T 0287/84 (Wiedereinsetzung) of 11.6.1985

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1985:T028784.19850611
Datum der Entscheidung: 11 Juni 1985
Aktenzeichen: T 0287/84
Anmeldenummer: 81304608.3
IPC-Klasse: B01D 13/04
Verfahrenssprache: EN
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Fassungen: OJ
Bezeichnung der Anmeldung: -
Name des Anmelders: Brunswick
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.4.01
Leitsatz: 1. Ein Antrag auf Wiedereisetzung entspricht der Forderung des Artikels 122(3) EPÜ, dass die zur Begründung des Antrags dienenden Tatsachen glaubhaft zu machen sind, wenn der ursprünglich eingereichte schriftliche Antrag diese Tatsachen zwar nicht enthält, aber im Zusammenhang mit einem anderen, sie enthaltenden Schriftstück gesehen werden kann, das vor Ablauf der Antragsfrist eingreicht worden ist.
2. Bei der Beurteilung der Frage, ob "alle nach den gegebenen Umständen gebotene Sorgfalt" beachtet worden ist, ist das Wort "alle" wichtig; ausserdem sind für die Zwecke des Artikels 122(1) EPÜ die Umstände des Einzelfalls in ihrer Gesamheit zu würdigen.
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 122
Schlagwörter: Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
Alle gebotene Sorgfalt
Sorgfalt/alle gebotene
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
J 0008/95
J 0022/97
J 0018/98
J 0007/99
J 0010/99
J 0017/03
J 0001/07
J 0002/07
J 0003/07
J 0013/07
J 0008/09
J 0003/13
J 0005/13
J 0023/14
J 0014/16
J 0014/21
J 0006/22
T 0112/89
T 0248/91
T 0489/93
T 0903/94
T 0338/98
T 0585/08
T 1201/10
T 0578/14
T 1214/20
T 1513/21

Sachverhalt und Anträge

I. Die europäische Patentanmeldung Nr. 81 304 608.3 (Veröffentlichungsnummer 0 056 512) wurde mit Entscheidung der Prüfungsabteilung des Europäischen Patentamts vom 19. Juli 1984 zurückgewiesen.

II. Mit einem ordnungsgemäß schriftlich bestätigten Fernschreiben vom 17. September 1984 legte einer der von der Anmelderin bestellten zugelassenen Vertreter gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung Beschwerde ein. Weder in dem Fernschreiben noch in dem Bestätigungsschreiben wurde die Zahlung der Beschwerdegebühr erwähnt, und sie war zu diesem Zeitpunkt auch nicht entrichtet worden.

III. In einem ordnungsgemäß schriftlich bestätigten Fernschreiben vom 16. November 1984 wurde dem Amt mitgeteilt, daß die Anmelderin die am 17. September 1984 fernschriftlich eingelegte Beschwerde nicht aufrechterhalten wolle, sondern geänderte Ansprüche vorzulegen wünsche, die die in der Entscheidung der Prüfungsabteilung beanstandeten Mängel nicht aufwiesen. Die neuen Ansprüche und einige andere Änderungen waren in dem Fernschreiben aufgeführt.

IV. In einem zweiten Fernschreiben vom 16. November 1984, das ebenfalls ordnungsgemäß schriftlich bestätigt wurde, beantragte der Vertreter die "Wiederherstellung der Anmeldung" mit der Erklärung, er habe soeben festgestellt, daß die Beschwerdegebühr "wegen eines bedauerlichen Mißverständnisses in der Kanzlei" nicht "bis zum Ablauf der Beschwerdefrist am 19. September 1984" gezahlt worden sei. Auf das angebliche Mißverständnis wurde jedoch nicht näher eingegangen. Die Wiedereinsetzungsgebühr wurde zwar ordnungsgemäß entrichtet; die Beschwerdegebühr stand jedoch noch immer aus.

V. Sie wurde erst gezahlt, als ein Geschäftsstellenbeamter der Beschwerdekammern auf Anweisung der Kammer den betreffenden Vertreter am 19. Dezember 1984 telefonisch auf die Erfordernisse des Artikels 122 EPÜ hinwies;

dort heißt es, daß die "versäumte Handlung"

- hier die Zahlung der Beschwerdegebühr

- innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall des Hindernisses nachgeholt werden muß (Art. 122(2) Satz 2 EPÜ) und in dem Antrag auf Wiedereinsetzung die zur Begründung dienenden Tatsachen glaubhaft gemacht werden müssen (Art. 122(3) Satz 1 EPÜ).

VI. Auf den Anruf hin veranlaßte der Vertreter die Zahlung der Beschwerdegebühr und teilte dem Europäischen Patentamt am selben Tag schriftlich mit, daß er die Gebühr zwar entrichtet habe, gleichzeitig aber ihre spätere Rückzahlung beantrage, da die Anmelderin die Beschwerde nicht weiterverfolge. Er erläuterte ferner die Umstände im Zusammenhang mit der Nichtzahlung der "am 19. September 1984 fälligen" Beschwerdegebühr.

VII. In dem Schreiben hieß es, seine Kanzlei habe am 13. September 1984 fernschriftlich die Anweisung zur Einlegung einer Beschwerde erhalten. Er selbst sei zu diesem Zeitpunkt geschäftlich unterwegs gewesen und erst am Montag, den 17. September 1984 in die Kanzlei zurückgekehrt. Nach seiner Rückkehr habe er seine Sekretärin angewiesen, beim Europäischen Patentamt fernschriftlich Beschwerde einzulegen und die Zahlung der Beschwerdegebühr bei der Buchhaltungsabteilung seiner Firma zu veranlassen. Seine Sekretärin habe ihn jedoch so verstanden, daß er der Buchhaltungsabteilung selbst die erforderlichen Anweisungen geben wollte. Am selben Tag sei er telefonisch davon unterrichtet worden, daß sein Vater im Krankenhaus gestorben sei. Er habe sich daher sofort um seine Familienangelegenheiten kümmern müssen und nicht mehr überprüfen können, ob seinen Anweisungen Folge geleistet worden sei. Sowohl seine Sekretärin als auch er selbst hätten jeweils vom anderen angenommen, er habe der Buchhaltungsabteilung die erforderlichen Anweisungen gegeben; erst zwei Monate später sei entdeckt worden, daß die Gebühren nicht gezahlt worden seien.

VIII. In einem Bescheid vom 14. Januar 1985 wies die Kammer den Vertreter auf folgendes hin:

1. Der letzte Tag zur Einlegung der Beschwerde und Entrichtung der Beschwerdegebühr gemäß Artikel 108 EPÜ sei bei Anwendung der "10-Tage-Regel" (R. 78 (3) EPÜ) der 29. und nicht der 19. September 1984 gewesen.

2. Dem Antrag auf Wiedereinsetzung könne nur dann stattgegeben werden, wenn die Erfordernisse des Artikels 122 EPÜ erfüllt seien. So müsse der Vertreter der Kammer gegenüber insbesondere glaubhaft machen, daß er trotz Beachtung aller nach den gegebenen Umständen gebotenen Sorgfalt verhindert gewesen sei, die Frist einzuhalten. Im vorliegenden Fall sei die Anweisung zur Zahlung der Beschwerdegebühr offensichtlich überstürzt und nur mündlich gegeben worden; ferner habe es in der Kanzlei des Vertreters anscheinend kein System zur Überwachung der Gebührenzahlungen gegeben. Es sei der Kammer unverständlich, weshalb das angebliche Mißverständnis nicht vor Ablauf der normalen Zahlungsfrist entdeckt und die Zahlung nachgeholt worden sei. Auch gebe es keine Erklärung dafür, weshalb das Versehen zwei Monate später doch noch entdeckt worden sei.

3. In dem ursprünglichen Antrag auf Wiedereinsetzung sei nur von einem "Mißverständnis" die Rede gewesen. Diese Angabe reiche nicht aus, um die zur Begründung dienenden Tatsachen im Sinne des Artikels 122(3) EPÜ glaubhaft zu machen.

4. Die am. 16. November 1984 eingereichten Änderungen zu der europäischen Patentanmeldung könnten nicht berücksichtigt werden, es sei denn, die Anmelderin werde wieder in die verlorenen Rechte eingesetzt und die Beschwerde für zulässig erachtet.

5. Da keine Beschwerde vorliege, werde die Beschwerdegebühr zurückgezahlt, falls der Antrag auf Wiedereinsetzung abgelehnt werde. Andernfalls werde die Beschwerdegebühr nur zurückgezahlt, wenn nach Regel 67 EPÜ die Voraussetzung hierfür erfüllt sei.

IX. Der Vertreter erwiderte mit Schreiben vom 11. Februar 1985 auf den Bescheid.

1. Zu dem Punkt der "gebotenen Sorgfalt" führte er aus: In einem Fall wie dem vorliegenden sei es in seiner Kanzlei Aufgabe des Vertreters oder seines Assistenten, die Buchhaltung zur Ausfertigung eines Gebührenbeleges anzuweisen; eine gestempelte Kopie des von der Bank des EPA an die Kanzlei zurückgesandten Gebührenbeleges werde dann als Zahlungsnachweis in der betreffenden Akte aufbewahrt. Dieses System funktioniere sehr gut. Seine Kanzlei habe seit April 1979 an die 830 europäische Patentanmeldungen bearbeitet; seines Wissens sei dies der erste Fall, in dem einer der Anwälte der Firma wegen eines in der Kanzlei unterlaufenen Versehens eine Wiedereinsetzung habe beantragen müssen. Damit sei nachgewiesen, daß die "gebotene Sorgfalt" aufgewandt worden sei und nur ein entschuldbares menschliches Versagen des Vertreters vorliege.

2. Im vorliegenden Fall sei das Versehen zwei Monate lang nicht entdeckt worden, weil sich der Vertreter mit der Akte erst dann wieder habe befassen müssen, als er Anweisungen zu der Beschwerdesache erhalten habe.

3. Was die Erfüllung des Artikels 122(3) EPÜ angehe, so sei sein Schreiben vom 19. Dezember 1984 eigentlich im Zusammenhang mit seinem ursprünglichen Fernschreiben vom 16. November 1984 zu sehen, da es in der Frist liege, innerhalb deren eine Wiedereinsetzung beantragt werden könne.

4. Es sei ihm bekannt, daß in einem nicht veröffentlichten Fall, in dem amerikanischen Patentanwälten zu einer europäischen Patentanmeldung anscheinend eine Reihe von Verfahrensfehlern unterlaufen sei, einem Wiedereinsetzungsantrag von der Zweigstelle des EPA in Den Haag stattgegeben worden sei. Was damals möglich gewesen sei, sollte auch im vorliegenden Fall zugelassen werden. Der Vertreter beantragte schließlich, daß vor einer Zurückweisung des vorliegenden Antrags eine mündliche Verhandlung durchgeführt wird.

X. Die Kammer lud zu einer mündlichen Verhandlung vor. In einem Begleitschreiben gab sie zu verstehen, daß Artikel 122(3) EPÜ vielleicht als hinreichend erfüllt gelten könne, wenn das Schreiben vom 19. Dezember 1984 im Zusammenhang mit dem fernschriftlichen Wiedereinsetzungsantrag gesehen werde; die Kammer sei jedoch keineswegs davon überzeugt, daß "alle nach den gegebenen Umständen gebotene Sorgfalt" aufgewandt worden sei. Der genannte unveröffentlichte Fall biete ihres Erachtens keine Grundlage dafür, den Wiedereinsetzungsantrag auch im vorliegenden Fall zuzulassen.

XI. Die mündliche Verhandlung fand am 11. Juni 1985 statt. Die Anmelderin beantragte dabei die Wiedereinsetzung in die Frist für die Zahlung der Beschwerdegebühr. Ferner wurden einige weitere Punkte klargestellt. Aus einer schriftlichen Erklärung der betreffenden Sekretärin, die mit Zustimmung der Kammer vorgelegt wurde, ging hervor, daß die Sekretärin nur insoweit mit Gebührenzahlungen zu tun hat, als sie die Akten auf Anweisung des Vertreters in die Buchhaltungsabteilung bringt. Sie konnte sich nicht mehr daran erinnern, ob sie im vorliegenden Fall eine entsprechende Anweisung erhalten, aber nicht ausgeführt hatte. Ferner war einer mündlichen Erklärung des betreffenden Vertreters in der Verhandlung zu entnehmen, daß er zwar schon etwa 60 europäische Patentanmeldungen bearbeitet, aber noch nie eine Beschwerde bei einer Beschwerdekammer eingelegt hatte. Er erklärte ferner, er habe zu dem Zeitpunkt, als er seine Sekretärin angewiesen habe, das Fernschreiben mit der Beschwerde abzuschicken und das Bestätigungsschreiben dazu vorzubereiten, nicht gewußt, wie ernst der Zustand seines Vaters sei. Er habe seinen Vater zwei Tage vorher im Krankenhaus besucht; dieser sei zwar schwer krank gewesen, die Ärzte hätten ihm jedoch noch einige Wochen gegeben. Es sei daher für ihn ein großer Schock gewesen, als er am 17. September 1984 erfahren habe, daß sein Vater gestorben sei. Im Verlauf der mündlichen Verhandlung ergab sich ferner, daß dem Vertreter im vorliegenden Fall kein Assistent zur Seite stand.

In der Verhandlung wurde behauptet, der Vertreter habe nicht überstürzt gehandelt. Es wurde zwar eingeräumt, daß er später bei der Bearbeitung der Verfahrensangelegenheiten im Zusammenhang mit der Beschwerde, dem Wiedereinsetzungsantrag und dem Antrag auf Einreichung neuer Ansprüche eine gewisse Zerstreutheit an den Tag gelegt habe; dies treffe jedoch erst auf einen späteren Zeitpunkt zu und sei daher für die Frage, ob die Beschwerdegebühr trotz "Beachtung aller nach den gegebenen Umständen gebotenen Sorgfalt" nicht entrichtet worden sei, ohne Belang. Es läge daher keinesfalls ein Mißbrauch des Europäischen Patentübereinkommens oder ein Verstoß gegen das Interesse der Öffentlichkeit vor, wenn dem Wiedereinsetzungsantrag im vorliegenden Fall stattgegeben würde.

Entscheidungsgründe

1. Nach eingehender Prüfung kann die Kammer nunmehr ihre bereits früher geäußerte Ansicht bestätigen, daß der vorliegende Antrag auf Wiedereinsetzung den Erfordernissen des Artikels 122(2) und (3) EPÜ entspricht. Das Hindernis für die fristgerechte Zahlung der Beschwerdegebühr entfiel am 16. November 1984, als der betreffende Vertreter erstmals erkannte, daß die Beschwerdegebühr nicht gezahlt worden war. Da das Schreiben vom 19. Dezember 1984 und die Beschwerdegebühr innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall des Hindernisses eingingen und die Wiedereinsetzungsgebühr fristgerecht entrichtet wurde, sind die Formerfordernisse des Artikels 122 EPÜ erfüllt.

2. Nach Ansicht der Kammer wurde jedoch nicht hinreichend glaubhaft gemacht, daß die Beschwerdegebühr trotz "aller nach den gegebenen Umständen gebotenen Sorgfalt" nicht rechtzeitig gezahlt werden konnte. Das Wort "alle" ist in diesem Zusammenhang wichtig; außerdem müssen für die Zwecke des Artikels 122(1) EPÜ die Umstände des Einzelfalls in ihrer Gesamtheit gewürdigt werden.

3. Der betreffende Vertreter kam am Montag, den 17. September 1984 morgens nach mehrtägiger Abwesenheit in die Kanzlei zurück, wo er den Auftrag vorfand, Beschwerde einzulegen. Aus seinen Bemerkungen über den "Fälligkeitstag" geht hervor, daß er davon ausging, daß die Beschwerde bis zum 19. September 1984 einzulegen war. Wenn ihm die Vorteile der "10-Tage-Regel" bekannt waren, die sich bei Anwendung der Regel 78(3) EPÜ für den Anmelder ergeben, dann hat er jedenfalls davon keinen Gebrauch gemacht. Es liegt ferner auf der Hand, daß er die für die Einlegung einer Beschwerde bei den Beschwerdekammern geltenden Verfahrensbedingungen nicht sorgfältig studiert hat, obwohl er zuvor noch nie eine Beschwerde eingelegt hatte. In diesem Zusammenhang sei am Rande bemerkt, daß die Beschwerdeschrift der Regel 64 EPÜ nicht voll entsprach, da sie entgegen der Regel 26(2) c) EPÜ die Anschrift der Beschwerdeführerin nicht enthielt und auch nicht erkennen ließ, in welchem Umfang die Änderung oder Aufhebung der angefochtenen Entscheidung begehrt wird. Diese Mängel könnten zwar behoben werden, lassen jedoch auf den ersten Blick erkennen, daß den Bestimmungen keine Beachtung geschenkt wurde.

4. Es liegen überhaupt ganz eindeutige Anzeichen dafür vor, daß in der ganzen Angelegenheit überstürzt gehandelt worden ist, was auch aus der schriftlichen Erklärung der Sekretärin hervorgeht, die der Kammer in der mündlichen Verhandlung vorgelegt wurde. Sie gibt an, daß ihr der Vertreter "frühmorgens, kurz nach seiner Ankunft im Büro" die Akte mit der Anweisung über geben habe, das Fernschreiben und das Bestätigungsschreiben abzusenden. Zu diesem Zeitpunkt hatte er offensichtlich in dieser Sache bis auf die Unterzeichnung der fertig getippten Unterlagen bereits alles erledigt, was er sich für diesen Tag vorgenommen hatte, Die Sekretärin führt weiter eins, sie habe ihm nach Absendung des Fernschreibens und des Bestätigungsschreibens die Akte lediglich zurückgegeben. Dabei habe er ihr mitgeteilt, daß sein Vater gestorben sei.

5. Weder das Erinnerungsvermögen der Sekretärin noch die von ihr damals vorgenommenen Handlungen sprechen für die Behauptung des Vertreters, daß es zwischen ihnen zu einem Mißverständnis darüber gekommen war, wer von beiden der Buchhaltungsabteilung die erforderlichen Anweisungen geben sollte. Obwohl der Vertreter offensichtlich ernsthaft davon überzeugt ist, daß er seiner Sekretärin damals etwas über die Zahlung der Beschwerdegebühr gesagt hat, hält es die Kammer für mindestens ebenso wahrscheinlich, daß er dies schlicht vergessen hat. Er gibt mit anerkennenswerter Offenheit zu, daß das Hindernis für die rechtzeitige Zahlung ein menschliches Versagen seinerseits gewesen ist, und versucht nicht, die Schuld auf seine Sekretärin abzuwälzen. Die Kammer ist jedenfalls aufgrund der vorliegenden Beweismittel nicht davon überzeugt, daß das Hindernis für die rechtzeitige Zahlung der Beschwerdegebühr das ursprünglich genannte Mißverständnis war. Dies allein würde zur Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrags ausreichen.

6. Angesichts der schwerwiegenden Folgen einer solchen Entscheidung sowohl für die Anmelderin als auch für den betreffenden Vertreter hat die Kammer jedoch sorgfältig erwogen, ob noch andere Umstände vorliegen, die sie dazu veranlassen könnten, den vorliegenden Antrag positiv zu bescheiden. Die Kammer darf ja gemäß Artikel 114(1) EPÜ von Amts wegen ermitteln und hat dies im vorliegenden Fall auch getan.

7. Die Kammer ist gerne bereit zu glauben, daß die Firma des zugelassenen Vertreters in Verfahrensdingen im allgemeinen sehr zuverlässig arbeitet und daß das Fehlen eines Gebührenüberwachungssystems bis dahin nicht zu größeren Schwierigkeiten geführt hat. Das Versagen im vorliegenden Fall ist jedoch eindeutig darauf zurückzuführen, daß nicht die Kanzlei als solche, sondern eine Einzelperson, die sich plötzlich vor die Aufgabe gestellt sah, ein ihr nicht vertrautes Verfahren durchzuführen, die Verfahrenserfordernisse nicht konsequent beachtet hat.

8. Trotz des Einwands des den Fall in der mündlichen Verhandlung vortragenden Vertreters (der nicht mit dem Vertreter identisch ist, um dessen Verhalten es hier geht), daß diese Dinge außer acht gelassen werden sollten, da sie zeitlich nach dem Ereignis lägen, ist die Kammer davon überzeugt, daß es nur recht und billig ist, nicht nur das Verhalten des betreffenden Vertreters am 17. September 1984, sondern auch sein späteres Verhalten zu berücksichtigen. Hätte sich dabei gezeigt, daß er die Verfahrenserfordernisse bei anderen Gelegenheiten konsequent und gewissenhaft studiert und erfüllt hat, so wäre die Kammer bereit gewesen, ihm dies zugute zu halten.

9. Leider spricht nichts dafür. Wie die Kammer bereits in der mündlichen Verhandlung festgestellt hat, scheint der Vertreter zu keinem Zeitpunkt erkannt zu haben, wie wichtig es ist, daß die Bedingungen für eine zulässige Beschwerde erfüllt sind, damit die Änderungen der europäischen Patentanmeldung, die er vornehmen wollte, entweder nach Artikel 109 EPÜ (Abhilfe) von der ersten Instanz oder aber im formlichen Rahmen eines Beschwerdeverfahrens von der Beschwerdekammer geprüft werden können. Er zahlte die Beschwerdegebühr erst, als er dazu ausdrücklich aufgefordert wurde, und beantragte zudem die Rückzahlung der Gebühr in der Meinung, er verfolge keine Beschwerde. Es wäre durch sein Verhalten fast dazu gekommen, daß der vorliegende Antrag auf Wiedereinsetzung wegen Nichterfüllung der beiden zwingenden Erfordernisse des Artikels 122 EPÜ zurückgewiesen worden wäre, wenn nicht der Geschäftsstellenbeamte auf Anweisung der Kammer eingegriffen und den Vertreter auf die drohende Gefahr hingewiesen hätte, obwohl er dazu rechtlich nicht verpflichtet war.

10. Die Kammer hält den Ausgang des vom Vertreter der Beschwerdeführerin zitierten unveröffentlichten Falles hier nicht für relevant; die damalige Entscheidung ist nicht von einer Beschwerdekammer getroffen und auch nicht begründet worden. Außerdem war dieser Fall nach Erachten der Kammer ganz anders gelagert als der vorliegende.

11. Unter diesen Umständen muß der vorliegende Antrag auf Wiedereinsetzung zurückgewiesen werden. Da eine Beschwerde nicht vorliegt, kann die am 19. Dezember 1984 entrichtete Beschwerdegebühr ohne besondere Anordnung der Kammer zurückgezahlt werden.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird wie folgt entschieden:

Der Antrag auf Wiedereinsetzung wird abgelehnt.

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