T 0141/87 () of 29.9.1988

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1988:T014187.19880929
Datum der Entscheidung: 29 September 1988
Aktenzeichen: T 0141/87
Anmeldenummer: 81104289.4
IPC-Klasse: -
Verfahrenssprache: DE
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Prüfsystem zur Diagnose von Kraftfahrzeugen oder Fahrzeugbestandteilen
Name des Anmelders: Bosch GmbH
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.4.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Team von Fachleuten
Erfinderische Tätigkeit (nein)
inventive step (no)
team of experts
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0500/91
T 0986/96
T 1054/05
T 1117/10
T 1863/12
T 0550/14

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdegegnerin ist Inhaberin des europäischen Patents 0 047 813 (Anmeldenummer 81 104 289.4).

Anspruch 1 dieses Patents lautet:

"1. Prüfsystem zur Diagnose von Kraftfahrzeugen oder Fahrzeugbestandteilen mit einzelnen für sich betreibbaren Prüfgeräten, die in jeweils einem eigenen Gehäuse untergebracht sind, die über Steuerleitungen (15, 16) miteinander verbunden sind und die von einer zentralen Steuereinheit (22) gesteuert sind, dadurch gekennzeichnet, daß die Außenabmessungen der Gehäuse der Prüfgeräte (1, 2, 3, 4, 5, 11) ein Teil oder ein Vielfaches einer Grundrastereinheit betragen, daß die Steuerleitungen (15, 16) steckbar ausgeführt sind, wobei die Steckeinrichtungen Ausbrüche aufweisen, die eine Fehlverbindung verhindern, und daß die zentrale Steuereinheit (22) in einem der Prüfgeräte (2, 11) integriert ist".

Die Ansprüche 2 bis 16 sind auf Anspruch 1 rückbezogen.

II. Die Beschwerdeführerin hat gegen die Patenterteilung Einspruch erhoben. Die Einspruchsabteilung hat den Einspruch zurückgewiesen.

III. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin (Einsprechende) Beschwerde erhoben und dabei unter anderem auf folgende, bereits im Einspruchsschriftsatz genannte Dokumente hingewiesen:

DE-A- 2 619 882, US-A-4 121 452 (D1) sowie DE-U- 7 027 712 (D2).

Ferner nannte die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerdebegründung erstmals eine Reihe weiterer Dokumente, darunter auch die Druckschrift:

AT-B- 323 825 (D4).

IV. In einer Mitteilung gemäß Artikel 11 (2) VOBK griff die Kammer das Dokument D4 auf und äußerte Bedenken hinsichtlich einer dem Gegenstand des Anspruchs 1 zugrundeliegenden erfinderischen Tätigkeit gegenüber den Dokumenten D1, D2, D4 und der im Recherchenbericht genannten Druckschrift:

US-A- 3 789 658 (D3).

V. Es wurde mündlich verhandelt.

VI. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Streitpatents.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

VII. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) vertritt im wesentlichen folgende Auffassung:

1. Ein Prüfsystem mit den im ersten Teil des Anspruchs 1 angegebenen Merkmalen sei aus dem Dokument D1 bekannt. Insbesondere müsse aus den nachstehenden Gründen unterstellt werden, daß die im Dokument D1 beschriebenen Prüfgeräte 2a bis 2e - auch Anzeigeeinheiten aufwiesen und damit gemäß dem Wortlaut des Anspruchs 1 "für sich betreibbar" seien.

1.1. Dokument D1 gebe in Spalte 3, Zeilen 2-21, explizit an, daß die Prüfgeräte 2a bis 2e eine Reihe zu prüfender Fahrzeugeigenschaften "messen". Eine Messung setze zwangsläufig eine Anzeigeeinheit voraus.

1.2. Die im Dokument D1, Spalte 11, Zeilen 3 und 4, angegebene Umschaltmöglichkeit auf "manuellen Betrieb" interpretiere der Fachmann dahingehend, daß bei manuellem Betrieb die Verbindung zwischen den einzelnen Prüfgeräten 2a bis 2e und der zentralen Steuereinheit 3 abgeschaltet sei. Da aber bei abgeschalteter Verbindung auch keine Meßdatenübertragung zur zentralen Steuereinheit möglich sei, müßten die Prüfgeräte 2a bis 2e notwendigerweise Anzeigeeinheiten aufweisen und für sich betreibbar sein, um ihre erwünschte manuelle Betriebsalternative zu ermöglichen.

1.3. Die technische Entwicklung von Instrumenten für die Kraftfahrzeugprüfung habe mit Einzelgeräten für jeweils eine spezifische Prüfaufgabe begonnen. Erst später seien diese "für sich betreibbaren" Einzelgeräte mit einer zentralen Steuereinheit verschaltet worden, die die Betriebsfolge der Einzelgeräte steuert und die Meßergebnisse jedes Einzelgeräts in einem gemeinsamen Protokoll ausdruckt. Diese Automatisierung sei in Dokument D1 dargestellt. Daß selbstverständliche Einzelteile konventioneller Geräte in einer Patentschrift unerwähnt bleiben - so wie hier die Anzeigeeeinheiten der Prüfgeräte - sei dem Fachmann geläufig und würde von ihm nicht als Fehlen ausgelegt werden.

2. Das kennzeichnende Merkmal des Anspruchs 1:

a) "daß die Außenabmessungen der Gehäuse der Prüfgeräte ein Teil oder ein Vielfaches einer Grundrastereinheit betragen" sei ohne weiteres der Figur des Dokuments D2 entnehmbar. Obwohl die in der Figur dargestellten Elemente 4 in der Beschreibung von Dokument D2 auch "Meßeinschübe" (Seite 2, Absatz 5) genannt werden, sehe der Fachmann die Bezeichnung "Prüfgeräte" im vorangehenden Absatz 4 dieser Seite als zutreffend an. Zum Veröffentlichungszeitpunkt des Dokuments D2 im Jahre 1970 sei die Kraftfahrzeugprüftechnik noch nicht weit genug fortgeschritten gewesen, um ein funktionell zusammenhängendes Gerät aus mehreren Einschüben zu realisieren. Hingegen seien 1970 beispielsweise schon Ampèremeter zur Prüfung der Lichtmaschine und Voltmeter zum Testen der Zündspannung eingesetzt worden. Derartige "für sich betreibbare" Prüfgeräte seien in der Figur des Dokument D2 dargestellt.

3. Die im Rahmen des kennzeichnenden Merkmals des Anspruchs 1:

b) "daß die Steuerleitungen steckbar ausgeführt sind, wobei die Steckeinrichtungen Ausbrüche aufweisen, die eine Fehlverbindung verhindern" eingesetzten, durch Ausbrüche kodierten Steckeinrichtungen zur Verhinderung von Fehlverbindungen bei Steckerfeldern mit einer Vielzahl mehradriger Kabel seien allgemein bekannt (siehe z.B. Dokument D4). In deren Verwendung bei Steuerleitungen von Prüfgeräten sei nichts Erfinderisches zu sehen.

4. Das kennzeichnende Merkmal des Anspruchs 1:

c) "daß die zentrale Steuereinheit in einem Prüfgerät integriert ist" basiere auf einer im Rahmen des normalen fachmännischen Könnens liegenden Maßnahme.

5. Weder dem Vorbringen der Beschwerdegegnerin noch den ursprünglichen Unterlagen des Streitpatents, insbesondere nicht der Beschreibung Spalte 5, Zeile 30 bis 38, könne eine Kombinationswirkung entnommen werden, die auf einem funktionellen Zusammenwirken der Merkmale a), b) und c) beruht. Somit sei ein Kombinationsgedanke für den Fachmann nicht offenbart und damit die Prüfung auf erfinderische Tätigkeit auf die Einzelmerkmale und die Addition ihrer Wirkungen abzustellen.

VIII. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) trägt im wesentlichen folgendes vor:

1. Die von der Beschwerdeführerin oben in Punkt VII-1.1 und 1.2 genannten Textstellen des Dokuments D1 seien keine hinreichende Information dafür, daß die bekannten Prüfgeräte 2a bis 2e "für sich" betrieben werden könnten. Vielmehr würden folgende Angaben klarlegen, daß diesen Prüfgeräten nur der Rang von Meßwertaufnehmern zukomme:

1.1. Die Bedienkonsole 3 sei in der zentralen Steuereinheit untergebracht, wie aus Spalte 3, Zeilen 22 bis 23, hervorgehe.

1.2. Auch bei dem in Spalte 11, Zeile 3 offenbarten manuellen Betrieb erfolge die Ansteuerung gemäß Spalte 2, Zeile 62 über die zentrale Handbedieneinrichtung 6.

1.3. Die einzelnen Prüfgeräte würden keine eigenen Anzeigeeinheiten aufweisen, sondern allen Prüfgeräten sei gemäß Spalte 3, Zeile 42, eine zentrale Anzeigeeinheit 5 zugeordnet.

1.4. Die Ausgangssignale der Prüfgeräte 2a bis 2e würden nur "Rohdaten" darstellen, die vor ihrer Eingabe in die zentrale Anzeigeeinheit 5 - wie der Fig. 4 nebst dazugehöriger Beschreibung entnehmbar sei - erst in den zentral angeordneten Signalvorbehandlern 50 und 51 aufbereitet werden müßten.

1.5. Die Anzeigeeinheiten der Prüfrollen 2b seien bei allen konventionellen Geräten stets zentral angeordnet worden.

1.6. Darüberhinaus würde das Fehlen jeglichen Hinweises in Dokument D1 auf individuelle Anzeigeeinheiten der einzelnen Prüfgeräte 2a bis 2e darauf hinweisen, daß entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin keine konventionellen sondern neuartige Geräte eingesetzt worden seien. Diese Geräte seien Peripheriegeräte, die nicht ohne eine zentrale Bedienkonsole auskommen.

1.7. Damit sei nachgewiesen, daß es - entgegen der irrtümlichen Angabe im Oberbegriff des Anspruchs 1 des Streitpatents -nicht zum Stand der Technik gehört, mit einer zentralen Steuereinheit einzelne Prüfgeräte zu steuern, die auch jeweils einzeln "für sich betreibbar" sind.

2. Das übersandte Prospektmaterial zeige die autonome Betreibbarkeit der einzelnen Prüfgeräte des im Anspruch 1 des Streitpatents beanspruchten Prüfsystems und darüberhinaus auch den damit erzielten wirtschaftlichen Erfolg.

3. Das kennzeichnende Merkmal a) sei nicht aus Dokument D2 bekannt, da die Bauteile 4 der Figur keine Prüfgeräte sondern "Meßeinschübe" darstellen würden, wie aus der expliziten Angabe auf Seite 3, Abs. 5 hervorgehe. Meßeinschübe hätten im Jahre 1970 durchaus zum Stand der Technik gehört. Die in Dokument D2 alternativ auftretende Bezeichnung "Prüfgeräte" beziehe sich gemäß Seite 3, Zeilen 15-19 auf die außerhalb des mit dem Grundraster versehenen Geräteteils 3 angeordneten Prüfgeräte 10, die mit dem Geräteteil 3 über ein Kabel verbunden sind.

4. Bei der aus Dokument D3 bekannten Anordnung, in der das gesamte System in einem einzigen Gehäuse untergebracht ist, sei es glatt selbstverständlich, das Steuergerät in das Prüfgerät zu integrieren. Die im kennzeichnenden Merkmal c) des Anspruchs 1 beanspruchte Integration eines zentralen Steuergeräts in eines von mehreren Peripheriegeräten als eine raumsparende Maßnahme werde dadurch nicht angeregt.

5. Die Maßnahmen gemäß Merkmal a) und c) des Anspruchs 1 verringerten auch die Gefahr, daß gestapelte Geräte herunterfallen, und wirkten somit funktionell mit dem Schaltungsfehler vermeidenden Merkmal d) zur Erhöhung der Betriebssicherheit zusammen. Hierin sei eine Kombinationswirkung zu sehen. Ferner erlaube die beanspruchte raumsparende Anordnung der Geräte kürzere Kabellängen und führe zu geringeren Störsignalen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Neuheit

2.1. Die Kammer vertritt die Auffassung, daß aus Dokument D1, insbesondere Fig. 1 nebst dazugehöriger Beschreibung, der Gegenstand des Oberbegriffs des Anspruchs 1 bekannt ist, d.h. ein:

"Prüfsystem zur Diagnose von Kraftfahrzeugen oder Fahrzeugbestandteilen (Spalte 1, Zeilen 9-27) mit einzelnen für sich betreibbaren Prüfgeräten (2a-2e), die jeweils in einem eigenen Gehäuse untergebracht sind (Fig. 1), die über Steuerleitungen miteinander verbunden sind (Fig. 4), und die von einer zentralen Steuereinheit (11) gesteuert sind".

2.2. Die Beschwerdegegnerin hat in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, daß beim Gegenstand des Streitpatents - wie auch bei der aus Dokument D1 bekannten Anordnung - die Steuerleitungen sternförmig von der zentralen Steuereinheit zu den Prüfgeräten ausgehen. Der Wortlaut des Anspruchs 1, daß die Prüfgeräte "über Steuerleitungen miteinander verbunden sind", umfaßt somit auch den Fall, daß eine indirekte Verbindung von einem Prüfgerät über die zentrale Steuereinheit zu einem anderen Prüfgerät besteht. Er beschreibt daher unbestritten auch den aus Dokument D1 bekannten Sachverhalt.

2.3. Die Kammer ist aus den nachstehenden Gründen überzeugt, daß die aus Dokument D1 bekannten Prüfgeräte 2a bis 2e entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin "für sich betreibbar" sind:

2.4. In Dokument D1, Spalte 3, Zeilen 3-21, sind die unter den Bezugszeichen 2a bis 2e in Fig. 1 dargestellten Bauteile als "Meßinstrumente (measuring instruments)" bezeichnet. Unter einem "Meßinstrument" versteht ein Fachmann nach Auffassung der Kammer stets die konstruktive Gesamtheit aller funktionsnotwendigen Teile vom Meßwertaufnehmer (Sensor) der Meßgröße bis zu ihrer Visualisierung in einem Anzeigegerät. Der Auffassung der Beschwerdegegnerin, daß die Prüfgeräte 2a bis 2e nur Meßwertaufnehmer (Sensoren) seien vermag die Kammer nicht zu folgen. Denn die Sensoren der Prüfgeräte 2 sind für den Fachmann aus Fig. 4 in Verbindung mit Spalte 5, Zeile 57, bis Spalte 6, Zeile 2, ohne weiteres als mit den Bezugszeichen 30 bis 44 versehene Untereinheiten der Prüfgeräte 2 erkennbar. Die für einen automatischen Betrieb und für ein gemeinsames Meßprotokoll notwendige Verbindung aller Sensoren mit der zentralen Steuereinheit 11,3 steht in keinerlei technischem Widerspruch zu zusätzlich vorhandenen autonomen Anzeigeeinheiten der individuellen Prüfgeräte, die der Fachmann aus der wortgetreuen Interpretation des offenbarten Begriffs "Meßinstrument" herleitet.

2.5. Die Beschwerdegegnerin stützt ihre gegenteilige Interpretation des Dokuments D1 auf Argumente, die den in diesem Dokument explizit offenbarten Sachverhalten, wie nachfolgend dargelegt, nicht gerecht werden:

2.5.1. Bei einem System mit zentraler Steuerung (11) und zentralem Meßprotokollausdruck (4) bedeutet das Vorhandensein einer zentralen Bedienkonsole (3) für den Fachmann nicht zwingend, daß die angesteuerten Prüfgeräte 2a bis 2e nicht auch für sich betreibbar sind;

2.5.2. Ferner ist Dokument D1 nicht zu entnehmen, daß die Handbedieneinrichtung 6 eine dezentrale manuelleAktivierung der einzelnen Prüfgeräte 2a bis 2e bei Handbetrieb ausschließt. Die explizit angegebenen Steuerbefehle der Handbedieneinrichtung 6 beziehen sich gemäß Spalte 7, Zeilen 4-29, und Spalte 9, Zeilen 17-34, alle auf automatischen Betrieb und wirken auf den zentralen Schaltkreis 57 (Fig. 4) in der zentralen Steuereinheit 11 ein. Insbesondere dient die Handbedienvorrichtung 6 zur Programmfortschaltung bei automatischem Betrieb sowie zur Eingabe von Ergebnissen nur manuell oder visuell durchführbarer Prüfungen in den Rechner 58; vgl. Spalte 2, Zeilen 61 bis 64 sowie Spalte 7, Zeilen 17-22.

2.5.3. Die zentrale Anzeigeeinheit 5 dient nicht zur Visualisierung einer Meßgröße. Sie zeigt vielmehr gemäß Spalte 3, Zeilen 35-41, sowie Spalte 9, Zeilen 17-26, die überprüfte Fahrzeugeigenschaft (inspection item) an und ermöglicht damit nur die Feststellung, welches der einzelnen Prüfgeräte bei automatischem Betrieb gerade eine Messung durchführt.

2.5.4. Die Ausgänge der Prüfgeräte 2a-2e liefern keine Rohdaten, die einer weiteren Aufbereitung bedürfen bevor sie einer Anzeigeeinheit zugeführt werden können. Am Ausgang der Prüfgeräte 2a-2e treten vielmehr gemäß Spalte 6, Zeilen 2 und 3, Analogsignale auf. Es ist allgemein bekannt, daß Analogsignale bereits die Meßgröße repräsentieren und ohne weiteres mit Hilfe konventioneller Anzeigeeeinheiten visualisierbar sind. Spalte 6, Zeilen 5-21 und 33-51 ist entnehmbar, daß die Signalaufbereiter 50 und 51 keine Visualisierungsvorbereitung durchführen sondern ausschließlich eine Adapterfunktion für den zentralen Rechner ausüben. Die Analogsignale werden in den Signalaufbereitern 50 und 51 mit Hilfe überlagerter Pulssignale in unterschiedlicher Weise an den Eingang des A/D-Wandlers 53 der zentralen Steuereinheit 11 angepaßt, um sie dann gemäß Spalte 7, Zeilen 42-67, in digitaler Form für Gut/Schlecht-Entscheidung dem Rechner zuzuführen und gemeinsam mit gespeicherten Sollwerten auszudrucken.

2.5.5. Da bei konventionellen Beschleunigungs-/Bremskraftmessern die mit den Fahrzeugrädern wechselwirkenden Prüfrollen stets räumlich getrennt von den zugehörigen Anzeigeeinheiten angeordet sind, läßt sich entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin aus diesem Umstand nicht herleiten, daß das Prüfgerät 2b nicht für sich betreibbar ist.

2.6. Somit unterscheidet sich - entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin - der Gegenstand des Anspruchs 1 von dem aus Dokument D1 bekannten Prüfsystem nur durch die in seinem kennzeichnenden Teil angegebenen und in Pkt. VII-2,3 u. 4 mit a), b) und c) bezeichneten Merkmale.

2.7. Dokument D2 ist insbesondere nicht explizit entnehmbar, daß dieses bekannte Prüfsystem eine zentrale Steuereinheit aufweist.

Das aus Dokument D3 bekannte Prüfsystem besteht insbesondere nicht aus einzelnen Prüfgeräten, die jeweils in einem eigenen Gehäuse untergebracht sind.

Dokument D4 beschreibt kein Prüfsystem zur Diagnose von Kraftfahrzeugen sondern eine elektrische Steckerverbindung mit kodierten Ausbrüchen ohne Angabe einer Verwendung für einen speziellen Zweck.

2.8. Die übrigen im Verfahren befindlichen oder im Recherchenbericht genannten Druckschriften liegen vom Gegenstand des Streitpatents weiter ab und können hier unerörtert bleiben.

2.9. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist somit neu.

3. Erfinderische Tätigkeit.

3.1. Ausgehend von Dokument D1 ist erkennbar, daß dem Streitpatent objektiv drei Teilaufgaben zugrundeliegen:

A. Die Prüfgeräte leicht stapelbar auszubilden (Spalte 1, Zeile 57); B. Das Zusammenstellen des Systems aus Einzelgeräten durch Ausschluß von Fehlverbindungen laiensicher zu machen (Spalte 1, Zeile 65 bis Spalte 2, Zeile 3); sowie C. Die am Meßplatz vorhandene Gerätezahl herabzusetzen (Spalte 2, Zeilen 10-12).

3.2. Ausgehend von dem nächstliegenden Stand der Technik gemäß Dokument D1 ist eine Lösung weiterer objektiver Teilaufgaben durch die im Anspruch 1 definierten Arbeitsmittel nicht gegeben. Das im Streitpatent Spalte 1, Zeilen 22-27 und 61-65, angegebene Ziel, das Prüfsystem nach den zu messenden Größen individuell zusammenstellen zu können, wird auch bei dem aus Dokument D1 bekannten Prüfsystems anhand der einzeln einsetzbaren Prüfgeräte 2a bis 2e erreicht. Die im Streitpatent, Spalte 2, Zeilen 4-6, geforderte einzelne Verwendbarkeit sämtlicher Meßgeräte des Systems sieht die Kammer wie oben dargelegt auch bei den aus Dokument D1 bekannten Meßgeräten 2a-2e als gegeben an. Der gemäß dem Streitpatent, Spalte 1, Zeilen 27-32, erwünschte Vorteil, daß der Prüfrechner nicht von vornherein sämtliche Inspektionsarten speichern muß, wird nicht durch die Merkmale des Anspruchs 1 sondern erst durch die Merkmale der Ansprüche 2 und 3 erzielt. Desweiteren ist auch die beim Streitpatent Spalte 1, Zeilen 57-59, beabsichtigte Verwendung nur eines Kabelsatzes zum Kraftfahrzeug nicht allein durch die im Anspruch 1 angegebenen technischen Arbeitsmittel realisierbar.

3.3. Die Stellung der zu lösenden Teilaufgaben A, B und C ergibt sich nach Auffassung der Kammer als eine Folge von Mängeln konventioneller Prüfsysteme, die in der Praxis ohne weiteres erkennbar sind. Somit ist der Fachmann in der Lage, sich die dem Streitpatent zugrundeliegenden Teilaufgaben zu stellen, ohne erfinderisch tätig zu werden.

3.4. Die Lösung der Teilaufgabe A (leichte Stapelbarkeit) durch das Merkmal a (Gehäusegrundraster) wird durch das Dokument D2 nahegelegt. Selbst wenn die Auffassung der Beschwerdegegnerin durchgreifen würde, wonach die in der Figur des Dokuments D2 dargestellten Elemente 4 keine Prüfgeräte sondern Meßeinschübe wären, bleibt es nach Auffassung der Kammer für den zuständigen Gehäusefachmann ohne weiteres aus der Figur des Dokuments D2 entnehmbar, daß eine Dimensionierung der Außenabmessungen von Gehäusen einzelner Bauteile eines Kraftfahrzeugprüfsystems gemäß einem Teil oder einem Vielfachen einer Grundrastereinheit eine leichte Stapelbarkeit ermöglicht. In der Anwendung dieser Lehre auf die Gehäuse der aus Dokument D1 bekannten Prüfgeräte für Kraftfahrzeuge vermag die Kammer nichts Erfinderisches zu sehen.

3.5. Desweiteren erachtet die Kammer die Lösung der Teilaufgabe C (kleine Gerätezahl) durch das Merkmal c (Integration der Steuereinheit in eins der Prüfgeräte) als eine im Rahmen des normalen Könnens eines Geäusefachmanns liegende Maßnahme. Zwar ist der Beschwerdegegnerin darin zu folgen, daß in Dokument D3 das gesamte Prüfsystem in einem einzigen Gehäuse untergebracht ist. Doch ist nach Auffassung der Kammer die bekannte Unterbringung aller Geräte eines Prüfsystems in einem einzigen Gehäuse für den Fachmann kein Hindernis zu erkennen, daß die Integration der Steuereinheit (24) in das Gehäuse (10) für die Prüfgeräte auf jeden Fall eine raumsparende Wirkung hat. Dadurch wird ihm nahegelegt, ausgehend von dem aus Dokument D1 bekannten Prüfsystem mit mehreren Prüfgeräten (2a bis 2e) und einer zentralen Steuereinheit (11), eines der Prüfgeräte gemeinsam mit der Steuereinheit in einem Gehäuse unterzubringen, zumal die Dokumente D1 und D3 das gleiche Sachgebiet der Kraftfahrzeugprüfung betreffen.

3.6. Während für die Lösungen der Teilaufgaben A und C der Gehäusefachmann zuständig ist, wendet sich die Lösung der Teilaufgabe B an den Fachmann für Steckverbindungen; vgl. auch T 32/81, ABl. EPA 1982, 225, Pkt. 4.2. Dem Fachmann für Steckverbindungen ist es aus dem zu seinem einschlägigen Sachgebiet gehörenden und ein allgemeines Gebiet betreffenden Dokument D4 bekannt, die Teilaufgabe B (Vermeidung von Fehlverbindungen) durch das Merkmal b) (Ausbruch-kodierte Stecker) zu lösen; vgl. das Dokument D4, insbesondere die Fig. 1, die Ausbrüche 5, 6 der Kodierzähne 4.

3.7. Die gleichzeitige Weiterbildung der Gehäuse und der elektrischen Verbindungen des aus Dokument D1 bekannten Prüfsystems liegt im Belieben eines mit der Herstellung eines Prüfsystems betrauten Teams. Nach Auffassung der Kammer gelangt das Team zum Gegenstand des Anspruchs 1 durch die voneinander unabhängige Arbeit des Gehäuse- und des Steckverbindungsfachmanns, die jeweils bekannte Techniken in einer analogen Situation anwenden, worin keine erfinderische Tätigkeit gesehen wird.

3.8. Die von der Beschwerdegegnerin geltend gemachte Erhöhung der Betriebssicherheit hat keine synergistische Wirkung sondern stellt eine Zusammenfassung der Teilaufgaben A, B und C zu einer allgemeinen Gesamtaufgabe dar. Eine synergistische Wirkung (Kombinationseffekt) setzt eine gegenseitige Beeinflussung der Funktionsweisen einzelner Merkmale (hier a, b und c) voraus, die zu einem über die Summe der Einzelwirkungen hinausgehenden zusätzlichen Effekt führt. Es ist jedoch weder den Unterlagen des Streitpatents zu entnehmen noch von der Beschwerdeführerin vorgetragen worden, daß zu den bekannten Wirkungen der Teilmerkmale a), b) oder c) aufgrund ihrer gemeinsamen Anwendung eine neue Wirkung hinzukommt. Die geltend gemachte erhöhte Betriebssicherheit ist nur das Ergebnis der Summe der unveränderten bekannten Einzelwirkungen der Merkmale a), b) und c).

3.9. Die Beschwerdegegnerin hat einen wirtschaftlichen Erfolg geltend gemacht ohne nachzuweisen, daß er kausal auf den sachlichen Inhalt des Anspruchs 1 des Streitpatents zurückzuführen ist. Er kann daher nicht zur Stützung einer dem Anspruch 1 zugrundeliegenden erfinderischen Tätigkeit herangezogen werden.

4. Wie oben in Pkt 3 bis 3.9 im einzelnen dargelegt, genügt der Anspruch 1 des Streitpatents nicht den Erfordernissen des Artikels 52 (1) i.V.m. Art. 56 EPÜ. Das Patent kann daher mit diesem Anspruch nicht aufrechterhalten werden. Mit Anspruch 1 fallen auch die von diesem abhängigen Ansprüche 2 bis 16.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die Entscheidung der Einspruchsabteilung wird aufgehoben.

2. Das europäische Patent 0 047 813 wird widerrufen.

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