T 2170/21 () of 2.10.2024

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2024:T217021.20241002
Datum der Entscheidung: 02 October 2024
Aktenzeichen: T 2170/21
Anmeldenummer: 10000053.8
IPC-Klasse: E05F 15/603
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zum Betrieb eines Türantriebs mit Überlastungsschutz und damit ausgestattete Türantriebe
Name des Anmelders: dormakaba Deutschland GmbH
Name des Einsprechenden: GEZE GmbH
Kammer: 3.2.04
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 121(4)
European Patent Convention Art 122
European Patent Convention Art 123(2)
European Patent Convention R 101(1)
European Patent Convention R 136(3)
European Patent Convention R 139
European Patent Convention R 139 (2007) Sent 1
European Patent Convention R 139 (2007) Sent 2
Rules of procedure of the Boards of Appeal 2020 Art 006(2)
Rules of procedure of the Boards of Appeal 2020 Art 006(3)
Rules of procedure of the Boards of Appeal 2020 Art 013(2)
Rules of procedure of the Boards of Appeal 2020 Art 013(1)
Rules of procedure of the Boards of Appeal 2020 Art 012(6)
Art 1(2), 2(1) des Beschlusses des Präsidiums der Beschwerdekammern vom 12. November 2007 über die Übertragung von Aufgaben auf die Geschäftsstellenbeamten der Beschwerdekammern
Schlagwörter: Änderung des Vorbringens - Argumente und Tatsachen zur Rechtsauslegung
Änderung des Vorbringens - zugelassen (ja)
Berichtigung eines Fehlers im Dokument (mit elektronischen Formblatt erteilte Abbuchungsauftrag zur Zahlung der Beschwerdegebühr) - (ja)
Änderungen - zulässig (nein)
Änderung nach Ladung - außergewöhnliche Umstände (nein)
Änderung nach Ladung - berücksichtigt (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0003/08
G 0001/12
G 0001/18
J 0008/19
T 0670/09
T 0642/12
T 0317/19
T 0071/21
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Patentinhaberin richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das europäische Patent Nr. 2 206 865 nach Artikel 101 (2) und (3)(b) EPÜ zu widerrufen.

II. Die Einspruchsabteilung war unter anderem der Auffassung, dass Anspruch 1 gemäß dem mit Schreiben vom 16. Oktober 2020 eingereichten Hauptantrag und jedem der mit diesem Schreiben eingereichten Hilfsanträge 1-3 sowie der mit Schreiben vom 10. September 2021 eingereichten Hilfsanträge 4 und 5 unzulässige Änderungen im Merkmal MM5 ("mittels Aufsummierung der sich aus den Betriebsparametern ergebenden Belastungen erfolgt") enthalte, und hat daher das Patent widerrufen.

III. Die Patentinhaberin reichte ihre Beschwerdeschrift nach Artikel 108, Satz 1, EPÜ am 2. Dezember 2021 durch ihren Vertreter auf elektronischem Wege mittels der sog. EPO Online Filing Software ('OLF') beim EPA ein (s. ABl. 2020, A105: Beschluss des Präsidenten des Europäischen Patentamts vom 21. September 2020 über die für die elektronische Einreichung von Unterlagen zu benutzende EPA-Software für die Online-Einreichung). Die Einreichung erfolgte mit dem Formblatt "Submission in opposition proceedings". In diesem Formblatt und auch in der als Anhang übermittelten Beschwerdeschrift wurde die beschwerdeführende Patentinhaberin als Einsprechende benannt (Seite 1 des Formblatts: "-representing the opponent(s) dormakaba Deutschland GmbH"; Seite 1 der Beschwerdeschrift: "Namens und im Auftrag der Einsprechenden, d.h. der Firma dormakaba Deutschland GmbH"). Statt der in der Beschwerdeschrift angekündigten Zahlung der Beschwerdegebühr (Seite 2: "Die amtliche Beschwerdegebühr wird entrichtet.") wurde das EPA in diesem Formblatt dazu ermächtigt, eine Einspruchsgebühr vom laufenden Konto des Vertreters abzubuchen (Seite 2: "010 Opposition fee ... Amount to be paid 815.00"). Die Abbuchung einer Einspruchsgebühr vom laufenden Konto ist am 3. Dezember 2021 erfolgt, mit dem Abbuchungsdatum 2. Dezember 2021.

IV. Am 22. Dezember 2021, und damit unbestritten nach Ablauf der Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr, beantragte der Vertreter Korrekturen des Abbuchungsauftrags vom 2. Dezember 2021 unter Regel 139, Satz 1, EPÜ. Die Korrekturen betrafen die Abbuchung einer Beschwerdegebühr und des abzubuchenden Betrags von 2705 EUR. Die Abbuchung einer (vollen) Beschwerdegebühr vom laufenden Konto des Vertreters erfolgte am 23. Dezember 2021, mit dem Abbuchungsdatum 22. Dezember 2021. Aus ungeklärten Gründen erfolgte eine weitere Abbuchung einer vollen Beschwerdegebühr, die nachträglich für den 2. Dezember 2021 als Abbuchungsdatum gebucht wurde.

V. Die Beschwerdebegründung wurde am 2 Februar 2022 und damit unbestritten rechtzeitig eingereicht.

VI. Die Beschwerdegegnerin verwies in ihrer Beschwerdeerwiderung vom 24. Juni 2022 auf die Umstände der Einlegung der Beschwerdeschrift und machte geltend, dass die versäumte Zahlung der Beschwerdegebühr nach Regel 139 EPÜ nicht korrigierbar sei, so dass die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen sei. Sie nahm auch inhaltlich zur Begründetheit der Beschwerde Stellung. Insbesondere machte sie geltend, dass die erteilten Ansprüche in Bezug auf mehrere Merkmale mehrfach gegen Artikel 123(2) EPÜ verstießen, unter anderem in Bezug auf das Merkmal MM5.

VII. In einer Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK als Anlage zur Ladung zur mündlichen Verhandlung teilte die Kammer den Parteien ihre vorläufige Auffassung mit. Die Kammer war der Ansicht, dass eine Berichtigung nach Regel 139 EPÜ möglich erscheint und die Kammer daher geneigt ist, der beantragten Berichtigung stattzugeben, so dass die Beschwerde als eingelegt gilt. Die beanstandeten Änderungen in den Ansprüchen, einschließlich des Merkmals MM5, schienen auch die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ zu erfüllen.

VIII. Beide Parteien nahmen zur Mitteilung der Kammer und zur Frage der unzulässigen Änderungen Stellung. Die Beschwerdegegnerin Einsprechende bestritt die Einschätzung der Kammer und vertiefte ihre Argumente bezüglich des Merkmals MM5 und der Berichtigung.

IX. Die mündliche Verhandlung fand am 2. Oktober 2024 in Anwesenheit aller Parteien statt. Während der mündlichen Verhandlung reichte die Beschwerdeführerin die Hilfsanträge 1A_NEU und 1B_NEU per Email ein.

X. Die Patentinhaberin als Beschwerdeführerin beantragt:

- Die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Aufrechterhaltung des Patents auf Basis des Hauptantrags vom 16. Oktober 2020 (Hauptantrag in der angefochtenen Entscheidung).

- Die Nicht-Zulassung der mit Schreiben vom 13 August 2024 vorgebrachten Anlage A14, des Ausdrucks einer Eingabemaske, des mit jenem Schreiben vorgebrachten Vorbringens zu den Merkmalen MM2, MM5 und MM7 von Anspruch 1 und zum Anspruch 13.

- bei Bejahung der Erfordernisse von Artikel 123(2) EPÜ bzw. Unbegründetheit des Einspruchsgrundes gemäß Artikel 100 c) EPÜ auch die weiteren Einspruchsgründe - Ausführbarkeit (Artikel 100 b) EPÜ) sowie die Patentfähigkeit (Artikel 100 a) EPÜ) - zum Gegenstand des Beschwerdeverfahrens zu machen;

- hilfsweise die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung über die Ausführbarkeit und die Patentfähigkeit an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen;

- hilfsweise die Aufrechterhaltung auf Basis eines der mit der Beschwerdebegründung vorgelegten Hilfsanträge 1, 1A, 2-5.

XI. Die Einsprechende als Beschwerdegegnerin beantragt:

- Die Beschwerde wegen nicht-rechtzeitiger Entrichtung der Beschwerdegebühr als unzulässig zu verwerfen (Schreiben vom 24. Juni 2022) bzw. als nicht eingelegt zu behandeln (Schreiben vom 9. Dezember 2022).

- Hilfsweise beantragt sie die Zurückweisung der Beschwerde und Aufrechterhaltung der angefochtenen Entscheidung.

- Sie beantragt zudem die Nicht-Zulassung des Hauptantrags vom 16. Oktober 2020 und der mit der Beschwerdebegründung gestellten Hilfsanträge, der in Absatz 35 des Schreibens der Patentinhaberin vom 15. September 2022 hilfsweise beantragten Änderung der Ansprüche, und der mit Schreiben der Patentinhaberin vom 15. September 2022 eingereichten Anlage A13 (E-Mail-Korrespondenz der Beschwerdeführerin).

- Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung, falls die Kammer die Gründe der Entscheidung nicht teilt, also keine Behandlung der weiteren Einspruchsgründe durch die Kammer.

- Zurückverweisung für die Prüfung für weitere Merkmale für die Zwecke des Artikels 123(2) EPÜ, die nicht Gegenstand der Entscheidung waren.

XII. Anspruch 1 der für diese Entscheidung relevanten Anträge hat den folgenden Wortlaut:

Hauptantrag (Hauptantrag in der angefochtenen Entscheidung)

"1. Verfahren zum Überlastschutz eines Türantriebs (1), aufweisend die Schritte:

· Aufnehmen der Ist-Werte mehrerer Betriebsparameter (E1, E2,E3, En) des Türantriebs (1) zur Ermittlung eines Belastungsfeldes, wobei die daraus ermittelbare Belastung eine Belastungshöhe bildet, wobei das

· Ermitteln der Belastungshöhe des Türantriebs (1) mittels Vergleichens der aufgenommenen Ist-Werte mit wenigstens einem zugeordneten Vergleichswert des jeweiligen Betriebsparameters (E1, E2, E3, En) und mittels Aufsummierung der sich aus den Betriebsparametern ergebenden Belastungen erfolgt,

· dynamisches Anpassen des Weiterbetriebs des Türantriebs (1) in Abhängigkeit der Belastungshöhe derart, dass eine thermische Überlastung des Türantriebs (1) vermieden wird,

· wobei der Schritt des Anpassens des Weiterbetriebs des Türantriebs (1) durch ein Anpassen wenigstens eines Ausgangsparameters (A1, A2, A3, A4, Am) des Türantriebs (1), bereits vor Erreichen der maximalen Belastungshöhe, ausgeführt wird."

Hilfsantrag 1A_NEU (eingereicht während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer)

Wie im Hauptantrag, wobei der Anspruch die folgenden Änderungen aufweist (von der Kammer mit Unterstreichung hervorgehoben):

"1. Verfahren zum Überlastschutz eines eine Steuerung (4) aufweisenden Türantriebs (1), aufweisend die Schritte:

· Aufnehmen der Ist-Werte mehrerer Betriebsparameter (E1, E2, E3, En) des Türantriebs (1) zur Ermittlung eines Belastungsfeldes, wobei die daraus ermittelbare Belastung eine Belastungshöhe bildet,

· wobei eine Temperatur im Türantrieb (1) als erster Betriebsparameter (E1) gemessen und eine Begehungsfrequenz der durch den Türantrieb (1) betätigten Tür als zweiter Betriebsparameter (E2) von der Steuerung erfasst wird, wobei das

· Ermitteln der Belastungshöhe des Türantriebs (1) mittels Vergleichens der aufgenommenen Ist-Werte mit wenigstens einem zugeordneten Vergleichswert des jeweiligen Betriebsparameters (E1, E2, E3, En) und mittels Aufsummierung der sich aus den Betriebsparametern ergebenden Belastungen erfolgt,

wobei sich eine absolute Belastungshöhe aus einer Summe einer Belastungshöhe durch den ersten Betriebsparameter (E1) und einer Belastungshöhe durch den zweiten Betriebsparameter (E2) ergibt,

· dynamisches Anpassen des Weiterbetriebs des Türantriebs (1) durch die Steuerung (4) in Abhängigkeit der Belastungshöhe derart, dass eine thermische Überlastung des Türantriebs (1) vermieden wird,

· wobei der Schritt des Anpassens des Weiterbetriebs des Türantriebs (1) durch ein Anpassen wenigstens eines Ausgangsparameters (A1, A2, A3, A4, Am) des Türantriebs (1), bereits vor Erreichen der maximalen Belastungshöhe, ausgeführt wird.

Hilfsantrag 1B_NEU (eingereicht während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer)

Wie im Hilfsantrag 1A_NEU, wobei der Anspruch die folgenden Änderungen aufweist (von der Kammer mit Durch- und Unterstreichung hervorgehoben):

"...und eine Begehungsfrequenz der durch den Türantrieb (1) betätigten Tür als zweiter Betriebsparameter (E2) [deleted: von] mittels der Steuerung (4) erfasst wird, wobei das

· Ermitteln der Belastungshöhe des Türantriebs (1) mittels Vergleichens der aufgenommenen Ist-Werte mit wenigstens einem zugeordneten Vergleichswert des jeweiligen Betriebsparameters (E1, E2, E3, En)[deleted: , und mittels Aufsummierung der sich aus den Betriebsparametern ergebenden Belastungen erfolgt,]

wobei sich eine absolute Belastungshöhe..."

Hilfsantrag 1A (eingereicht mit der Beschwerdebegründung)

Wie im Hauptantrag, wobei der Anspruch die folgenden Änderungen aufweist (von der Kammer mit Durch- und Unterstreichung hervorgehoben):

"1. Verfahren zum Überlastschutz eines Türantriebs (1), aufweisend die Schritte:

· Aufnehmen der Ist-Werte mehrerer Betriebsparameter (E1, E2,E3, En) des Türantriebs (1) zur Ermittlung eines Belastungsfeldes, wobei die daraus ermittelbare Belastung eine Belastungshöhe bildet,[deleted: wobei]

· wobei eine Temperatur im Türantrieb (1) als erster Betriebsparameter (E1) gemessen und eine Begehungsfrequenz der durch den Türantrieb (1) betätigten Tür als zweiter Betriebsparameter (E2)

erfasst wird, wobei das

· Ermitteln der Belastungshöhe ..."

Hilfsanträge 1 bis 3

Anspruch 1 ist wie im Hauptantrag.

Hilfsantrag 4

Wie im Hauptantrag, wobei der Anspruch die folgenden Änderungen aufweist (von der Kammer mit Unterstreichung hervorgehoben):

"... Ermitteln der Belastungshöhe des Türantriebs (1) mittels Vergleichens der aufgenommenen Ist-Werte mit wenigstens einem zugeordneten Vergleichswert des jeweiligen Betriebsparameters (E1, E2, E3, En) und mittels Aufsummierung der sich aus den Betriebsparametern ergebenden Belastungen erfolgt, wobei mit der Aufsummierung der einzelnen Belastungen das Erreichen einer zulässigen Grenzbelastung bewirkbar ist,

· dynamisches Anpassen des Weiterbetriebs..."

Hilfsantrag 5

Wie im Hilfsantrag 4, wobei der Anspruch die folgenden Änderungen aufweist (von der Kammer mit Unterstreichung hervorgehoben):

"... wobei mit der Aufsummierung der einzelnen Belastungen das Erreichen einer zulässigen Grenzbelastung bewirkbar ist, wobei äußere Betriebsparameter und innere Betriebsparameter des Türantriebs einzeln keine Grenzbelastung bilden,

· dynamisches Anpassen des Weiterbetriebs..."

XIII. Das entscheidungserhebliche Vorbringen der Parteien wird im Detail in den Entscheidungsgründen diskutiert.

Entscheidungsgründe

1. Einlegung und Zulässigkeit der Beschwerde

1.1 Die Umstände der irrtümlichen Zahlung der Beschwerdegebühr, nämlich dass ein falsches elektronisches Formular verwendet wurde und die vollständige Zahlung der Beschwerdegebühr erst später erfolgte, waren zwischen den Beteiligten unstreitig, da sie in der Akte dokumentiert sind. Die Uneinigkeit zwischen den Beteiligten betraf die rechtliche Würdigung des Sachverhalts, insbesondere die Frage, ob Regel 139 EPÜ unter den gegebenen Umständen anwendbar ist. Im vorliegenden Fall muss die Kammer darum entscheiden, ob die beantragte Berichtigung der Zahlung der Beschwerdegebühr nach Regel 139 EPÜ erfolgen kann.

1.2 Die Zahlung der Beschwerdegebühr betrifft die Frage, ob die Beschwerde als eingelegt gilt, siehe die Stellungnahme G 1/18 der Großen Beschwerdekammer, Leitsatz 1. a). Wie die Beschwerdegegnerin zu Recht geltend gemacht hat, ist auch diese Frage - wie die Zulässigkeit - von Amts wegen zu prüfen, Regel 101(1) EPÜ, denn die wirksame Einlegung der Beschwerde ist eine unabdingbare Voraussetzung für die Zulässigkeit der Beschwerde. Die Frage der rechtzeitige Zahlung der Beschwerdegebühr fällt daher auch in die Zuständigkeit der Beschwerdekammer. Dies war auch unstrittig.

1.3 Zulassung von Argumenten, Tatsachen und Beweismitteln zur Frage der Berichtigung nach Regel 139 EPÜ

1.3.1 Die Parteien beantragten die gegenseitige Nichtzulassung von Vorbringen und Tatsachen (einschließlich Beweismitteln) der Gegenpartei zur Frage der wirksamen Zahlung der Beschwerdegebühr wegen Verspätung. Dieses angeblich verspätete Vorbringen betraf u.a. die richtige Rechtsfolge einer unzureichenden Zahlung und die Voraussetzungen für eine zulässige Berichtigung nach Regel 139 EPÜ.

1.3.2 Es ist unerheblich, ob die Beschwerdegegnerin von Anfang an oder erst später die Feststellung der richtigen Rechtsfolge beantragt hat. Auch ohne einen solchen Antrag ist zu prüfen, ob die Gebühr rechtzeitig entrichtet worden ist. Diese Prüfung, insbesondere zur Feststellung der Unzulässigkeit der Beschwerde, wird regelmäßig von der Geschäftsstelle der Kammer als von der Kammer übertragene Aufgabe durchgeführt, siehe Artikel 2 (1) des Beschlusses des Präsidiums der Beschwerdekammern vom 12. November 2007 über die Übertragung von Aufgaben auf die Geschäftsstellenbeamten der Beschwerdekammern (Zusatzpublikation 1 ABl. EPA 1/2021, Seite 81, s. auch Artikel 6(2) und (3) VOBK). Die Übertragung berührt die grundsätzliche Zuständigkeit der Kammer nicht, s. Artikel 1(2) des Beschlusses des Präsidiums.

1.3.3 Die Kammer ist daher verpflichtet, die ordnungsgemäße Zahlung der Beschwerdegebühr ggf. selbst zu überprüfen, insbesondere wenn die unvollständige oder verspätete Zahlung der Beschwerdegebühr der Kammer in irgendeiner Weise bekannt geworden ist.

1.3.4 Die Bestimmungen der VOBK über verspätetes Vorbringen der Parteien nehmen solche Verpflichtungen der Kammer von Amts wegen nicht vorweg. Denn die Zulässigkeit der Beschwerde ist nicht nur von Amts wegen, sondern auch in jeder Phase des Beschwerdeverfahrens zu prüfen, siehe RSdBK 10. Auflage 2022, V.A.2.7. Daraus folgt, dass die zu prüfenden Tatsachen und Argumente grundsätzlich nicht automatisch als verspätet angesehen werden können, da es widersprüchlich wäre, einerseits die Befugnis, ja sogar die Pflicht der Kammer zur Prüfung der Zulässigkeitsfrage anzuerkennen, andererseits aber die zugrunde liegenden Tatsachen als verspätet von der Entscheidung auszuschließen. Mit anderen Worten bedeutet dies nach Ansicht der Kammer, dass in diesen Fällen die Ausnahmebestimmungen des Artikels 13(1) VOBK (in Verbindung mit Artikel 12(6) VOBK): "die Umstände der Beschwerdesache rechtfertigen eine Zulassung" oder des Artikels 13(2) VOBK "dass außergewöhnliche Umstände vorliegen" in der Regel anwendbar sind. Dies bedeutet jedoch nicht, dass ein Beteiligter die Zulässigkeitsfrage in einem beliebigen späten Stadium des Beschwerdeverfahrens aufwerfen und damit das Verfahren nach Belieben verzögern kann (s. z.B. T 670/09, zitiert in der RSdBK, supra).

1.3.5 Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdegegnerin die fehlende bzw. verspätete Zahlung der Beschwerdegebühr in der Beschwerdeerwiderung, d.h. bei der ersten Gelegenheit im Beschwerdeverfahren, gerügt und auf die relevanten und auch aktenkundigen Tatsachen hingewiesen. Auch die Beschwerdeführerin hat umgehend auf die verschiedene Argumente der Beschwerdegegnerin wie in ihrer Beschwerdeerwiderung erstmals vorgetragen, reagiert. Die Frage der Beschwerdegebühr hat ohnehin keine Vorgeschichte in der angefochtenen Entscheidung, und der allgemeine Ansatz, neues Vorbringen im Beschwerdeverfahren zu vermeiden, kann schon aus diesem Grund nicht unmittelbar gelten. Die Möglichkeit einer Berichtigung der Gebührenzahlung nach Regel 139 EPÜ ist grundsätzlich keine beweisbedürftige Tatsachenfrage, sondern eine Rechtsfrage. Die relevanten Tatsachen, die zur Beurteilung dieser Rechtsfrage heranzuziehen sind, waren, wie oben erwähnt, zum großen Teil bereits aktenkundig. Wie sich auch aus dem Vorbringen der Beteiligten ergibt, hat sich die Rechtsprechung der Beschwerdekammern über die Jahre auch nicht einheitlich entwickelt (s. dazu unten). Darüber hinaus liegen Beschwerdeentscheidungen, denen ein mit dem vorliegenden Sachverhalt vergleichbarer Sachverhalt zugrunde lag, in großer Zahl nicht vor. Unter diesen Umständen ist es den Beteiligten nicht zuzumuten, ihr Vorbringen, insbesondere zur Rechtsauslegung, nicht nachträglich zu ergänzen. Argumente zur Rechtsauslegung dürfen für die Kammer grundsätzlich nicht überraschend oder unzumutbar sein. Dies dürfte sich aus dem Rechtsprinzip "das Gericht kennt das Recht" (iura novit curia) ergeben.

1.3.6 Die Kammer weist daher die gegenseitigen Anträge der Beteiligten auf Nichtzulassung von Beweismitteln (Eingabemaske zum EPA Formblatt, A13) und des damit verbundenen Vorbringens zur Frage der Gebührenzahlung und der damit zusammenhängenden Frage der Berichtigung nach Regel 139 EPÜ zurück und lässt diese Beweismittel und Vorbringen im Verfahren zu, Artikel 12(6) und 13(2) VOBK.

1.4 Die Kammer sieht keinen Grund, die grundsätzliche Möglichkeit der Berichtigung einer fehlerhaften Gebührenzahlung nach Regel 139 EPÜ in Frage zu stellen, in Anlehnung an die von der Beschwerdegegnerin zitierte Entscheidung T 0071/21, Nr. 6.3 der Entscheidungs-gründe, und die weiteren dort zitiertem Entscheidungen.

1.5 Wie die Beschwerdegegnerin zutreffend vorgetragen hat, wird die Nachholung einer versäumte Zahlung der Beschwerdegebühr (und ggf. die verspätete Einreichung einer Beschwerde) in der ältereren Rechtsprechung regelmässig als eine Möglichkeit im Rahmen des Artikels 122 EPÜ behandelt. Nach Ansicht der Beschwerdegegnerin hätte die Beschwerdeführerin auch im vorliegenden Fall Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragen müssen, was sie jedoch versäumt habe.

1.6 Die Kammer stimmt der Beschwerdegegnerin insoweit zu, dass die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Artikel 122 EPÜ auch ein geeignetes Mittel sein kann, um die schwerwiegenden Rechtsfolgen einer unzureichenden Gebührenzahlung nachträglich zu korrigieren. Denn die Folgen einer unzureichenden Gebührenzahlung sind, dass die Beschwerdegebühr als nicht entrichtet und damit die Beschwerde als nicht eingelegt gilt, was wiederum einer Fristversäumnis gleichkommt. Hätte die Beschwerdeführerin mit ihrem Antrag auf Berichtigung nach Regel 139 EPÜ keinen Erfolg gehabt, so wäre ihr dieser Weg - zumindest theoretisch - noch offen gestanden. Diese Möglichkeit schließt jedoch die Anwendung von Regel 139 EPÜ nicht aus. Das EPÜ enthält keine, mit Artikel 121(4) oder Regel 136(3) EPÜ vergleichbare gegenseitige Ausschlussregelung zwischen Regel 139 und Artikel 122 EPÜ.

1.7 In der Tat sind in der Rechtsprechung Fälle unzureichender Gebührenzahlung regelmäßig unter Artikel 122 EPÜ behandelt worden (neben der Möglichkeit, verhältnismäßig niedrige Fehlbeträge nach Artikel 8, Satz 1 der Gebührenordnung als geringfügig anzuerkennen), s. RSdBK III.U.4, z.B. die dort zitierten Entscheidungen T 0642/12, Nr. 13 bis 18 bzw. 19 bis 24 der Gründe, T 0317/19, Nr. 4 der Gründe (letztere nicht beschieden als nicht entscheidungserheblich). Die Möglichkeit einer Berichtigung der Zahlung der Beschwerdegebühr unter Regel 139 EPÜ hat sich in der Rechtsprechung vor allem nach der Entscheidung G 1/12 entwickelt, s. RSdBK V.A.2.5.4.b, Absatz "Berichtigungsantrag nach Regel 139 EPÜ" (S. 1491-1492 der deutschen Fassung) und die dort zitierten Entscheidungen. Die Kammer betrachtet dies jedoch nicht als divergierende Rechtsprechung, sondern vielmehr als natürliche Entwicklung der Rechtsprechung (G 3/08, Stichwort 4, Nr. 7.3.5 und 7.3.6 der Gründe). Die Kammer sieht daher keinen Grund, dieser neueren Rechtsprechung nicht zu folgen.

1.8 Die Beschwerdegegnerin macht geltend, dass zum einen ein falsches Formblatt verwendet worden sei und zum anderen der wahre Wille der Beschwerdeführerin nicht hinreichend erwiesen sei. Das falsche Formblatt sei sogar bewusst systemwidrig verwendet worden, da damit eine Beschwerdegebühr überhaupt nicht entrichtet werden könne. Bei der Auswahl des Formblatts sei nämlich auch festgelegt worden, dass damit nur eine Einspruchsgebühr (und gegebenenfalls eine Wiedereinsetzungsgebühr oder eine Kostenfestsetzungsgebühr) entrichtet werden könne, wie aus der Eingabemaske des Formblatts ersichtlich. Statt einer Berichtigung einer Angabe auf dem Formblatt wäre vielmehr der Austausch des gesamten Formblatts erforderlich gewesen, was unter den in G 1/12 formulierten Bedingungen nicht möglich ist. Dies würde auch nicht unter die in Regel 139 EPÜ aufgeführten Flüchtigkeitsfehler fallen.

1.9 Nach Ansicht der Kammer ist eine Berichtigung auch ohne Austausch des gesamten Formblatts möglich. Die von der Großen Beschwerdekammer festgestellten und von der Rechtsprechung der Beschwerdekammern entwickelten Voraussetzungen für eine gewährbare Berichtigung vor (G 1/12, Nr. 37 der Entscheidungsgründe, Voraussetzungen (a) bis (d)) liegen auch vor, entgegen die Auffassung der Beschwerdegegnerin.

1.10 Ursprüngliche Ansicht und Beweislast

1.10.1 Die Beschwerdegegnerin machte geltend, es sei nicht hinreichend nachgewiesen, dass nichts anderes als die Zahlung der Beschwerdegebühr per Abbuchungsauftrag und vom laufenden Konto des Vertreters beabsichtigt gewesen sei. Nach Aktenlage hätten andere Zahlungsmöglichkeiten als der Abbuchungsauftrag zur Verfügung gestanden und wären auch denkbar und möglich gewesen. Verschiedene Schreiben der Patentinhaberin enthielten nur vage Andeutungen über die Zahlung der Beschwerdegebühr, die auch den Eindruck erwecken konnten, dass die Patentinhaberin selbst und nicht ihre Vertreter die Zahlung vornimmt, gegebenenfalls auch nicht gleichzeitig mit der Einreichung der Beschwerdeschrift. Es sei auch nicht Sache der Beschwerdegegnerin gewesen, die erforderliche Deckung auf dem Konto zu prüfen oder gar nachzuweisen, da sie keinen Zugriff darauf gehabt habe. Auch aus Gründen der Rechtssicherheit seien im zweiseitigen Verfahren strenge Maßstäbe an eine zulässige Berichtigung anzulegen. Insofern seien die als einschlägig erachteten Fälle aus der Rechtsprechung nicht unmittelbar anwendbar. Die Voraussetzungen für eine Berichtigung, wie sie in G 1/12, Nr. 37, Absätze a) und b) der Gründe dargelegt sind, seien daher nicht erfüllt.

1.10.2 Die Kammer stimmt der Beschwerdegegnerin insoweit zu, dass eine Berichtigung nach Regel 139 EPÜ nicht zur Aushebelung die zu erwartende Rechtssicherheit der anderen Parteien und auch der Öffentlichkeit führen darf. Insbesondere darf die Möglichkeit der Berichtigung nicht dazu benutzt werden, einem Beteiligten, der seine Meinung geändert oder seine Pläne weiter ausgestaltet hat, die Durchsetzung seiner neuen Vorstellungen zu ermöglichen (G 1/12, Nr. 37, Absatz a, der Gründe).

1.10.3 Eine Gefährdung der Rechtssicherheit oder eine Willensänderung der Patentinhaberin sieht die Kammer jedoch nicht. Die Kammer hat keine Anhaltspunkte, geschweige denn Beweise dafür, dass die beantragte Berichtigung, nämlich die Zahlung der Beschwerdegebühr vom laufenden Konto des Vertreters, ursprünglich nicht gewollt war. Dies lässt sich aus der Beschwerdeschrift der Patentinhaberin nicht ableiten. Allein der Umstand, dass die verwendete Formulierung offen ist, begründet noch nicht den ernsthaften Verdacht, dass die Verwendung des falschen Formblatts nicht versehentlich, sondern bewusst erfolgte.

1.10.4 Auch die Möglichkeit anderer Zahlungsmodalitäten steht der Annahme nicht entgegen, dass die Beschwerdeführerin eine Beschwerdegebühr anstelle einer Einspruchsgebühr und zwar vom laufenden Konto des Vertreters zahlen wollte. Erstens gelten die strengeren Voraussetzungen der Regel 139, Satz 2, EPÜ nur für Anmeldeunterlagen. Zweitens erkennt die Kammer keine vernünftige Erklärung dafür, warum die Patentinhaberin auch unter diesen Umständen die Absicht gehabt haben sollte, eine Einspruchsgebühr zu zahlen. Eine solche, auch wenn nur theoretische Erklärung hat die Beschwerdegegnerin auch nicht gegeben. Die einzige plausible Erklärung für diese Zahlung ist, dass sie irrtümlich anstelle einer Beschwerdegebühr entrichtet wurde. Das Vorliegen eines echten Fehlers wird durch die Angabe der Beschwerdeführerin sowohl als Einsprechende als auch als Patentinhaberin noch verstärkt.

1.10.5 Die Kammer hat auch keinen Zweifel daran, dass das laufende Konto des Vertreters am fraglichen Tag, dem 2. Dezember 2021, die erforderliche Deckung aufwies. Andernfalls könnte die nachträgliche Abbuchung der Beschwerdegebühr mit Buchungsdatum 2. Dezember 2021 nicht erfolgt sein (s. Punkt IV. oben).

1.11 Gegenstand einer möglichen Berichtigung nach Regel 139 EPÜ und Modalitäten der Berichtigung

1.11.1 Nach G 1/12 kann der zu berichtigende Fehler eine unrichtige Angabe (incorrect statement) sein oder sich aus einer Auslassung ergeben (G 1/12, Nr. 37, Absatz c, der Gründe: "The error to be remedied may be an incorrect statement or an omission", Hervorhebung der Kammer). Nach Ansicht der Kammer bezieht sich diese Aussage auf die Art des ursprünglichen Fehlers und gibt keinen Hinweis darauf, wie der Fehler dann zu beheben ist. Im vorliegenden Fall handelt es sich eindeutig um eine unrichtige Angabe, nämlich die Angabe der zu zahlenden Gebühr als Einspruchsgebühr. Die Beschwerdegegnerin machte geltend, dass diese Angabe lediglich ein Folgefehler der fehlerhaften Auswahl des EPA-Formblatts gewesen sei und der eigentliche Fehler bereits vorher vorgelegen habe. Dies ändert jedoch nichts daran, dass diese falsche Angabe aus der Sicht der Beschwerdeführerin nicht ihrer wahren Absicht entsprach. Nach G 1/12, Nr. 29 der Gründe, können solche falschen Angaben Gegenstand einer Berichtigung nach Regel 139 EPÜ sein, bzw. die Erwägungen in G 1/12 können auch auf falsche Zahlungsangaben übertragen werden (siehe z.B. T 0317/19, Nr. 2.3.3.c der Gründe, J 0008/19, Nr. 2.3.3.c der Gründe).

1.11.2 Nach Regel 139 EPÜ können sprachliche Fehler, Schreibfehler und Unrichtigkeiten in den beim Europäischen Patentamt eingereichten Unterlagen auf Antrag berichtigt werden. Es scheint unstrittig, dass im vorliegenden Fall der Fehler weder als sprachlicher Fehler noch als Schreibfehler, sondern nur als allgemeine Unrichtigkeit (mistake, erreur) angesehen werden kann (abgesehen davon, dass die Beschwerdegegnerin auch dieser Auslegung der Regel 139 EPÜ entgegentritt). Das Kernargument der Beschwedegegnerin läuft auf die Annahme hinaus, dass die Berichtigung der Unrichtigkeit, hier die falsche Angabe, nur durch einen vollständigen Austausch des falschen Formblatts durch ein anderes möglich wäre, was jedoch nach Regel 139 EPÜ nicht möglich ist. Denn es war unstrittig, dass das elektronische Formblatt in der Variante "Submission in opposition proceedings" selbst nicht so korrigiert oder ausgefüllt werden kann, dass es auch die Zahlung einer Beschwerdegebühr ermöglicht.

1.11.3 Es stellt sich die Frage, ob Regel 139 EPÜ tatsächlich verlangt, dass nach der Berichtigung ein Dokument vorliegt, das mit dem zu berichtigenden Dokument im Wesentlichen identisch ist, oder ob die Berichtigung der Unrichtigkeit auch auf andere Weise möglich ist. Mit anderen Worten, kann die Berichtigung im vorliegenden Fall nur dann erfolgen, wenn das EPA Formblatt "Submission in opposition proceedings" vorgelegt wird, in dem die Abbuchung der Beschwerdegebühr (statt einer Einspruchsgebühr) angegeben ist, oder genügt es, dem EPA die Ermächtigung zur Abbuchung der Beschwerdegebühr nachträglich anderweitig zu erteilen?

1.11.4 Die Kammer stellt fest, dass zumindest der Wortlaut der Regel die erste Annahme nicht stützt. Regel 139 EPÜ besagt nur, dass die Unrichtigkeit auf Antrag berichtigt werden kann, nicht aber, dass dem Antrag auf Berichtigung nur dann stattgegeben werden kann, wenn auch das ursprüngliche Dokument in berichtigter Fassung vorgelegt wird oder zumindest theoretisch vorgelegt werden kann.

1.11.5 Die Kammer stimmt mit der Beschwerdegegnerin darin überein, dass diese Annahme sehr plausibel erscheint, insbesondere im Hinblick auf die auch von G 1/12 bestätigte Rückwirkung der Berichtigung (G 1/12, Nr. 37, letzter Satz der Gründe, mit mehreren Hinweisen auf die ständige Rechtsprechung). Bei der Berichtigung von Anmeldungsunterlagen, für die die strengeren Voraussetzungen gelten, erscheint die Notwendigkeit der Erstellung der berichtigten Unterlagen in der Tat unumgänglich. Denn erstens lässt sich die Offensichtlichkeit eines Fehlers oder einer Unrichtigkeit im Sinne von Regel 139, Satz 2, EPÜ kaum anders beurteilen als durch einen Vergleich des ursprünglich fehlerhaften Dokuments mit der berichtigten Fassung, bzw. durch eine Prüfung der in das Dokument eingefügten berichtigten Angabe (statt die angebotene berichtigte Angabe lediglich allein zu prüfen). Außerdem ist die Berichtigung eines Fehlers nach Regel 139 EPÜ praktisch nur dann von Bedeutung, wenn der Zeitpunkt der Einreichung des zu berichtigenden Dokuments von Bedeutung ist und später nicht nachgeholt werden kann, so dass das Dokument als Ganzes, das in der Regel auch weitere und richtige Erklärungen enthält, durch die rückwirkende Berichtigung seinen ursprünglichen vollen Inhalt einschließlich des Einreichungsdatums behält. Zweitens, wenn es sich um Anmeldeunterlagen handelt, werden diese im Laufe des Verfahrens regelmäßig weiteren Prüfungen unterzogen. Bereits die praktische Handhabung des berichtigten Dokuments erfordert, dass eine berichtigte Fassung des Dokuments vorliegt. Schließlich werden gerade die Anmeldungsunterlagen zum endgültigen Gegenstand des Erteilungs- oder gegebenenfalls Einspruchsverfahrens, da das Patent durch Bezugnahme auf sie erteilt oder aufrechterhalten wird.

1.11.6 Die Vorlage eines identischen Dokuments scheint jedoch nicht immer erforderlich zu sein, wenn es sich nicht um Anmeldungsunterlagen handelt und das Dokument im Verfahren - neben der Gebührenzahlung - im Allgemeinen keine andere Rolle spielt, als die eines Begleitschreibens zu gesonderten Rechtserklärungen. In solchen Fällen - wie auch im vorliegenden Fall - verleiht das EPÜ dem Dokument selbst keine eigenständigen und alleinigen Rechtswirkungen. Das Formblatt diente lediglich der Übermittlung der Beschwerdeschrift und der Angabe der Gebührenzahlung und für letztere der Angabe des anhängigen Patents bzw. Einspruchsverfahrens, damit die Gebühr entsprechend zugeordnet werden konnte. Eine weitere Rolle, insbesondere eine weitere Rolle im Verfahren, kam dem Formblatt nicht zu. Es bestand daher auch keine Notwendigkeit, das Formblatt selbst nachträglich zu korrigieren. Das fehlerhafte Formblatt muss auch nicht aus dem Verfahren entfernt werden. Dass die beigefügte Beschwerdeschrift als wirksam eingereicht galt, wurde weder von der Beschwerdegegnerin noch von der Kammer in Zweifel gezogen, auch nicht im Hinblick auf die darin enthaltene falsche Parteibezeichnung der Patentinhaberin (s. Punkt III. oben).

1.11.7 Unter diesen Umständen sieht die Kammer keine Notwendigkeit, das EPA-Formblatt in gleicher Form, d.h. in der Variante "Submission in opposition proceedings" erneut vorzulegen, um die fehlerhafte Angabe in dem Formblatt zu berichtigen. Vielmehr genügt es, die Zahlung der richtigen Gebühr, hier der Beschwerdegebühr, nachträglich vom laufenden Konto des Vertreters zu veranlassen. Dies ist auch geschehen. Damit kann die später vorgenommene Zahlung der Beschwerdegebühr mit der Eingabe der Beschwerdeführerin vom 22. Dezember 2021 als Berichtigung nach Regel 139 EPÜ anerkannt werden. Die Kammer merkt an, dass diese spätere Zahlung auch mit einem elektronischen Formblatt der OLF erfolgte, jedoch nicht als "Submission in opposition proceedings" sondern als "Letter accompanying subsequently filed items", diesmal mit der anscheinend zulässige Angabe der Zahlung einer Beschwerdegebühr vom laufenden Konto des Vertreters. Im Übrigen waren die Angaben in dem Formblatt größtenteils identisch zu dem wie am 2. Dezember 2021 eingereicht.

1.12 Die Kammer hat keine Anhaltspunkte dafür und die Beschwerdegegnerin hat auch nicht geltend gemacht, dass der Antrag auf Berichtigung nicht unverzüglich gestellt worden ist (G 1/12, Nr. 37, Absatz d, der Gründe), abgesehen von dem allgemeinen Argument, dass die Beschwerdeführerin die Tatsachen ausführlicher hätte darlegen müssen und dass sie ihrer Beweislast nicht nachgekommen sei.

1.13 Aus diesen Gründen entschied die Kammer, dem Antrag auf Berichtigung nach Regel 139 EPÜ stattzugeben. Damit gilt die Beschwerde als wirksam eingelegt.

1.14 Daraus folgt auch, dass die ohne Rechtsgrundlage entrichteten weiteren Gebühren (Einspruchsgebühr am 2. Dezember 2021, eine weitere Beschwerdegebühr mit dem Buchungstag 22. Dezember 2021, s. Punkt III. und IV. oben) der Beschwerdeführerin zurückzuerstatten sind.

1.15 Die weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen der Beschwerde - Frist, Beschwer (Artikel 107, Satz 1, EPÜ) und substantiierte Beschwerdebegründung - sind erfüllt. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Hauptantrag - Antrag auf Nicht-Zulassung

2.1 Im Hinblick auf die Zulassung des am 16. Oktober 2020 eingereichten Hauptantrags verweist die Beschwerdegegnerin auf ihr schriftliches Vorbringen, wonach der Antrag wegen verspäteter Einreichung vor der Einspruchsabteilung und wegen mangelnder Eignung zur Ausräumung der geltend gemachten Widerrufsgründe nicht zuzulassen sei. Die Kammer kann sich dieser Auffassung nicht anschließen, da die angegriffene Entscheidung auf Basis dieses Hauptantrags ergangen ist. Die Kammer sieht keine Rechtsgrundlage für eine rückwirkende Nichtzulassung eines Antrags, der von der Einspruchsabteilung zum Verfahren zugelassen wurde (s. RSdBK 10. Auflage 2022, V.A.3.4.4).

3. Hauptantrag - Änderungen

Die Patentinhaberin als Beschwerdeführerin bestreitet den Befund der Entscheidung, wonach die Änderungen im Merkmal MM5 von Anspruch 1 des Hauptantrags über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehen.

3.1 Der Verfahrensanspruch 1 des Hauptantrags beruht auf einer Kombination der Ansprüche 1 und 5 der Anmeldung, wobei zusätzlich noch Merkmale aus den Absätzen 0008 und 0009 der Beschreibung in den Anspruch aufgenommen wurden (alle Verweise auf den Text der Anmeldung beziehen sich auf deren A2-Publikation). Dabei verlangt der Anspruch in seinem von den Parteien mit MM5 bezeichneten Merkmal, dass "[das Ermitteln der Belastungshöhe] mittels Aufsummierung der sich aus den Betriebsparametern ergebenden Belastungen erfolgt". Im Hinblick auf die darin genannten Betriebsparameter ist unstrittig, dass die Temperatur im Türantrieb (nachfolgend: Temperatur) und die Begehungsfrequenz der durch den Türantrieb betätigbaren Tür (nachfolgend: Begehungsfrequenz) solche Betriebsparameter bilden. Das ist auch nach Auffassung der Kammer die richtige Lesart des Merkmals, da diese beiden Größen in den abhängigen Ansprüchen 2 und 3 bzw. in den Absätzen 0010 und 0011 der Anmeldung als Betriebsparameter bezeichnet werden.

Die Kammer muss darum nun prüfen, ob durch das Merkmal MM5 ein Gegenstand entsteht, der über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Form hinausgeht.

3.2 Für die Offenbarung des Merkmals MM5 verweist die Beschwerdeführerin auf Absatz 0009 des allgemeinen Beschreibungsteils und auf die zum Ausführungsbeispiel gehörende Tabelle in Absatz 0043 der Anmeldung. Die Aufsummierung der sich aus den Betriebsparametern ergebenden Belastungen sei als Verknüpfung bzw. Berücksichtigung von mehreren Betriebsparametern zu verstehen (Beschwerdebegründung, Absätze 13 und 28). Unter Verweis auf die Angabe "Die absolute Belastungs-höhe ergibt sich folglich aus der Summe der Belastungs-höhe durch den ersten Betriebsparameter und der Belastungshöhe durch den zweiten Betriebsparameter" in Absatz 0011 der Anmeldung argumentierte die Beschwerde-führerin zudem, dass unter Aufsummierung eine Summenbildung zu verstehen sei (Erwiderung vom 15. September 2022, Absatz 42).

3.3 Die beiden von der Beschwerdeführerin vertretenen Auslegungen der Aufsummierung als Verknüpfung oder als Summenbildung in Form einer Addition sind nicht deckungsgleich. Eine Aufsummierung der sich aus den Betriebsparametern ergebenden Belastungen ist bei einer Auslegung als beliebige Verknüpfung nicht an eine Rechenvorschrift gebunden und umfasst z.B. das Vorhandensein beider Belastungen ohne eine mathematisch daraus ableitbare Gesamtbelastung. Dagegen handelt es sich bei einer Summenbildung um eine spezifische mathematische Verknüpfung in Form der Addition zweier Summanden, woraus sich unmittelbar eine Gesamtbelastung ergibt, z.B. x Belastungseinheiten durch die Temperatur als ersten Betriebsparameter addiert zu y Belastungs-einheiten durch die Begehungsfrequenz als zweiten Betriebsparameter ergibt in Summe z Belastungseinheiten durch beide Parameter. Die Kammer stimmt der Beschwerdeführerin darin zu, dass Begehungsfrequenz und Temperatur in unterschiedlichen Einheiten gemessen werden, siehe die Tabelle in Absatz 0043 der Anmeldung, so dass diese Betriebsparameter nicht einfach addiert werden können. Jedoch wurde die Auslegung im Sinne einer Summenbildung von der Beschwerdeführerin selbst vertreten, siehe oben, und wird zudem in Absatz 0011 der Anmeldung genannt. Dort wird nicht die Summe aus unterschiedlichen Betriebsparametern gebildet, sondern die sich aus den jeweiligen Betriebsparametern ergebenden Belastungshöhen werden zu einer absoluten Belastungshöhe summiert. Der Begriff Belastungshöhe bezieht sich dabei sowohl auf die beiden Summanden als auch die Summe, so dass davon eine Addition umfasst ist.

Für die Frage der Zulässigkeit des Merkmals MM5 ist darum entscheidend, ob insbesondere die zweite Auslegung der Aufsummierung als Summenbildung aus der Anmeldung hervorgeht.

3.4 Die Parteien stimmen darin überein, dass Anspruch 1 des Hauptantrags nicht auf ein Verfahren für eine gedankliche Tätigkeit gerichtet ist. Auch die Kammer versteht das beanspruchte Verfahren nur in dem Sinne, dass alle Verfahrensschritte von der implizit vorhandenen Steuerung des Türantriebs durchgeführt werden, was durch die Formulierung "durch die Steuerung durchgeführt, durch das das erfindungsgemäße Verfahren ... durchgeführt wird" in Absatz 0009 Patentanmeldung bestätigt wird. Jedoch offenbart die Patentanmeldung aus den folgenden Gründen nicht unmittelbar und eindeutig, dass die Steuerung auch eine Aufsummierung als Summenbildung von Belastungen durchführt, die sich aus den Betriebsparametern ergeben:

3.4.1 Absatz 0009 der Patentanmeldung nennt die Aufsummierung von ganz bestimmten Belastungen, die eine zulässige Grenzbelastung erreichen ("eine Aufsummierung ... das Erreichen einer zulässigen Grenzbelastung bewirken kann"). Dagegen ist das Merkmal MM5 auf die Aufsummierung von Belastungen in unbestimmter Höhe gerichtet. Ungeachtet der Frage, ob die Höhe der Belastungen überhaupt auf zulässige Weise verallgemeinert werden kann, wird die Aufsummierung in diesem Absatz nicht als ein von der Steuerung durchgeführter Verfahrensschritt beschrieben. Während die dort ebenfalls genannte Überwachung mehrerer Betriebsparameter und die Anpassung des Weiterbetriebs des Türantriebs unbestritten von der Steuerung durchgeführt werden (Absatz 0009: "kann die Steuerung ... überwachen"; "Anpassung wird durch die Steuerung ermöglicht"), fehlt bei der Aufsummierung jegliche Angabe dazu, wie oder wodurch sie zustande kommt. Daher offenbart der Absatz nicht unmittelbar und eindeutig, dass eine Aufsummierung von Belastungen durch die Steuerung des Türantriebs bewirkt wird, wie von der Beschwerdegegnerin mit Schreiben vom 24 Juni 2022 vorgebracht (siehe Seite 24, letzter Absatz). Eine Aufsummierung durch die Steuerung führt nach Überzeugung der Kammer wegen des Verbs "bewirken" in Absatz 0009 sogar zu einem Widerspruch. In diesem Falle würde die Steuerung in Anwendung der obigen Aussage auch die Grenzbelastung bewirken, so dass die dann in Form der Grenzbelastung vorliegende Belastungshöhe eine Wirkung der Steuerung bzw. ein Ergebnis des Verfahrens wäre. Dagegen soll die Belastungshöhe laut Anspruch 1 des Hauptantrags kein Ergebnis, sondern lediglich eine Eingangsgröße des Verfahrens zum Überlastschutz des Türantriebs sein, während dessen Ergebnis oder Wirkung das dynamische Anpassen wenigstens eines Ausgangs-parameters des Türantriebs ist. Aus Sicht der Kammer betrifft der Begriff Aufsummierung in Absatz 0009 daher keine Wirkung der Steuerung, sondern nur die Umstände, unter denen der Türantrieb seine Grenzbelastung erreicht, also womöglich nur die physikalischen Vorgänge im Türantrieb. Die Kammer schließt sich damit der Sichtweise der Beschwerdegegnerin aus ihrem Schreiben vom 24. Juni 2022 an (siehe Seite 24, letzter Absatz).

3.4.2 Die Kammer muss darum prüfen, ob aus den anderen von der Beschwerdeführerin angeführten Offenbarungsstellen unmittelbar und eindeutig hervorgeht, dass eine Aufsummierung von Belastungen durch die Steuerung des Türantriebs bewirkt wird.

3.4.3 Auch in Absatz 0011 der Anmeldung wird eine Summierung nicht als von der Steuerung durchgeführter Verfahrens-schritt beschrieben ("Die absolute Belastungshöhe ergibt sich folglich aus einer Summe der Belastungshöhe durch den ersten Betriebsparameter und der Belastungs-höhe durch den zweiten Betriebsparameter"). Während die dort ebenfalls genannte Erfassung der Begehungsfrequenz des Türantriebs von der Steuerung durchgeführt wird ("ist die Steuerung daher in einem Schritt zur Erfassung der Begehungsfrequenz des Türantriebs ausgebildet"), fehlt bei der Summe jegliche Angabe dazu, wie oder wodurch sie zustande kommt. Daher offenbart der Absatz nicht unmittelbar und eindeutig, dass die Summe der Belastungshöhen von der Steuerung des Türantriebs gebildet wird. Mithin beschreibt der Begriff Summe in Absatz 0011 womöglich nur die physikalischen Vorgänge im Türantrieb.

3.4.4 Das Ausführungsbeispiel laut den Absätzen 0041 bis 0047 der Anmeldung betrifft unbestritten kein Aufsummieren im Sinne einer Summenbildung von Belastungen. Das ist auch aus Sicht der Kammer der Fall, da die Belastungshöhe dort "in Form des jeweils relevanten Datensatzes ermittelt" wird. Das geschieht laut Absatz 0045 nicht durch eine Addition, sondern durch die Ermittlung derjenigen Tabellenzeile der in Absatz 0043 gezeigten Abbildungstabelle, die von beiden Betriebsparametern erfüllt wird.

3.5 Aus diesen Gründen offenbaren die Absätze 0009, 0011 oder das Ausführungsbeispiel laut den Absätzen 0041 bis 0047 nicht unmittelbar und eindeutig das Merkmal MM5, also dass die Belastungshöhe des Türantriebs durch eine Aufsummierung von sich aus den Betriebsparametern des Türantriebs ergebenden Belastungen ermittelt wird. Mithin genügt der Hauptantrag nicht den Erfordernissen des Artikels 123(2) EPÜ.

4. Hilfsanträge 1A_NEU und 1B-NEU - Zulassung

4.1 Die Hilfsanträge 1A_NEU und 1B_NEU wurden während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer nach deren negativem Befund zu den Änderungen im Hauptantrag vorgelegt. Die Beschwerdeführerin rechtfertigt die Vorlage dieser Hilfsanträge mit einer Änderung der Einschätzung der Kammer zur Zulässigkeit der Änderungen gegenüber ihrer vorläufigen Meinung.

4.2 Für die Zulassung des geänderten Vorbringens ist wegen seiner Vorlage erst nach Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung einzig das in Artikel 13 (2) VOBK genannte Kriterium relevant, wonach stichhaltige Gründe dafür aufgezeigt werden müssen, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen. Die Kammer kann keine außergewöhnlichen Umstände darin erkennen, dass sie während der mündlichen Verhandlung vor der Diskussion der Änderungen von ihrer vorläufigen Meinung abrückte und die Zulässigkeit der Änderungen verneinte. In ihrer Entscheidung, dass das Merkmal MM5 in Anspruch 1 des Hauptantrags unzulässige Änderungen enthält, hat die Kammer nämlich einen Befund der angefochtenen Entscheidung bestätigt, siehe Absatz 6.1.1. der Entscheidungsgründe. Die Tatsache, daß sich die Kammer in ihrer vorläufigen Meinung einem Argument der Beschwerdeführerin anschliesst und die Zulässigkeit der Änderungen vorläufig bejaht, dann aber bei der Vorbereitung der mündlichen Verhandlung ihre vorläufige Meinung überprüft und die Zulässigkeit der Änderungen wieder in Frage stellt und schließlich nach Diskussion mit den Parteien verneint, ist insoweit weder überraschend noch unvorhersehbar, sondern liegt in der Natur der Sache eines einer Entscheidungsinstanz aufgegebenen Rechtsfindungsprozesses.

4.3 Dagegen betrifft das Argument der Beschwerdeführerin, dass die Hilfsanträge 1A_NEU und 1B_NEU "prima facie" den Einwand gegen die Zulässigkeit der Änderungen ausräumen, dass diese Anträge wegen der in Aussicht gestellten Rücknahme der übrigen Hilfsanträge der Verfahrensökonomie dienen, oder dass der Beschwerdeführerin eine "letzte Chance" zu gewähren sei, allesamt Kriterien, die für den vorliegenden Fall keine Bedeutung haben, da sie nicht in Artikel 13(2) VOBK genannt sind und folglich nicht zu prüfen sind.

4.4 Aus diesen Gründen ist die Kammer nicht davon überzeugt, dass Umstände vorliegen, mit welchen die verspätete Vorlage der Hilfsanträge 1A_NEU und 1B_NEU zu rechtfertigen wäre. Daher entschied die Kammer, diese Anträge nicht ins Verfahren zuzulassen, Artikel 13(2) VOBK.

5. Hilfsanträge 1a und 1 bis 5 - Änderungen

Jeder der Hilfsanträge 1a und 1 bis 5 enthält ebenfalls in seinem Anspruch 1 das bereits im Zusammenhang mit dem Hauptantrag diskutierte Merkmal MM5, wonach das Ermitteln der Belastungshöhe des Türantriebs mittels Aufsummierung der sich aus den Betriebsparametern ergebenden Belastungen erfolgt. Die obige Argumentation zur unzulässigen Änderung in Anspruch 1 des Haupt-antrags gilt daher für jeden dieser Hilfsanträge mutatis mutandis, so dass keiner der Hilfsanträge die Erfordernisse von Artikel 123(2) EPÜ erfüllt. Das wird von der Patentinhaberin als Beschwerdeführerin auch nicht bestritten. Die von der Einsprechenden als Beschwerdegegnerin aufgeworfene Frage der Zulassung der Hilfsanträge zum Beschwerdeverfahren kann somit dahingestellt bleiben.

6. Die Kammer bestätigt aus den obengenannten Gründen den Befund der angegriffenen Entscheidung zu den Änderungen im Hauptantrag. Weder der Hilfsantrag 1A noch einer der Hilfsanträge 1 bis 5 vermögen den Einwand unzulässiger Erweiterung auszuräumen. Die Beschwerde bleibt somit ohne Erfolg.

7. Die verschiedenen weiteren Anträge auf Nichtzulassung von Vorbringen zur Frage der Patentierbarkeit, auf Prüfung weiterer Einspruchsgründen und auf Zurückverweisung (s. oben Punkte X. und XI.) sind damit gegenstandslos und bedürfen keiner Entscheidung der Kammer. Dies gilt auch für das gerügte verspätete Vorbringen zum Merkmal MM5, da die Kammer ihre Auffassung zur unzulässigen Erweiterung (s. Punkt 3. oben mit Unterpunkte) nicht auf das letzte Vorbringen der Einsprechenden vom 13. August 2024 gestützt hat.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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