T 0184/82 (Formkörper aus Poly(p-methylstyrol)) of 4.1.1984

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1984:T018482.19840104
Datum der Entscheidung: 04 Januar 1984
Aktenzeichen: T 0184/82
Anmeldenummer: 79301891.2
IPC-Klasse: -
Verfahrenssprache: EN
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Fassungen: OJ
Bezeichnung der Anmeldung: -
Name des Anmelders: Mobil
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.3.01
Leitsatz: Statt eines Mißerfolgs auf einer spezifischen Ebene kann zur Beurteilung der Wirkung einer Erfindung ein technischer Erfolg auf einer allgemeinen Ebene herangezogen werden, sofern für den Fachmann erkennbar ist, daß die Wirkung im weiteren Sinne in der ursprünglich formulierten Aufgabe impliziert ist oder im Zusammenhang mit ihr steht. Eine entsprechende Abwandlung der Aufgabe unter Zugrundelegung eines weniger anspruchsvollen Ziels ist nach einer früheren Entscheidung der Kammer ("Reaktionsdurchschreibepapier/Bayer", T 01/80) zulässig.
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 52(1)
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Abwandlung der Aufgabe
Erfinderische Tätigkeit
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0486/88
T 0386/89
T 0732/89
T 0106/91
T 0437/91
T 0545/93
T 0483/94
T 0457/95
T 0020/97
T 0533/98
T 0701/98
T 0314/99
T 0767/02
T 0276/06
T 0647/07
T 0698/08
T 1397/08
T 2233/08
T 2076/09
T 2202/14
T 0116/18

Sachverhalt und Anträge

I. Die am 14. September 1979 eingereichte und am 2. April 1980 unter der Veröffentlichungsnummer 9377 veröffentlichte europäische Patentanmeldung Nr. 79 301 891.2, für die die Priorität zweier Voranmeldungen vom 18. September und 16. November 1978 (US-943 416 und 961 353) beansprucht wird, wurde mit Entscheidung der Prüfungsabteilung des Europäischen Patentamts vom 14. Juli 1982 zurückgewiesen. Der Entscheidung lagen die Ansprüche 1 bis 7 zugrunde. Der Hauptanspruch hatte folgenden Wortlaut:

"Heißverformter ein- oder mehrschichtiger Formkörper, bestehend aus einer oder enthaltend wenigstens eine Schicht eines p-Methylstyrolhomopolymers oder eines entsprechenden Copolymers mit 1 bis 10 Gew.- 8.947518e-4922ines konjugierten Diens und bestrahlt mit 300 bis 700 kGy ionisierender Strahlung."

II. Die Zurückweisung wurde damit begründet, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Die entgegengehaltene Patentschrift US-A-2 989 452 offenbare die Bestrahlung von Gemischen aus Polystyrol und einem Polystyrolderivat mit einem an einen Arylkern gebundenen aliphatischen Substituenten. Dabei bewirke die mit der Bestrahlung erreichte Vernetzung eine Verbesserung der Hitze- und Lösungsmittelbeständigkeit. Hierfür genügten kleine Mengen des Derivats; die aliphatisch substituierten Stoffe umfaßten auch p-Methylstyroleinheiten. Der Fachmann könne aus der Lehre des Dokuments schließen, daß sich der Versuch Iohnen würde, die bekannten Poly(p-methylstyrol)behälter zu bestrahlen, um ihre Eigenschaften zu verbessern.

III. Die Anmelderin legte am 26. August 1982 gegen die Entscheidung vom 14. Juli 1982 Beschwerde ein, entrichtete die Beschwerdegebühr und reichte am 15. November 1982 eine Beschwerdebegründung nach.

IV. Auf die Einwendungen der Kammer hin brachte die Beschwerdeführerin weitere Argumente vor und änderte einen der Nebenansprüche. Die Gründe für die Beschwerde und einige der hier relevanten Argumente lauten ... wie folgt:

c) Die Erwähnung verschiedener Polymethylstyrole in der Patentschrift US-A-2 893 877 weise zwar darauf hin, daß solche Stoffe durchaus anstelle von Polystyrol in Verpackungsmaterialien für Lebensmittel verwendet werden könnten, aus der Patentschrift gehe jedoch nicht hervor, daß Poly(para-methylstyrol) durch Bestrahlung selektiv verbessert werde. Die zusammen mit der Beschwerdebegründung vorgelegten Beweismittel belegten die unerwarteten Vorzüge dieser Möglichkeit. Da der Test mit heißem Speck unzuverlässig sei und der angeführte Stand der Technik "keine qualitativen oder quantitativen Angaben enthält, anhand deren die Anmelderin die erfindungsgemäßen Stoffe unter durch den Stand der Technik vorgegebenen Bedingungen mit den bekannten Stoffen vergleichen kann", sollten als Standardtests die Tests für den Erweichungspunkt (Vicat) und die Löslichkeit (in Toluol bei Raumtemperatur) herangezogen werden.

V. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Erteilung des Patents. Sie beantragte ferner die Rückzahlung der Beschwerdegebühr nach Regel 67 EPÜ.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 und Regel 64 EPÜ; sie ist somit zulässig.

2. Die von der Anmelderin/Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 30. März 1982 und 13. September 1983 eingereichten Ansprüche sind formal nicht zu beanstanden, da alle Merkmale der Ansprüche durch die ursprünglich eingereichten Anmeldungsunterlagen gestützt werden.

3. Die Aufgabe, die mit den beanspruchten Formkörpern gelöst werden sollte, bestand ursprünglich darin, gegen heiße Fette beständige Behälter für Lebensmittel zu entwickeln. In den anspruchsgemäßen Formkörpern sollte also Fett, z. B. Speck, ohne wesentliche Beschädigung des Behälters in einem Mikrowellenherd erhitzt werden können. Es wurde geltend gemacht, daß dies durch Formung eines Materials erreicht werde, das ganz oder zumindest zu 90 aus Poly(p-methylstyrol) bestehe und einer bestimmten Dosis ionisierender Strahlung ausgesetzt werde. Die Beispiele in der Beschreibung stützen sich entsprechend auf Tests mit Speck in einem Mikrowellenherd, um die Wirkung zu demonstrieren, und lassen krasse Unterschiede erkennen, die davon abhängen, wie die Behälter beschaffen und ob sie bestrahlt worden sind. Die Beschwerdeführerin lehnt jedoch auf dieser Grundlage beruhende Vergleichstests mit dem einschlägigen Stand der Technik ab und stellt fest, daß wegen der unterschiedlichen Beschaffenheit von Speck "der Test mit heißem Speck... nicht zuverlässig reproduzierbare Ergebnisse bringt". Statt dessen will sie einfach Standardtests für einige relevante Eigenschaften, wie die Erweichungstemperatur (d. h. die Vicat-Temperatur) und die Löslichkeit in Toluol, heranziehen, da diese Eigenschaften ihren Ausführungen zufolge denjenigen entsprechen, auf die sie "die Erfindung stützt".

4. In einer Reihe von Entscheidungen hat die Beschwerdekammer bereits festgestellt, daß die Aufgabenstellung und die damit zusammenhängende Wirkung, die sich aus der Verwendung der beanspruchten Erfindung ergibt, bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit einen wesentlichen Aspekt darstellen (vgl. "Reaktionsdurchschreibepapier/Bayer", T 01/80, ABl. EPA 1981, 206). Die Art der Aufgabe muß anhand objektiver Kriterien ermittelt werden. Dazu muß der technische Erfolg gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik beurteilt werden (vgl. "Aryloxybenzaldehyd/Shell", T 20/81, ABl. EPA 1982, 217). Da die technische Wirkung der Erfindung ein nachprüfbares und damit reproduzierbares Ergebnis sein muß, stellt das Eingeständnis der Beschwerdeführerin, daß der Test mit heißem Speck unzuverlässig sei, die allgemeine Gültigkeit der Feststellungen in der Beschreibung und den Beispielen in Frage, die darauf hindeuten, daß die spezielle Aufgabe durch die Erfindung erfolgreich gelöst worden ist.

5. Der Fachmann hätte jedoch erkannt, daß die ursprüngliche Aufgabe durchaus im Zusammenhang mit dem allgemeineren Ziel einer Verbesserung der Hitze- und Lösungsmittelbeständigkeit von Stoffen, die für Behälter verwendet werden, steht, da die Berührung mit heißem Speck wohl auch Beständigkeit bei hohen Temperaturen und bessere hydrophobe Eigenschaften voraussetzt. Somit könnten diesbezügliche Verbesserungen noch als Teil der verallgemeinerten Lehre der ursprünglichen Offenbarung verstanden und unerwartete Eigenschaften als Hinweis auf eine erfinderische Tätigkeit anerkannt werden, selbst wenn die anspruchsvolleren Ziele nicht voll oder zuverlässig erreicht worden sind. Eine frühere Entscheidung der Kammer besagt, daß eine Abwandlung der Aufgabe unter bestimmten Voraussetzungen auch noch im Beschwerdeverfahren möglich ist (ibid. T 01/80). Die Kammer ist nun der Auffassung, daß im Hinblick auf die Wirkung der Erfindung statt eines Mißerfolgs auf einer spezifischen Ebene ein Erfolg auf einer allgemeineren Ebene herangezogen werden kann, sofern für den Fachmann erkennbar ist, daß die Wirkung in der ursprünglich gestellten Aufgabe impliziert ist oder im Zusammenhang mit ihr steht....

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird wie folgt entschieden:

Die Beschwerde gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung des Europäischen Patentamts vom 14. Juli 1982 wird zurückgewiesen.

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