T 2019/16 () of 18.5.2022

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2022:T201916.20220518
Datum der Entscheidung: 18 Mai 2022
Aktenzeichen: T 2019/16
Anmeldenummer: 07106278.0
IPC-Klasse: A61B 17/00
A61B 17/12
A61F 2/01
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Occluder zum Verschliessen eines Herzohres und Herstellungsverfahren dafür
Name des Anmelders: Occlutech Holding AG
Name des Einsprechenden: AGA Medical Corporation
Kammer: 3.2.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 56
European Patent Convention Art 84
European Patent Convention Art 123(2)
European Patent Convention Art 108
European Patent Convention R 99(2)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12(2)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12(4)
Rules of procedure of the Boards of Appeal 2020 Art 013(2)
Schlagwörter: Zulässigkeit der Beschwerde - Beschwerde hinreichend begründet (ja)
Änderungen - Streichung von Merkmalen (ja)
Änderungen - Erweiterung des Patentanspruchs (ja)
Neuheit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0066/85
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde wurde von der Einsprechenden gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung eingelegt, den Einspruch gegen das Streitpatent zurückzuweisen.

II. Das Streitpatent in der erteilten Fassung enthält zwei unabhängige Ansprüche 1 und 31. Mit der angefochtenen Entscheidung stellte die Einspruchsabteilung fest, dass der Gegenstand von Anspruch 1 nicht unzulässig erweitert worden war, dass die Gegenstände der Ansprüche 1 und 31 neu waren, und dass der Gegenstand von Anspruch 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhte.

III. Eine mündliche Verhandlung vor der Kammer fand am 18. Mai 2022 statt.

IV. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

V. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen oder als unbegründet zurückzuweisen, das heißt, als Hauptantrag, das Patent in der erteilten Fassung aufrechtzuerhalten. Hilfsweise beantragte sie, das Patent in geänderter Fassung auf der Grundlage eines der mit der Beschwerdeerwiderung vom 10. März 2017 eingereichten Hilfsanträge 1 bis 6 aufrechtzuerhalten.

VI. Die vorliegende Entscheidung bezieht sich auf die folgenden Dokumente:

D1 |WO 02/071977 A2 |

D2 |US 2006/0247680 A1 |

D3 |US 6,168,622 |

D4 |US 5,944,738 |

D5 |Heist et al., Heart Rhythm 3(11), 2006, 1313-8 |

D6 |Motiei et al., Journal of the American College of Cardiology, Abstracts - Noninvasive Imaging 45(3 Suppl):301A, 2005, 1165-90|

D7 |Bayard et al., Abstract O-25, Catheterization and Cardiovascular Interventions, PICS/ENTICHS 2006 68(3), 2006, 466|

D8 |Bayard et al., Abstract O-20, Catheterization and Cardiovascular Interventions, PICS/ENTICHS 2005 66(1), 2005, 68|

D9a|US 9,161,758 |

D9b|Prüfungsbescheid vom USPTO vom 16. Januar 2016 im Verfahren bezüglich D9a|

VII. Anspruch 1 des Hauptantrags (Anspruch 1 wie erteilt) lautet wie folgt:

"Occlusionsinstrument (150) bestehend aus einem Geflecht (7) aus mindestens einem Draht oder Faden (7a), wobei das Occlusionsinstrument (150) mit einem Umformungs- und/oder Wärmebehandlungsverfahren eine geeignete Formgebung erhalten hat, selbst expandierbar ist, und zur sicheren Verankerung in einem Herzohr (10) des linken oder rechten Vorhofes eines Herzens konfiguriert ist, umfassend einen scheibenförmigen proximalen Retentionsbereich (2) an einem proximalen Ende (20) des Occlusionsinstrumentes (150) zum Verschließen einer Öffnung des Herzohres, und

wobei das Occlusionsinstrument (150) ein geschlossenes distales Ende (21) aufweist,

gekennzeichnet durch einen Zwischen-Retentionsbereich (153) des Occlusionsinstrumentes (150), welcher im wesentlich [sic] kugelförmig, hohl ausgeformt ist, einen distalen Retentionsbereich (3), einen Zwischen-Retentionsbereich (153), sowie einen distalen Mittenbereich (155) angeordnet zwischen dem distalen Retentionsbereich (3) und dem Zwischen-Retentionsbereich (153), und einen proximalen Mittenbereich (5) zwischen dem proximalen Retentionsbereich (2) und dem genannten Zwischen-Retentionsbereich (153); wobei

der distale Mittenbereich (155) des Occlusions-instrumentes (150) zylindrisch länglich ist und Flexibilität des distalen Retentionsbereiches (3) zum Zwischen-Retentionsbereich (153) bereitstellt."

VIII. Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass im Oberbegriff des Anspruchs der Ausdruck "ohne Fassung" unmittelbar nach dem Ausdruck "ein geschlossenes distales Ende (21)" eingefügt worden ist.

IX. Anspruch 31 des Hauptantrags und des Hilfsantrags 1 (beide identisch mit Anspruch 31 wie erteilt) lauten wie folgt:

"Verfahren zur Herstellung eines Occlusionsinstrumentes gemäß einem der vorhergehenden Ansprüche, wobei ein kugelförmiges Hohlgeflecht derart hergestellt wird, dass dünne Drähte (7a) oder Fäden, welche das fertige Geflecht (7) begründen, beim Ausbilden des kugelförmigen Hohlgeflechts am distalen Ende (21) des Geflechts (7) untereinander verflochten werden, sodass ein distaler Retentionsbereich (3) eine zum distalen Ende (21) hin geschlossene Form aufweist."

X. Die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten, für die vorliegende Entscheidung relevanten Argumente lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Zulässigkeit der Beschwerde und Zulassung des Einwands unzulässiger Erweiterung des Gegenstands von Anspruch 1 des Hauptantrags

In der Beschwerdebegründung habe die Beschwerdeführerin ausführlich dargelegt, warum die Feststellungen der Einspruchsabteilung zu den verschiedenen geltend gemachten Einspruchsgründen ihrer Ansicht nach falsch seien und warum die angefochtene Entscheidung deshalb aufzuheben sei. Die Beschwerde sei somit ausreichend substanziiert worden und daher zulässig. Insbesondere sei der Einwand wegen unzulässiger Erweiterung ausreichend substanziiert worden und daher ins Verfahren zuzulassen.

Zulassung der Dokumente D9a und D9b

Die Dokumente D9a und D9b legten einen Neuheitseinwand vor, der bei der Prüfung der US-Patentanmeldung (D9a), die dem Streitpatent entspreche, von dem USPTO-Prüfer gegen die Verfahrensansprüche im Hinblick auf das in der angefochtenen Entscheidung diskutierte Dokument D3 erhoben würde. D9a und D9b stellten keine technische Komplexität dar. Sie sollten daher ins Verfahren zugelassen werden.

Hauptantrag - Unzulässige Erweiterung

In der gesamten ursprünglichen Anmeldung gehe es ausschließlich um Occlusionsinstrumente mit einem distalen Ende ohne Fassung, wie in allen Figuren dargelegt. Das Merkmal "ohne Fassung" sei in dieser Hinsicht in dem ursprünglichen Vorrichtungsanspruch 1 explizit definiert, der als unabhängiger Anspruch alle für die Erfindung wesentliche Merkmale enthalte und den begehrten Schutzumfang definiere.

Es gebe in der gesamten Anmeldung keine unmittelbare und eindeutige Offenbarung eines Occlusionsinstrumentes mit einem geschlossenen distalen Ende, das anders als "ohne Fassung" geschlossen sei. Insbesondere führten alle offenbarten Herstellungsverfahren (Absätze [0075], [0078], [0048] der Beschreibung wie veröffentlicht) zu einem Occlusionsinstrument ohne Fassung am distalen Ende. Die Offenbarung im Absatz [0078], dass auch andere Herstellungsverfahren denkbar seien, bedeute nicht, dass mit diesen Verfahren das distale Ende anders als "ohne Fassung" ausgebildet sei.

Die Formulierung "in der bevorzugten Form" in Absatz [0020] stelle auch keine unmittelbare und eindeutige Offenbarung eines Occlusionsinstrumentes mit einem geschlossenen distalen Ende mit einer Fassung dar. Eine Alternative zu der bevorzugten Form sei nämlich ein offenes distale Ende ohne Fassung, wie zum Beispiel in Figur 18 dargestellt und im Absatz [0023] beschrieben. Diese Auslegung sei konsistent mit der Tatsache, dass die Zusammenfassung der Erfindung in Absatz [0012] sowie Absatz [0001] ein geschlossenes distales Ende nicht erwähnten. Dies zeige, dass Schutz sowohl für ein geschlossenes als auch für ein offenes distales Ende angestrebt sei - allerdings ohne Fassung in beiden Alternativen.

Der Vorteil, welchen das Fehlen einer Fassung am distalen Ende mit sich bringe, werde im Absatz [0047] erläutert. Der Ausdruck "auf eine Fassung (...) verzichtet werden kann" in diesem Absatz bedeute nicht, dass dieses Merkmal optional sei, sondern vielmehr, dass auf eine Fassung "verzichtet werde". Eine ähnliche Formulierung werde auch mehrmals in der Beschreibung für andere Merkmale verwendet, wie zum Beispiel für das Merkmal Befestigungshäkchen im Absatz [0074].

Da die Anmeldung keine unmittelbare und eindeutige Offenbarung eines Occlusionsinstrumentes mit einem geschlossenen distalen Ende mit einer Fassung enthalte, sei die Entscheidung T 66/85 im vorliegenden Fall nicht anwendbar. Vielmehr gelte, dass der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags wegen des Weglassens des Merkmals "ohne Fassung" über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehe und deshalb gegen Artikel 123(2) EPÜ verstoße.

Hilfsantrag 1 - Klarheit

Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 sei wegen des eingefügten Ausdrucks "ohne Fassung" unklar.

Diesen Einwand erhob die Beschwerdeführerin erstmals während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer. Sie erklärte, sie habe diesen Klarheitseinwand nicht früher erhoben, weil der Hauptantrag von der Kammer in ihrer vorläufigen Stellungnahme als gewährbar erachtet worden sei. Von dieser Auffassung sei die Kammer erst in der mündlichen Verhandlung abgerückt.

Hilfsantrag 1 - Anspruch 1 - Erfinderische Tätigkeit

D1 offenbare in Figuren 11a und 11b ein Occlusions-instrument (1100) bestehend aus einem selbst expandierbaren Geflecht, und umfassend einen scheibenförmigen proximalen Retentionsbereich (1120) zum Verschließen einer Öffnung des Herzohres, und einen hohlen Zwischen-Retentionsbereich (1200), welcher im Wesentlichen kugelförmig ("balloon-like"; Seite 19, Zeilen 28-29) ausgeformt sei.

Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 unterscheide sich davon nur durch einen distalen Retentionsbereich mit einem geschlossenen distalen Ende ohne Fassung, sowie durch einen distalen Mittenbereich angeordnet zwischen dem distalen Retentionsbereich und dem Zwischen-Retentionsbereich, wobei der distale Mittenbereich zylindrisch länglich sei und Flexibilität des distalen Retentionsbereiches zum Zwischen-Retentionsbereich bereitstelle.

Diese Unterscheidungsmerkmale lösten lediglich die technische Aufgabe, ein alternatives Design für das Occlusionsinstrument gemäß D1 bereitzustellen, oder allenfalls die Verankerung des Occlusionsinstrumentes in Herzohren verschiedener Tiefe und Morphologie zu verbessern.

Die Tatsache, dass Occlusionsinstrumente an die Morphologie von Herzohren unterschiedlicher Tiefen und Formen angepasst werden müssten, sei dem Fachmann bekannt, zum Beispiel aus D5-D8. In diesem Zusammenhang offenbare D2 in Figur 3 ein Occlusionsinstrument, das ebenfalls aus einem rohrförmigen Körper aus einem Geflecht bestehe und mit einem oder mehreren Flanschen versehen sei, um seine Verankerung im Herzohr zu unterstützen. D2 lehre ferner, dass sich der Körper stufenweise verengen konnte, um sich besser an die Verengung des Herzohrs anzupassen (Absätze [0005]-[0007]).

Die Lehre der D2 hätte den Fachmann daher dazu veranlasst, am distalen Ende des Occlusionsinstrumentes gemäß D1 ein oder mehrere rohrförmige Körpersegmente hinzuzufügen, die jeweils einen Flansch an ihrem distalen Ende aufwiesen. Auf dieser Weise hätte das resultierende Occlusionsinstrument vorteilhaft die durch den kugelförmigen Zwischen-Retentionsbereich erzielte kraftschlüssige Fixierung mit der durch die Flanschen erzielten zusätzlichen Verankerung kombiniert. In der Tat hätte der Fachmann jedoch die Flanschen nicht am kugelförmigen Zwischen-Retentionsbereich 1200 angebracht, weil dies die kraftschlüssige Fixierung mit der Innenwandung des Herzohrs beeinträchtigt hätte.

Darüber hinaus wiesen beide Occlusionsinstrumente gemäß D1 und D2 ein geschlossenes distales Ende ohne Fassung auf.

Somit hätte die Kombination von D1 mit D2 den Fachmann in naheliegender Weise zum Gegenstand von Anspruch 1 geführt. Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 beruhe somit nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Hilfsantrag 1 - Anspruch 31 - Neuheit und erfinderische Tätigkeit

Die Formulierung "Verfahren zur Herstellung" in Anspruch 31 bedeute lediglich, dass das beanspruchte Verfahren zur Herstellung der Vorrichtung geeignet sei. Dies sei der Fall für die in D1 und D3 offenbarten Verfahren (D1, Seite 19, Zeile 20 - Seite 20, Zeile 12; Seiten 22-23 und Figur 11a; D3, Spalte 3 ff.). Somit sei der Gegenstand von Anspruch 31 des Hilfsantrags 1 nicht neu gegenüber D1 und D3.

Außerdem beruhe der Gegenstand von Anspruch 31 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit gegenüber D1 und/oder D3 und/oder D4. Die aus diesen Dokumenten bekannten Occlusionsinstrumente würden nämlich alle aus einem verflochtenen Geflecht hergestellt, wie in Anspruch 31 definiert.

Selbst bei einer restriktiveren Auslegung der Formulierung "Verfahren zur Herstellung" sei der Gegenstand von Anspruch 31, ähnlich wie der Gegenstand von Anspruch 1, gegenüber der Kombination von D1 mit D2 nicht erfinderisch.

XI. Die von der Beschwerdegegnerin vorgebrachten, für die vorliegende Entscheidung relevanten Argumente lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Zulässigkeit der Beschwerde und Zulassung des Einwands unzulässiger Erweiterung des Gegenstands von Anspruch 1 des Hauptantrags

Die Beschwerdeführerin habe in der Beschwerdebegründung nicht ausreichend dargelegt, warum die angefochtene Entscheidung aufzuheben sei. Insbesondere habe sich die Beschwerdeführerin nicht hinreichend mit den Gründen befasst, aus denen die Einspruchsabteilung zu dem Schluss gekommen sei, dass Anspruch 1 des Hauptantrags nicht unzulässig erweitert worden sei. Zum Beispiel seien Absätze [0020] und [0047] in der Entscheidung erwähnt, aber in der Beschwerdebegründung nicht angesprochen worden. Die Beschwerde sei daher als unzulässig zu verwerfen, oder zumindest sei der Einwand wegen unzulässiger Erweiterung ins Verfahren nicht zuzulassen.

Zulassung der Dokumente D9a und D9b

Die Beschwerdeführerin habe die Einführung von D9a und D9b in das Beschwerdeverfahren nicht ausreichend begründet. Erstens gebe es Zweifel, ob die Ansprüche in D9a tatsächlich denen des angefochtenen Patents entsprächen. Zweitens beträfen diese Dokumente ein Verfahren vor einer anderen Behörde als dem EPA, das andere Rechtsnormen anwende. Es sei deswegen unklar, welchen Einfluss D9a und D9b auf das vorliegende Beschwerdeverfahren haben könnten. Somit sollten diese Dokumente nicht zugelassen werden.

Hauptantrag - Unzulässige Erweiterung

Es sei unerheblich, dass das weggelassene Merkmal "ohne Fassung" in dem ursprünglich eingereichten Anspruch 1 definiert würde. Entscheidend sei, dass das Weglassen dieses Merkmals zu keinem Gegenstand führe, der über den Inhalt der gesamten Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehe.

Aus dem Wortlaut der Absätze [0020] bzw. [0047]-[0048] der ursprünglich eingereichten Beschreibung in der veröffentlichen Fassung ("in der bevorzugten Form" bzw. "auf eine Fassung (...) verzichtet werden kann") gehe implizit hervor, dass in anderen - zwar weniger bevorzugten - Ausführungsformen der Erfindung das distale Ende auch mit einer Fassung verschlossen sein könne. In dieser Hinsicht offenbare die Anmeldung entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin kein Occlusionsinstrument mit einem offenen distalen Ende. Das Occlusionsinstrument gemäß Figur 18 und Absatz [0023] sei in der Tat aus einem trichterförmigen Geflecht hergestellt und daher mit einem geschlossenen distalen Ende vorgesehen.

Außerdem offenbare die Anmeldung im Absatz [0078], letzter Zeile, dass das erfindungsgemäße Occlusions-instrument ebenfalls mittels anderer, nicht weiter detaillierter Herstellungsverfahren hergestellt werden könnte. Diese Offenbarung sollte insbesondere in Kombination mit der Offenbarung in der Anmeldung anderer Occlusionsinstrumente, dessen distale Ende mit einer Fassung geschlossen sei, wie zum Beispiel die "Amplatzer" Occlusionsinstrumente im Absatz [0009], gelesen werden. Daraus gehe hervor, dass das erfindungsgemäße Occlusionsinstrument selbst auch ein distales Ende mit einer Fassung aufweisen könnte.

Da die Anmeldung die Möglichkeit einer Fassung am distalen Ende offenbare, stelle das Weglassen des Merkmals "ohne Fassung" in Anspruch 1 keine unzulässige Erweiterung des Gegenstandes gemäß T 66/85, Leitsatz I, dar. Somit seien die Erfordernisse von Artikel 123(2) EPÜ erfüllt.

Hilfsantrag 1 - Klarheit

Der Klarheitseinwand gegen den Hilfsantrag 1 würde zum ersten Mal in der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer erhoben. Die Beschwerdeführerin habe keine außergewöhnlichen Umstände geltend gemacht, die es rechtfertigen würden, diesen erst in einem so späten Stadium des Beschwerdeverfahrens erhobenen Einwand zuzulassen. Daher sollte dieser Klarheitseinwand unberücksichtigt bleiben.

Hilfsantrag 1 - Anspruch 1 - Erfinderische Tätigkeit

Der Einwand wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit der Beschwerdeführerin beruhe auf einer rückschauenden Betrachtungsweise.

Erstens sei die Struktur 1200 des Occlusions-instrumentes gemäß Figuren 11a und 11b von D1 nicht "kugelförmig". Zweitens würde der Fachmann, auch wenn er die Lehre des Dokuments D2 bei dem Occlusions-instrument gemäß D1 anwenden würde, einfach Flansche entlang der gesamten Struktur 1200 bilden, und nicht auf zusätzlichen Körpersegmenten an deren distalen Ende. Somit hätte die resultierende Vorrichtung, auch unter der bestrittenen Annahme, dass die Struktur 1200 kugelförmig wäre, sowieso keinen Zwischen-Retentionsbereich, der selbst im Wesentlichen kugelförmig wäre, gleichzeitig mit einem distalen Mittenbereich zwischen dem Zwischen-Retentionsbereich und einem distalen Retentionsbereich, der zylindrisch länglich wäre, wie von Anspruch 1 verlangt.

Ohne Vorkenntnisse der Erfindung des Streitpatents würde der Fachmann somit nicht in naheliegender Weise zu dem Gegenstand von Anspruch 1 gelangen. Zumindest aus diesem Grund beruhe der Gegenstand von Anspruch 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Hilfsantrag 1 - Anspruch 31 - Neuheit und erfinderische Tätigkeit

Die Formulierung "Verfahren zur Herstellung eines Occlusionsinstrumentes gemäß einem der vorhergehenden Ansprüche" in Anspruch 31 erfordere, dass das Verfahren tatsächlich zu einem der beanspruchten Occlusions-instrumente führe, und nicht lediglich, dass das Verfahren dazu geeignet sei.

Weder D1 noch D3 offenbarten ein Occlusionsinstrument gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 oder legten ein solches nahe. Die Beschwerdeführerin habe auch keine Argumente vorgebracht, dass dies für D4 den Fall sei.

Daher sei der Gegenstand von Anspruch 31 neu und erfinderisch gegenüber dem von der Beschwerdeführerin angeführten Stand der Technik.

Entscheidungsgründe

1. Die Erfindung des Streitpatents

1.1 Herzohren sind kleine Ausstülpungen an der Muskelwand der Vorhöfe des menschlichen Herzens. Das linke Herzohr, das im linken Vorhof neben der großen Lungenarterie liegt, ist bei Patienten mit Vorhof-flimmern ein häufiger Entstehungsort für Thromben, welche zu einem Schlaganfall führen können, wenn sie mit dem Blutstrom mitgerissen werden (Absatz [0005] des Streitpatents).

1.2 Das Streitpatent betrifft ein Occlusionsinstrument, mit dem ein Herzohr verschlossen werden kann, um das Risiko eines Schlaganfalls zu reduzieren (Anspruch 1), sowie ein Verfahren zur Herstellung eines solchen Occlusions-instrumentes (Anspruch 31).

1.3 Ein Beispiel für ein erfindungsgemäßes Occlusions-instrument (150) ist in den nachstehend wiedergegebenen Figuren 15 und 16 dargestellt:

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

Wie in Anspruch 1 definiert, besteht dieses Occlusions-instrument (150) aus einem selbst expandierbaren Geflecht aus mindestens einem Draht oder Faden und hat mittels eines Umformungs- und/oder Wärmebehandlungs-verfahrens eine spezifische Formgebung zur sicheren Verankerung in einem Herzohr (10) erhalten.

Insbesondere umfasst es die folgenden Bereiche:

a) einen scheibenförmigen proximalen Retentionsbereich (2) an einem proximalen Ende (20) des Occlusions-instrumentes zum Verschließen einer Öffnung des Herzohres,

b) einen Zwischen-Retentionsbereich (153), welcher im Wesentlichen kugelförmig, hohl ausgeformt ist,

c) einen distalen Retentionsbereich (3), sowie

d) einen distalen Mittenbereich (155) angeordnet zwischen dem distalen Retentionsbereich (3) und dem Zwischen-Retentionsbereich (153), der zylindrisch länglich ist und Flexibilität zum Zwischen-Retentionsbereich (153) bereitstellt, und

e) einen proximalen Mittenbereich (5) zwischen dem proximalen Retentionsbereich (2) und dem Zwischen-Retentionsbereich (153).

Aufgrund seiner Kugelform liegt der Zwischen-Retentionsbereich (153) mit einer relativ großen Oberfläche kraftschlüssig an der Innenwandung (13) des Herzohres an (Absatz [0036]). Dadurch wird das Occlusionsinstrument im Herzohr sicher und dauerhaft befestigt, ohne dass Befestigungshäkchen oder andere Verankerungsmittel benötigt werden, welche angesichts der dünnwandigen Ausgestaltung des umgebenden Gewebes problematisch wären (Absatz [0065]).

Gemäß Absatz [0021] des Patents weist der distale Retentionsbereich (3) in der bevorzugten Form ein geschlossenes Ende (21) ohne Fassung für die Ende der Drähte bzw. Fäden des Geflechts auf. Somit ragt keine Komponente des Occlusionsinstrumentes in das Herzohr weiter hinein, sodass das Risiko für Abwehrreaktionen des Körpers oder andere möglichen Komplikationen gering ist (Absatz [0038]).

2. Zulässigkeit der Beschwerde und Zulassung des Einwands unzulässiger Erweiterung des Gegenstands von Anspruch 1 des Hauptantrags

Im Punkt 2.1 ihrer Beschwerdebegründung hat die Beschwerdeführerin dargelegt, warum ihrer Auffassung nach die Schlussfolgerung der Einspruchsabteilung bezüglich des Einspruchsgrundes nach Artikel 100(c) EPÜ (Punkt 5 der angefochtenen Entscheidung) unzutreffend sei. Insbesondere sei aus der Tatsache, dass das Merkmal "ohne Fassung" in dem ursprünglich eingereichten unabhängigen Anspruch 1 definiert wurde, zu schließen, dass dieses Merkmal für die Erfindung wesentlich und daher unerlässlich sei. Hätte die Einspruchsabteilung dies berücksichtigt, wäre sie zu dem Ergebnis gekommen, dass das Patent nicht wie erteilt aufrechterhalten werden konnte, und sie hätte den Einspruch nicht zurückgewiesen.

Unabhängig davon, ob dem zu folgen ist, ist diese Argumentation nach Auffassung der Kammer ausreichend substanziiert, sodass die Erfordernisse von Artikel 108 EPÜ zusammen mit Regel 99(2) EPÜ erfüllt sind und die Beschwerde somit zulässig ist. Aus demselben Grund entschied die Kammer, den Einwand unter Artikel 100(c) EPÜ in das Beschwerdeverfahren zuzulassen.

Die Tatsache, dass die Beschwerdeführerin in der Beschwerdebegründung nicht spezifisch auf die in der angefochtenen Entscheidung erwähnten Absätze [0020] und [0047] der ursprünglich eingereichten Beschreibung eingegangen ist, macht die Beschwerdebegründung nicht unzureichend substanziiert und ist somit unerheblich.

3. Zulassung der Dokumente D9a und D9b

3.1 Die Dokumente D9a und D9b wurden von der Beschwerde-führerin erst mit der Beschwerdebegründung eingereicht. Die Beschwerdegegnerin wendet sich gegen ihre Zulassung in das Beschwerdeverfahren.

3.2 Gemäß Artikel 12(4) VOBK 2007, der im vorliegenden Fall aufgrund der Übergangsbestimmungen von Artikel 25(2) VOBK 2020 anzuwenden ist, wird das Vorbringen einer Beteiligten im Beschwerdeverfahren nur soweit berücksichtigt, als es sich auf die Beschwerdesache bezieht und die Erfordernisse nach Artikel 12(2) VOBK 2007 erfüllt.

3.3 D9a und D9b wurden von der Beschwerdeführerin lediglich eingereicht, um zu belegen, dass ein angeblich ähnlicher Neuheitseinwand von einem USPTO-Prüfer gegen einen Verfahrensanspruch einer angeblich ähnlichen US-Patentanmeldung (D9a) erhoben wurde.

Die Beschwerdeführerin hat jedoch diese Dokumente in der Beschwerdebegründung (Punkt 3.2.2 der Beschwerdebegründung) nur allgemein angeführt, ohne konkrete Passagen oder Zahlen zu nennen. Sie hat auch keine detaillierten Argumente vorgebracht, die der Kammer und der Beschwerdegegnerin ohne eigene Ermittlungen eine Beurteilung der Relevanz dieser Dokumente ermöglichen würden. Somit wird das in Artikel 12(2) VOBK 2007 verankerte Erfordernis nicht erfüllt, wonach "ausdrücklich und spezifisch alle Tatsachen, Argumente und Beweismittel" in der Beschwerdebegründung anzuführen sind.

Darüber hinaus weist die Kammer darauf hin, dass Entscheidungen nationaler Instanzen keine Bindungswirkung für die Beschwerdekammern des EPA haben.

3.4 Aus diesen Gründen beschloss die Kammer, die Dokumente D9a und D9b gemäß Artikel 12(4) VOBK 2007 nicht zu berücksichtigen.

4. Hauptantrag - Unzulässige Erweiterung

4.1 Während Anspruch 1 in der ursprünglich eingereichten Fassung definiert, dass das Occlusionsinstrument "ein geschlossenes distales Ende ohne Fassung" aufweist, wurde der Ausdruck "ohne Fassung" in Anspruch 1 des Hauptantrags weggelassen. Die Beschwerdeführerin vertritt die Auffassung, dass es in der gesamten ursprünglich eingereichten Anmeldung keine unmittelbare und eindeutige Offenbarung eines Occlusionsinstrumentes mit einem geschlossenen distalen Ende gebe, das anders als "ohne Fassung" geschlossen sei. Somit seien die Erfordernisse von Artikel 123(2) EPÜ durch Anspruch 1 des Hauptantrags nicht erfüllt.

4.2 Die Beschwerdegegnerin hat dem zunächst entgegen-gehalten, dass der Fachmann aus dem Wortlaut der Absätze [0020] ("in der bevorzugten Form ein geschlossenes Ende ohne Fassung"; Hervorhebung durch die Kammer), [0047] ("am distalen Retentionsbereich auf eine Fassung (...) verzichtet werden kann") und [0048] ("auf jegliche Fassungen verzichtet werden kann") ableiten würde, dass in anderen Ausführungsformen das distale Ende ebenso geschlossen mit einer Fassung sein könne.

Dieses Argument überzeugt die Kammer nicht.

Wie von der Beschwerdeführerin vorgebracht, bezieht sich die Formulierung "verzichtet werden kann" im Kontext des Streitpatents nicht auf ein optionales Merkmal, sondern vielmehr darauf, dass es auf dieses Merkmal tatsächlich verzichtet wird. Dies betrifft zum Beispiel die Befestigungshäckchen, die im Absatz [0074] mit derselben Formulierung eingeführt werden, jedoch in dem erfindungsgemäßen Occlusionsinstrument unstrittig nicht vorgesehen sind. Die gleiche Auslegung der Formulierung "verzichtet werden kann" gilt auch für die distale Fassung gemäß Absätzen [0047] und [0048].

Darüber hinaus leitet der Fachmann aus dem letzten Satz des Absatzes [0020] lediglich ab, dass das Occlusions-instrument in der bevorzugten Form ein geschlossenes distales Ende ohne Fassung aufweist. Entgegen der Ansicht der Beschwerdegegnerin stellt dieser Satz aber keine unmittelbare und eindeutige Offenbarung dafür dar, dass in anderen Ausführungsformen das distale Ende geschlossen ist und mit einer Fassung vorgesehen ist. In dieser Hinsicht ist irrelevant, ob das Occlusions-instrument gemäß Figur 18, das keine distale Fassung besitzt, ein geschlossenes oder offenes distales Ende aufweist.

4.3 Das weitere Gegenargument der Beschwerdeführerin betrifft die Offenbarung im Absatz [0078] zusammen mit anderen Passagen der Beschreibung, wonach andere Herstellungsverfahren auch denkbar seien, um das erfindungsgemäße Occlusionsinstrument herzustellen.

Auch dort findet die Kammer keine unmittelbare und eindeutige Offenbarung dafür, dass diese möglichen, jedoch nicht detailliert beschriebenen Herstellungs-verfahren zu einem Occlusionsinstrument mit einem geschlossenen distalen Ende mit einer Fassung führen würden. In Absatz [0078] wird nämlich nicht auf die Herstellungsverfahren Bezug genommen, mit denen die im Stand der Technik schon bekannten Occlusions-instrumente, die im Teil "Hintergrund der Erfindung" erwähnt sind, hergestellt werden.

4.4 Wie von der Beschwerdeführerin vorgebracht, ist eine solche Offenbarung in der ursprünglich eingereichten Anmeldung auch im Übrigen nicht zu finden. Auch dort werden nur Occlusionsinstrumente ohne distale Fassung beschrieben und dargelegt.

4.5 Gemäß dem ersten Leitsatz von T 66/85, auf den sich die Beschwerdegegnerin bezog, verstößt das Streichen eines technischen Merkmals aus einem Anspruch im Verfahren zu einer europäischen Patentanmeldung nicht gegen Artikel 123(2) EPÜ, wenn ein dieses Merkmal nicht enthaltender Anspruch von der ursprünglich eingereichten Fassung der Anmeldung gestützt wird.

Da, wie oben diskutiert, die ursprünglich eingereichte Anmeldung keine unmittelbare und eindeutige Offenbarung eines Occlusionsinstrumentes mit einem geschlossenen distalen Ende mit einer Fassung enthält, gilt diese Schlussfolgerung, entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin, nicht für den vorliegenden Fall.

4.6 Die Kammer sieht daher im Weglassens des Merkmals "ohne Fassung" in Anspruch 1 des Hauptantrags eine unzulässige Erweiterung gegenüber der ursprünglich eingereichten Fassung und damit einen Verstoß gegen Artikel 123(2) EPÜ.

5. Hilfsantrag 1 - Unzulässige Erweiterung

Durch das Einfügen des Ausdrucks "ohne Fassung" wird in Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 ausdrücklich definiert, dass das Occlusionsinstrument ein geschlossenes distales Ende ohne Fassung aufweist.

Mit dieser Änderung wird der Einwand unter Artikel 123(2) EPÜ, der im Punkt 4. oben gegen Anspruch 1 des Hauptantrags erhoben wurde, eindeutig ausgeräumt. Dies wurde von der Beschwerdeführerin nicht bestritten.

6. Hilfsantrag 1 - Klarheit

6.1 Während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer erhob die Beschwerdeführerin zum ersten Mal im Beschwerde-verfahren Einwand, der eingefügte Ausdruck "ohne Fassung" - und somit der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 - sei unklar.

6.2 Es ist unstrittig, dass dieser Einwand eine Änderung des Beschwerdevorbringens der Beschwerdeführerin darstellt. Ihre Zulassung unterliegt somit Artikel 13(2) VOBK 2020, wonach eine Änderung des Beschwerde-vorbringens eines Beteiligten nach Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung grundsätzlich unberücksichtigt bleibt, es sei denn, der betreffende Beteiligte hat stichhaltige Gründe dafür aufgezeigt, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen.

6.3 Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin keine außergewöhnlichen Umstände geltend gemacht, die es rechtfertigen würden, diesen erst in einem so späten Stadium des Beschwerdeverfahrens erhobenen Einwand zuzulassen. Hilfsantrag 1 wurde nämlich schon mit der Erwiderung auf die Beschwerde vorgelegt. Die Tatsache, dass die Kammer in ihrer vorläufigen Stellungnahme die vorläufige Auffassung vertreten hatte, dass der Hauptantrag keinen unzulässig erweiterten Gegenstand enthalte, hinderte die Beschwerdeführerin nicht daran, alle ihre Einwände, insbesondere gegen den Hilfsantrag 1, so früh und vollständig wie möglich vorzubringen.

Daher beschloss die Kammer, diesen Klarheitseinwand nicht zu berücksichtigen.

7. Hilfsantrag 1 - Anspruch 1 - Neuheit und erfinderische Tätigkeit

7.1 Es ist unstrittig, dass D1 in den nachstehend wiedergegebenen Figuren 11a und 11b die folgenden Merkmale von Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 offenbart:

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

ein Occlusionsinstrument (1100; Seite 23, Zeilen 11-20, Figuren 11a-11b) aus einem Geflecht aus mindestens einem Draht oder Faden ("wire braid device structures"), wobei das Occlusionsinstrument mit einem Umformungs- und/oder Wärmebehandlungsverfahren eine geeignete Formgebung erhalten hat, selbst expandierbar ist, und zur sicheren Verankerung in einem Herzohr (910) des linken oder rechten Vorhofes eines Herzens konfiguriert ist, umfassend

- einen scheibenförmigen proximalen Retentionsbereich ("proximal cover" 1120) an einem proximalen Ende des Occlusionsinstrumentes zum Verschließen einer Öffnung des Herzohres (Seite 23, Zeilen 16-18),

- einen Zwischen-Retentionsbereich ("wire braid structure" 1200) des Occlusionsinstrumentes, welcher hohl ausgeformt ist, und

- einen proximalen Mittenbereich ("band" 810) zwischen dem proximalen Retentionsbereich (1120) und dem genannten Zwischen-Retentionsbereich (1200).

7.2 Die Beteiligten streiten über die Frage, ob die Struktur 1200 "im wesentlich kugelförmig" ist.

D1 offenbart, dass die Struktur 1200 "ballonartig zylindrisch" ist ("balloon-like cylindrical"; Seite 19, Zeilen 28-29). Die Kammer teilt die Auffassung der Beschwerdeführerin, dass eine solche Form unter den Begriff "kugelförmig" fällt, denn dieser ist im Kontext des Streitpatents in der Tat weit auszulegen. Wie von der Beschwerdeführerin vorgebracht, wird eine weite Auslegung durch die Abbildungen des Streitpatents bestätigt, die durchweg "kugelförmige" Bereiche als verformte Sphäroide darstellen (siehe Abbildungen 1, 2, 3, 5 und 6), zu denen die Struktur 1200 ähnlich ist. Außerdem enthalten sowie das Streitpatent als auch D1 die gleiche funktionale Definition einer "Kugelform" mit Bezug auf die innere Morphologie eines Herzohres, indem beide erklären, dass die Kugelform dem Occlusionsinstrument ermöglicht, mit einer relativ großen Oberfläche kraftschlüssig an der Innenwandung des Herzohres anzuliegen (Absatz [0036] des Streitpatents; Seite 19, Zeile 31 - Seite 20, Zeile 2 von D1).

7.3 Unstrittig ist auch, dass sich der Gegenstand von Anspruch 1 von dem Occlusionsinstrument gemäß D1 unterscheidet durch

einen distalen Retentionsbereich, sowie einen distalen Mittenbereich angeordnet zwischen dem distalen Retentionsbereich und dem Zwischen-Retentionsbereich,

wobei der distale Mittenbereich des Occlusionsinstrumentes zylindrisch länglich ist und Flexibilität des distalen Retentionsbereiches zum Zwischen-Retentionsbereich bereitstellt,

wobei das Occlusionsinstrument ein geschlossenes distales Ende ohne Fassung aufweist.

Der Gegenstand von Anspruch 1 ist daher neu.

7.4 Die Beschwerdeführerin hat vorgebracht, dass der Fachmann, angeregt durch die nachstehend wiedergegebene Figur 3 von D2, motiviert gewesen wäre, der Struktur 1200 unter Beibehaltung deren Geometrie - "kugel-förmigen" wie im Punkt 7.2 oben diskutiert - ein oder mehrere distale rohrförmige Körpersegmente hinzuzufügen, die jeweils einen Flansch an ihrem distalen Ende aufweisen würden. Dadurch würde der Fachmann ohne erfinderisches Zutun zum Gegenstand von Anspruch 1 gelangen.

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

7.5 Diese Argumentation überzeugt die Kammer nicht.

Es ist richtig, dass gemäß D2 der rohrförmige Körper 120 des Occlusionsinstrumentes 110 sich stufenweise verengen kann, statt wie auf Figur 3 dargestellt konisch zu sein (Seite 10, Zeile 31).

Ohne Vorkenntnisse der Erfindung des Streitpatents würde der Fachmann jedoch das Occlusionsinstrument 110 nicht als eine Reihe von mehreren getrennten, nebeneinander liegenden Rohrsegmenten betrachten, die jeweils einen Flansch tragen. Vielmehr erkennt der Fachmann, dass der rohrförmige Körper 120 - inklusive seine Flansche - wie die Struktur 1200 in D19 integral aus einem einzigen Geflecht ausgebildet ist.

Auch wenn der Fachmann, wie von der Beschwerdeführerin argumentiert, die Lehre von D2 auf die Struktur 1200 anwenden und diese Struktur mit Flanschen ausstatten würde, würde er aus dem obigen Grund allenfalls die Flansche entlang der gesamten Struktur 1200 bilden, und nicht zusätzliche Körpersegmenten, jeweils mit einem Flansch, an deren distalen Ende hinzufügen. Das resultierende Occlusionsinstrument hätte somit keinen Zwischen-Retentionsbereich, der selbst im Wesentlichen kugelförmig wäre, gleichzeitig mit einem distalen Mittenbereich zwischen dem Zwischen-Retentionsbereich und einem distalen Retentionsbereich, der zylindrisch länglich wäre, wie von Anspruch 1 verlangt.

Zumindest aus diesem Grund würde der Fachmann nicht in naheliegender Weise zu dem Gegenstand von Anspruch 1 gelangen. Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

8. Hilfsantrag 1 - Anspruch 31 - Neuheit und erfinderische Tätigkeit

8.1 Der unabhängige Anspruch 31 des Hilfsantrags 1 bezieht sich auf ein "Verfahren zur Herstellung eines Occlusionsinstrumentes gemäß einem der vorhergehenden Ansprüche", insbesondere gemäß Anspruch 1.

Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin erfordert die Formulierung "Verfahren zur Herstellung einer Vorrichtung" nicht nur, dass das beanspruchte Verfahren zur Herstellung dieser Vorrichtung geeignet ist. Vielmehr ist die Tatsache, dass das Verfahren zu dieser Vorrichtung führt, als integraler Verfahrens-schritt zu betrachten.

8.2 Aus dem Punkt 7. oben ergibt sich, dass der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 gegenüber D1 neu ist und, auch unter Berücksichtigung von D2, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

Die Beschwerdeführerin hat auch nicht vorgetragen, dass D3 oder D4 den Gegenstand von Anspruch 1 vorwegnehmen oder nahelegen würden. Die Kammer sieht auch keinen Grund, warum dies der Fall sein sollte.

Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass der Gegenstand von Anspruch 31 gegenüber dem von der Beschwerdeführerin angeführten Stand der Technik neu ist und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

9. Daher steht keiner der von der Beschwerdeführerin erhobenen und im Verfahren zugelassenen Einwände der Aufrechterhaltung des Streitpatents in geänderter Fassung auf der Grundlage des Hilfsantrags 1 entgegen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung mit

der Anordnung zurückverwiesen, das Patent in der

folgenden Fassung aufrechtzuerhalten:

- Ansprüche 1 bis 34 des Hilfsantrags 1, eingereicht

mit der Beschwerdeerwiderung vom 10. März 2017,

- Beschreibung und Zeichnungen der Patentschrift.

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