T 0618/21 (Videokonferenz/KÖRBER TECHNOLOGIES GMBH) of 29.3.2023

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2023:T061821.20230329
Datum der Entscheidung: 29 März 2023
Aktenzeichen: T 0618/21
Anmeldenummer: 14176939.8
IPC-Klasse: A24C 5/34
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: B
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Anordnung und Verfahren zur Überprüfung von stabförmigen Artikeln der Tabak verarbeitenden Industrie
Name des Anmelders: Körber Technologies GmbH
Name des Einsprechenden: G.D S.p.A.
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 15a(1)
European Patent Convention Art 116(1)
European Patent Convention Art 113(1)
European Patent Convention Art 112(1)
European Patent Convention Art 123(1)
Rules of procedure of the Boards of Appeal 2020 Art 011
Rules of procedure of the Boards of Appeal 2020 Art 013(2)
Schlagwörter: Mündliche Verhandlung - vor der Beschwerdekammer
Zweckmäßigkeit der Durchführung als Videokonferenz
Ermessensentscheidung der Kammer gegen den Willen einer Partei
Orientierungssatz:

1. Artikel 15a VOBK 2020 gibt der Kammer ein Ermessen bei der Entscheidung, die mündliche Verhandlung von Amts wegen, gegebenenfalls auch gegen den Willen der Parteien, als Videokonferenz durchzuführen. Maßgebliches Kriterium ist die Zweckmäßigkeit.

2. Der Begriff "zweckmäßig" impliziert, dass das Format der Videokonferenz zur Erreichung des mit der mündlichen Verhandlung angestrebten Zwecks grundsätzlich geeignet und darüber hinaus auch sinnvoll (sachdienlich) erscheint.

a. Das Kriterium der Eignung bildet eine absolute Schranke und schließt für die konkret vorgesehene Verhandlung ungeeignete Verhandlungsformate aus, diese sind immer unzweckmäßig.

b. Das Kriterium der Sachdienlichkeit erfordert eine abwägende Gesamtbetrachtung aller Aspekte, die im Zusammenhang mit der Planung und Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor einer Beschwerdekammer eine Rolle spielen und das hierfür gewählte Format als mehr oder weniger sachdienlich für die Erreichung des Zwecks der Verhandlung erscheinen lassen. Die Abwägung sollte vorrangig auf objektiven Erwägungen beruhen. Die subjektiven Einschätzungen der Parteien können eine ergänzende Rolle spielen; sie fallen umso stärker ins Gewicht, je mehr die Empfindungen durch von den Parteien vorgetragene objektivierbare Argumente gestützt sind.

Es ist nicht auszuschließen, dass es mehrere zweckmäßige Formate nebeneinander geben kann.

3. Die Regelungen des Artikels 15a VOBK widersprechen weder höherrangigem Recht, noch den wesentlichen Schlussfolgerungen der Großen Beschwerdekammer in der Entscheidung G1/21.

4. Aufgrund der zwischenzeitlich eingetretenen technischen Weiterentwicklung und größeren Erfahrung aller Beteiligten können Videokonferenzen in den meisten Fällen inzwischen als nahezu gleichwertige Alternative zu einer Präsenzverhandlung angesehen werden. Konkrete Umstände des Einzelfalls können allerdings dazu führen, dass das Format der Videokonferenz entweder schon nicht geeignet oder bei einer Gesamtabwägung zumindest so wenig sachdienlich erscheint, dass die nach Artikel 15a VOBK erforderliche Zweckmäßigkeit fehlt.

Angeführte Entscheidungen:
G 0001/21
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 2432/19
T 1171/20
T 1501/20

Sachverhalt und Anträge

I. Die Einsprechende (Beschwerdeführerin) legte Beschwerde gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung ein, den Einspruch gegen das Europäische Patent EP 2 848 133 zurückzuweisen.

II. Die Einspruchsabteilung hat entschieden, dass

a) der Gegenstand der Ansprüche in erteilter Fassung nicht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehe,

sowie dass

b) der Gegenstand der Ansprüche in der erteilten Fassung erfinderisch sei gegenüber einer Kombination von Dokument

Dl DE 10 2013 201 511 B3

mit den Dokumenten

D5 US 2007/018657 Al

D6 EP 1 321 049 Al.

III. Es fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt.

a) Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents, vorrangig die Vertagung der mündlichen Verhandlung und ihre Durchführung in Präsenz, hilfsweise die Vorlage von Rechtsfragen an die Große Beschwerdekammer.

b) Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde, hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang auf der Grundlage eines der Hilfsanträge 0, 0.5 oder 1 bis 3, wobei die Anträge 0, 0.5 und 3 während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer und die Anträge 1 und 2 mit der Beschwerdeerwiderung eingereicht wurden, sowie im Falle der Nichtgewährung des Hauptantrags eine Zurückverweisung der Angelegenheit an die Einspruchsabteilung zur Behandlung der Hilfsanträge.

IV. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag (wie erteilt) lautet wie folgt:

"Anordnung zur Überprüfung von queraxial geförderten stabförmigen Artikeln (14) der Tabak verarbeitenden Industrie, insbesondere 5 zur Überprüfung von flüssigkeitsgefüllten Kapseln (18) in Filtern (16) von Filterzigaretten (14), mit wenigstens einer Muldenfördervorrichtung (10, 20) mit Mulden (12, 22) zur Aufnahme und queraxialen Förderung von stabförmigen Artikeln (14) und wenigstens einer Mikrowellenmessvorrichtung (130) mit wenigstens einem Mikrowellenresonator (134), wobei die wenigstens eine Mikrowellenmessvorrichtung (130) entlang eines Förderweges der stabförmigen Artikel (14) wenigstens einen längserstreckten, einseitig offenen seitlichen Durchtrittskanal (140) für einen über die jeweiligen Mulden (12, 22) überstehenden Abschnitt (15) der Artikel (14) aufweist, wobei der wenigstens eine Durchtrittskanal (140) den wenigstens einen Mikrowellenresonator (134) seitlich durchdringt, so dass überstehende Abschnitte (15) der stabförmigen Artikel (14) auf ihrem Förderweg durch den Durchtrittskanal (140) ein Mikrowellenmessfeld (144) im wenigstens einen Mikrowellenresonator (134) durchqueren, wobei die stabförmigen Artikel (14), insbesondere an einer Soll-Position der Kapseln 5 (18), das Mikrowellenmessfeld (144) durchqueren, wobei der Mikrowellenresonator (134) als Hohlleiterresonator ausgebildet ist, der durch den Durchtrittskanal (140) in zwei Teilräume (136, 136') geteilt ist, wobei ein Teilraum (136) des Hohlleiterresonators (134) mit einer Mikrowelleneinkopplung (138) und der andere Teilraum (136') mit einer induktiven oder kapazitiven Mikrowellenauskopplung (139) verbunden ist, die jeweils durch eine Blende (135, 135') mit dem Hohlleiterresonator (134) verbunden ist, wobei die Teilräume (136, 136') fluchtend entlang einer Hauptrichtung des Hohlleiterresonators angeordnet sind, und wobei die Hauptrichtung quer zu einer Förderebene der stabförmigen Artikel verläuft."

Der weitere unabhängige Anspruch 9 lautet wie folgt:

"Verfahren zur Überprüfung von queraxial geförderten stabförmigen Artikeln (14) der Tabak verarbeitenden Industrie, insbesondere zur Überprüfung von flüssigkeitsgefüllten Kapseln (18) in Filtern (16) von Filterzigaretten (14), insbesondere in einer Anordnung nach einem der Ansprüche 1 bis 7, wobei stabförmige Artikel (14), insbesondere Filterzigaretten (14), in Mulden (12, 22) wenigstens einer Muldenförder-vorrichtung (10, 20) queraxial an wenigstens einer Mikrowellenmessvorrichtung (130) mit wenigstens einem Mikrowellenresonator (134) vorbei gefördert werden, wobei die stabförmigen Artikel (14) einen über die jeweiligen Mulden (12, 22) überstehenden Abschnitt (15) aufweisen, wobei die überstehenden Abschnitte (15) der Artikel (14) auf ihrem Förderweg wenigstens einen längserstreckten, einseitig offenen seitlichen Durchtrittskanal (140) der wenigstens einen Mikro-wellenmessvorrichtung (130) durchqueren und auf ihrem Förderweg durch den Durchtrittskanal (140) den wenigstens einen Mikrowellenresonator (134) durchqueren, so dass die überstehenden Abschnitte (15) der stabförmigen Artikel (14) auf ihrem Förderweg durch den Durchtrittskanal (140) ein Mikrowellenmessfeld (144) in dem wenigstens einen Mikrowellenresonator (134) durchqueren, wobei die stabförmigen Artikel (14), insbesondere an einer Soll-Position der Kapseln (18), das Mikrowellenmessfeld (144) durchqueren, wobei der Mikrowellenresonator (134) als Hohlleiterresonator ausgebildet ist, der durch den Durchtrittskanal (140) in zwei Teilräume (136, 136') geteilt ist, wobei ein Teilraum (136) des Hohlleiterresonators (134) mit einer Mikrowelleneinkopplung (138) und der andere Teilraum (136') mit einer induktiven oder kapazitiven Mikrowellenauskopplung (139) verbunden ist, die jeweils durch eine Blende (135, 135') mit dem Hohlleiter-resonator (134) verbunden ist, wobei die Teilräume (136, 136') fluchtend entlang einer Hauptrichtung des Hohlleiterresonators angeordnet sind, wobei die Hauptrichtung quer zu einer Förderebene der stabförmigen Artikel verläuft."

V. Die unabhängigen Ansprüche 1 und 10 gemäß Hilfsantrag 0 (eingereicht in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer um 15.55 Uhr) verlangen über den Hauptantrag hinausgehend das folgende Merkmal:

"wobei der Hohlleiterresonator (134) durch den Durchtrittskanal (140) in Form einer Gabel (137) in die zwei Teilräume (136, 136') aufgeteilt ist, die jedoch einen gemeinsamen Resonator (134) bilden."

Zudem wurden zahlreiche Bezugszeichen im Vergleich zum Hauptantrag gelöscht.

VI. Die unabhängigen Ansprüche 1 und 10 gemäß Hilfsantrag 0.5 (eingereicht in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer um 15.55 Uhr) verlangen ausgehend vom Hilfsantrag 0 zudem ferner das folgende zusätzliche Merkmal:

"wobei die Gabel (137) zu den Seiten, also quer zu der Hauptrichtung des Hohlleiterresonators (134), breiter ausgestaltet ist, als ein Querschnitt des Hohlleiterresonators (134) selber."

VII. Die unabhängigen Ansprüche 1 und 10 gemäß Hilfsantrag 1 (eingereicht mit der Erwiderung auf die Beschwerdebegründung) verlangen über den Hauptantrag hinausgehend das folgende Merkmal:

"wobei der Durchtrittskanal (140) in seinen Dimensionen größer ausgebildet ist als ein Querschnitt des Hohlleiterresonators (134)"

VIII. Die unabhängigen Ansprüche 1 und 10 gemäß Hilfsantrag 2 (eingereicht mit der Erwiderung auf die Beschwerdebegründung) bauen auf Hilfsantrag 1 auf und verlangen darüber hinaus das folgende Merkmal:

"wobei der wenigstens eine Mikrowellenresonator (134) von dem Durchtrittskanal (144) mittels eines im Mikrowellenresonator (134) angeordneten nichtleitenden Fensters (142) getrennt ist."

IX. Die unabhängigen Ansprüche 1 und 10 gemäß Hilfsantrag 3 (eingereicht in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer um 17.11 Uhr) verlangen ausgehend vom Hauptantrag zusätzlich das folgende Merkmal:

"wobei die Form des Durchtrittskanals durch ein Bauteil in Form einer Gabel (137) definiert ist, das die Teilräume (136, 136') miteinander verbindet"

X. Die Argumente der Beschwerdeführerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:

a) Die mündliche Verhandlung dürfe aus den folgenden Gründen nicht gegen den Willen der Beschwerdeführerin als Videokonferenz durchgeführt werden:

i) Eine Verhandlung in Präsenz sei der Standardfall ("gold standard"), von dem nur in Ausnahmefällen abgewichen werden dürfe.

Die Entscheidung G1/21 stelle dabei klar, dass eine Verhandlung nur bei Vorliegen eines allgemeinen Notfalls ("general emergency") gegen den Willen der Parteien als Videokonferenz durchgeführt werden dürfe.

ii) Artikel 15a VOBK 2020 könne diesen Grundsatz nicht in Frage stellen, weshalb das durch Artikel 15a(1) VOBK 2020 gewährte Ermessen der Kammer nicht über die Regelungen der G1/21 hinausgehen dürfe.

iii) Entsprechend könne - da mit dem Ende der COVID19-Pandemie kein allgemeiner Notfall mehr vorläge - eine mündliche Verhandlung nur dann als Videokonferenz durchgeführt werden, wenn alle Parteien dem zustimmen würden, was vorliegend nicht der Fall sei.

iv) Sollte die Kammer oder eine der Parteien vom Standardfall abweichen wollen, obliege es ihr, hierfür rechtfertigende Gründe vorzubringen. Ein Antrag auf Durchführung in Präsenz (also dem Standardfall) müsse dagegen nicht begründet werden.

Von der Beschwerdeführerin einen Grund für eine Präsenzverhandlung einzufordern sei daher eine unzulässige Beweislastumkehr.

v) Eine als Videokonferenz durchgeführte mündliche Verhandlung sei nach wie vor nicht als gleichwertig mit einer Präsenzverhandlung anzusehen, da die Kommunikation weniger direkt und durch die verwendete Technik limitiert sei; die Videokonferenztechnik reiche insgesamt nicht an das Kommunikationsniveau einer Präsenzverhandlung heran.

Insbesondere sei es nicht möglich, während einer Videokonferenz Zeichnungen händisch zu entwickeln und so spontan auf Argumente der Gegenpartei einzugehen.

Daher müsse die als Videokonferenz angesetzte mündliche Verhandlung abgeladen werden und neu in Präsenz angesetzt werden.

b) Die folgenden Rechtsfragen seien der Großen Beschwerdekammer vorzulegen, wenn die Kammer nicht das Format der Verhandlung ändere:

"1. Ist das Ermessen, das Artikel 15a(1) VOBK einer Beschwerdekammer in Bezug auf die Wahl des Formats einer mündlichen Verhandlung nach Art. 116 EPÜ einräumt, mit der rechtlichen Feststellung im Punkt 48 der Entscheidung G 1/21 der Großen Beschwerdekammer vereinbar, dass der Beteiligte, der die mündliche Verhandlung beantragt hat, das Format wählen kann und muss das genannte Ermessen unter Berücksichtigung der rechtlichen Beurteilungen, die in den Punkten 38 und 39 sowie 48 bis 50 G 1/21 von der Großen Beschwerdekammer dargelegt wurden, ausgeübt werden?

2. Ist das Ermessen, das Artikel 15a(1) VOBK einer Beschwerdekammer in Bezug auf die Wahl des Formats einer mündlichen Verhandlung nach Art. 116 EPÜ einräumt, mit der rechtlichen Feststellung im Punkt 48 der Entscheidung G 1/21 der Großen Beschwerdekammer vereinbar, dass der Beteiligte, der die mündliche Verhandlung beantragt hat, das Format wählen kann und muss das genannte Ermessen unter Berücksichtigung der rechtlichen Beurteilungen, die in den Punkten 38 und 39 sowie 48 bis 50 G 1/21 von der Großen Beschwerdekammer dargelegt wurden, ausgeübt werden?

3. Falls die Antwort zu 1 ja ist, nach welchen Kriterien ist das Ermessen gemäß Artikel 15a(1) VOBK auszuüben?"

i) Die Vorlage der Rechtsfragen sei zwingend notwendig, da die Kammer mit einer Entscheidung, die mündliche Verhandlung gegen den Willen der Beschwerdeführerin als Videokonferenz abzuhalten, gegen die Grundsätze der Entscheidung G1/21 verstoße. Eine Abweichung von den von der Großen Beschwerdekammer festgestellten Grundsätzen erfordere jedoch eine erneute Vorlage.

ii) Zudem seien die Rechtsfragen auch von grundsätzlicher Bedeutung, da sie eine Vielzahl an Fällen in der Beschwerdeinstanz beträfen.

iii) Ohne nähere Spezifizierung der Grundsätze der Ermessensausübung in Artikel 15a VOBK 2020 seien von Amts wegen getroffene Entscheidungen zur Form der Verhandlungen willkürlich. Dies widerspreche aber dem Grundsatz einer fairen Rechtsprechung.

Zur Patentfähigkeit des Streitpatents äußerte sich die Beschwerdeführerin wie folgt:

c) Der im unabhängigen Anspruch 1 des Hauptantrags definierte Gegenstand beruhe auf einer unzulässigen Zwischenverallgemeinerung des in Figur 5 gezeigten Ausführungsbeispiels. Insbesondere sei dort ein Bauteil in Form einer Gabel gezeigt, das die beiden Resonatorteilräume in fluchtender Anordnung halte. Die Gabel sei hierfür funktionell zwingend notwendig, wurde jedoch nicht in den Anspruch aufgenommen.

d) Die Hilfsanträge 1 und 2 seien analog zum Hauptantrag unzulässig zwischenverallgemeinert worden.

e) Die erst in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Hilfsanträge 0 und 0.5 seien als Änderung des Vorbringens der Beschwerdegegnerin nach Zustellung der Ladung anzusehen und könnten mangels Vorliegen stichhaltiger Gründe für das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände nicht zum Verfahren zugelassen werden.

f) Gleiches gelte für Hilfsantrag 3.

XI. In der mündlichen Verhandlung trug die Beschwerdeführerin zudem zur Frage der Form der mündlichen Verhandlung noch Folgendes vor:

a) Aufgrund der fehlenden Unmittelbarkeit verstoße eine als Videokonferenz durchgeführte Verhandlung gegen Artikel 6 EMRK.

b) Die Kammer sei nicht gänzlich unabhängig in ihrer Entscheidung hinsichtlich der Form der mündlichen Verhandlung, da die turnusgemäß alle fünf Jahre notwendige Wiederernennung der Mitglieder der Kammer vom Präsidenten der Beschwerdekammer abhinge, der wiederum eine klare Präferenz zu Verhandlungen als Videokonferenz öffentlich bekundet habe.

XII. Die Argumente der Beschwerdegegnerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:

a) Eine Abladung und erneute Ladung in Präsenz würde das Verfahren unnötig verzögern. Gleiches gelte für die Vorlage der von der Beschwerdeführerin vorgeschlagenen Rechtsfragen.

b) Die Änderungen im Hauptantrag seien zulässig, da die Gabel nicht untrennbar mit dem in Anspruch 1 aufgenommenen Merkmal "Teilräume sind fluchtend entlang einer Hauptrichtung des Hohlleiterresonators angeordnet" verbunden sei.

c) Die Hilfsanträge 0 und 0.5 seien Reaktionen auf die Abweichung der Kammer von ihrer mit der Ladung kommunizierten Auffassung. Diese Abweichung sei überraschend, so dass der Beschwerdegegnerin eine Reaktionsmöglichkeit einzuräumen sei.

d) In den Hilfsanträgen 1 und 2 werde durch die hinzugefügten Merkmale eine gabelförmige Konstruktion implizit beschrieben, so dass diese Anträge zumindest implizit die vermeintlich nicht aufgenommenen Merkmale umfassen.

e) Der Hilfsantrag 3 sei eine Reaktion auf die erst in der Verhandlung klargestellte Position der Beschwerdeführerin, die davor für die Beschwerdegegnerin unverständlich gewesen sei. Daher sei der Hilfsantrag 3 zum Verfahren zwingend zuzulassen.

Entscheidungsgründe

Form der mündlichen Verhandlung vor der Kammer

1. Die Kammer entschied, die mündliche Verhandlung in Form einer Videokonferenz abzuhalten. Die Beschwerdeführerin stimmte dem nicht zu, sondern beantragte die Durchführung der Verhandlung in Präsenz.

2. Artikel 15a VOBK 2020 gibt der Kammer ein Ermessen bei der Entscheidung, die mündliche Verhandlung von Amts wegen als Videokonferenz durchzuführen.

2.1 Artikel 15a(1) VOBK 2020 lautet wie folgt:

"Die Kammer kann beschließen, die mündliche Verhandlung gemäß Artikel 116 EPÜ auf Antrag eines Beteiligten oder von Amts wegen als Videokonferenz durchzuführen, wenn sie dies für zweckmäßig erachtet."

2.2 Aus dem Wortlaut dieser Regelung werden folgende Punkte deutlich:

a) Die Entscheidung obliegt der Kammer (und nicht den Parteien). Dies wird durch die Formulierung "Die Kammer kann beschließen" deutlich.

b) Die Entscheidung, die Verhandlung als Videokonferenz durchzuführen kann auch gegen den Willen der Parteien gefällt werden ("von Amts wegen").

c) Es handelt sich bei der Entscheidung um eine Ermessensentscheidung ("kann").

d) Das eingeräumte Ermessen ist orientiert an Zweckdienlichkeitsüberlegungen auszuüben ("wenn sie dies für zweckmäßig erachtet").

e) Die Regelung nennt keinerlei zwingend erforderlichen Punkte, die bei der Ermessensausübung berücksichtigt werden müssen. Bei der Ausübung des Ermessens sind somit alle Gründe zu berücksichtigen und gegeneinander abzuwägen, die für oder gegen eine Videokonferenz sprechen.

f) Insbesondere aber enthält die Regelung keinen Hinweis darauf, dass sie ausschließlich im Fall des Vorliegens eines allgemeinen Notfalls anzuwenden ist.

2.3 Die Kammer ist der Auffassung, dass eine Videokonferenz im vorliegenden Fall zweckmäßig war.

2.3.1 Ob eine Videokonferenz "zweckmäßig" ist, hängt zunächst davon ab, welche Kriterien zur Beurteilung der Zweckmäßigkeit heranzuziehen sind.

a) Der Begriff "zweckmäßig" impliziert, dass etwas zur Erreichung eines oder mehrerer angestrebter Zwecke grundsätzlich geeignet und darüber hinaus auch sinnvoll (sachdienlich) erscheint.

i) Der erste Aspekt schließt für den vorgesehenen Einsatz ungeeignete Maßnahmen aus, sie sind immer unzweckmäßig.

ii) Der zweite Aspekt erfordert eine Abwägung aller relevanten Gesichtspunkte und bezeichnet aus den geeigneten Maßnahmen diejenigen, die den angestrebten Zwecken gut dienen. Eine Beschränkung nur auf die allerdienlichste Maßnahme lässt sich dem Begriff nicht entnehmen. Es ist daher nicht auszuschließen, dass es mehrere zweckmäßige Maßnahmen nebeneinander geben kann.

b) Mündliche Verhandlungen dienen, wie die Große Beschwerdekammer im Verfahren R3/10 festgestellt hat, dazu, "jeder Partei zu ermöglichen, ihre Argumente mündlich vorzutragen, der Kammer zu ermöglichen, Fragen zu stellen, den Parteien zu ermöglichen, auf diese zu antworten, und der Kammer und den Parteien zu ermöglichen, einzelne Punkte, darunter streitig und vielleicht streitent-scheidende zu diskutieren. Der Wert mündlicher Verhandlungen ist, dass hierdurch der Streit-gegenstand geklärt werden und die Kammer zu der abschließenden Überzeugung kommen kann, dass die Position einer Partei richtig ist, obwohl sie durch den schriftlichen Vortrag alleine davon nicht überzeugt war" [Übersetzung durch die Kammer].

i) Dass auch eine als Videokonferenz durchgeführte mündliche Verhandlung grundsätzlich geeignet sein kann, diese Ziele zu erreichen, hat die Große Beschwerdekammer in der Entscheidung G 1/21 unter Punkt 33 bis 43 festgestellt.

Fälle, die zur Ungeeignetheit von Videokonferenzen im Einzelfall (siehe Punkt 48, Satz 2) führen, werden nicht explizit benannt, könnten aber in Anlehnung an Punkt 37 der Entscheidung sein: fehlende Ausrüstung der Parteien, fehlende zuverlässige Übertragungswege, Beeinträchtigung der Wahrnehmungsfähigkeit, sei es aufgrund persönlicher Einschränkungen bei einzelnen teilnehmenden Personen oder sei es aufgrund des Gegenstands der Verhandlung, etwa bei der Notwendigkeit einer Inaugenscheinnahme, die Sinneseindrücke erfordert, die per Kamera nicht vermittelt werden können.

Umgekehrt enthält die Entscheidung der Großen Beschwerdekammer in Punkt 49 auch Beispiele von Fällen, in denen Präsenzverhandlungen nicht geeignet erscheinen: Unfähigkeit von Beteiligten zu einer Präsenzverhandlung in den Räumlichkeiten der Beschwerdekammer zu erscheinen (exemplarisch genannt: generelle Reiseverbote, Unterbrechungen der Reiseverbindungen, Quarantänevorschriften).

ii) Der Wortlaut des Artikels 15a VOBK 2020 lässt keine Einschränkung erkennen, dass bei der Beurteilung der Zweckmäßigkeit bestimmte Kriterien nicht verwendet werden können und/oder andere Kriterien wiederum zwingend anzuwenden sind. Jenseits der Frage der generellen Eignung eines Formats, die im Verneinensfall ein Ausschlusskriterium darstellen kann, sind daher auf der zweiten Ebene der Prüfung alle Aspekte zu berücksichtigen, die im Zusammenhang mit der Planung und Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor einer Beschwerdekammer eine Rolle spielen und das für die Verhandlung gewählte Format bei einer Gesamtbetrachtung als mehr oder weniger sachdienlich erscheinen lassen.

2.3.2 Im vorliegenden Fall erscheint sowohl eine Durchführung der mündlichen Verhandlung als Videokonferenz, als auch als Präsenzverhandlung als geeignet.

a) Die generelle Eignung beider Formate ist mit den Erwägungen, die schon die Große Beschwerdekammer unter Punkten 33 bis 43 in der Entscheidung G1/21 angeführt hat, zu bejahen.

b) Im Verfahren wurden keine Aspekte vorgetragen, die entweder eine Videokonferenz oder eine Präsenzverhandlung als ungeeignet hätten erscheinen lassen.

i) Es liegt erkennbar keiner der oben unter 2.3.1 b) i) von der Großen Beschwerdekammer angedeuteten Gründe fehlender Eignung vor.

ii) Der vorgetragene Umstand, dass Zeichnungen nicht live auf einem Flip-Chart oder einer Tafel angefertigt werden können, steht einer Videokonferenz nicht entgegen. Dort besteht die Möglichkeit, eine Zeichnung entweder live in einem geeigneten Zeichenprogramm anzufertigen und die anderen Teilnehmer mittels geteiltem Bildschirm teilhaben zu lassen. Alternativ kann eine handschriftlich erstellte und eingescannte Skizze, Bilder oder Kopien der Entgegenhaltungen mit Ergänzungen den anderen Teilnehmern der Videokonferenz zur Kenntnis gebracht und erläutert werden. Als weitere Möglichkeit könnten entsprechende Unterlagen auch im Vorfeld der Verhandlung oder in deren Verlauf per e-mail an die Kammer geschickt werden, die sie dann an die andere Partei und die Dolmetscher verteilt.

iii) Der Umstand alleine, dass eine der Parteien eine Präferenz für eines der Formate äußert oder ein anderes ablehnt, kann schon nach dem Wortlaut von Artikel 15a die Eignung nicht aufheben, vgl. oben 2.2 a) und b).

2.3.3 Daher steht das Format Videokonferenz im vorliegenden Fall als Möglichkeit zur Verfügung und war in einem zweiten, abwägenden Schritt noch auf Sachdienlichkeit hin zu überprüfen. Dabei hat die Kammer alle für sie unmittelbar erkennbaren Vor- und Nachteile berücksichtigt, insbesondere Gründe, die das Erscheinen der Parteien zu einer Präsenzverhandlung erschweren oder behindern könnten und Gründe, die geeignet wären, die Diskussion des Falles im Videoformat zu beeinträchtigen.

2.3.4 Eine Videokonferenz erlaubt es den Parteien, von ihrem regulären Arbeitsort aus an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen. So kann eine Reise zu den Räumlichkeiten der Beschwerdekammer und wieder zurück vermieden werden.

a) Dies gestattet es den Parteien, die ansonsten anfallende Reisezeit sinnvoller zu verbringen.

b) Zudem erlaubt es den Parteien, die Kosten für die Reise und eventuell notwendige Übernachtungen einzusparen.

c) Schließlich kann so auch verhindert werden, dass die für die Reise verwendeten Verkehrsmittel Umweltschäden erzeugen. Des weiteren kann auch unnötiger CO2-Ausstoß verhindert werden.

Diese Vorteile treffen dabei auch auf die Simultandolmetscher zu, sowie auf die Mitglieder der Kammer (wenn auch meist nur in geringerem Umfang).

2.3.5 Gleichzeitig kann die Kammer im konkreten Fall keine Nachteile einer Videokonferenz erkennen.

Die Diskussion zur Patentfähigkeit beruht in vorliegendem Fall auf einem Vergleich der Anträge mit den ursprünglich eingereichten Anmeldeunterlagen (in der Frage der unzulässigen Änderung), sowie auf dem Vergleich mit dem druckschriftlichen Stand der Technik (in der Frage der Neuheit und erfinderischen Tätigkeit). Hierzu ist es nur notwendig, den Inhalt schriftlich vorliegender Dokumente zu diskutieren, was sowohl in Präsenz als auch im Rahmen einer Videokonferenz gleichermaßen möglich ist. Der Fall ist zudem weder übermäßig komplex, noch sind eine Vielzahl von Parteien beteiligt.

2.3.6 Von den beiden Parteien war die eine gegenüber der Verwendung des Formats Videokonferenz aufgeschlossen, während die andere sich nachdrücklich damit nicht einverstanden erklärte. Dieser Umstand allein ist im Rahmen der vorzunehmenden Sachdienlichkeitsabwägung aber nicht entscheidend. Vielmehr ist eine Gesamtabwägung vorzunehmen, die vorrangig auf objektiven Erwägungen beruhen sollte. Die subjektiven Einschätzungen der Parteien können eine ergänzende Rolle spielen, die umso stärker ins Gewicht fällt, je mehr die Empfindungen durch objektivierbare Argumente gestützt sind.

2.3.7 Auf schriftliche Nachfrage der Kammer im Vorfeld der Verhandlung, ob es seitens der Parteien Gründe gäbe, die gegen die Durchführung der Verhandlung als Videokonferenz sprächen bzw. eine Durchführung in Präsenz zwingend notwendig machen würden, argumentierte die Beschwerdeführerin lediglich, dass sie ein Anrecht auf eine Durchführung der Verhandlung (also den "gold standard" nach G1/21) in Präsenz habe.

Dies stellt jedoch kein Argument dar, das die Zweckmäßigkeit der Videokonferenz als Verhandlungsform betrifft.

2.3.8 In der mündlichen Verhandlung argumentierte die Beschwerdeführerin zudem noch, dass die Kommunikation in einer Videokonferenz weniger direkt sei, durch die verwendete Technik limitierter sei und die Videokonferenztechnik nicht an das Kommunikationsniveau einer Präsenzverhandlung heranreiche.

2.3.9 Die Kammer teilt diese Einschätzung nicht.

a) Die Kommunikation in einer mündlichen Verhandlung beruht primär auf dem sprachlichen Austausch von Argumenten, der auch im Rahmen einer Videokonferenz ohne erkennbare Einschränkung möglich ist. Ganz im Gegenteil kann bei einer Videokonferenz jeder Teilnehmer individuell die Lautstärke regeln, mit der er die anderen Teilnehmer der Videokonferenz hört und so sicherstellen, dass er alle vorgebrachten Argumente deutlich versteht.

b) Eine Videokonferenz lässt zudem auch eine direkte, mit einer Präsenzverhandlung vergleichbare Interaktion der Parteien zu. Auch in einer Videokonferenz ist es möglich, der gegnerischen Partei ins Wort zu fallen oder seinen Unmut während des Vortrags der anderen Partei durch Zwischenrufe, Kopfschütteln oder Augenverdrehen Ausdruck zu verleihen oder aber seine Aufmerksamkeit durch mimisch vermitteltes aktives Zuhören zu erkennen zu geben. Durch die parallele Bild- und Tonübertragung kann hier die Mimik der Parteien sogar teilweise besser beobachtet werden, da man die anderen Beteiligten nebeneinander auf dem Bildschirm oder der Videoleinwand im Blick behalten kann, während in Präsenz die Kammer vor dem Vortragenden sitzt, die gegnerische Partei aber neben dem Vortragenden, so dass beide nicht gleichzeitig im Blickfeld des Vortragenden sind. Auch ist die Mimik der einzelnen Teilnehmer teils deutlicher zu erkennen als über die Entfernung im Sitzungssaal.

2.3.10 Ferner argumentierte die Beschwerdeführerin, dass es in einer Videokonferenz nicht möglich sei, Zeichnungen händisch zu entwickeln und so spontan auf Argumente der Gegenpartei einzugehen.

2.3.11 Auch dieses Argument kann nicht überzeugen, da es die von der Kammer verwendete Software Zoom zulässt, graphische Darstellungen mit allen Teilnehmern zu teilen. Die bereits oben unter 2.3.2 b) dargestellten Möglichkeiten führen allenfalls zu einem geringen Spontaneitätsverlust, bieten aber umgekehrt die Möglichkeit, Details aus den zu diskutierenden Dokumenten sogar noch deutlicher und anschaulicher zur Kenntnis zu bringen als dies über die Entfernungen im Sitzungssaal möglich wäre.

2.3.12 Aus Sicht der Kammer stellt eine Videokonferenz daher sowohl im Regelfall, als auch gerade im hier vorliegenden Fall eine annähernd gleichwertige Alternative zu einer Präsenzverhandlung dar, die es den Parteien ohne wesentliche Einschränkung ermöglicht, ihren Standpunkt über den schriftlichen Vortrag hinaus erneut mündlich klarzumachen.

3. Die Regelungen des Artikels 15a VOBK widersprechen dabei nicht höherrangigem Recht.

3.1 Die Verfahrensordnung der Beschwerdekammer stellt sekundäres Recht dar und darf daher nicht im Widerspruch zu Primärrecht stehen.

3.2 Eine Verhandlung in Form einer Videokonferenz stellt eine mündliche Verhandlung im Sinne des Artikels 116 EPÜ dar. Dies hatte die Große Beschwerdekammer in G1/21 bereits festgestellt (siehe Abschnitt C.3 der Gründe) und wurde von den Parteien auch nicht bestritten.

3.3 Das Durchführen einer Verhandlung als Videokonferenz verstößt auch nicht gegen das Recht auf Gehör der Parteien aus Artikel 113(1) EPÜ, wie die Große Beschwerdekammer in G1/21 ebenfalls feststellte (siehe Abschnitt C.4 der Gründe).

3.3.1 Das Beschwerdeverfahren ist ein grundsätzlich schriftliches Verfahren. Die mündliche Verhandlung ist hier als Ergänzung gedacht, soll jedoch den schriftlichen Vortrag der Parteien nicht ersetzen.

3.3.2 In einer mündlichen Verhandlung kommt es zudem vorwiegend auf den mündlichen Vortrag an, der - wie oben ausgeführt - nahezu gleichwertig in einer Präsenzverhandlung und einer Verhandlung in Form einer Videokonferenz sichergestellt ist. Selbst Mimik und ein Großteil der Gestik der anderen Teilnehmer kann mit den aktuell verwendeten technischen Einrichtungen (Stand März 2023) zuverlässig auch in einer Videokonferenz von den anderen Teilnehmern der Verhandlung beobachtet werden.

3.4 Eine per Videokonferenz durchgeführte Verhandlung verstößt auch nicht gegen Artikel 6 EMRK.

3.4.1 Artikel 6 EMRK verlangt ein faires Verfahren vor einem unabhängigen und unparteiischen Gericht.

3.4.2 Die Große Beschwerdekammer stellte in G1/21 fest (siehe Gründe 40), dass eine mündliche Verhandlung in Form einer Videokonferenz als ein faires Verfahren anzusehen ist.

3.4.3 Die Beschwerdeführerin argumentiert jedoch, dass die Kammer kein unabhängiges Gericht sei, da die Mitglieder der Kammer bei ihrer turnusgemäß alle fünf Jahre notwendigen Wiederernennung auf das Wohlwollen des Präsidenten der Beschwerdekammern angewiesen seien. Nachdem dieser jedoch Videokonferenzen befürworte, sei damit zu rechnen, dass die Kammern dieser Vorgabe unkritisch folgen würden.

a) Die Unabhängigkeit der Kammern wird in Artikel 23(3) EPÜ geregelt, wonach die Mitglieder der Kammern bei ihren Entscheidungen nicht gebunden sind an Weisungen Dritter (also auch nicht an Weisungen des Präsidenten der Beschwerdekammern), sondern nur dem EPÜ unterworfen sind.

b) Der Kammer ist zudem auch keine öffentlich oder intern geäußerte Aufforderung des Präsidenten der Beschwerdekammer bekannt, in der dieser die Kammern angewiesen hätte, Verhandlungen bevorzugt oder gar wann immer möglich als Videokonferenzen anzusetzen. Auch die Beschwerdeführerin konnte keine entsprechende Anweisung oder Einflussnahme nachweisen.

c) Die Behauptung der Beschwerdeführerin, die Kammer sei nicht unabhängig, bleibt somit eine unbewiesene Vermutung.

4. Artikel 15a VOBK 2020 schloss die zum Vorlagezeitpunkt von G1/21 bestehende Regelungslücke. Zudem veränderten sich die technischen Gegebenheiten seit der zur Entscheidung G1/21 führenden Vorlage.

4.1 Im Februar 2021 legte die Kammer 3.5.02 mehrere Rechtsfragen der Großen Beschwerdekammer vor, die letztlich in der Entscheidung G1/21 mündeten.

4.1.1 Zu diesem Zeitpunkt gab es noch keine Regelung, ob und unter welchen Voraussetzungen eine mündliche Verhandlung in Form einer Videokonferenz durchgeführt werden durfte.

4.1.2 Zudem verwendeten im Frühjahr 2021 die Kammern als Software zur Durchführung von Videokonferenzen das Programm Skype, welches weder die Möglichkeit bot, Beratungsräume für einzelne Gruppen von Teilnehmern einzurichten, noch den Bildschirm eines Teilnehmers für alle sichtbar zu teilen. Des weiteren war die Übertragungsqualität insbesondere bei einer höheren Anzahl an Teilnehmern vergleichsweise schlecht und die Erkennbarkeit der Mimik der Kammermitglieder unbefriedigend, da zunächst noch die gesamte Kammer durch eine einzige Kamera in einem Gesamtbild mit zudem schlechterer Bildqualität gezeigt wurde, so dass die einzelne Person kaum mehr erkennbar war.

Gleichzeitig hatten die wenigsten Anwälte professionelle Videoräume und/oder entsprechende Ausrüstung. Auch die Beschwerdekammern kämpften mit fehlender Übertragungsleistung ihrer Netzwerke und einer geringen oder sogar gänzlich fehlenden Erfahrung ihrer Kammermitglieder bei Videokonferenzen.

4.1.3 Im April 2021 ratifizierte der Verwaltungsrat der Europäischen Patentorganisation dann Artikel 15a VOBK 2021, so dass nun die Frage, in welcher Form eine mündliche Verhandlung abzuhalten ist, in der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern geregelt wurde. Artikel 15a VOBK 2021 muss daher als Nachfolgeregelung von G1/21 angesehen werden.

4.1.4 Zudem investierten sowohl die Beschwerdekammern, als auch eine Vielzahl an Vertretern in Ausrüstung und Personal. Gleichzeitig stieg die Erfahrung mit jeder abgehaltenen Videokonferenz. Die Beschwerdekammern wechselten auf das Tool Zoom, das individuell einrichtbare virtuelle Besprechungsräume bietet und auch deutlich stabiler als Skype ist, bei insgesamt deutlich höherer Sprach- und Bildqualität und standardmäßiger Einzeldarstellung aller Kammermitglieder in Nahaufnahme. Die Bandbreiten der Netzwerke wurden erhöht und das EPA erwarb sogar ein eigenes Rechenzentrum zur Anpassung seiner IT-Struktur an den bestehenden Bedarf.

4.1.5 Die gegenwärtige Situation ist daher eine völlig andere als die Situation unter deren Voraussetzungen die Entscheidung G1/21 erlassen wurde (siehe Entscheidungsgründe 38). Daher können die Schlussfolgerungen der G1/21 zur Frage, ob eine Videokonferenz ohne Zustimmung der Parteien von der Kammer angeordnet werden kann, nicht mehr uneingeschränkt auf die Gegenwart angewandt werden, da die Eingangsvoraussetzung der Entscheidung G1/21 (und zwar der Qualitätsunterschied zwischen Videokonferenz und Präsenzverhandlung) nicht mehr gegeben sind.

5. Die Regelungen des Artikels 15a VOBK widersprechen letztlich aber auch nicht den wesentlichen Schlussfolgerungen der Großen Beschwerdekammer in der Entscheidung G1/21.

5.1 Entgegen der Behauptung der Beschwerdeführerin stellt G1/21 in den Entscheidungsgründen 38 (und später erneut unter 46) nur fest, dass "zumindest derzeit" (also zum Zeitpunkt der Vorlage der Rechtsfragen im Februar 2021) eine Videokonferenz nicht als gleichwertig zu einer Präsenzverhandlung anzusehen ist. Die Große Beschwerdekammer stellte hier aber gerade nicht fest, dass eine Präsenzverhandlung einer Videokonferenz grundsätzlich immer überlegen ist, sondern beschränkt sich auf die im Februar 2021 vorgefundene Situation. Die technische Entwicklung, die auf dem Gebiet der Videokonferenztechnik zu verzeichnen sind, wurde dabei unter Punkt 38 der Entscheidungsgründe explizit angesprochen und nur als seinerzeit noch nicht ausreichend erachtet. Ihre andauernde und durch die Covid-Situation nochmal erheblich beschleunigte Fortentwicklung wurde unter 4.1 im einzelnen beschrieben und würde daher auch für die Große Beschwerdekammer zum heutigen Zeitpunkt eine Neubestimmung erfordern.

5.1.1 Zum aktuellen Zeitpunkt (März 2023) sieht die Kammer im konkreten Fall keinen wesentlichen Unterschied mehr zwischen einer Videokonferenz mit den gegenwärtig verwendeten technischen Mitteln gegenüber einer Verhandlung in Präsenz. Daher sieht sie eine Videokonferenz im vorliegenden Fall als nahezu gleichwertige Alternative zu einer Präsenzverhandlung an.

5.1.2 Die Kammer möchte jedoch betonen, dass es auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch Situationen geben kann, bei denen eine Videoverhandlung nicht als gleichwertig zu einer Präsenzveranstaltung angesehen werden kann. Denkbar sind hier beispielsweise Verhandlungen, in deren Verlauf ein Muster in Augenschein genommen werden soll oder aber außergewöhnlich komplexe Sachverhalte zu diskutieren sind, die eventuell auch eine direkte physische Interaktion zwischen Vertretern und Kammer verlangen. Je nach Umständen kann hierdurch bereits die Eignung des Formats zur Durchführung der mündlichen Verhandlung gänzlich entfallen oder dieses als so wenig sachdienlich erscheinen, dass bei einer Abwägung aller zur berücksichtigenden Umstände die Durchführung nicht mehr als zweckmäßig angesehen werden kann. Diese Abwägungsentscheidung ist somit immer auch abhängig von den zu diskutierenden Sachverhalten und den spezifischen Umständen der jeweiligen Sache (vgl. oben 2.3.5 ff.).

5.2 Die Rechtsfragen, die die Große Beschwerdekammer mit G1/21 beantwortete, wurden zudem von der Großen Beschwerdekammer im Verlauf des Verfahrens durch Umformulieren der zu beantwortenden Rechtsfrage auf den Fall beschränkt, dass eine allgemeine Notsituation vorliegt. Artikel 15a VOBK 2021 regelt nunmehr auch Situationen ohne Notlage, die bewusst von der Großen Beschwerdekammer in G1/21 ausgespart wurden.

5.2.1 Dass die rechtfertigenden Gründe für das Abhalten einer Verhandlung als Videokonferenz nicht auf die konkret in G1/21, Entscheidungsgründe 49 im Zusammenhang mit der Pandemie stehenden Gründe (Reisebeschränkungen, Unterbrechungen der Reiseverbindungen, Quarantäneauflagen, Zugangsbeschränkungen zu den Räumlichkeiten des EPA) beschränkt sind, ist aus der in den Entscheidungsgründen 49 verwendeten Formulierung "im Falle einer Pandemie" ableitbar.

5.2.2 Stattdessen muss jeder Umstand, der das Erscheinen eines Beteiligten zu einer Präsenzverhandlung verhindern oder zumindest erschweren kann als "guter Grund" im Sinne von G1/21 angesehen werden, der eine Videokonferenz im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtabwägung mit rechtfertigen kann.

5.2.3 Unter die zu berücksichtigenden Kriterien fällt daher aus Sicht der Kammer auch der Mehraufwand an Zeit und Geld für eine Anreise in die Räumlichkeiten der Beschwerdekammer, sowie die Schädigung der Umwelt durch diese Reise wie vorstehend bereits ausgeführt.

5.3 Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin gibt G1/21 aber genauso wenig wie Artikel 15a VOBK 2020 den Parteien das absolute Recht, über die Form der Verhandlung zu entscheiden. G1/21 verweist in den Entscheidungsgründen 46 nur darauf, dass es Sinn gäbe, den Wunsch der Parteien zu berücksichtigen. Die Große Beschwerdekammer gesteht letztlich den Kammern aber ein Ermessen zu, über die Form der Verhandlung zu entscheiden (siehe Entscheidungsgründe 50) und diese Entscheidung, sofern das Format "geeignet ist" (Entscheidungsgründe 48), bei Vorliegen "guter Gründe" (Entscheidungsgründe 46) auch gegen den Willen der Parteien zu treffen.

Artikel 15a VOBK 2021 hat dieses Ermessen nun kodifiziert und verlangt, dass eine Videokonferenz zumindest "zweckmäßig" sein muss, was letztlich als Synonym zu "sie ist geeignet" und "es gibt gute Gründe dafür" im Sinne der G1/21 anzusehen ist.

5.4 Bei der Ermittlung der "Eignung" und der "guten Gründe" obliegt es den Parteien, Gründe für oder gegen eine mündliche Verhandlungen, die ihrer Sphäre entstammen der Kammer zur Kenntnis zu bringen. Die Kammer kann besondere Umstände im Umfeld der Parteien nur dann berücksichtigen, wenn sie sie auch kennt. Daher ist die Aufforderung, derartige Gründe der Kammer zur Kenntnis zu bringen, keine unzulässige Beweislastumkehr, sondern logisch zwingende Voraussetzung für eine nach Möglichkeit alle Gründe umfassende Entscheidung zur Form der Verhandlung.

6. Die Kammer kam daher zu dem Schluss, dass nach Abwägung aller vorgebrachten Argumente die Vorteile einer Videokonferenz im vorliegenden Fall die Nachteile überwiegen. Das Format der Videokonferenz erscheint somit als geeignet und sachdienlich, und damit als zweckmäßig im Sinne von Artikel 15a(1) VOBK. Die Kammer entschied daher in Ausübung des ihr eingeräumten Ermessens, die mündliche Verhandlung in Form einer Videokonferenz abzuhalten.

Vorlage von Rechtsfragen an die Große Beschwerdekammer

7. Die Beschwerdeführerin beantragte für den Fall, dass die Kammer die Verhandlung als Videokonferenz abhält, die vorstehend im Abschnitt X-b) wiedergegebenen Rechtsfragen der Großen Beschwerdekammer vorzulegen.

8. Nach Artikel 112 (1) a) EPÜ befasst eine Beschwerdekammer die Große Beschwerdekammer, wenn sie eine Entscheidung für erforderlich hält, sei es zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsanwendung oder weil sich eine "Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung" stellt. Gleiches gilt gemäß Artikel 21 VOBK 2020, wenn die Kammer es für notwendig hält, von einer Auslegung des Übereinkommens abzuweichen, die in einer früheren Entscheidung der Großen Beschwerdekammer enthalten ist.

8.1 Wie vorstehend ausgeführt, steht Artikel 15a VOBK 2020 nicht im Widerspruch zur Entscheidung G1/21 der Großen Beschwerdekammer, so dass der letztgenannte Punkt nicht vorliegt.

8.2 Auch im übrigen scheint bislang keine sich widersprechende Rechtsanwendung vorzuliegen. Auch die Beschwerdeführerin konnte hier trotz Nachfrage durch die Kammer in der mündlichen Verhandlung keine Urteile anderer Kammern beibringen, die der vorliegenden Rechtsauffassung grundsätzlich widersprachen.

8.3 Die Kammer sieht vorliegend auch keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, sodass auch aus diesem Grunde eine Vorlage nicht erforderlich im Sinne von Artikel 112(1) a) EPÜ erscheint.

8.3.1 Die Frage, welche Kriterien die Kammern bei der Ermessensausübung gemäß Artikel 15a VOBK 2020 anwenden können, ist nicht absolut zu beantworten, sondern hängt vom konkreten Einzelfall ab. Daher kann hierzu keine abschließende, auf alle Fälle anzuwendende Antwort von der Großen Beschwerdekammer gegeben werden, sondern die Rechtsprechung wird in den kommenden Jahren in einer Vielzahl unterschiedlicher Konstellationen diverse Kriterien und deren Anwendung herauskristallisieren. Die vorliegende Entscheidung schlägt diesen Weg ein und versucht, die für den vorliegenden Fall relevanten Kriterien für die Ermessensausübung aus Sicht der Kammer zu identifizieren und zu strukturieren.

8.3.2 Dabei mag es auch zu Rechtsprechung kommen, die auf den ersten Blick inkonsistent erscheint. Es liegt jedoch im Wesen einer Ermessensentscheidung, dass diese jeweils im Einzelfall erfolgt, so dass für die Parteien nicht immer vorab schon klar zu erkennen sein wird, wie die jeweilige Kammer entscheiden wird. Dies ist logische Konsequenz aus dem gesetzgeberischen Konzept, den Kammern bei ihren Entscheidungen einen Ermessensspielraum zuzugestehen.

8.3.3 In diesem Zusammenhang trifft es zwar zu, dass es eine Vielzahl an Fällen in den Kammern gibt, in denen die Anwendung von Artikel 15a VOBK 2020 eine Rolle spielt. Dies spricht jedoch nur dafür, dass die Kammern schnell verwendbare Kriterien entwickeln werden. Diese lassen eine gewisse Strukturierung der Prüfung erwarten, wie sie etwa von der Kammer in der vorliegenden Entscheidung vorgeschlagen wird. Die Vielzahl der Fälle sind aber nicht zwingend so vergleichbar, dass ein derart allgemeiner Grundsatz als Kriterium entwickelt werden könnte, so dass dieser dann einheitlich auf alle Fälle angewandt eine zuverlässigen Vorhersagbarkeit der Ermessensentscheidungen der Kammern erlauben würde.

8.4 Die Kammer sah daher keine Erforderlichkeit, der Großen Beschwerdekammer Rechtsfragen vorzulegen, sondern entschied im konkreten Einzelfall auf Basis der ihr im vorliegenden Verfahren zur Verfügung stehenden Gründe.

Hauptantrag

Änderungen (Artikel 123(2) EPÜ)

9. Die Änderungen in Anspruch 1 des Hauptantrags entsprechen nicht den Erfordernissen des Artikels 123(2) EPÜ.

9.1 Im Verlauf des Prüfungsverfahrens kombinierte die Beschwerdegegnerin die ursprünglich eingereichten Ansprüche 1 und 4, ergänzt durch die folgenden beiden Merkmale:

- wobei die Teilräume fluchtend entlang einer Hauptrichtung des Hohlleiterresonators angeordnet sind, und

- wobei die Hauptrichtung quer zu einer Förderebene der stabförmigen Artikel verläuft.

9.2 Die Einspruchsabteilung kam zum Schluss, dass diese beiden Merkmale dem in Figur 5 gezeigten und in den Absätzen [0053] und [0055] der A-Schrift beschriebenen Ausführungsbeispiel zu entnehmen sind. Dabei stehe das Merkmal "Gabel" nicht in einem wesentlichen, funktionellen Zusammenhang mit "fluchtend " oder "Hauptrichtung" (Entscheidungsgründe 12.5).

9.3 Eine fluchtende Anordnung der Teilräume des Hohlleiterresonators wird in der ursprünglich eingereichten Beschreibung an keiner Stelle erwähnt. Absatz [0053] spricht nur von Teilräumen, die den gemeinsamen Resonator bilden - eine fluchtende Anordnung bleibt dabei unerwähnt.

Gleiches gilt für die Orientierung der Hauptrichtung des Hohlleiterresonators quer zur Förderebene der stabförmigen Artikel.

9.4 Beide Merkmale können daher - wie von der Einspruchsabteilung richtig erkannt - ausschließlich der Figur 5 in der ursprünglich eingereichten Fassung der Anmeldeunterlagen entnommen werden. Figur 5 zeigt jedoch, dass die beiden Teilräume 136 und 136' über ein gabelförmiges Bauteil so gehalten werden, dass zum einen die Teilräume 136 und 136' fluchtend angeordnet sind, zum anderen aber dieses gabelförmige Bauteil auch den Durchtrittskanal für die Enden der stabförmigen Artikel begrenzt.

9.5 Das dort gezeigte, gabelförmige Bauteil verbindet die beiden Teile des Hohlleiterresonators miteinander so, dass die Teilräume fluchtend angeordnet sind. Das gabelförmige Bauteil ist daher strukturell zwingend notwendig, da sonst die Hohlleiterresonatoren nicht relativ zueinander ausgerichtet werden könnten und somit auch nicht sichergestellt wäre, dass sie fluchtend angeordnet sind.

Durch die fluchtende Anordnung der Teilräume ergibt sich zudem auch erst die Hauptrichtung des Hohlleiterresonators. Ein Vergleich dieser Hauptrichtung mit der Förderebene der stabförmigen Artikel setzt diese fluchtende Anordnung somit ebenfalls voraus.

9.6 Daher sind die beiden, dem unabhängigen Anspruch hinzugefügten Merkmale aus Figur 5 nicht unabhängig vom ebenfalls in Figur 5 gezeigten gabelförmigen Bauteil offenbart. Das strukturell untrennbar mit den Merkmalen verbundene gabelförmige Bauteil hätte daher ebenfalls in den unabhängigen Anspruch 1 aufgenommen werden müssen.

9.7 Der vorliegende Anspruch 1 beruht daher auf einer unzulässigen Zwischenverallgemeinerung der in Figur 5 gezeigten Anordnung, so dass Anspruch 1 unzulässig geändert wurde.

Zurückverweisung an Vorinstanz

10. Die Beschwerdegegnerin beantragte im schriftlichen Verfahren, dass die Sache im Fall einer Nichtgewährbarkeit des Hauptantrags an die Vorinstanz zurückverwiesen wird.

10.1 Die Kammer ist in Ausübung ihres nach Artikel 111 EPÜ eingeräumten Ermessens nach der Entscheidung zum Hauptantrag zu der Einschätzung gelangt, die Sache nicht an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen, insbesondere da sie die Angelegenheit mit angemessenem Aufwand selbst entscheiden konnte.

10.2 Zudem lagen keine besonderen Gründe vor, die eine Zurückverweisung rechtfertigen hätten können (Artikel 11 VOBK 2020).

Hilfsanträge 0 und 0.5

Zulassung (Artikel 13(2) VOBK 2020)

11. Die Hilfsanträge 0 und 0.5 wurden im Verlauf der mündlichen Verhandlung vor der Kammer eingereicht. Die Beschwerdeführerin beantragte, sie nicht zum Verfahren zuzulassen.

11.1 Der Einwand der unzulässigen Zwischenverallgemeinerung gegen den unabhängigen Anspruch 1 durch das Weglassen des gabelförmigen Bauteils wurde von der Beschwerdeführerin bereits im Einspruchsverfahren erhoben und von der Einspruchsabteilung entschieden (siehe Entscheidungsgründe 12.4 und 12.5). Der Einwand wurde dann von der Beschwerdeführerin auf Seite 3 der Beschwerdebegründung im letzten Absatz erneut erhoben (siehe "fork-shaped support").

11.2 Die Beschwerdegegnerin konnte keine stichhaltigen Gründe angeben, die außergewöhnliche Umstände im Sinne des Artikels 13(2) VOBK 2020 begründen und eine Vorlage der Hilfsanträge 0 und 0.5 erst nach der Ladung zur mündlichen Verhandlung rechtfertigen könnten.

11.3 Die Beschwerdegegnerin argumentierte lediglich, dass es aufgrund der mit der Ladung kommunizierten vorläufigen Meinung der Kammer keine Veranlassung gab, auf das Vorbringen der Beschwerdeführerin zu reagieren.

11.3.1 Die Beschwerdegegnerin musste aber bereits aufgrund der Beschwerdebegründung damit rechnen, dass die Kammer entweder der Linie der Einspruchsabteilung oder derjenigen der Beschwerdeführerin folgen würde. Die Formulierung von Hilfsanträgen als Rückzugposition zur Behebung der geltend gemachten unzulässigen Erweiterung wäre daher spätestens nach der Beschwerdebegründung angezeigt gewesen, und damit völlig losgelöst von der Frage, welcher Meinung die Kammer in der vorläufigen Meinung dann letztlich folgt.

11.3.2 Die Tatsache, dass die Kammer mit der vorliegenden Entscheidung von ihrer vorläufigen Meinung abwich, stellt in diesem Zusammenhang keinen außergewöhnlichen Umstand dar. Es ist ja gerade die Eigenschaft einer vorläufigen Meinung, dass sie noch keine endgültige Entscheidung darstellt, sondern eben vorläufig ist.

11.4 Zudem wird auch in keinem der beiden Hilfsanträge 0 und 0.5 das gabelförmige Bauteil genannt, so dass diese Hilfsanträge auch nicht dazu geeignet sind, den Einwand der unzulässigen Zwischenverallgemeinerung zu beheben.

11.5 Die Kammer entschied daher, die Hilfsanträge 0 und 0.5 nicht zum Verfahren zuzulassen.

Hilfsanträge 1 und 2

Änderungen (Artikel 123(2) EPÜ)

12. Der unabhängige Anspruch 1 der Hilfsanträge 1 und 2 nennt nach wie vor nicht das gabelförmige Bauteil, das die beiden Teilräume des Resonators verbindet und diese fluchtend anordnet. Beide Hilfsanträge erfüllen daher ebenfalls nicht die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ, da sie auf einer unzulässigen Zwischenverallgemeinerung beruhen.

12.1 Die Beschwerdegegnerin argumentiert zwar, dass die hinzugefügten Merkmale

"wobei der Durchtrittskanal in seinen Dimensionen größer ausgebildet ist als ein Querschnitt des Hohlleiterresonators"

und

"wobei der wenigstens eine Mikrowellenresonator von dem Durchtrittskanal mittels eines im Mikrowellenresonator angeordneten nichtleitenden Fensters getrennt ist"

der ursprünglich eingereichten Beschreibung zu entnehmen seien und implizit die gabelförmige Anordnung beschreiben würden.

12.2 Nachdem aber auch in den beiden vorstehend genannten Merkmalen kein gabelförmiges Bauteil genannt wird, das zweifelsfrei in Figur 5 gezeigt ist und untrennbar mit der fluchtenden Anordnung und der Hauptrichtung des Resonators verbunden ist, wird auch in keinem der Hilfsanträge 1 oder 2 die zum Hauptantrag festgestellte unzulässige Zwischenverallgemeinerung behoben.

12.3 Auch die Hilfsanträge 1 und 2 beruhen auf der zum Hauptantrag geltend gemachten unzulässigen Zwischenverallgemeinerung.

Hilfsantrag 3

Zulassung (Artikel 13(2) VOBK 2020)

13. Auch der Hilfsantrag 3 wurde erst im Verlauf der mündlichen Verhandlung vor der Kammer eingereicht. Die Beschwerdeführerin beantragte, ihn nicht zum Verfahren zuzulassen.

13.1 Analog zu den Hilfsanträgen 0 und 0.5 stellt dieser Antrag einen Versuch dar, die unzulässige Zwischenverallgemeinerung des Hauptantrags zu beheben.

13.2 Wie zu den Hilfsanträgen 0 und 0.5 bereits ausgeführt, hätte dieser Antrag aber spätestens mit der Antwort auf die Beschwerdebegründung vorgelegt werden müssen. Für die erst in der Verhandlung erfolgte Einreichung gibt es keine stichhaltigen Gründe, die einen außergewöhnlichen Grund begründen könnten.

13.3 Die Beschwerdegegnerin argumentiert zwar, dass erst in der mündlichen Verhandlung klargeworden sei, dass das gabelförmige Bauteil explizit genannt werden müsse und es nicht ausreiche, eine gabelförmige Konfiguration des Sensors zu definieren.

13.4 Dieser Sicht kann jedoch nicht gefolgt werden, da die Einspruchsabteilung bereits in ihrer Entscheidung im Punkt 12.5 "die Gabel" als eigenständiges Bauteil ansah. Gleiches gilt für die Beschwerdebegründung, in der die Beschwerdeführerin auf den "fork-shaped support" abzielt, also ebenfalls auf ein physikalisches Bauteil und nicht nur eine räumlichen Anordnung.

13.5 Daher entschied die Kammer, auch den Hilfsantrag 3 nicht zum Verfahren zuzulassen.

14. Weitere Anträge lagen nicht vor.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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