T 0004/83 (Reinigung von Sulfonsaeuren) of 16.3.1983

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1983:T000483.19830316
Datum der Entscheidung: 16 März 1983
Aktenzeichen: T 0004/83
Anmeldenummer: 78300810.5
IPC-Klasse: -
Verfahrenssprache: EN
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Fassungen: OJ
Bezeichnung der Anmeldung: -
Name des Anmelders: Exxon
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.3.01
Leitsatz: Betrifft die Erfindung eine Verbesserung eines bekannten Reinigungsverfahrens, so legt ein im Zusammenhang damit beschriebener Test, welcher der Kontrolle richtigen Arbeitens bei der Reinigung dient, die Einbeziehung der empfohlenen Testmassnahmen als abschliessende Stufe des Reinigungsverfahrens nicht nahe, wenn sich der Offenbarungsgehalt bezüglich des Tests darin erschoepft, wie er auszufuehren ist, ohne einen Anhaltspunkt fuer die beanspruchte Loesung der Aufgabe zu liefern.
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 52(1)
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit
Testverfahren nicht Bestandteil eines Verfahrens
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0641/89
T 1016/92
T 1051/92
T 1096/92
T 0993/98
T 0357/00
T 0006/01
T 0632/02
T 1890/06

Sachverhalt und Anträge

I. Die am 13. Dezember 1978 eingereichte und am 11. Juli 1979 unter der Nummer 0 002 907 veröffentlichte europäische Patentanmeldung Nr. 78 300 810.5, die die Priorität einer früheren britischen Anmeldung vom 23. Dezember 1977 in Anspruch nahm, wurde mit Entscheidung des Europäischen Patentamts vom 4. August 1982 zurückgewiesen, der ein Anspruch mit folgendem Wortlaut zugrunde lag:

"Verfahren zur Reinigung von Sulfonsäuren, gekennzeichnet durch folgende Reihe von Verfahrensschritten, in denen rohe Alkarylsulfonsäure mit 1 bis 30 Gew.-% Wasser, bezogen auf das Gewicht des Alkylats, aus dem die Sulfonsäure gewonnen wird, gewaschen wird, das Absetzen des wäßrigen Stoffes erfolgt, die wäßrige Schicht entfernt, dann mindestens 1 Gew.-% Olefin, bezogen auf das Gewicht des Alkylats, aus dem die Sulfonsäure gewonnen wird, zugesetzt und die Sulfonsäure mit dem Olefin mindestens 15 Minuten lang auf eine Temperatur von 100°C bis 150°C erwärmt wird."

II. Die Zurückweisung wurde damit begründet, daß der Gegenstand dieses Anspruchs keine erfinderische Tätigkeit aufweise. Das Waschen und die Entfernung einer wäßrigen Schicht seien, wie die Anmelderin auch zugebe, bei der Reinigung von Sulfonsäuren durchaus bekannt. Auch sei das Merkmal der mindestens 15minütigen Erwärmung der olefinhaltigen Sulfonsäure auf 100 bis 150°C aus der Druckschrift FR-A-2 341 565 bekannt. Daher sei es naheliegend, die bekannten Verfahrensschritte zu kombinieren, um den Schwefelsäuregehalt auf ein annehmbares Maß zu reduzieren.

Die Anmelderin habe keinerlei unerwartete Vorteile in ihrem Verfahren aufgezeigt, sondern nur auf Beispiel 1 hingewiesen. Da in diesem Beispiel jedoch zu den einzelnen Verfahrensschritten nicht auch das entsprechende Ergebnis beschrieben werde, sei es unmöglich, daraus abzuleiten, daß eine Kombination der Schritte unerwartete Wirkungen mit sich bringe.

Zwar lasse die Prüfungsabteilung das Argument der Anmelderin gelten, daß die in der obengenannten Entgegenhaltung offenbarte Wärmebehandlung zur Erprobung der thermischen Stabilität der olefinstabilisierten Sulfonsäure benutzt werde und somit einem anderen Zweck als in der vorliegenden Anmeldung diene. Nach Auffassung der Prüfungsabteilung stehe dies jedoch dem anmeldungsgemäßen Zweck nicht entgegen und führe erst recht nicht davon weg.

III. Am 24. November 1982 legte die Beschwerdeführerin Beschwerde gegen die Entscheidung vom 4. August 1982 ein und reichte am 29. November 1982 eine Beschwerdebegründung nach, die im wesentlichen wie folgt lautete: Um den Reinigungsgrad der Sulfonsäuren nachzuweisen, der in den verschiedenen Schritten des beanspruchten Verfahrens erzielt wird, habe die Beschwerdeführerin drei Vergleichstests durchgeführt. Die Ergebnisse hätten gezeigt, daß sich nur mit dem erfindungsgemäßen Verfahren der geforderte Anteil an Schwefeisäure von weniger als 0,5 Gew.-% erzielen lasse. Die obengenannte Zahl spreche ferner für die Richtigkeit ihrer zweiten Behauptung, daß die in der genannten Entgegenhaltung beschriebene Erwärmung zur Erprobung der thermischen Stabilität der Sulfonsäure sich von dem erfindungsgemäßen Verfahren deutlich unterscheide und den Leser nicht auf die Kombination aus Olefinbehandlung, Waschen mit Wasser und Wärmebehandlung bringe, die für die Reinigung von schwefelsäurereichen Sulfonsäuren, um die es in der vorliegenden Erfindung gehe, nachweislich unentbehrlich sei.

Auf Aufforderung der Kammer reichte die Beschwerdeführerin einen neuen Anspruchssatz ein und beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Erteilung des Patents. Diese Ansprüche lauten wie folgt:

"1. Verfahren zur Reinigung von schwefelsäurereichen Sulfonsäuren, gekennzeichnet durch folgende Reihe von Verfahrensschritten, in denen eine rohe Alkarylsulfonsäure mit 1 bis 30 Gew.-% Wasser, bezogen auf das Gewicht des Alkylats, aus dem die Sulfonsäure gewonnen wird, gewaschen wird, das Absetzen des wäßrigen Stoffes erfolgt, die wäßrige Schicht entfernt, dann mindestens 1 Gew.-% Olefin, bezogen auf das Gewicht des Alkylats, aus dem die Sulfonsäure gewonnen wird, zugesetzt und die Sulfonsäure mit dem Olefin mindestens 15 Minuten lang auf eine Temperatur von 100 bis 150°C erwärmt wird.

2. Verfahren nach Anspruch 1, bei dem die rohe Sulfonsäure mehr als 3 Gew.-% Schwefelsäure enthält.

3. Verfahren nach Anspruch 1 oder Anspruch 2, bei dem die Sulfonsäure mit Oleum sulfoniert worden ist.

4. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, bei dem die Alkylgruppe 20 bis 30 Kohlonstoffatome enthält.

5. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, bei dem 2 bis 10 Gew.-% Olefin verwendet werden.

6. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, bei dem das Olefin ein Molekulargewicht von 294 bis 336 aufweist und die Sulfonsäure eine (C24-Alkyl)-benzolsulfonsäure ist.

7. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, bei dem die Wärmebehandlung etwa 30 Minuten lang bei einer Temperatur von 120 bis 140°C durchgeführt wird."

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 und Regel 64 EPÜ; sie ist somit zulässig.

2. Gegen die jetzige Fassung der Ansprüche können keine formalen Einwände erhoben werden, da sie durch die ursprünglich eingereichte Beschreibung hinreichend gestützt wird. Anspruch 1 beruht auf dem ursprünglichen Anspruch 1 in Verbindung mit Seite 2 Absatz 2 und 4 sowie Seite 6 Absatz 4. Die Ansprüche 2 bis 7 entsprechen den Ansprüchen 2, 3 und 5 bis 8 in der ursprünglich eingereichten Fassung. Die Ansprüche 3 und 6 sind entsprechend Seite 2 letzter Satz und Seite 4 Absatz 3 geändert worden. Es besteht kein Einwand gegen die Wiederherstellung der Unteransprüche in dieser Phase des Verfahrens.

3. Wie zu Beginn der vorliegenden Anmeldung angegeben, geht die Anmelderin von der Druckschrift DE-A-2 707 414 aus, die der französischen Entgegenhaltung entspricht; Gegenstand dieser Druckschrift ist die Erzeugung hitze- und farbbeständiger Alkarylsulfonsäuren durch Zusatz von mindestens 1 Gew.-% Olefin sowie ggf. derselben Menge Wasser (vgl. S. 1 Abs. 1, S.2 Abs. 3, S.3 Zeile 33 und 34 in Verbindung mit den Ansprüchen 11 und 12). Die Verwendung von Olefin verringert gleichzeitig die Schlammbildung und den Schwefelsäuregehalt (vgl. S. 6 Zeile 8 bis 14). Obwohl dieses Verfahren in der Regel zu befriedigenden Ergebnissen führt, hielt die Anmelderin den Schwefelsäuregehalt nach der Olefinbehandlung in den Fällen, in denen die zu reinigende Sulfonsäure besonders reich an Schwefelsäure ist, für zu hoch. Deshalb stellte sie sich die Aufgabe, das alte Verfahren so zu verbessern, daß auch schwefelsäurereiche Alkarylsulfonsäure gereinigt werden kann.

Zur Lösung dieses technischen Problems schlägt die Anmelderin ein Verfahren nach Anspruch 1 vor, das in vereinfachter Form folgende Reihe von Verfahrensschritten umfaßt:

a) Waschen der rohen Sulfonsäure mit Wasser (einschließlich Entfernung der wäßrigen Schicht)

b) Zusatz von Olefin

c) Wärmebehandlung

4. Bei der Prüfung auf Neuheit sollte berücksichtigt werden, daß alle Informationen in einer Patentschrift, die dem Fachmann eine technische Lehre vermitteln, zum Offenbarungsgehalt gehören, und zwar unabhängig davon, ob sie unter den Schutzbereich der Patentansprüche fallen und welchem Zweck sie dienen. Aufgrund dieses Grundsatzes müssen im vorliegenden Fall neben der wesentlichen Lehre der Entgegenhaltung, in einem Reinigungsverfahren fur Sulfonsäuren Olefin einzusetzen, auch die Informationen über die vorhergehenden Verfahrensschritte und die Merkmale des abschließenden Tests zur Prüfung der thermischen Stabilität berücksichtigt werden.

Beispiel 1, auf das sich einige andere Beispiele mittelbar oder unmittelbar beziehen, beschreibt einen solchen Vorgang. Dabei wird eine C24-Alkylbenzolsulfonsäure nach der Abtrennung von Schwefeldioxyd und Schlamm mit wäßriger Chlorwasseratoffsäure gewaschen (um überschüssige Schwefelsäure zu entfernen) und anschließend mit einem C24-Olefin behandelt. Proben des entstandenen Gemisches werden vier Tage lang bei einer Temperatur von 120°C gelagert und die Farbe bewertet. Obwohl die Merkmale der Olefinbehandlung und des Farbtests mit Schritt b und c des beanspruchten Verfahrens identisch sind, wird offensichtlich zum vorherigen Waschen der rohen Sulfonsäure ein anderes Mittel benutzt. Aus diesem Grund ist das beanspruchte Verfahren neu.

5. Es ist deshalb zu prüfen, ob der Gegenstand des Anspruchs 1 in bezug auf den Stand der Technik naheliegend ist. Diese Frage wurde von der Prüfungsabteilung aufgrund des angegebenen Stands der Technik in Verbindung mit dem allgemeinen Wissensstand bejaht. Den allgemeinen Wissensstand belegte sie nicht mit einer Druckschrift, sondern verwies auf die Erklärung der Anmelderin in ihrem Schreiben vom 20. November 1980, daß das Waschen und die Entfernung einer wäßrigen Schicht bei der Reinigung von Sulfonsäure bekannt seien. Welcher Art das zum Waschen benutzte Mittel sei, hatte die Anmelderin nicht erwähnt. Diese unvollständige Erklärung war auch eingereichten Anspruch erläutert worden, der in seinem Oberbegriff die Verfahrensschritte des Waschens der rohen Sulfonsäure mit Wasser und der Olefinbehandlung enthielt. Da diese Kombination aus der Entgegenhaltung nicht bekannt war, verstößt dieser Anspruch eindeutig gegen Regel 29(1)a), in der es heißt, daß der Oberbegriff nur aus technischen Merkmalen bestehen darf, die in Verbindung miteinander zum Stand der Technik gehören. Der allgemeine Grundsatz, daß bekannte Tatsachen nicht bewiesen zu werden brauchen, gilt nur für die Fälle, in denen deutliche Erklärungen abgegeben werden. Dies trifft im vorliegenden Fall nicht zu. Im vorliegenden Fall läßt sich die Erklärung der Anmelderin sehr einfach vervollständigen, da die Entgegenhaltung, die ein Reinigungsverfahren beschreibt, bei dem mit wäßriger Chlorwasserstoffsäure gewaschen wird, im Oberbegriff erwähnt, daß dieser Waschvorgang allgemein üblich ist (vgl. S. 1 Abs. 3 und 4). Folglich ist die Reinigung von Sulfonsäuren durch Waschen mit Wasser allein nicht als Allgemeinwissen anzusehen.

6. Für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit bleibt damit als maßgebender Stand der Technik nur noch die obengenannte Druckschritt FR-A-2 341 565 übrig. Diese Schritt lehrt, daß die Farbstabilität und die thermische Stabilität von Alkarylsulfonsäure verbessert werden können, wenn mindestens 1 Gew.-% Olefin zugesetzt wird. Auch wird erwähnt, daß diese Olefinbehandlung die Schlammbildung und den Schwefelsäuregehalt so verringert, daß in einigen Fällen die vorherige Entfernung des Schlammes (durch Dekantieren mit Kohlenwasserstofflösungsmitteln) und der Schwefelsäure durch Waschen mit wäßriger Chlorwasserstoffsäure auch bei der Reinigung von verhältnismäßig langkettigen Alkarylsulfonsäuren überflüssig wird (vgl. S. 6 Zeile 3 bis 22). Es wäre für einen Fachmann, der sich vor das Problem gestellt sieht, das alte Verfahren an die Reinigung von schwefelsäurereichen Sulfonsäuren anzupassen, naheliegend, diesen zunächst fakultativen Waschvorgang als obligatorisch einzuführen und möglicherweise zu intensivieren. Es ist jedoch nicht naheliegend, die wäßrige Chlorwasserstoffsäure als Waschmittel durch Wasser zu ersetzen, da weder, der Stand der Technik dafür ein Beispiel bringt, noch die bekannte Tatsache, daß aromatische Sulfonsäuren in Wasser löslicher sind als in wäßriger Chlorwasserstoffsäure, eine Aussicht auf Lösung des betreffenden Problems verheißt (vgl. die bisher noch nicht genannte Textstelle aus Houben-Weyl, Methoden der Organischen Chemie, Bd. IX, 1955, 435).

7. Besonders überraschend ist die Erkenntnis der Anmelderin, daß das betreffende technische Problem durch ein Verfahren gelöst werden könnte, das nicht nur den Vorgang des Waschens und der Olefinbehandlung, sondern zusätzlich die Wärmebehandlung des Alkarylsulfonsäureprodukts als wesentliche Endstufe im Reinigungsverfahren umfaßt; diese Stufe war früher in einem Test nur zur Ergebniskontrolle benutzt worden. Anders als bei der Prüfung auf Neuheit kann bei der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit der Zweck, dem ein bekanntes technisches Merkmal dient, ausschlaggebende Bedeutung erlangen, wenn für die Prüfung nur ein einziges Dokument herangezogen werden kann. Wie bereits erwähnt, schließt das bekannte Verfahren mit der Olefinbehandlung ab. Der Test, der anschließend durchgeführt werden kann, dient ausschließlich dazu, gegebenenfalls festzustellen, ob die gewünschte Farb- und thermische Stabilität der Sulfonsäuren erzielt worden ist, und regt nicht dazu an, seine Merkmale als Endstufe in das Reinigungsverfahren aufzunehmen; es war nämlich nicht zu erwarten, daß diese Folge von Verfahrensschritten die Reinigung besonders schwefelsäurereicher Sulfonsäuren möglich machen würde. Die Lehre der vorliegenden Anmeldung muß also als überraschend und eine erfinderische Tätigkeit aufweisend angesehen werden, und zwar unabhängig davon, ob sie in Anspruch 1 oder dessen Unteransprüchen zum Ausdruck kommt.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird wie folgt entschieden:

1. Die Entscheidung der Prüfungsabteilung des Europäischen Patentamts vom 4. August 1982 wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, auf der Grundlage der folgenden Unterlagen ein europäisches Patent zu erteilen:

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