8 bis 30 Gew.-% unbestreitbar aureichend offenbart gewesen sei, wie sich z.B. aus Beispiel 1 ergebe. Die Beschwerdeführerin verweist ferner auf eine -nicht vorliegende -Entscheidung des Bundespatentgerichts in Sachen des nationalen deutschen Parallelpatents und auf die Beschwerdeentscheidungen T 172/82 und T 13/83 (ABL. EPA 1983, 493, bzw.1984, 428). Sie beantragt "Aufhebung des Widerrufs und Aufrechterhaltung des Patents."

IX. Die Beschwerdegegnerinnen Feldmühle und Hutschenreuther treten diesen Ausführungen entgegen. Sie sind mit der angefochtenen Entscheidung der Meinung, daß es im vorliegenden Fall unzulässig sei, sich für eine von zwei auf widersprüchlichen Angaben beruhenden Möglichkeiten zu entscheiden, und daß der Streitpatentgegenstand am Anmeldetag unvollständig offenbart war. Auch bei Berücksichtigung der angezogenen Entscheidungen komme man zu keinem anderen Ergebnis. Die Existenz der von der Beschwerdeführerin entschiedenen Bundespatentgerichtentscheidung wird bestritten. Nur eine Beschränkung auf das in den Beispielen des Streitpatents Offenbarte könne den bestehenden Widerspruch in zulässiger Weise ausräumen. Im übrigen fehle es dem Streitpatent nach wie vor an erfinderischer Tätigkeit. Sie beantragen daher, die Beschwerde zurückzuweisen.

X. Die Beschwerdegegnerin UKAEA hat sich im Beschwerdeverfahren nicht mehr geäußert.

Entscheidungsgründe

1. Der Umstand, daß die Begründung der angefochtenen Entscheidung zum Hilfsantrag - einem selbstständigen Verteidigungsmittel - keinerlei Stellungnahme enthält, entspricht zwar nicht den Grundsätzen eines korrekten Verfahrens; er führt aber im vorliegenden Fall nicht zu deren a-priori-Rechtsunwirksamkeit. Wie bereits erwähnt, erfolgte nämlich die Zurückweisung der Anmeldung mit der alleinigen Begründung, das Weglassen der Obergrenze der Formkörperdichte verstoße gegen Art. 123 (2) EPÜ - ein Mangel, an den (aus der Sicht der Einspruchsabteilung) der Hilfsantrag offensichtlich genauso litt. Die für den Hauptantrag geltende Begründung ist daher in dem Sinn auszulegen, daß sie sich logischerweise auch auf den Hilfsantrag erstreckt. Daher sieht die Kammer in dem formalen Nichtbescheiden des Hilfsantrages hier ausnahmsweise keinen die Rückzahlung der Beschwerdegebühr rechtfertigenden "wesentlichen Verfahrensmangel" im Sinne von Regel 67 EPÜ.

2. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 sowie Regel 64 (a) EPÜ. Sie entspricht Regel 64 (b) EPÜ zwar nicht wortgetreu, weil im Antrag eine ausdrückliche Angabe fehlt, in welchem Umfang die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung begehrt wird. In entsprechender Anwendung früherer Entscheidungen - insbesondere T 07/81, ABl. EPA 1983, 98 - legt die Kammer jedoch den Antrag "Aufrechterhaltung des Patents" im Sinne von "Aufrechterhaltung mit den der Widerrufsentscheidung zugrundeliegenden Ansprüchen"(d. h. Satz A) aus. Die Beschwerde ist somit zulässig.

3. Die angefochtene Entscheidung hat Art. 123 (2) EPÜ dadurch als verletzt angesehen, daß im geltenden Anspruch 1 die im letzten Teil ("so daß ...") des erteilten und des ursprünglichen Anspruch 3 enthaltene Obergrenze des Dichtebereiches von 2,90 bis 3,15 g/cm3 weggelassen ist.

3.1. Gemäß Art. 123 (2) EPÜ darf ein europäisches Patent nicht in der Weise geändert werden, daß sein Gegenstand über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht, also "erweitert" wird. Dieser Inhalt entspricht der Lehre, die der Fachmann dieser Fassung am Anmeldetag entnehmen konnte. Es ist daher zu untersuchen, ob der Fachmann den Erstunterlagen eine dem geltenden Anspruch 1 entsprechende Lehre entnehmen konnte, d.h. die Lehre, den in den ersten fünf Zeilen des geltenden Anspruchs 1 (bis "... 2,90 g/cm3") charakterisierten Formkörper durch das in diesem Anspruch angegebene Verfahren herzustellen.

3.2. Es steht fest und ist unbestritten, daß die Definition des gemäß geltendem Anspruch 1 herzustellenden Formkörpers jedenfalls abgesehen von der Dichteangabe den Erstunterlagen zu entnehmen ist; siehe z.B. den ursprünglichen Anspruch 1.

3.3. Auch die im geltenden Anspruch 1 zur Herstellung eines solchen Formkörpers angegebenen Vefahrensmaßnahmen sind den Erstunterlagen, insbesondere deren Ansprüchen 2, 3 und 5, zu entnehmen. Im einzelnen handelt es sich hier um folgendes:

(i) Man arbeitet nach dem Reaktionssinterverfahren;

(ii) man geht aus von einem in übereinstimmender Weise qualitativ und quantitativ definierten Gemisch von Siliciumcarbid, Kohlenstoff und aromatischem Harz;

(iii) man verformt dieses Gemisch;

(iv) man verkokt es bei 1000°C in einer nicht- oxidierenden Atmosphäre, wobei der Rohling eine Dichte angegebenen Bereiches haben und nach seiner Verkokung einen bestimmten Kohlenstoffgehalt aufweisen soll;

(v) man siliciert den verkokten Rohling zwischen 1420 und 1700°C unter Vakuum eines bestimmten Bereiches (die Umrechnung von Torr- in Pa-Einheiten ist unerheblich).

3.4. Im geltenden Anspruch 1 fehlt dagegen dasjenige Merkmal der Erstunterlagen, insbesondere des ursprünglichen (und des erteilten) Anspruchs 3, das dort mit den Worten "so daß ..." eingeleitet wurde. Die Frage, ob ein Verstoß gegen Art. 123 (2) EPÜ vorliegt, reduziert sich daher - zunächst abgesehen von der Einbeziehung einer Mindestdichte von 2,90 g/cm3 in die Definition des herzustellenden Formkörpers; vgl.oben in Unterabschnitt 3.2. - auf diejenige nach der Zulässigkeit dieses Wegfalls. Diese Frage wiederum dürfte verschieden zu beantworten sein, je nachdem ob es sich bei der weggefallenen Passage um ein echtes Verfahrensmerkmal oder um einen entbehrlichen Stoffparameter handeln sollte.

3.5. Rein sprachlich betrachtet, kommen beide Möglichkeiten - Verfahrensmerkmal und bloßer Stoffparameter - in Frage: bei dem Konsekutivsatz könnte es sich entweder um ein funktionelles Merkmal handeln des Sinnes, daß der verkokte Rohling derart siliciert wird, daß man eine bestimmte Formkörperdichte erzielt; oder er könnte lediglich ausdrücken, daß die im vorhergehenden Teil des ursprünglichen Anspruchs 3 erschöpfend definierte Maßnahmenfolge notwendigerweise zu Formkörpern des angegebenen Dichtebereiches führt.

3.6. Im vorliegenden Fall wird die letzte und prägende Stufe des Verfahrens, nämlich die Silicierung, durch Angabe eines Temperatur- und eines Druckbereiches spezifiziert, und es besteht keinerlei Anhaltspunkt für die Annahme, daß darüberhinaus die Einhaltung spezieller Silicierungsbe- dingungen für das Ergebnis kritisch wäre; vielmehr heißt es ausdrücklich, daß die Silicierung "in bekannter Weise" durchgeführt wird (Erstunterlagen Seite 5, Zeilen 26 bis 27; Streitpatentschrift Seite 3, Zeilen 23 bis 24). Somit handelt es sich bei der ursprünglichen Angabe eines Dichtebereiches lediglich um die Mitteilung eines Parameters des durch ein wohldefiniertes Verfahren erhaltenen Produktes. Unter solchen Umständen braucht das Ergebnis dieses Verfahrens nicht exakt mit allen naturwissenschaftlichen Parametern definiert zu werden. Der Wegfall der Dichteobergrenze erweitert daher den ursprünglich offenbarten Anmeldungsgegenstand nicht. Überdies war dieser Wegfall im Hinblick auf Art. 84 EPÜ (der vorliegend auch im Einspruchsverfahren zu beachten ist, weil neue Ansprüche vorgelegt wurden) sogar geboten, weil die Beibehaltung der Obergrenze zu einem Widerspruch und damit zu einer Unklarheit des Schutzbereiches geführt hätte.

3.7. Ein Verstoß gegen Art. 123 (2) EPÜ liegt somit nicht vor. Dieses Ergebnis steht auch im Einklang mit den von der Beschwerdeführerin angezogenen Beschwerdeentscheidungen des EPA (vgl. Abschnitt VIII des Sachverhalts), insbesondere mit der Entscheidung T 172/82, ABl. EPA 1983, 493. Mit Bezug auf die dort gegebene Sachlage heißt es darin auf Seite 495, 2. Absatz, letztem Satz, die Weglassung liege im Rahmen der Beseitigung einer Unklarheit oder der Behebung eines Widerspruchs. Nach Ausführungen dazu, daß die Weglassung eines Merkmals selbstverständlich nicht unter allen Umständen zulässig sei, heißt es dann, es komme darauf an, ob die Weglassung eines Merkmals nur der Klarstellung und/oder Behebung eines Widerspruches dient oder den Gegenstand unzulässig ändert" (Seite 495, 3. Absatz, 3. Satz). Vorliegend trifft, wie oben gezeigt, das erste zu.

4. Nun erschöpft sich der Unterschied des geltenden Anspruchs 1 gegenüber dem erteilten Anspruch 3 (auch abgesehen von der Einbeziehung des erteilten Anspruchs 1 sowie der Neuverteilung der Merkmale zwischen Oberbegriff und Kennzeichen) nicht in der oben abgehandelten bloßen Streichung des einen Dichtebereich des Verfahrensproduktes umschreibenden Konsekutivsatzes; vielmehr wird an anderer Stelle, nämlich bei der Definition des herzustellenden Produktes, auch ein nach oben offener Dichtebereich ("mindestens 2,90 g/cm3") eingefügt. Es ist daher noch zu untersuchen, ob dies zu einer Erweiterung des Schutzbereiches gegenüber der erteilten Anspruchsfassung führen könnte, wie sie Art. 123 (3) EPÜ im Einspruchsverfahren verbietet.

4.1. Dies ist nach Auffassung der Kammer deswegen ausgeschlossen, weil der erteilte Anspruch 1 Formkörper als solche gemäß dortiger Definition, d.h. ohne ausdrückliche Beschränkung auf irgendeinen Dichtebereich, unter Schutz stellte. Einerseits kann daher eine Erweiterung des Dichtebereiches im erteilten Anspruch 3 durch Wegfall der oberen Dichtegrenze nicht dazu führen, daß solche - nach dem Verfahren des geltenden Anspruchs 1 hergestellte -Formkörper unter dessen Schutzbereich fallen, die nicht schon unter den Schutzbereich des erteilten Anspruchs 1 fielen; andererseits ist der geltende Anspruch 1 auch nicht breiter als der erteilte Anspruch 3, weil - wie oben ausgeführt - die Streichung des erwähnten Konsekutivsatzes zum Wegfall nicht eines echten Verfahrensmerkmals, sondern bloß eines unzutreffenden Produktparameters führt. Demnach liegt auch kein Verstoß gegen Art. 123 (3) EPÜ vor.

5. Der Einspruchsgrund unzureichender Offenbarung im Sinne von Art. 83 EPÜ wurde erstmals von der Beschwerdegegnerin UKAEA in den Beilagen ihrer Eingabe vom 23. Oktober 1986 vorgebracht, die am 27. Oktober 1986, also mehr als ein Jahr nach Ablauf der Einspruchsfrist, eingegangen sind. Da sich dieser neue Einspruchsgrund auf einen Widerspruch bezog, der nicht erst in den am 5. Juni 1986 eingereichten, sondern bereits in den erteilten Ansprüchen enthalten war, handelt es sich hierbei um ein verspätetes Vorbringen, das die Kammer gemäß Art. 114 (2) EPÜ nicht zu berücksichtigen brauchte. Sie hat es dennoch auf Grund von Art. 114 (1) EPÜ geprüft und ist dabei zu dem Ergebnis gelangt, daß ein Fachmann auf Grund der Gesamtoffenbarung der Streitpatentschrift, einschließlich der Beispiele, durchaus in der Lage war, die Erfindung auszuführen. Einer näheren Begründung bedarf diese Feststellung angesichts der Verspätung des betreffenden Vorbringens nicht.

6. Zusammenfassend ist festzustellen, daß der geltende Anspruchssatz (Satz A, eingereicht am 22. September 1987) weder in formeller Hinsicht zu beanstanden ist, noch ein Offenbarungsmangel im Sinne von Art. 83 EPÜ besteht. Ein Eingehen auf den Hilfsantrag erübrigt sich daher.

7. Die Einspruchsabteilung hat die Erfüllung der materiellen Patentierbarkeitserfordernisse, insbesondere der Art. 54 und 56 EPÜ, noch nicht abschließend gewürdigt. Unter diesen Umständen erachtet es die Kammer als angemessen, die Sache zur Fortsetzung des Einspruchsverfahrens an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird zur Fortsetzung des Einspruchsverfahrens auf der Grundlage des Anspruchssatzes A, eingegangen am 22. September 1987, an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen.

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