European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:1990:T001888.19900125 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 25 Januar 1990 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0018/88 | ||||||||
Anmeldenummer: | 83303322.8 | ||||||||
IPC-Klasse: | C07F 9/65 | ||||||||
Verfahrenssprache: | EN | ||||||||
Verteilung: | |||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | - | ||||||||
Name des Anmelders: | DOW | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.3.02 | ||||||||
Leitsatz: | Zwischenprodukte werden nicht schon dadurch erfinderisch, dass die - weder neuen noch erfinderischen - Weiterverarbeitungsprodukte eine überlegene Wirkung aufweisen (vgl. Nr. 8 der Entscheidungsgründe). | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit (nein) Zwischenprodukte |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die am 8. Juni 1983 eingereichte und unter der Nr. 97 451 veröffentlichte europäische Patentanmeldung Nr. 83 303 322.8 wurde mit Entscheidung der Prüfungsabteilung vom 29. Juli 1987 zurückgewiesen. Der Entscheidung lag der eingeschränkte Satz aus den Ansprüchen 1 bis 5 in der ursprünglich eingereichten Fassung zugrunde. Anspruch 1 lautet wie folgt:
"1. Verbindung der Formel
(FORMEL)
wobei R eine Cyclopropyl-, Isopropyl- oder t-Butyl-Gruppe und X ein Chlor- oder Bromatom ist"
II. Die Anmeldung wurde mit der Begründung zurückgewiesen, daß der Gegenstand der Ansprüche im Hinblick auf die folgenden Entgegenhaltungen nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ beruhe:
(1) Chemical Abstracts 44: 1516g
(2) "The Pyrimidines", Supplement I, D. J. Brown 1970, Wiley Interscience, Seiten 119 bis 122
(3) "Antifungal Compounds", Segel & Sisler, Vol. I, Marcel Dekker, Inc., N. Y. & Basel, 1980, Seite 7
(4) FR-A-2 365 577 (entspricht US-A-4 127 652)
(5) EP-A-0 009 566
In ihrer Entscheidung erklärte die Prüfungsabteilung, Hauptzweck der beanspruchten Verbindungen sei ihre Verwendung als Zwischenprodukte für die Herstellung von O-Alkyl-O- (pyrimidin(5)yl)-(thiono)(thiol)-phosphor(phosphon)-säureestern bzw. -esteramiden. Diese Endprodukte wiesen eine außergewöhnliche insektizide Wirksamkeit auf und seien kommerziell äußerst erfolgreich.
Im Prüfungsverfahren reichte die Beschwerdeführerin Unterlagen ein, die zeigten, daß es unter den gewünschten Endprodukten drei gebe, in denen R für t-Butyl, Isopropyl bzw. Cyclopropyl stehe und deren insektizide Wirkung der Wirkung einer Verbindung derselben Formel, in der R für Methyl stehe, überlegen sei.
Die Prüfungsabteilung entschied, daß diese Unterlagen für den geprüften Gegenstand nicht relevant seien, weil die drei überlegenen Verbindungen nicht Gegenstand der Ansprüche seien. Außerdem stellte sie fest, daß die Verbindung, in der R für Isopropyl stehe, bereits in der Entgegenhaltung 4 und die Verbindung, in der R für Cyclopropyl stehe, in der Entgegenhaltung 5 offenbart worden sei; auch seien die insektiziden Eigenschaften der besagten Endprodukte im Hinblick auf die Entgegenhaltung 3 nicht überraschend.
Auch wenn die beanspruchten Verbindungen neu seien, weise ihre Struktur nichts Überraschendes auf. Sie hätten ohne weiteres durch eine Änderung der in den Entgegenhaltungen 1 oder 2 offenbarten Verfahren hergestellt werden können.
Des weiteren könnten die Zwischenprodukte leicht zu den jeweiligen Hydroxy-Verbindungen hydrolysiert werden, die gewöhnlich zur synthetischen Herstellung der vorstehend beschriebenen, höchst erwünschten Endprodukte verwendet würden.
III. Am 29. September 1987 wurde gegen diese Entscheidung Beschwerde eingelegt und die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung wurde am 25. November 1987 eingereicht.
IV. Die mündliche Verhandlung fand am 25. Januar 1990 statt.
V. Die von der Beschwerdeführerin im Beschwerdeverfahren vorgebrachten Argumente lassen sich wie folgt zusammenfassen (s. Absätze a - d); sie werden durch die folgenden Dokumente gestützt:
(6) "The Pyrimidines", Supplement I, D. J. Brown 1970, Wiley Interscience, Kapitel II und III und Seiten 148-149
(7) die beim Europäischen Patentamt mit Schreiben vom 1. April 1986 eingereichten Versuchsergebnisse
(8) mehrere, zusammen mit der Beschwerdebegründung eingereichte Reaktionsschemata für die Herstellung der Verbindungen der Formel III
(9) in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Versuchsdaten
a) Die Beschwerdeführerin räumte ein, daß Endprodukte, in denen R Isopropyl sei, in der Entgegenhaltung 4 offenbart worden seien. Auf die Verbindung, in der R für Cyclopropyl stehe, sei in der Entgegenhaltung 5 Bezug genommen worden. Eine entsprechende Verbindung, in der R t-Butyl sei, sei zu diesem Zeitpunkt noch nicht offenbart gewesen. Aus den Entgegenhaltungen 4 und 5 sei bekannt gewesen, daß die besagten Endprodukte anhand der in diesen Dokumenten angegebenen Literatur aus den entsprechenden Hydroxypyrimidinen hergestellt werden könnten.
Die Beschwerdeführerin wies für den Fall, daß die Kammer die Entgegenhaltungen 4 und 5 für den nächstliegenden Stand der Technik halten sollte, darauf hin, daß bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit zwischen den drei beanspruchten Verbindungen differenziert werden müsse, weil nur zwei der drei möglichen Varianten der Endprodukte, in denen R für Isopropyl, Cyclopropyl oder t-Butyl stehen könne, aus den genannten Entgegenhaltungen bekannt seien. Eine Verbindung, in der R t-Butyl sei, sei nicht bekannt, so daß zumindest die entsprechende beanspruchte Verbindung für patentfähig erachtet werde.
In Zusammenhang mit dieser Erklärung reichte die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung einen Hilfsantrag ein, der auf einem einzigen Anspruch beruht und wie folgt lautet:
"1. Verbindung der Formel
(FORMEL)
wobei X ein Chlor- oder ein Bromatom ist"
b) Die Beschwerdeführerin bestritt aber, daß die Hydrolyse der beanspruchten Verbindungen so einfach sei, wie die Prüfungsabteilung behaupte. Bei Bezugnahmen auf das Dokument 6 müsse man bedenken, daß darin nicht die Hydrolyse von 5- Halopyrimidinen, den beanspruchten Verbindungen, sondern die Hydrolyse von 2-, 4- oder 6-Halopyrimidinen beschrieben sei und kein Hinweis darauf vorliege, daß die Hydrolyse von 5- Halopyrimidinen durchführbar sei. Daher würde der Fachmann durch die Lektüre dieses Dokuments sicher nicht zu der Annahme veranlaßt, daß die Hydrolyse der beanspruchten Verbindungen zu den oben genannten Hydroxy-Verbindungen einfach sei. Das Dokument würde ihn vielmehr davon abhalten, die beanspruchten Verbindungen als Ausgangsstoffe für die Herstellung der gewünschten Endprodukte zu verwenden. Außerdem bewiesen die in der mündlichen Verhandlung mit Dokument 9 vorgelegten Versuchsdaten, daß die Hydrolyse der beanspruchten Verbindungen, insbesondere des 5- Brom-2-t-butyl-pyrimidins unter besonderen Bedingungen durchgeführt werden müsse, damit eine annehmbare Ausbeute erzielt werde. Unter den in Dokument 6 beschriebenen Bedingungen, zu denen die Verwendung von Wasser gehöre, werde eine Ausbeute an 5- Hydroxyderivat von weniger als 6% erzielt. Der Wassergehalt sei daher für die Ausbeute an dem hydrolisierten Produkt entscheidend. Die Daten zeigten, daß selbst das Vorhandensein geringer Mengen Wasser die prozentuale Ausbeute an der 5-Hydroxyverbindung sehr beeinträchtige.
c) Die vorliegende Erfindung liefere ferner ein neues, alternatives Verfahren für die Herstellung von Hydroxy- Zwischenprodukten zur Verwendung bei der Herstellung der gewünschten Endprodukte. Dies gelte besonders für die t-Butyl- Variante der beanspruchten Verbindungen, die nach dem in Dokument 8 beschriebenen Reaktionsschema F hergestellt werden könne. Damit die aus dem Stand der Technik bekannten, in den Reaktionsschemata als A - E definierten Methoden zur Herstellung der Verbindung der beanspruchten allgemeinen Formel, in der R für t-Butyl stehe, verwendet werden könnten, werde ein teures Amidin- Reagens, nämlich Pivalamidin, benutzt. Bei dem im Reaktionsschema F beschriebenen Verfahren, in dem die beanspruchten Verbindungen verwendet würden, könne auf das teure Amidin verzichtet werden.
d) Was nun die Entgegenhaltung 1 anbelange, so offenbare diese zwar eine Verbindung mit der allgemeinen Formel der beanspruchten Verbindungen, in der R für Methyl steht, jedoch - was entscheidend sei - keinerlei Verwendung dieser Verbindungen; dieses Dokument enthalte nichts, was die Herstellung der Isopropyl-, Cyclopropyl- oder t-Butyl-Entsprechungen dieser Verbindung für den patentgemäßen Zweck nahelege. Vor allem käme der Fachmann, dem ja bewußt sei, daß die Herstellung eines 5-Halopyrimidins nicht einfach sei, bei Durchsicht der Entgegenhaltung 1 nicht auf den Gedanken, die beanspruchten Verbindungen bereitzustellen.
VI. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Erteilung eines Patents auf der Grundlage der von der Prüfungsabteilung zurückgewiesenen Patentansprüche 1 - 5 oder - hilfsweise - auf der Grundlage des in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer eingereichten Anspruchs.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 und Regel 64 EPÜ; sie ist somit zulässig.
2. In der angefochtenen Entscheidung wurden die Verbindungen nach den eingereichten Ansprüchen 1 - 5 als neu anerkannt; die Kammer sieht keinen Grund, hierüber von Amts wegen (Art. 114 (1) EPÜ) Ermittlungen anzustellen.
3. Zu klären ist die Frage, ob der Gegenstand des Anspruchs 1 die in Artikel 56 EPÜ geforderte erfinderische Tätigkeit aufweist.
Die Erfindung bezieht sich auf Verbindungen der Formel nach Anspruch 1. Diese Verbindungen dienen als Ausgangsstoffe für die Herstellung bestimmter Endprodukte, die eine ungewöhnlich hohe insektizide Wirksamkeit aufweisen.
Die allgemeine Formel der Endprodukte lautet wie folgt:
(FORMEL)
Diese werden im allgemeinen auf folgende Weise hergestellt:
(FORMEL) (II)
Gegenstand der angefochtenen Ansprüche sind Verbindungen der allgemeinen Formel
(FORMEL) (III)
wobei R dieselbe Bedeutung hat wie das R der erfolgreichsten Verbindungen der Formel I und X für ein Chlor- oder Bromatom steht.
Die Verbindungen der Formel III treten in einem Verfahren zur Herstellung von Weiterverarbeitungsprodukten auf und liefern einen Strukturbeitrag zu diesen. Sie können daher als Zwischenprodukte bezeichnet werden. Die beanspruchten Zwischenprodukte müssen selbst auf erfinderischer Tätigkeit beruhen, um patentierbar zu sein. Ob diese Voraussetzung erfüllt ist, muß nun unter Berücksichtigung des Stands der Technik entschieden werden. Wie eine Beschwerdekammer bereits in einer früheren Entscheidung festgestellt hatte, sind als Stand der Technik in bezug auf die Zwischenprodukte zwei verschiedene Bereiche in Betracht zu ziehen, nämlich zum einen der "zwischenproduktnahe" und zum anderen der "produktnahe" Stand der Technik (siehe T 65/82, ABl. EPA 1983, 327).
4. Wie von der Beschwerdeführerin selbst wiederholt erwähnt wurde, war dem Fachmann einerseits bekannt, daß die Verbindungen der Formel I konkret aus den entsprechenden Verbindungen der Formel II hergestellt werden. So war aus der Entgegenhaltung 5 beispielsweise bekannt, daß die Verbindungen der Formel I durch Reaktion der entsprechenden Hydroxy-Verbindungen der allgemeinen Formel II mit anderen Verbindungen hergestellt werden können (siehe Seite 2, Zeile 11 bis Seite 4, Zeile 19). Auch in der Entgegenhaltung 4 heißt es auf Seite 4, Zeilen 23 - 26, daß die Verbindungen der Formel I mit dem in der Literatur beschriebenen Verfahren hergestellt werden können, ohne daß diese Bezugnahmen jedoch näher bezeichnet werden.
Andererseits war allgemein bekannt, daß die Verbindungen der Formel II durch Hydrolyse der entsprechenden Halopyrimidine der Formel III hergestellt werden können, wie es die Literatur lehrt (siehe Beschreibung der Patentanmeldung, Seite 2, Zeilen 9 - 12 und der dort zitierte Stand der Technik).
5. Nach Prüfung aller Dokumente aus den beiden im Verfahren genannten Bereichen ist die Kammer zu der Auffassung gelangt, daß die Entgegenhaltungen 4 und 5, die beide zum zweiten, nämlich dem "produktnahen" Bereich gehören, den nächstliegenden Stand der Technik bilden. In beiden Entgegenhaltungen wird eine Verbindung beschrieben, deren Formel unter die Formel I fällt.
In der Entgegenhaltung 4 werden die gewünschten überlegenen insektiziden O-Alkyl-O-(pyrimidin(5)yl)-(thiono)(thiol)-phosphor (phosphon)-säureester bzw. -esteramide beschrieben, in denen der Rest R für Isopropyl steht.
In der Entgegenhaltung 5 wird eine Verbindung derselben Formel beschrieben, in der der Rest R aus Cyclopropyl besteht.
6. Der vorliegenden Patentanmeldung liegt im Hinblick auf die Entgegenhaltungen 4 und 5 die technische Aufgabe zugrunde, neue Zwischenprodukte zur Verwendung bei der Herstellung der bekannten oder nicht erfinderischen Weiterverarbeitungsprodukte der Formeln I und II bereitzustellen.
Zur Lösung dieser Aufgabe werden im Hauptanspruch der Patentanmeldung Verbindungen der Formel III als Zwischenprodukte vorgeschlagen.
7. Gemäß der Beschreibung der vorliegenden Patentanmeldung werden bei der Herstellung der gewünschten Verbindungen der Formel I die beanspruchten Verbindungen zuerst hydrolisiert, wie beispielsweise aus "The Pyrimidines", Supplement I (Dokument 6) oder aus dem U.S. Patent 4 379 930 bekannt ist. Weiter heißt es auf Seite 3, Zeilen 11 bis 16 der veröffentlichten Patentanmeldung, daß die Hydrolyse der beanspruchten Verbindungen der Formel III am besten in Gegenwart eines Alkalimetallmethoxids und einer katalytischen Menge eines N-Oxids, eines Disulfids oder elementaren Schwefels durchgeführt wird. Zu den bevorzugten N- Oxiden gehört 2-Picolin-N-oxid. Bei den Disulfiden wird Di-N- butyl-disulfid bevorzugt. Auf Seite 3, Zeilen 17 bis 26 werden weitere bevorzugte Merkmale wie bestimmte Temperaturen und Drücke genannt. Den Zeilen 27 und 28 schließlich ist zu entnehmen, daß die Hydrolyse am besten und vorzugsweise in einem Lösungsmittel aus Methylalkohol durchgeführt wird. Der aus der Literatur bekannte nächste Schritt zur Verknüpfung der Verbindungen II und I wird dann auf Seite 4 und 5, erster Absatz der Beschreibung, erläutert.
Nach dieser Beschreibung ist es klar, daß die gewünschten Weiterverarbeitungsprodukte der Formel I sowie die Hydroxy- Verbindungen der Formel II mit den beanspruchten Verbindungen der Formel III als Ausgangsstoffen hergestellt werden können.
8. Zur Stützung der erfinderischen Tätigkeit der beanspruchten Produkte erklärte die Beschwerdeführerin im Prüfungsverfahren zunächst, daß sich die überlegene Wirkung der Endprodukte auf die erfinderische Tätigkeit der beanspruchten Ausgangsstoffe auswirke. Die Kammer schließt sich der Prüfungsabteilung an, die dieses Argument mit einer überzeugenden Begründung zurückgewiesen hat. Wie bereits im Zusammenhang mit der Entscheidung T 65/82 (s. Nr. 3) festgestellt wurde, müssen beanspruchte Zwischenprodukte selbst auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen, um patentierbar zu sein. Die Frage, ob unter bestimmten Voraussetzungen neue und erfinderische Weiterverarbeitungsprodukte eine erfinderische Tätigkeit bei Zwischenprodukten stützen können, stellt sich hier nicht, weil die Weiterverarbeitungsprodukte im vorliegenden Fall weder neu noch erfinderisch sind (s. Nrn. 6 und 13). Die Kammer ist daher der Auffassung, daß Zwischenprodukte nicht schon dadurch erfinderisch werden, daß die Weiterverarbeitungsprodukte, die weder neu noch erfinderisch sind, eine überlegene Wirkung aufweisen. Das Argument der Beschwerdeführerin greift daher nicht.
9. Die Beschwerdeführerin wies ferner darauf hin, daß die Hydrolyse der beanspruchten Ausgangsstoffe zur Herstellung der Weiterverarbeitungsverbindungen der Formel II keineswegs einfach sei und der überraschende und damit erfinderische Charakter der beanspruchten Verbindungen durch den unerwarteten Erfolg bei der Hydrolyse der beanspruchten Verbindungen gestützt werde. In Gegenwart von nur 0,22 Gew.-% Wasser sei die Ausbeute auf 90 % der gewünschten 5-Hydroxy-Verbindung gesteigert worden. Erst mit der Entwicklung der Hydrolysereaktion, bei der Natriummethoxid/methanol verwendet werde, sei also die Hydrolyse der erfindungsgemäßen 2-Alkyl-5-halopyrimidine zu 2-Alkyl-5- hydroxypyrimidin der Formel II in der Praxis möglich geworden.
Die Kammer bemerkt dazu, daß die Beschwerdeführerin selbst bei Einreichung der Patentanmeldung die Hydrolyse an sich für trivial gehalten hat (s. S. 2, Zeilen 9 - 12 der veröffentlichten Patentanmeldung). Diese Auffassung wird durch das Dokument 6, also Supplement I zu "The Pyrimidines", erhärtet, wo auf das Hauptwerk verwiesen wird, in welchem auf Seite 212, Absatz 3 die Hydrolyse eines 5-Brompyrimidins zu einem 5- Hydroxypyrimidin bereits beschrieben ist. Für die Kammer ist daher nicht ersichtlich, welches Vorurteil einen Fachmann davon abgehalten haben könnte, Verbindungen der Formel III zu hydrolysieren, um so zu den Hydroxy-Verbindungen der Formel II zu gelangen. Sie ist im Gegenteil der Auffassung, daß der Fachmann die Lehre des Dokuments 6 befolgt hätte.
Zu dem angeblich entscheidenden Merkmal des Wassergehalts stellt die Kammer fest, daß dies in der Patentanmeldung nicht offenbart worden ist. Die Kammer kann den Erklärungen der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung nicht zustimmen, daß dieses Merkmal im letzten Absatz auf Seite 3 der veröffentlichten Patentanmeldung in der Erklärung offenbart werde, daß "die Hydrolyse am besten vorzugsweise in einem Lösungsmittel aus Methylalkohol durchgeführt wird". Nach Meinung der Kammer geht aus dieser Offenbarung nicht eindeutig und unmittelbar hervor, daß für die Hydrolyse entscheidend ist, daß sie mit einem Wassergehalt durchgeführt wird, der z. B. nur 0,22 Gew.-% beträgt.
Außerdem wäre schon eine Ausbeute von 77,7 % der Hydroxy- Zwischenverbindung der Formel II, die bei einem Wassergehalt von 2,2 Gew.-% erzielt werden kann, durchaus ausreichend.
Wenn also, wie die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung betonte, der geringe Wassergehalt die Erfindung ausmacht, dann ist diese in den eingereichten Dokumenten nicht richtig offenbart worden.
Gewöhnlich ist die Einreichung von Versuchsdaten zur Stützung einer überlegenen Wirkung selbst in einer späten Verfahrensphase noch zulässig. Im vorliegenden Fall ist jedoch die höhere Ausbeute an Verbindungen der Formel II, die - wie die vorgelegten Daten beweisen - durch Hydrolyse der Verbindungen der Formel III unter ganz besonderen Bedingungen erzielt wird, das Ergebnis einer Bedingung, die in der Patentanmeldung nicht offenbart war.
10. In ihrer Beschwerdebegründung erklärte die Beschwerdeführerin, daß nur bei dem Weg, der in den als Dokument 8 eingereichten Reaktionsschemata als Methode "F" bezeichnet werde, auf eine sehr teure Verbindung bei der Herstellung der beanspruchten Verbindungen der Formel III verzichtet werden könne (s. Absatz V c)). Alle anderen Wege seien in dieser Hinsicht ungeeignet.
Die Beschwerdeführerin räumte ein, daß bei den in der Patentanmeldung beschriebenen Herstellungswegen ebenfalls die unerwünschten, teuren Verbindungen verwendet und die beanspruchten Verbindungen, wie aus den Beispielen in der Beschreibung der vorliegenden Patentanmeldung hervorgehe, nicht nach der Methode "F" des Dokuments 8 hergestellt würden. Daher ist auch dieses Argument nicht überzeugend.
11. Die Beschwerdeführerin hat behauptet (s. Nr. V d)), daß die Entgegenhaltung 1 (in der eine Verbindung der allgemeinen Formel III offenbart wird, in der R für Methyl steht) keinen Hinweis darauf enthalte, daß Methyl - wie beansprucht - durch einen der drei Alkylreste zu ersetzen sei. Die Kammer hält dies nicht für entscheidend, weil die Entgegenhaltung 1 zum "zwischenproduktnahen" Stand der Technik gehört und somit nicht den nächstliegenden Stand der Technik bildet (s. Nr. 5). Die Offenbarung in der Entgegenhaltung 1 muß also in Kombination mit der Offenbarung der Entgegenhaltungen 4 oder 5 beurteilt werden. Für die Kammer ist nicht ersichtlich, weshalb eine solche Kombination der Lehren den Fachmann nicht dazu geführt hätte, diese Alkylreste in Verbindungen der Formel III zu verwenden, von denen aus den Dokumenten 4 oder 5 und 7 bekannt war, daß sie für die überlegene insektizide Wirkung ausschlaggebend sind.
12. Somit kann keines der Argumente der Beschwerdeführerin, also weder die überlegene Wirkung der Endprodukte, noch die erfinderische Tätigkeit eines gesamten Verfahrens, bei dem bestimmte Verbindungen als Zwischenprodukte benutzt werden, noch der erfinderische Charakter eines bestimmten Schritts in diesem Verfahren, eine erfinderische Tätigkeit bei den im vorliegenden Fall beanspruchten Ausgangsverbindungen der Formel III glaubhaft machen. Angesichts der Offenbarung der Entgegenhaltungen 4 und 5, die vorstehend analysiert wurde, ist die Kammer vielmehr der Auffassung, daß das Wissen über die gewünschten, überlegenen Endprodukte der Formel I und ihre Herstellung auf dem Weg über die Hydroxyverbindungen der Formel II sowie die Offenbarung in der Entgegenhaltung 1, wonach Verbindungen der Formel III bekannt sind, in denen R Methyl ist, ohne weiteres zu den gewünschten, anmeldungsgemäßen Verbindungen führen könnten. Da, wie vorstehend dargelegt, im Stand der Technik kein Vorurteil dagegen bestand, die Hydrolyse von Verbindungen der Formel III zur Herstellung von Verbindungen der Formel II zu umgehen, hätte der Fachmann, der aus den Entgegenhaltungen 4 und 5 weiß, daß der entscheidende und erwünschte Rest R Isopropyl oder Cyclopropyl sein muß, zweifellos nicht die in der Entgegenhaltung 1 beschriebene Verbindung, in der R für Methyl steht, sondern die beanspruchten Verbindungen gewählt.
Daher beruhen die Verbindungen des Anspruchs 1 des Hauptantrags nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
13. Der Hauptanspruch des Hilfsantrags ist auf die Verwendung von t-Butyl als Rest R beschränkt. Die Kammer räumt ein, daß eine entsprechende Weiterverarbeitungsverbindung der Formel I oder II - anders als die in den Entgegenhaltungen 4 und 5 beschriebenen Verbindungen, in denen der Rest R für Isopropyl oder Cyclopropyl steht - im Stand der Technik nirgends offenbart ist. Die Tatsache, daß die erwähnte Verbindung der Formel I neu ist, macht sie nicht schon zwangsläufig erfinderisch - ebenso wenig wie die beanspruchte Verbindung der Formel III.
Der einzige Unterschied, den die Beschwerdeführerin zugunsten des Hilfsantrags geltend gemacht hat, war die Neuheit der Weiterverarbeitungsverbindung, in der R für t-Butyl steht. Zur erfinderischen Tätigkeit hat sie nichts vorgebracht. Aus den vergleichenden Versuchsdaten, die die Beschwerdeführerin während des Prüfungsverfahrens als Dokument 7 eingereicht hat, geht nicht hervor, daß eine insektizide Verbindung der Formel I, in der R für t-Butyl steht, den in den Entgegenhaltungen 4 und 5 beschriebenen bekannten Verbindungen in ihrer Wirkung deutlich überlegen ist. Für die erfinderische Tätigkeit der Verbindungen der Formel III ist es nicht entscheidend, ob die gewünschten Endprodukte der Formel I angesichts des Stands der Technik entweder nicht neu oder nicht erfinderisch sind. Die Kammer vertritt daher die Auffassung, daß für den Hilfsantrag dieselben Überlegungen gelten wie für den Hauptantrag. Somit beruht die Verbindung nach Anspruch 1 des Hilfsantrags nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.