T 1552/23 (gerichtete RNA-Editierung/EBERHARD KARLS UNIVERSITÄT TÜBINGEN) of 22.7.2025

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2025:T155223.20250722
Datum der Entscheidung: 22 Juli 2025
Aktenzeichen: T 1552/23
Anmeldenummer: 16766834.2
IPC-Klasse: C12N 15/113
C12N 15/11
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren und Substanzen zur gerichteten RNA-Editierung
Name des Anmelders: Eberhard Karls Universität Tübingen
Name des Einsprechenden: Margaret Dixon Limited
Kammer: 3.3.08
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 56
European Patent Convention Art 83
European Patent Convention Art 123(2)
Rules of procedure of the Boards of Appeal 2020 Art 012(6)
Schlagwörter: Hauptantrag und Hilfsanträge 1 bis 4 - Neuheit - (nein)
Hilfsantrag 5 - Erfordernisse des EPÜ erfüllt - (ja)
Spät eingereichte Tatsachen wären bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorzubringen gewesen
Spät eingereichte Tatsachen - (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0001/03
G 0002/10
G 0001/16
T 0019/90
T 0806/23
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Einsprechenden ("Beschwerdeführerin") richtet sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, das europäische Patent mit der Nummer 3 353 299 in geändertem Umfang aufrechtzuerhalten. Das Streitpatent basiert auf der europäischen Patentanmeldung Nr. 16 766 834.2, welche unter dem PCT als internationale Anmeldung eingereicht und als WO 2017/050306 ("Anmeldung wie eingereicht") veröffentlicht wurde.

II. Die Einspruchsabteilung kam in der angefochtenen Entscheidung zu der Auffassung, dass der Gegenstand des Hauptantrags (Ansprüche eingereicht mit Schreiben vom 28 April 2021) den Erfordernissen des EPÜ genügt.

III. In ihrer Beschwerdebegründung brachte die Beschwerdeführerin Gründe vor, warum die angefochtene Entscheidung aufzuheben sei, und reichte zwei neue Entgegenhaltungen ins Verfahren ein (D21 und D22).

IV. In Erwiderung brachte die Patentinhaberin ("Beschwerdegegnerin") Gegenargumente vor, reichte erneut den bereits im Einspruchsverfahren vorgelegenen Hauptantrag und die Hilfsanträge 1 bis 6 ein und zusätzlich zwei neue Entgegenhaltungen (D23 und D24).

V. Die Beschwerdeführerin brachte in einer weiteren Eingabe in Antwort auf die Erwiderung der Beschwerdegegnerin Gegenargumente vor.

VI. Die Parteien wurden in einer Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK über die vorläufige Meinung der Kammer informiert.

VII. Die mündliche Verhandlung fand in Anwesenheit aller Parteien statt.

VIII. Anspruch 1 des Hauptantrags lautet wie folgt:

"1) Guide-RNA zur gerichteten RNA-Editierung mit mindestens folgenden aneinandergekoppelten Nukleotid-Segmenten, vom 5'-Ende aufgelistet:

- Segment A: Nukleotid-Sequenz mit einer Länge von drei bis fünf Basen, wobei in der Position 1 immer ein Guanosin und in der Position 2 immer ein Uridin steht;

- Segment B: Nukleotid-Sequenz mit einer Länge von drei bis fünf Basen, wobei in der Position 1 immer ein Adenosin steht;

- Segment C: Nukleotid-Sequenz mit einer Länge von acht bis zehn Basen, wobei in der Position 1 immer ein Guanosin steht;

- Segment D: Nukleotid-Sequenz UAUGCUAAAUG oder UAUGCUCAAUG;

- Segment E: Nukleotid-Sequenz mit einer Länge von acht bis zehn Basen, wobei in der letzten Position immer ein Guanosin steht;

- Segment F: Nukleotid-Sequenz mit einer Länge von drei bis fünf Basen, wobei in der letzten Position immer ein Cytosin steht;

- Segment G: Nukleotid-Sequenz mit einer Länge von drei bis fünf Basen, wobei in der vorletzten Position immer ein Adenosin und in der letzten Position ein Cytosin steht;

- Segment H: Nukleotid-Sequenz mit einer Länge von fünf bis neun Basen, wobei in der letzten Position immer ein Cytosin oder ein Uridin steht;

- Segment I: Nukleotid-Sequenz mit einer Länge von acht bis zwanzig Basen,

wobei einzelne Nukleotide der Segmente A und G, B und F bzw. C und E sich jeweils zu einer Doppelhelix paaren und die Nukleotide des Segments D eine Haarnadelstruktur bilden, und

wobei Segmente H und I so konstruiert sind, dass sie mit der zu editierenden mRNA paaren".

IX. Anspruch 1 von Hilfsantrag 1 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass der Begriff "mRNA" in der letzten Zeile des Anspruchs durch den Begriff "Ziel-mRNA" ersetzt wurde.

X. Anspruch 1 von Hilfsantrag 2 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass das Merkmal "und wobei die guide RNA und die zu editierende mRNA nicht identisch sind" ans Ende des Anspruchs angefügt wurde.

XI. Anspruch 1 von Hilfsantrag 3 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass das Merkmal "durch endogene Editierungsenzyme" in die Präambel eingefügt wurde.

XII. Anspruch 1 von Hilfsantrag 4 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass das Merkmal "durch endogene hADAR-Enzyme" in die Präambel eingefügt wurde.

XIII. Anspruch 1 von Hilfsantrag 5 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass das Merkmal "und wobei die Guide-RNA und die zu editierende mRNA verschiedene Moleküle sind" ans Ende des Anspruchs angefügt wurde.

Die Ansprüche 10, 12 und 13 von Hilfsantrag 5 lauten wie folgt:

"10) Guide-RNA nach mindestens einem der vorhergehenden Ansprüche zur Verwendung als Arzneimittel, wobei die Guide-RNA in die Zellen transfiziert wird, in denen die RNA-Editierung vorgenommen werden soll".

"12) In-vitro-Verfahren zur gerichteten RNA-Editierung, bei dem die Guide-RNA nach mindestens einem der Ansprüche 1 bis 9 wie in Anspruch 10 definiert in die Zellen transfiziert wird".

"13) Verwendung der Guide-RNA nach einem der Ansprüche 1 bis 9 in vitro zur gezielten Veränderung genetischer Information auf der RNA-Ebene, bevorzugt für Reparaturen einzelner Punktmutationen".

Der Gegenstand der abhängigen Ansprüche 2 bis 9 und 11 beschreibt bevorzugte Ausführungsformen der Ansprüche 1 und 10.

XIV. Die in dieser Entscheidung genannten Entgegenhaltungen sind:

D1: Stefl R. und Allain F. H.-T., (2005), RNA,

Bd. 11, 592-597

D2: Aruscavage P.J. und Bass B.L., (2000), RNA,

Bd. 6, 257-269

D3: Wong S.K. et al., (2001), RNA, Bd. 7, 846-858

D5: Montiel-Gonzalez M.F. et al., (2013), PNAS,

Bd. 110, 18285-18290

D7: Vogel P. et al., (2014), Angewandte Chemie,

Bd. 53, 6267-6271

D10: Lomeli H. et al., (1994), Science, Bd. 266,

1709-1713

D15: Stefl R. et al., (2010), Cell, Bd. 143, 225-237

D19: Kapushoc S.T. und Simpson L., (1999), RNA, Bd. 5,

656-669

D20: Pai R.D. et al., (2003), RNA, Bd. 9, 469-483

D21: Macbeth M.R. et al., (2004), RNA, Bd. 10,

1563-1571

D22: Kim K. und Liu F., (2007), Biochim Biophys Acta.,

Bd. 1769, 603-612

D23: Walkley C.R. und Li J.B., (2017), Genome Biology,

Bd. 18:205, 1-13

D24: Schneider M.F. et al., (2014), Nucleic Acids

Research, Bd. 42, e87, 1-9.

XV. Die für die Entscheidung relevanten Argumente der Parteien werden in den nachfolgenden Gründen für die Entscheidung genannt.

XVI. Die Beschwerdeführerin beantragt:

- die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent im vollen Umfang zu widerrufen;

- Zulassung der Entgegenhaltungen D21 und D22, während die Entgegenhaltung D24 nicht zuzulassen sei.

XVII. Die Beschwerdegegnerin beantragt:

- die Beschwerde zurückzuweisen, und das Patent im Umfang des Hauptantrags aufrechtzuerhalten;

- hilfsweise, das Patent auf Grundlage einer der Hilfsanträge 1 bis 6 aufrechtzuerhalten;

- die Entgegenhaltungen D21 und D22 nicht ins Verfahren zuzulassen, während die Entgegenhaltungen D23 und D24 zuzulassen seien.

Entscheidungsgründe

Hauptantrag

Anspruchsauslegung - Anspruch 1

1. Anspruch 1 ist auf ein Produkt gerichtet ("Guide-RNA"). Gemäß etablierter Rechtsprechung wird daher die Verwendung der Guide-RNA ("zur gerichteten RNA-Editierung") in der Präambel von Anspruch 1 nur insoweit als limitierend erachtet, als dass die Guide-RNA für diesen Zweck geeignet sein muss (Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA, 11. Auflage 2025, ("Rechtsprechung"), I.C.5.2.5). Dies bedeutet, dass Anspruch 1 alle Guide-RNAs umfasst, die diesen Zweck erfüllen, unabhängig davon, wie sie ihn erfüllen.

2. Die Einspruchsabteilung war in der angefochtenen Entscheidung (Punkt 13.2.2) der Auffassung, dass die Zweckangabe in Anspruch 1 ("zur gerichteten RNA-Editierung") eine weitere Beschränkung der Guide-RNA bewirke, nämlich, dass die beanspruchte "RNA-Editierung" durch die Guide-RNA nur in "trans" erfolgen könne. Das heißt, die zu editierende Ziel-mRNA und die Guide-RNA sind unabhängige und voneinander getrennte RNA Sequenzen.

3. Dies wurde von der Beschwerdeführerin mit Verweis auf die oben genannte Rechtsprechung (Punkt 1) und die Existenz von Guide-RNAs (D19 und D20) bestritten, die RNA-Sequenzen gerichtet auch in "cis" editieren können. Das heißt, die Guide-RNA und die zu editierende Ziel-mRNA befinden sich auf einer gemeinsamen Nukleotid Sequenz.

4. Die Beschwerdegegnerin brachte mehrere Gründe vor, warum Anspruch 1 ausschließlich eine Guide-RNA umfasse, die die Ziel-mRNA in "trans" editiere.

4.1 Dies ergebe sich erstens aus dem angegebenen Zweck ("zur gerichteten RNA-Editierung") der beanspruchten "Guide-RNA". Die Beschreibung des Patents lege fest, dass die im vorliegenden Fall relevante Fachperson ein mit Gentherapie vertrauter Humangenetiker sei. Da die Editierung mittels der Guide-RNA gerichtet erfolge, verstünde die Fachperson die Zweckbestimmung in Anspruch 1 so, dass für die Editierung nur vorab ausgewählte intrazelluläre Zielsequenzen in Frage kämen, die z.B. Punktmutationen aufwiesen, wodurch eine therapeutische Editierung in "trans" erzielt werde.

4.2 Dies schließe "cis" Editierungen einer natürlichen endogen RNA Sequenz mittels der beanspruchten Guide-RNA aus, da die Fachperson auf diese keinen Einfluss habe. Außerdem müsste in diesem Fall eine schadhafte mRNA zuerst in eine Zelle eingeführt werden, um sie dort zu modifizieren. Dies mache technisch keinen Sinn.

5. Die Kammer ist davon nicht überzeugt. Das EPÜ ermöglicht Patentanmeldern, ihre Erfindungen in unterschiedlichen Anspruchskategorien zu beanspruchen, die unterschiedliche Schutzwirkungen besitzen. Produktansprüche besitzen die breiteste Schutzwirkung, da sie durch keine Anwendung eingeschränkt sind, es sei denn, der Anspruch enthält einen Verwendungszweck. Wie oben angeführt (Punkt 1), schränkt dieser Zweck das Produkt jedoch nur insofern ein, als dass es für diesen Verwendungszweck geeignet sein muss. Im Zuge der Anspruchsauslegung kann ein solcher Produktanspruch nicht dahingehend ausgelegt werden, dass der beanspruchte Gegenstand auf eine erste oder zweite medizinische Verwendung beschränkt ist.

5.1 Der in Anspruch 1 verwendete Begriff "Guide-RNA" in Verbindung mit seiner Zweckbestimmung ("zur gerichteten RNA-Editierung") impliziert ohne weitere Angaben in Anspruch 1 keine ausschließlich medizinische Verwendung der Guide-RNA. Auch nicht-therapeutische RNA Editierungen erfolgen mittels einer Guide-RNA gerichtet. Eine ausschließlich therapeutische Verwendung der Guide-RNA lässt sich auch nicht aus der Beschreibung des Patents oder aus dem zur Verfügung stehenden Stand der Technik entnehmen.

5.2 Es ist dabei unerheblich, ob die Beschreibung, wie von der Beschwerdegegnerin erwähnt, Textpassagen offenbart, die eine medizinische Verwendung der Guide-RNA zeigen (z.B. Patent, Absätze [0021] und [0024]). Eine solche alleinige Nennung in der Beschreibung (und nicht im Anspruch) hat keine einschränkende Wirkung auf den hier vorliegenden Produktanspruch. Unabhängig davon offenbart die Beschreibung auch allgemeine, d.h. nicht-medizinische Anwendungen der beanspruchten Guide-RNA (Patent, Absätze [0001], [0007] und [0008]). Die Beschreibung des Patents stellt daher - entgegen den Ausführungen der Beschwerdegegnerin - klar, dass die vorliegende Erfindung therapeutische und nicht therapeutisch-relevante Guide-RNAs umfasst. Ihre Verwendung umfasst somit alle Bereiche der molekularen Biologie, Grundlagen-relevante sowie Therapie-relevante, wodurch die Fachperson im vorliegenden Fall ein Molekularbiologe ist und sich nicht auf einen Humangenetiker beschränkt.

6. Die Beschwerdegegnerin argumentierte zweitens, dass sich die ausschließliche "trans" Editierung der beanspruchten Guide-RNA des weiteren aus dem funktionalen Merkmal "wobei Segmente H und I so konstruiert sind, dass sie mit der zu editierenden mRNA paaren" in Anspruch 1 ergebe. Außerdem ergebe sich eine räumliche Trennung der Guide-RNA und der zu editierenden Ziel-mRNA aus allen Abbildungen des Patents. Dies werde durch den Begriff Guide-RNA gestützt, der darauf verweise, dass diese RNA endogene, d.h. sich bereits in der Zelle befindliche Enzyme rekrutiere und diese dann zu der sich gleichfalls dort befindlichen Ziel-mRNA führe. Obwohl D19 und D20 "cis"-agierende Guide-RNAs nennen, offenbarten diese Entgegenhaltungen Studien mit Protozoen, d.h. sie beschrieben Grundlagenforschung und keine Therapien. Des weiteren sei die Fähigkeit der Guide-RNAs in "cis" zu agieren in D19 und D20 nur als Ausnahme erwähnt.

7. Die Kammer ist davon nicht überzeugt.

7.1 Eine Beschränkung auf trans-agierende Guide-RNAs lässt sich nicht aus dem oben angeführten funktionalen Merkmal in Anspruch 1, dass die Segmente H und I "so konstruiert sind", dass sie sich mit der Ziel-mRNA paaren, ableiten, da weder die Segmente H und I - mit Ausnahme einiger struktureller Erfordernisse - noch die zu editierende mRNA spezifiziert sind. Die Ziel-mRNA kann sich somit mit der Guide-RNA auf der gleichen Nukleotid Sequenz befinden, was eine "cis" Paarung beider ermöglicht, oder kann ein von der Guide-RNA getrenntes Molekül sein, was eine "trans" Paarung ermöglicht. Es gibt weder einen technischen Grund, der eine "cis" Paarung zwischen der Guide-RNA und der Ziel-mRNA ausschließt, noch wurde ein solcher Grund von der Beschwerdegegnerin angeführt.

7.2 Anspruch 1 umfasst alle Guide-RNAs, sofern sie zur gerichteten RNA Editierung geeignet sind, unabhängig davon, ob diese "in cis" oder "in trans" erfolgt. Weder definiert Anspruch 1, dass die mRNA Zielsequenz und die Guide-RNA separate Moleküle sind, noch wird dies durch den Begriff "Guide-RNA" impliziert. Die Patentschrift enthält keine diesbezügliche Definition, und gerichtete RNA Editierungen mittels Guide-RNAs, die in "cis" agieren, sind aus dem Stand der Technik bekannt (D19, Titel, Zusammenfassung und Seite 656, rechte Spalte erster Absatz und D20, Zusammenfassung, Seite 471, rechte Spalte, Absatz 1). Es ist irrelevant, dass D19 und D20 dies in Protozoen zeigen und die Fähigkeit zur "cis" Editierung der Guide-RNA nur als Ausnahme beschreiben. Anspruch 1 beschränkt die Verwendung einer Guide-RNA weder auf einen bestimmten Organismus oder eine Organismengruppe noch auf eine "trans" Editierung. D19 und D20 zeigen explizit, dass eine Guide-RNA zur "cis" Editierung befähigt ist. Die Fachperson würde somit verstehen, dass Anspruch 1 Paarungen zwischen der Guide-RNA und der Ziel-mRNA sowohl in "cis" also auch in "trans" umfasst. Beide Paarungen der Guide-RNA erlauben die Rekrutierung eines endogenen Enzyms, welches die Ziel-mRNA gerichtet editiert, und stellen somit technisch machbare und sinnvolle Ausführungsformen von Anspruch 1 dar.

8. Als drittes Argument führte die Beschwerdegegnerin an, dass das Merkmal "vom 5'-Ende aufgelistet" in der Präambel von Anspruch 1 bewirke, dass das 5'-Ende der Guide-RNA eindeutig festgelegt sei, so dass sich 5' vom A Segment in der Guide-RNA keine weitere Sequenz, insbesondere keine mRNA Sequenz, befände. Die beanspruchte Guide-RNA sei außerdem kurz, wie sich aus Absatz [0024] des Patents ergebe, während eine mRNA stets lang sei.

8.1 Die Kammer ist davon ebenfalls nicht überzeugt. Anspruch 1 ist auf eine Guide-RNA gerichtet mit "mindestens" den "vom 5'-Ende" aufgelisteten Nukleotid-Segmenten A bis I (siehe die Präambel des Anspruchs in Sektion VIII. oben).

8.2 Der Begriff "vom 5'-Ende aufgelistet" in Verbindung mit "mindestens" in der Präambel legt somit lediglich die Mindestanzahl und die Reihenfolge der in Anspruch 1 genannten Nukleotid Segmente in der Sequenz der Guide-RNA fest. Die breiteste technisch sinnvolle Auslegung von "mindestens" in der Präambel erlaubt somit generell die Anwesenheit weiterer Nukleotid Sequenzen in der Guide-RNA, sofern sie sich 5' des A Segments oder 3' des I Segments der Guide-RNA befinden und die Guide-RNA die Reihenfolge der in Anspruch 1 genannten Segmente (von A bis I von 5' bis 3') aufweist. Die beanspruchte Guide-RNA ist außerdem durch keine Längenvorgabe charakterisiert. Da die zusätzlichen Sequenzen am 5' und 3' Ende nicht spezifiziert sind, umfasst Anspruch 1 sowohl kurze als auch lange Guide-RNAs.

9. Die beanspruchte Guide-RNA spezifiziert zudem, dass bestimmte Segmente miteinander paaren müssen, um eine Doppelhelixstruktur zu bilden ("wobei einzelne Nukleotide der Segmente A und G, B und F bzw. C und E sich jeweils zu einer Doppelhelix paaren", Hervorhebung hinzugefügt).

9.1 Es ist unstrittig, dass die Verwendung von "bzw." in dieser Definition bedeutet, dass unter den Anspruch als Ausführungsform eine Guide-RNA fällt, in der sich nur eines der genannten Segmentpaare paart, um eine Doppelhelix zu bilden (A/G, B/F, oder C/E). Diese für die Paarung vorgesehenen Segmente sind darüber hinaus über ihre Länge, sowie die Identität und Lage mindestens eines Nukleotids spezifiziert. Die im Anspruch 1 festgelegte Mindestlänge der sich paarenden Segmente beträgt 3 Nukleotide (Paare A/G und B/F) was für die Ausbildung einer Doppelhelix genügt. Von der Beschwerdeführerin wurden dazu keine gegenteiligen Argumente vorgebracht.

9.2 Neben dieser Doppelhelixstruktur muss die beanspruchte Guide-RNA eine Haarnadelstruktur ausbilden, die von den Nukleotiden einer der beiden alternativen Sequenzen des D Segments gebildet wird ("sich jeweils zu einer Doppelhelix paaren und die Nukleotide des Segments D eine Haarnadelstruktur bilden"). Die beiden Sequenzen des D Segments ("UAUGCUAAAUG" oder "UAUGCUCAAUG", Hervorhebung hinzugefügt) besitzen an ihren jeweiligen 5'- und 3'-Enden Nukleotide (siehe Hervorhebung), die sich auf Grund ihrer Komplementarität paaren. Die Haarnadelstruktur bildet daher zwei weitere Doppelhelix Strukturen aus. Auch dieser Punkt ist unstrittig.

9.3 Als weitere Vorgabe verlangt Anspruch 1, dass die "Segmente H und I so konstruiert sind, dass sie mit der zu editierenden mRNA paaren". Dieses funktionelle Merkmal definiert ein zu erreichendes Ergebnis, nämlich die Eignung der Nukleotide der Segmente H und I sich mit der zu editierenden Ziel-mRNA zu paaren. Da die zu editierende mRNA nicht näher definiert ist, können die H und I Segmente mit jeder dazu komplementären mRNA hybridisieren.

10. Anspruch 1 beschreibt explizit keine weiteren Merkmale der Guide-RNA, insbesondere nicht, wie die Editierung der RNA durchgeführt wird, d.h. ob die Guide-RNA dies alleine bewirkt, d.h. aktiv selbst RNA editiert, oder ob sie dafür weitere Moleküle "rekrutiert", d.h. nur passiv an der Editierung der RNA beteiligt ist.

10.1 Es ist unter den Parteien strittig, ob die funktionelle Definition der Eignung der beanspruchten Guide-RNA zur Editierung von RNA erfordert, dass diese aktiv, d.h. katalytisch, RNA modifiziert.

10.2 Die Kammer stimmt mit der Beschwerdegegnerin darin überein, dass der Begriff "Guide" in "Guide-RNA" von der Fachperson gemäß seiner breitesten technisch sinnvollen Auslegung so verstanden wird, dass die Guide-RNA selbst keine mRNA Editierung durchführt, sondern eine oder mehrere weitere Moleküle (Enzyme) zur Zielsequenz führt, die die mRNA editieren.

Neuheit - Anspruch 1

11. Die Beschwerdeführerin erhob Einwände unter mangelnder Neuheit der Guide-RNA von Anspruch 1 gegenüber, unter anderem, der Offenbarung von D1.

12. Es ist unstrittig, dass die Abbildung 1A und ihre Legende in D1 eine monomere "R/G-stem-loop" RNA Sequenz offenbart, die aus der humanen Glutamat Rezeptor (GluR) Untereinheit B pre-mRNA stammt und alle strukturellen Merkmale einer gemäß Anspruch 1 definierten Guide-RNA enthält. Allerdings besitzt dieser "R/G-stem-loop" an seinem 5'-Ende eine weitere Sequenz, die die zu editierende Ziel-mRNA Sequenz enthält, so dass sich die "R/G-stem-loop" Struktur und die Ziel-mRNA auf derselben RNA Sequenz befinden. Durch eine Paarung des "R/G-stem-loop" in "cis" mit seiner 5'-gelegenen mRNA-Zielsequenz wird eine endogene humane Adenosin Deaminase (ADAR) rekrutiert, die die Zielsequenz gerichtet editiert (D1, Zusammenfassung). Da diese Editierung durch die Deaminase nur stattfindet, wenn der in D1 offenbarte "R/G-stem-loop" in dieser RNA Sequenz vorhanden ist, betrachtet die Kammer ihn als "Guide-RNA", obwohl dieser Begriff in D1 nicht erwähnt wird.

13. Die Beschwerdegegnerin bestritt, dass der in D1 gezeigte "R/G stem-loop" die beanspruchte Guide-RNA neuheitsschädlich vorwegnehme und führte mehrere Unterscheidungsmerkmale an. Zum einen sei Anspruch 1 auf eine "trans" Editierung beschränkt, was sich aus den Begriffen "Guide-RNA" zur "gerichteten RNA-Editierung" in der Präambel und der Segmente H und I ergebe, die "so konstruiert sind", dass sie mit der zu editierenden mRNA paaren. Des Weiteren sei das 5'-Ende der Guide-RNA durch die Verwendung des Begriffs "vom 5'-Ende aufgelistet" in der Präambel von Anspruch 1 eindeutig festgelegt, so dass sich am 5'-Ende der Guide-RNA keine weiteren Sequenzen befinden können. D1 zeige nur eine "cis" Paarung des "R/G stem-loop" mit seiner Ziel-mRNA, die sich am 5'-Ende des "R/G stem-loop" (Guide-RNA) befinde.

14. Keines dieser Argumente der Beschwerdegegnerin sind aus den oben unter der Anspruchsauslegung dargelegten Gründen überzeugend (Punkte 5, 5.1, 5.2, 7.1, 7.2, 8.1, und 8.2).

15. Der Gegenstand von Anspruch 1 ist somit nicht neu gegenüber D1. Daher erfüllt der Hauptantrag nicht die Erfordernisse von Artikel 54 EPÜ.

Hilfsanträge 1 bis 4

16. Wie oben dargelegt (Sektionen IX. bis XII.), unterscheiden sich die Guide-RNAs von Anspruch 1 der Hilfsanträge 1 bis 4 von der in Anspruch 1 des Hauptantrags definierten Guide-RNA nur durch die folgenden Änderungen:

16.1 In Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 wurde der Begriff "mRNA" in der letzten Zeile durch den Begriff "Ziel-mRNA" ersetzt. Diese Änderung schränkt die Guide-RNA jedoch gegenüber dem Hauptantrag nicht weiter ein.

16.2 In Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 wurde das Merkmal "und wobei die guide RNA und die zu editierende mRNA nicht identisch sind" am Ende des Anspruchs angefügt.

16.3 In Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 wurde das Merkmal "durch endogene Editierungsenzyme" in der Präambel eingefügt. Diese Änderung schränkt die beanspruchte Guide-RNA nur insofern ein, als dass sie zur gerichteten RNA Editierung mittels endogener, d.h. in der Zelle vorliegender Editierungsenzyme geeignet sein muss.

16.4 In Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 wurde das Merkmal "durch endogene hADAR-Enzyme" in der Präambel eingefügt. Diese Änderung schränkt die beanspruchte Guide-RNA nur insofern ein, als dass sie zur gerichteten RNA Editierung mittels endogener hADAR-Enzyme (humaner Adenosine Deaminases that act on RNA) geeignet sein muss.

Neuheit - Anspruch 1

17. Die Guide-RNA von Anspruch 1 der Hilfsanträge 1, 3 und 4 ist aus denselben Gründen nicht neu gegenüber der in D1 offenbarten "R/G stem-loop" Struktur wie die Guide-RNA von Anspruch 1 des Hauptantrags. Dies ergibt sich aus der Tatsache, dass dieser "R/G stem-loop" am 5'-Ende eine zu editierende mRNA Sequenz besitzt und eine endogene hADAR rekrutiert, um die Editierung der Ziel-mRNA in "cis" zu bewirken (Punkt 12 oben).

18. Was Anspruch 1 von Hilfsantrag 2 betrifft, so ist die Kammer nicht von den Argumenten der Beschwerdegegnerin überzeugt, dass die Formulierung "wobei die guide RNA und die zu editierende mRNA nicht identisch sind" in Anspruch 1 zwangsläufig dazu führt, dass die Guide-RNA und die Ziel-mRNA zwei voneinander getrennte Moleküle sind. Dafür, dass die Guide-RNA und die Ziel-mRNA "nicht identisch sind" ist es in Übereinstimmung mit der Beschwerdeführerin ausreichend, dass beide RNAs jeweils unterschiedliche Sequenzen aufweisen. Eine darüber hinaus gehende räumliche Trennung der beiden Moleküle ist dafür nicht erforderlich. Die unterschiedlichen Sequenzen des in D1 offenbarten "R/G stem-loop" und seiner zu editierende Ziel-mRNA sind unstrittig.

19. Die Hilfsanträge 1 bis 4 erfüllen somit nicht die Erfordernisse von Artikel 54 EPÜ.

Hilfsantrag 5

Unzulässige Erweiterung - Ansprüche 1, 10 bis 13

20. Im nachfolgenden bezeichnet die Anmeldung wie eingereicht, die internationale Anmeldung (WO 2017/050306).

21. Gemäß Artikel 123 (2) EPÜ dürfen die europäische Patentanmeldung und das europäische Patent nicht in der Weise geändert werden, dass ihr Gegenstand über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht. Als "Goldstandard" (G 2/10, ABl. 2012, 376) gilt dabei, dass jede Änderung an den die Offenbarung betreffenden Teilen eines europäischen Patents unabhängig vom Kontext der vorgenommenen Änderung nur im Rahmen dessen erfolgen darf, was der Fachmann der Gesamtheit dieser Unterlagen in ihrer ursprünglich eingereichten Fassung unter Heranziehung des allgemeinen Fachwissens - objektiv und bezogen auf den Anmeldetag - unmittelbar und eindeutig explizit oder implizit entnehmen kann.

22. Die Beschwerdeführerin brachte vor, dass die Ansprüche 1 und 10 bis 13 Gegenstände enthalten, die über den Inhalt der Anmeldung wie eingereicht hinausgehen.

23. Die Kammer ist davon nicht überzeugt.

Anspruch 1

24. In Anspruch 1 von Hilfsantrag 5 ist nur strittig, ob das Merkmal "und wobei die Guide-RNA und die zu editierende mRNA verschiedene Moleküle sind" eine Basis in der Anmeldung wie eingereicht besitzt. Der Gegenstand dieses Anspruchs basiert im wesentlichen auf Anspruch 1 wie eingereicht wovon er sich unter anderem durch das einzig strittige Merkmal unterscheidet. Dieses Merkmal hat zur Folge, dass die beanspruchte Guide-RNA nicht mit der zu editierenden mRNA auf einer Nukleotidsequenz liegt, d.h. "in trans" agiert.

25. Die Beschwerdeführerin ist der Ansicht, dass die Anmeldung wie eingereicht keine trans-agierende Guide-RNA offenbare, die darüber hinaus die allgemeinen Merkmale aus Anspruch 1 enthalte. Die allgemeinste Offenbarung einer trans-agierenden Guide-RNA finde sich in der Abbildung 2 der Anmeldung wie eingereicht. Allerdings unterscheide sich diese Guide-RNA strukturell von der aus Anspruch 1 (zusätzliche Haarnadelstruktur am 3'-Ende und drei Doppelhelixstrukturen anstatt nur einer). Durch Weglassen der Haarnadelstruktur am 3'-Ende und der Verwendung einer einzigen Doppelhelixstruktur stelle die Guide-RNA von Anspruch 1 eine unzulässige Zwischenverallgemeinerung der Offenbarung der Anmeldung wie eingereicht dar.

25.1 Die Kammer ist davon nicht überzeugt. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin besteht für die Kammer keine Veranlassung die Prüfung der unzulässigen Erweiterung mit der Guide-RNA aus Abbildung 2 zu beginnen. Stattdessen stimmt die Kammer mit der Beschwerdegegnerin darin überein, dass die Frage, ob die trans-agierende Guide-RNA von Anspruch 1 eine unzulässige Erweiterung darstellt, ausgehend von Anspruch 1 wie eingereicht zu prüfen ist.

25.2 Wie oben dargelegt (Punkt 7.1), umfasst Anspruch 1 des Hauptantrags zwei Ausführungsformen, nämlich eine Guide-RNA die in "cis" agiert und eine, die in "trans" agiert. Dies trifft auch auf Anspruch 1 wie eingereicht zu, der im wesentlichen identisch mit Anspruch 1 des Hauptantrags ist (und mit Anspruch 1 von Hilfsantrag 5, Punkt 24 oben). Anspruch 1 wie eingereicht erfordert wie Anspruch 1 von Hilfsantrag 5 nur das Vorliegen einer einzigen Doppelhelixstruktur.

25.3 Die Frage, die sich somit unter dem Gesichtspunkt einer unzulässigen Erweiterung stellt, ist, ob sich eine Bevorzugung der "trans"-agierenden Ausführungsform der Guide-RNA gegenüber der "cis"-agierenden Ausführungsform aus der Anmeldung wie eingereicht unmittelbar und eindeutig explizit oder implizit für die Fachperson entnehmen lässt. Es ist unstrittig, dass alle Abbildungen der Anmeldung wie eingereicht (außer Abbildung 1, die die "R/G stem-loop" Struktur aus D1 offenbart) eine trans-agierende Guide-RNA zeigen. Dasselbe trifft auf alle Ausführungsbeispiele der Anmeldung wie eingereicht zu. Dies belegt, dass die trans-agierende Ausführungsform der Guide-RNA in der Anmeldung wie eingereicht als bevorzugt offenbart ist.

25.4 Daraus folgt, dass sich das strittige Merkmal "und wobei die Guide-RNA und die zu editierende mRNA verschiedene Moleküle sind" in Anspruch 1 für die beanspruchte Guide-RNA für die Fachperson unmittelbar und eindeutig aus der Gesamtoffenbarung der Anmeldung wie eingereicht ergibt, auch wenn dieses Merkmal dort nicht wörtlich offenbart ist.

Ansprüche 10 und 11

26. In Übereinstimmung mit der Einspruchsabteilung (angefochtene Entscheidung, Punkt 11.2) besitzt die in den Ansprüchen 10 und 11 beanspruchte strittige erste medizinische Verwendung der Guide-RNA in den Absätzen 2 und 3 auf Seite 5 und in Absatz 1 auf Seite 6 der Anmeldung wie eingereicht eine Basis. So erwähnt z.B. die Anmeldung wie eingereicht auf Seite 5, Zeilen 10 bis 13, den Einsatz des erfindungsgemäßen Verfahrens in der Behandlung genetischer Krankheiten ("Nukleotid-Austausch an einem oder an mehreren Stellen der Ziel-RNAs") und auf Seite 5, Zeilen 15 bis 19, "therapierelevante guide-RNAs" und die Verabreichung einer "therapeutischen guide-RNA", ohne dass dies auf die Behandlung einer spezifischen Erkrankung beschränkt ist.

27. Dies ändert sich auch nicht durch die von der Beschwerdegegnerin vorgebrachte Nennung des Guide-RNA Einsatzes "zur Behandlung neuronalen Erkrankungen" (Seite 5, Zeilen 26 bis 28), da diese spezifische Behandlung auf der Seite 5 nur nachfolgend beschrieben ist und somit die zuerst genannten therapeutischen Guide-RNAs nicht einschränkt. Darüber hinaus findet sich auf Seite 6, Zeile 11 der Anmeldung wie eingereicht die Nennung einer ebenfalls generischen "medizinische Anwendung" der Guide-RNA. Aus diesen Textpassagen der Anmeldung wie eingereicht geht somit die erste medizinische Verwendung der beanspruchten Guide-RNA, entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin unmittelbar und eindeutig hervor.

Ansprüche 12 und 13

28. Der Einwand der Beschwerdeführerin, dass die Einführung des Begriffs "in vitro" in die Verfahrens- und Verwendungsansprüche 12 und 13 nicht den Erfordernissen von Artikel 123(2) EPÜ genüge, weil der Begriff nicht explizit in der Anmeldung wie eingereicht offenbart sei, ist ebenfalls nicht überzeugend. In Übereinstimmung mit der Einspruchsabteilung (angefochtene Entscheidung, Punkt 11.2) ist die Einführung des Begriffs "in vitro" als Disclaimer nicht allein deshalb abzulehnen, weil weder dieser Disclaimer noch der von ihm ausgeschlossene Bereich in der Anmeldung wie eingereicht offenbart sind. Der Begriff "in vitro" klammert Gegenstände aus den beanstandeten Verfahrens- und Verwendungsansprüchen aus, die nach Artikel 53 EPÜ aus nicht-technischen Gründen vom Patentschutz ausgeschlossen sind. Gemäß etablierter Rechtsprechung geht eine solche Änderung der Ansprüche 12 und 13 nicht über den Offenbarungsgehalt der Anmeldung wie eingereicht hinaus (G 1/03, veröffentlicht im ABl. 2004, 413, Leitsätze und Entscheidungsgründe 2 und 2.4.1 bis 2.4.3 und G 1/16, veröffentlicht im ABl. 2018, 70, Leitsatz).

29. Hilfsantrag 5 erfüllt somit die Erfordernisse von Artikel 123(2) EPÜ.

Ausreichende Offenbarung

30. Es ist etablierte Rechtsprechung, dass die beanspruchte Erfindung im Wesentlichen im gesamten beanspruchten Bereich ausführbar sein muss, um die Erfordernisse von Artikel 83 EPÜ zu erfüllen. Dieser Grundsatz gilt für alle Erfindungen, unabhängig davon, ob sie funktionell oder strukturell definiert sind (Rechtsprechung, II.C.5.4). Es ist des Weiteren etablierte Rechtsprechung, dass ein erfolgreicher Einwand der unzureichenden Offenbarung ernsthafte und durch nachprüfbare Tatsachen erhärtete Zweifel voraussetzt (T 19/90, Gründe 3.3). Nach den allgemeinen Grundsätzen, dass jede Partei die Beweislast für die von ihr behaupteten Tatsachen trägt, liegt die Beweislast für die Feststellung einer unzureichenden Offenbarung im Inter-partes-Verfahren im Allgemeinen bei der Einsprechenden (hier der Beschwerdeführerin), die nachweisen muss, dass nach Abwägung aller Wahrscheinlichkeiten eine Fachperson, die das Patent liest und allgemeines Fachwissen anwendet, nicht in der Lage ist, die Erfindung auszuführen. Die Beweislast der für einen erfolgreichen Einwand wegen unzureichender Offenbarung erforderlichen Angaben entspricht dem Umfang der in dem Streitpatent und in der Anmeldung wie eingereicht enthaltenen Lehre (z.B. T 806/23, Gründe 2.4.3). Dies bedeutet, dass die Frage, ob die Argumente der Beschwerdeführerin hinsichtlich der Frage der unzureichenden Offenbarung im vorliegenden Fall nicht mehr als unbewiesene Behauptungen sind (wie von der Beschwerdegegnerin ausgeführt), von den Lehren im Streitpatent und der Anmeldung wie eingereicht und dem einschlägigen allgemeinen Fachwissen abhängt. Daher kann sich die Beweislast umkehren, wenn z.B. die Anmeldung keinerlei Angaben dazu macht, wie ein Merkmal der Erfindung in die Praxis umgesetzt werden kann (Rechtsprechung, II.C.9.1).

31. Die Beschwerdeführerin brachte vor, dass Ausführungsformen unter die Guide-RNA von Anspruch 1 fielen, die ohne unzumutbaren Aufwand nicht ausführbar seien. Im besonderen werde angezweifelt, dass die Ausführungsform der beanspruchten Guide-RNA, die nur eine Doppelhelixstruktur ausbilde (Punkt 9.1 oben), geeignet sei, RNA-editierende Enzyme (z.B. die Deaminase ADAR2) an Ziel-mRNA Sequenzen zu führen. Experimentelle Hinweise, dass diese Ausführungsform der Guide-RNA nicht geeignet sei, um RNA-editierende Komponenten zu "rekrutieren" und zur Zielsequenz zu führen, seien nicht vorgelegt worden. Allerdings genüge es für die Beweislastumkehr, dass bereits die Anmeldung wie eingereicht erhebliche Zweifel an der Ausführbarkeit dieser Ausführungsform verbreite (Seite 1, letzter Absatz bis Seite 2, erster Absatz und dort genannte Entgegenhaltung D15). Weitere Zweifel an der Ausführbarkeit seien durch die erheblichen strukturellen Unterschiede zwischen der beanspruchten Guide-RNA und den in der Anmeldung offenbarten beispielhaften Guide-RNAs gegeben. Diese Unterschiede ließen nur eine "schwache Vermutung" zu, dass die Ausführungsform der Guide-RNA mit nur einer Doppelhelixstruktur zur gerichteten RNA-Editierung geeignet sei. In dieser Situation genüge es, die Plausibilität dieser Ausführungsform durch Stützung auf das allgemeine Fachwissen in Frage zu stellen, um der Beweispflicht zu genügen (Rechtsprechung, II.C.9.1 und II.C.9.4).

32. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin besitzen alle Ausführungsformen, die von Anspruch 1 umfasst sind, nicht nur eine Doppelhelixstruktur. Zusätzlich besitzen alle beanspruchten Ausführungsformen eine Haarnadelstruktur, die durch die Ausbildung zweier weiterer Doppelhelixstrukturen stabilisiert wird (Punkte 9, 9.1 und 9.2 oben). Im nachfolgenden wird diese beanspruchte Ausführungsform von Anspruch 1 näher betrachtet.

33. Die zu klärende Frage ist somit, ob sich aus der Anmeldung wie eingereicht und der darin genannten Entgegenhaltung D15 keine ausreichenden Angaben entnehmen lassen, dass die hier zu betrachtende Ausführungsform ADARs an Ziel-mRNAs führen kann, um dort eine Editierung der RNA Sequenzen zu bewirken.

34. Es ist unstrittig, dass die Anmeldung wie eingereicht Beispiele von Guide-RNAs sowie von Ziel-RNAs offenbart, die der Fachperson zeigen, wie sie die beanspruchte Guide-RNA herstellen kann. Diese Guide-RNAs sind geeignet, um mit Hilfe einer ADAR2 Deaminase mRNA zu editieren (Anmeldung wie eingereicht, Seite 7, Zeile 30 bis Seite 14, Zeile 10, Abbildungen 2 bis 9, Tabelle 2).

35. Ferner gehört es zum allgemeinen Fachwissen, wie komplementäre RNA Nukleotidsequenzen zu gestalten sind, damit sie eine Doppelhelixstruktur bilden.

36. Die im Zusammenhang der behaupteten "vagen Vermutung" von der Beschwerdeführerin angeführte relevante Textpassage in der Anmeldung wie eingereicht lautet: "Dennoch werden nur einige wenige Substrate hochselektiv und effizient editiert (7). Der Grund dafür scheint die Erkennung spezieller Sequenzen und Sekundärstrukturen durch die dsRBD (dsRNA binding domains) zu sein. ADAR2 hat zwei dsRBD (1&2) im N-Terminus. An Modelsubstraten, wie dem GluR2-Transkript, konnte gezeigt werden, dass die dsRBD 1&2 an jeweils verschiedene Bereiche im GluR2-Transkript in definierten Modi binden (8, Fig. 1). Am C-terminalen Ende von hADAR2 ist die Deaminase-Domäne platziert" (Seite 1, Zeile 28 bis Seite 2, Zeile 2).

37. Diese Textpassage enthält nur sehr allgemeine Aussagen aus der sich keine Hinweise entnehmen lassen, dass eine Bindung der hier zu betrachtenden Ausführungsform der Guide-RNA an hADAR2 nicht stattfindet. Wie oben ausgeführt besitzt diese Ausführungsform eine Doppelhelix- und eine Haarnadelstruktur, also Sekundärstrukturen die für die Bindung an ADAR erforderlich sind. Hinweise ergeben sich auch nicht aus der Abbildung 1 in D15, auf die diese Textpassage verweist. Dazu müsste die Anmeldung wie eingereicht oder D15 Experimente enthalten die zeigen, dass eine Guide-RNA mit nur einer Doppelhelixstruktur die über eine Haarnadelstruktur weitere Doppelhelixstrukturen ausbildet (Punkt 34 oben) nicht an ADAR binden kann.

38. Da solche experimentelle Daten jedoch fehlen, die Anmeldung wie eingereicht aber Daten enthält die zeigen, dass die beanspruchte Guide-RNA mit Hilfe von ADARs Ziel-mRNA Sequenzen editieren kann, ist die Kammer nicht von der Argumentation der Beschwerdeführerin überzeugt, dass sich aus der Lehre der Anmeldung wie eingereicht nur eine "schwache Vermutung" für die Ausführbarkeit der beanspruchten Guide-RNA über den gesamten Bereich von Anspruch 1 ergibt. Daher bleiben die vorgebrachten Argumente der Beschwerdeführerin unbewiesene Behauptungen die nicht ausreichen, um die Beweislast umzukehren. Auch die alleinige Breite des beanspruchen Schutzumfangs reicht nicht aus, um eine unzureichende Offenbarung des beanspruchten Gegenstands zu begründen.

39. Die in Anspruch 1 definierte Guide-RNA wird daher als über die gesamte Breite des Anspruchs ausführbar erachtet. Hilfsantrag 5 erfüllt somit die Erfordernisse von Artikel 83 EPÜ.

Zulassung/Berücksichtigung der Entgegenhaltungen D21 bis D24

40. D21 und D22 wurden von der Beschwerdeführerin erstmals mit ihrer Beschwerdeschrift eingereicht. D23 und D24 wurden von der Beschwerdegegnerin in Erwiderung auf die Beschwerdeschrift erstmalig eingereicht.

41. Vorrangiges Ziel des Beschwerdeverfahrens ist, die angefochtene Entscheidung gerichtlich zu überprüfen. Daher ist das Beschwerdevorbringen der Beteiligten auf die Anträge, Tatsachen, Einwände, Argumente und Beweismittel zu richten, die der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegen (Artikel 12(2) VOBK).

42. Da die Entgegenhaltungen D21 bis D24 neu im Verfahren sind, erfüllen sie die Erfordernisse nach Artikel 12(2) VOBK nicht. Es steht somit im Ermessen der Kammer diese Entgegenhaltungen zuzulassen (Artikel 12(4) VOBK).

43. Anträge, Tatsachen, Einwände oder Beweismittel, die in dem Verfahren, das zu der angefochtenen Entscheidung geführt hat, vorzubringen gewesen wären oder die nicht mehr aufrechterhalten wurden, lässt die Kammer nicht zu, es sei denn, die Umstände der Beschwerdesache rechtfertigen eine Zulassung (Artikel 12(6) VOBK).

44. Bezüglich der Gründe, warum D21 erstmals mit der Beschwerdeschrift eingereicht wurde, verweist die Beschwerdeführerin lediglich auf die prima facie Relevanz dieses Dokuments für die Prüfung der erfinderischen Tätigkeit, ohne jedoch Gründe anzugeben, warum diese Entgegenhaltung nicht schon im Einspruchsverfahren eingereicht werden konnte. Da sich der Gegenstand der beanspruchten Erfindung jedoch seit dem Einspruchsverfahren nicht geändert hat und die Einspruchsabteilung bereits in ihrer vorläufigen Meinung (Seite 11, Absätze 1 bis 3) nicht von den Argumenten der Einsprechenden unter erfinderischer Tätigkeit überzeugt war, hätte diese Entgegenhaltung bereits im Einspruchsverfahren eingereicht werden müssen.

45. Bezüglich D22 brachte die Beschwerdeführerin vor, dass dieses Dokument ebenfalls prima facie relevant sei und darüber hinaus das allgemeine Fachwissen der Fachperson repräsentiere, gegenüber welchem die Offenbarung der Entgegenhaltungen von, unter anderem, D2 und D3 zu lesen seien. Es ist unstrittig, dass der Inhalt von D22 auf RNase P beschränkt ist, d.h. auf eine spezifische RNA mit enzymatischer Aktivität. Wie oben festgestellt (Punkt 10.2) besitzt die beanspruchte Guide-RNA nach allgemeinem Verständnis selbst jedoch keine enzymatische Aktivität sondern rekrutiert passiv Enzyme für die RNA Editierung. Die beanspruchte Guide-RNA unterscheidet sich somit grundlegend von der RNase P. Da D22 somit eine andere Molekülgruppe beschreibt weist es prima facie keine Relevanz für die beanspruchte Guide-RNA Struktur auf. Daher genügt das alleiniges Argument, dass es sich bei D22 um allgemeines Fachwissen (für ein nicht relevantes Molekül) handelt, im vorliegenden Fall nicht, um D22 als verspätet eingereichtes Dokument im Verfahren zu berücksichtigen.

46. Auch die Beschwerdegegnerin hat keine Gründe vorgebracht, warum die Entgegenhaltung D24 erst jetzt ins Beschwerdeverfahren eingereicht wurde, bzw., warum D24 im Verfahren berücksichtigt werden soll. Da D24 bereits im Streitpatent als Referenz 2 erwähnt ist, war D24 der Beschwerdegegnerin bereits seit Beginn des Einspruchsverfahren bekannt. Es gibt daher keine Gründe für die Beschwerdegegnerin, D24 nicht schon früher ins Verfahren einzuführen.

47. D21, D22 und D24 werden daher nicht ins Verfahren zugelassen (Artikel 12(6) VOBK).

48. Die Zulassung von D23 ins Verfahren ist unstrittig und wird daher ins Verfahren zugelassen.

Erfinderische Tätigkeit - Anspruch 1

49. Die Beschwerdeführerin erhob Einwände unter mangelnder erfinderischer Tätigkeit gegen die Guide-RNA von Anspruch 1 gegenüber der Lehre in D21 alleine und gegen den Gegenstand von Anspruch 9 gegenüber der Lehre in D21 in Kombination mit der Lehre in D5 oder D9. Alternativ wurde ein solcher Einwand gegen die Guide-RNA von Anspruch 1 ausgehend von D1 bis D3, oder D10 als nächstliegendem Stand der Technik in Kombination mit der Lehre von D15 oder D21 erhoben.

50. Da D21 und D22 nicht im Verfahren sind (Punkt 46 oben), werden sie bei der Prüfung der erfinderischen Tätigkeit nicht berücksichtigt. Im folgenden wird daher nur auf die Argumentationslinien der Beschwerdeführerin eingegangen, die diese beiden Entgegenhaltungen nicht verwenden.

51. Der Gegenstand von Anspruch 1 ist auf Guide-RNAs limitiert, die in "trans" mit ihren RNA-Zielsequenzen hybridisieren. Mit anderen Worten, die Zielsequenz und die Guide-RNA sind separate Moleküle.

52. Es ist unstrittig, dass keine der Entgegenhaltungen D1 bis D3 und D10 eine trans-agierende Guide-RNA offenbart. D1 bis D3 und D10 offenbaren vielmehr Studien die die Wechselwirkung der Deaminasen ADAR1 und ADAR2 mit ihren beiden natürlichen Substraten - den mRNA Transkripten des GluR und des Hepatitis Delta Virus (HDV) - untersuchen (D1 bis D3 und D10, jeweils die Zusammenfassung). Als Modelsubstrat der ADARs dient vor allem der sogenannte "R/G-stem-loop" der GluR B-Untereinheit (D1, Seite 592, rechte Spalte, letzter Absatz bis Seite 593, linke Spalte, erster Absatz, Abbildung 1A; D2, Seite 258, linke Spalte, Absatz 1, Abbildung 2C; D3, Abbildung 1, Seite 853, rechte Spalte, Absatz 3, und D10, Abbildung 2).

53. Die Guide-RNA von Anspruch 1 unterscheidet sich vom

"R/G-stem-loop" aus D1 bis D3 und D10 durch seine Eignung zur RNA-Editierung in "trans", d.h. zur Editierung jeder gewünschten und davon getrennten mRNA sofern deren Sequenz zu der der H und I Segmente komplementär ist. Die Editierung erfolgt durch die Rekrutierung eines RNA-editierenden Enzyms.

54. Die möglichen Ziel-mRNAs der beanspruchten Guide-RNA liegen somit alle in "trans", während die Ziel-mRNA des "R/G-stem-loop" des nächstliegenden Stands der Technik auf die "cis" Editierung einer einzelnen Ziel Sequenz beschränkt ist. Daher stimmt die Kammer der Beschwerdeführerin nicht zu, dass die zu lösende technische Aufgabe in der Bereitstellung einer alternativen Guide-RNA liegt.

55. Vielmehr liegt die zu lösende technische Aufgabe in Übereinstimmung mit der Beschwerdegegnerin in der Bereitstellung einer Guide-RNA, die die RNA-Editierung in "trans" beeinflusst bzw. ermöglicht.

56. Angesichts der gezeigten experimentellen Daten in der Anmeldung löst die Guide-RNA von Anspruch 1 diese Aufgabe.

Offensichtlichkeit

57. Die Beschwerdeführerin argumentierte, dass die Bereitstellung der beanspruchten Guide-RNA zur Lösung der oben genannten technischen Aufgabe ausgehend von der Lehre von D1 bis D3 oder D10 in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen und der Lehre aus D15 der Fachperson nahegelegt worden sei.

58. Die Kammer ist davon nicht überzeugt.

58.1 Vielmehr stimmt die Kammer mit der Einspruchsabteilung und der Beschwerdegegnerin darin überein, dass die Fachperson ausgehend von der Lehre der Entgegenhaltungen D1 bis D3 oder D10 in Anbetracht der oben genannten Aufgabe diesen Dokumenten keinen Hinweis entnommen hätte, wie die Aufgabe zu lösen sei. Es ist unstrittig, dass der dort gezeigte "R/G-stem-loop" für eine RNA-Editierung in "trans" ungeeignet ist.

58.2 Die beanspruchte "trans"-agierende Guide-RNA ergibt sich auch nicht naheliegend aus der Kombination der Lehre dieser Entgegenhaltungen mit D15. Dieses Dokument offenbart lediglich eine weitere Studie, die die Bindung von ADAR an den "R/G-stem-loop" der GluR-B-Untereinheit mRNA untersucht und dabei auf die Rolle der einzelnen strukturellen Motive des "R/G-stem-loop" eingeht (D15, Zusammenfassung, Abbildung 1A, Seite 233, linke Spalte und Seite 234, linke Spalte Absatz 1). Allerdings gehen aus dieser Offenbarung in D15 keine Hinweise für die Fachperson hervor, wie sich diese Information über die Interaktion zwischen dem "R/G-stem-loop" und dem ADAR Enzym nutzen ließe, um aus einer zwingend in "cis"-agierenden RNA-Editierung eine Editierung in "trans" zu ermöglichen.

58.3 Hinweise dazu lassen sich auch nicht aus dem allgemeinen Fachwissen der Fachperson entnehmen, selbst wenn, wie von der Beschwerdegegnerin behauptet, die gesamte ADAR Forschung am Anmeldetag des Patents damit beschäftigt war, die Nachteile künstlicher ADARs (wie z.B. in D5 oder D7 beschrieben) zu beheben. Es ist unstrittig, dass die in D5 oder D7 beschriebenen ADARs einen anderen Ansatz verfolgen, um mit Hilfe einer Guide-RNA in "trans" beliebige Ziel-mRNAs zu editieren. Die alleinige Feststellung, dass der Fachperson am Anmeldetag des Patents Probleme der trans-Editierung von RNA mittels ADAR bekannt waren, genügt nicht, um die beanspruchten Guide-RNAs naheliegend vorwegzunehmen. Vielmehr müssen Hinweise vorliegen, wie eine mögliche Lösung dieser Probleme aussehen könnte. Ohne Hinweise, dass dies durch die beanspruchte Guide-RNA gelingen könnte, kann die Fachperson nicht in naheliegender Weise zum Gegenstand von Anspruch 1 gelangen.

59. Da die weiteren unabhängigen Verfahrens- und Verwendungsansprüche 10, 12 und 13 die Guide-RNA aus Anspruch 1 verwenden, kann die Kombination der oben genannten Entgegenhaltungen auch nicht den Gegenstand dieser Ansprüche nahelegen.

60. Hilfsantrag 5 erfüllt somit die Erfordernisse von Artikel 56 EPÜ.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent mit folgenden Ansprüchen und einer eventuell noch anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten:

Ansprüche 1 bis 13 des Hilfsantrags 5, eingereicht mit der Beschwerdeerwiderung.

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