European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2023:T014120.20230120 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 20 Januar 2023 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0141/20 | ||||||||
Anmeldenummer: | 10163581.1 | ||||||||
IPC-Klasse: | A61L 29/16 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Medizinische Vorrichtung zur Arzneimittelabgabe | ||||||||
Name des Anmelders: | Bayer Intellectual Property GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Boston Scientific Corporation Hemoteq AG BIOTRONIK AG Becton, Dickinson and Company Cook Medical Technologies LLC |
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Kammer: | 3.3.10 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Rechtliches Gehör - Gelegenheit zur Stellungnahme (ja) Rechtliches Gehör - mündliche Verhandlung vor der Einspruchsabteilung Rechtliches Gehör - Verletzung (nein) Rückzahlung der Beschwerdegebühr - wesentlicher Verfahrensmangel (nein) Teilanmeldung - unzulässige Erweiterung (ja) Teilanmeldung - Hauptantrag und Hilfsanträge 1-12 Teilanmeldung - Gegenstand geht über den Inhalt der früheren Anmeldung hinaus (nein) Teilanmeldung - nach Änderung Teilanmeldung - Hilfsantrag 13 Spät eingereichter Antrag - wäre bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorzubringen gewesen (nein) Ausreichende Offenbarung - (ja) Neuheit - (ja) Erfinderische Tätigkeit - (ja) Erfinderische Tätigkeit - nicht naheliegende Alternative |
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Orientierungssatz: |
Falls das Patent mit der Einspruchsentscheidung in erteilter oder geänderter Fassung aufrechterhalten wird, wären zusätzliche, in der Rangfolge niedriger stehende Hilfsanträge im Einspruchsverfahren nicht unbedingt im Sinne von Artikel 12(6) VOBK 2020 vorzubringen gewesen. Solchen am Beginn des Beschwerdeverfahrens eingereichten Anträgen kann die Zulassung ins Beschwerdeverfahren nicht ausschließlich unter Verweis auf diese Bestimmung verwehrt werden, siehe Punkt 5.4 der Entscheidungsbegründung. |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerden der Patentinhaberin sowie der Einsprechenden 2-4 richten sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung unter Artikel 101(3)(a) EPÜ über die Aufrechterhaltung des Streitpatents in geänderter Fassung auf Basis des von der Patentinhaberin im Einspruchsverfahren vorgelegten ersten Hilfsantrags.
II. In der angefochtenen Entscheidung wurden die von den Einsprechenden vorgebrachten Einwände unerlaubter Änderungen unter Artikel 123(2) bzw. 76(1) EPÜ gegen Anspruch 1 des erteilten Patents verworfen. Allerdings gehe der Gegenstand des erteilten Anspruchs 8 über den ursprünglichen Inhalt der Anmeldung bzw. der Stammanmeldung hinaus. Dies gelte jedoch nicht für die Ansprüche des ersten Hilfsantrags, in denen dieser Anspruch gestrichen ist. Die vorgebrachten Einwände mangelnder Ausführbarkeit (Artikel 83 EPÜ) und mangelnder Patentierbarkeit unter Artikel 53(c) EPÜ wurden als nicht überzeugend angesehen. Neuheit gegenüber den angeführten Dokumenten sei gegeben, insbesondere durch das Merkmal "vorgeformte Längsfalten" in Anspruch 1. Ebenso beruhe der beanspruchte Ballonkatheter ausgehend von D2 als nächstem Stand der Technik auf erfinderischer Tätigkeit.
III. In der vorliegenden Entscheidung wird auf folgende Dokumente Bezug genommen:
D1a:|ursprünglich eingereichte Anmeldung |
D2: |WO 99/08729 A1 |
D3: |WO 00/45744 A2 |
D4: |US 5,681,522 B |
D6: |WO 94/23787 A1 |
D9: |US 5370,614 B |
D14:|WO 00/32238 A1 |
D16:|WO 00/21584 A1 |
D22:|WO 02/076509 A2 |
D23:|WO 92/11890 A1 |
D24:|C. Herdeg et al., Z.Kardiol. 89, 390-397 |
D26:|US 2002/0098278 A1 |
D27:|WO 2004/006976 A1 |
D43a: |M. A. Saab in Nordson Medical, Applications of High-Pressure Balloons in the Medical Device Industry, 2000|
IV. Die Beschwerdeführerin-Patentinhaberin (im folgenden Patentinhaberin) beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in der erteilten Form aufrechtzuerhalten, d. h. die Einsprüche zurückzuweisen. Hilfsweise beantragte sie, das Patent in geänderter Form aufrechtzuerhalten, und zwar auf Basis der Hilfsanträge 1-12, die bereits im Einspruchsverfahren Verfahrensgegenstand waren, oder auf Basis der mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsanträge 13-18.
V. Die Beschwerdeführerinnen-Einsprechende 2-4 (im folgenden Einsprechende 2-4) beantragten, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen. Die Einsprechenden 2/3 beantragten zusätzlich die Rückzahlung der Beschwerdegebühr unter Regel 103(1)(a) EPÜ. Sie sahen einen wesentlichen Verfahrensmangel im Einspruchsverfahren. Des weiteren beantragten die Einsprechenden, die mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsanträge 13-18 nicht ins Beschwerdeverfahren zuzulassen.
Da die Einsprechenden 2/3 durch einen gemeinsamen Vertreter vertreten wurden und inhaltlich identische Eingaben gemacht haben, wird ihr Vorbringen im Folgenden als Vorbringen einer Partei behandelt.
VI. Die Einsprechenden 1 und 5 hatten keine Beschwerde gegen die Einspruchsentscheidung eingelegt. Sie waren Verfahrensbeteiligte im Beschwerdeverfahren unter Artikel 107 EPÜ, haben aber weder Eingaben zur Sache gemacht, noch Anträge gestellt.
VII. Anspruch 1 des erteilten Patents hat folgenden Wortlaut (Änderungen gegenüber der ursprünglichen Offenbarung sind mittels [deleted: Streichen] bzw. Unterstreichen gekennzeichnet):
[deleted: Medizinische Vorrichtung] Ballonkatheter zur Arzneimittelabgabe für die selektive Therapie bestimmter erkrankter Gewebeabschnitte oder Organteile, wobei der Ballonkatheter einen zumindest kurzzeitig das erkrankte Gewebe unter Druck kontaktierenden Ballon zur Behandlung von Gefäßen umfasst, dadurch gekennzeichnet, dass an der Oberfläche [deleted: von zumindest kurzzeitig das erkrankte Gewebe unter-Druck kontaktierenden Vorrichtungen] des Ballons [deleted: lipophile, weitgehend wasserunlöslichen, an beliebige Gewebebestandtetle bindende Arzneistoffe] Paclitaxel mit nach Gewebekontakt sofortiger Wirkstofffreigabe als nach dem Auftragen einer Lösung enthaltend ein Lösungsmittel und Paclitaxel getrockneter Arzneistoff haftet [deleted: haften],
wobei das Material des Katheters ausgewählt ist aus Polyamiden, Polyamid-Gemischen, Polyamid-Copolymeren, Polyethylenterephthalat, Polyethylen,Polyethylen-Copolymeren, Polyurethan, Naturkautschuk und dessen Derivate,
wobei der Ballon vorgeformte Längsfalten aufweist, deren Neigung zur Rückfaltung durch ein Aufdehnen des Ballons nicht verloren geht,
und wobei der von den Falten abgedeckte Bereich der Ballonoberfläche mit Paclitaxel bedeckt ist.
VIII. Anspruch 1 der Hilfsanträge 6, 12 und 13 haben den im folgenden wiedergegebenen Wortlaut (hier sind die Änderungen gegenüber dem Anspruch 1 des erteilten Patents hervorgehoben). Dabei handelt es sich bei Hilfsanträgen 12 und 13 um den jeweils einzigen Anspruch der Anträge.
Der Wortlaut der Ansprüche der anderen Hilfsanträge ist für die vorliegende Entscheidung irrelevant.
Hilfsanträge 6 und 12:
"Ballonkatheter zur Arzneimittelabgabe für die selektive Therapie bestimmter erkrankter Gewebeabschnitte oder Organteile, wobei der Ballonkatheter einen zumindest kurzzeitig das erkrankte Gewebe unter Druck kontaktierenden Ballon zur Behandlung von Gefäßen umfasst, dadurch gekennzeichnet, dass an der Oberfläche des Ballons Paclitaxel mit nach Gewebekontakt sofortiger Wirkstofffreigabe als nach dem Auftragen einer Lösung enthaltend ein Lösungsmittel und Paclitaxel getrockneter Arzneistoff haftet,
wobei das Material des Katheters ausgewählt ist aus Polyamiden, Polyamid-Gemischen, Polyamid-Copolymeren, Polyethylenterephthalat, Polyethylen,Polyethylen-Copolymeren, Polyurethan, Naturkautschuk und dessen Derivate,
wobei der Ballon vorgeformte Längsfalten aufweist deren Neigung zur Rückfaltung durch ein Aufdehnen des Ballons nicht verloren geht, und wobei der von den Falten abgedeckte Bereich der Ballonoberfläche mit Paclitaxel bedeckt ist
und wobei die Oberflächen zusätzlich mit Substanzen zur Beeinflussung bestimmter Eigenschaften, wie der Gleitfähigkeit des Ballonkatheters oder der Verringerung der Blutgerinnung, beschichtet sind, und nur der von den Falten abgedeckte Bereich mit dem nach dem Auftragen getrockneten Arzneistoff bedeckt ist."
Hilfsantrag 13:
"Ballonkatheter zur Arzneimittelabgabe für die selektive Therapie bestimmter erkrankter Gewebeabschnitte oder Organteile, wobei der Ballonkatheter einen zumindest kurzzeitig das erkrankte Gewebe unter Druck kontaktierenden Ballon zur Behandlung von Gefäßen umfasst, dadurch gekennzeichnet, dass an der Oberfläche des Ballons Paclitaxel mit nach Gewebekontakt sofortiger Wirkstofffreigabe als nach dem Auftragen einer Lösung enthaltend ein Lösungsmittel und Paclitaxel getrockneter Arzneistoff haftet,
wobei das Material des Katheters ausgewählt ist aus Polyamiden, Polyamid-Gemischen, Polyamid-Copolymeren, Polyethylenterephthalat, Polyethylen.Polyethylen-Copolymeren, Polyurethan, Naturkautschuk und dessen Derivate,
wobei der Ballon vorgeformte Längsfalten aufweist deren Neigung zur Rückfaltung durch ein Aufdehnen des Ballons nicht verloren geht, und wobei der von den Falten abgedeckte Bereich der Ballonoberfläche mit Paclitaxel bedeckt ist, dadurch gekennzeichnet, dass der Ballon in fertig gefaltetem Zustand durch Tauchen in einer niedrig viskosen Wirkstofflösung beschichtet ist."
IX. Zu den entscheidungsrelevanten Punkten brachten die Beschwerdeführerinnen-Einsprechenden im wesentlichen folgendes vor:
Im Einspruchsverfahren sei das rechtliche Gehör der Einsprechenden (Artikel 113(1) EPÜ) verletzt worden. Es sei nämlich während der mündlichen Verhandlung der Einsprechenden 2/3 keine Gelegenheit gegeben worden, ihren Angriff mangelnder erfinderischer Tätigkeit ausgehend von D26 vorzutragen, da sich die Einspruchsabteilung auf D2 als nächsten Stand der Technik beschränkt und keine anderen Ausgangspunkte zugelassen habe. Eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr sei daher unter Regel 103(1)(a) EPÜ aufgrund dieses Verfahrensmangels statthaft.
Anspruch 1 des erteilten Patents sei in mehrerer Hinsicht unerlaubt geändert worden:
a) Die Kombination aus Paclitaxel und der Tatsache, dass dieses in Lösung und ohne die Gegenwart von Hilfsstoffen aufgetragen werde, sei nicht ursprünglich offenbart.
b) Das Merkmal "als nach dem Auftragen einer Lösung enthaltend ein Lösungsmittel und Paclitaxel getrockneter Arzneistoff haftet" sei nur im Zusammenhang mit einem Tauchverfahren als Beschichtungsverfahren offenbart worden.
c) Gleiches gelte für das Merkmal "wobei der von den Falten abgedeckte Bereich der Ballonoberfläche mit Paclitaxel bedeckt ist".
d) Das Merkmal "getrockneter Arzneistoff" sei in ursprünglichem Anspruch 6 offenbart, allerdings im Zusammenhang mit Vorrichtungen, bei denen nur der von den Falten abgedeckte Bereich mit getrocknetem Arzneistoff bedeckt ist.
e) Das Merkmal "vorgeformte Längsfalten" habe sich ursprünglich auf den Ballon im unbeschichteten Zustand bezogen.
Diese Einwände gälten auch gegenüber allen vorliegenden Hilfsanträgen.
Hilfsanträge 13-18 seien erst im Beschwerdeverfahren eingereicht worden. Sie hätten bereits im Rahmen des Einspruchsverfahren eingereicht werden müssen und sollten daher unter Artikel 12(4)(6) VOBK 2020 nicht ins Beschwerdeverfahren zugelassen werden.
Die beanspruchten Katheterballons seien nicht ausführbar beschrieben, insbesondere seien die in den Ansprüchen definierten Beschichtungseigenschaften und die gewünschte Wirkstofffreisetzung nicht allgemein erreichbar.
Die beanspruchten Katheterballons seien in D2 und auch in mehreren anderen Dokumenten des Standes der Technik vorbeschrieben. Insbesondere sei das Merkmal "wobei der Ballon vorgeformte Längsfalten aufweist, deren Neigung zur Rückfaltung durch ein Aufdehnen des Ballons nicht verloren geht" nicht geeignet, die Ansprüche gegenüber dem Stand der Technik abzugrenzen.
Die beanspruchten Katheterballons seien dem Fachmann ausgehend von einer Vielzahl von Dokumenten nahegelegt, insbesondere ausgehend von D2, D23 und D26. Weder das Vorhandensein vorgeformter Längsfalten, noch die Auswahl von Paclitaxel als Arzneistoff zur sofortigen Wirkstoffübertragung beruhten auf erfinderischer Tätigkeit, zumal mit diesen Merkmalen auch kein überraschender technischer Effekt verbunden sei. Der von der Einspruchsabteilung anerkannte Effekt der vorgeformten Falten in Bezug auf geringere systemische Wirkstoffbelastung sei im Patent nicht erwähnt und existiere zudem nicht. Die beanspruchten Katheterballons seien als bloße Alternativen zu denen des Standes der Technik anzusehen, deren Auffindung dem Fachmann keine Schwierigkeiten bereitet hätte.
X. Zu den entscheidungsrelevanten Punkten brachte die Beschwerdeführerin-Patentinhaberin im wesentlichen folgendes vor:
Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs sei nicht ersichtlich, die Einsprechenden hatten sowohl schriftlich als auch mündliche Gelegenheit, zu erfinderischer Tätigkeit vorzutragen.
Anspruch 1 des erteilten Patents beruhe auf der ursprünglichen Offenbarung. Zwar seien die Anspruchsmerkmale nicht in einer Passage in Kombination offenbart, jedoch führten die gemachten Änderungen zu keiner neuen, nicht ursprünglich offenbarten Lehre.
Hilfsanträge 13-18 seien mit der Beschwerdebegründung eingereicht worden. Es gab keine Veranlassung, diese Anträge bereits im Einspruchsverfahren einzureichen. Sie müssten daher unter Artikel 12(4)(6) VOBK 2020 ins Beschwerdeverfahren zugelassen werden
Die beanspruchten Ballonkatheter seien in der Beschreibung ausführbar offenbart.
Neuheit sei zumindest durch das Merkmal "wobei der Ballon vorgeformte Längsfalten aufweist, deren Neigung zur Rückfaltung durch ein Aufdehnen des Ballons nicht verloren geht" gegeben. Vorgeformte Längsfalten seien in keinem der gegen die Neuheit der Ansprüche zitierten Dokumente beschrieben.
Das Vorhandensein vorgeformter Längsfalten führe ausgehend von D2, wie von der Einspruchsabteilung festgestellt, unerwartet zu niedrigerer systemischer Wirkstoffbelastung. Die beanspruchten Katheterballons beruhten daher sowohl ausgehend von D2, als auch ausgehend von allen anderen zitierten Dokumenten auf erfinderischer Tätigkeit. Selbst wenn dieser Effekt nicht anerkannt würde, so sei die Kombination vorgeformter Falten mit der Anwesenheit von Paclitaxel auf der Ballonoberfläche zur sofortigen Wirkstofffreigabe für den Fachmann den angeführten Dokumenten nicht auf naheliegende Weise zu entnehmen gewesen. In diesem Falle handle es sich bei den beanspruchten Katheterballons um eine erfinderische Alternative zu denen des Standes der Technik.
XI. Mit Ladung vom 22. April 2022 wurden die Parteien für den 20. Januar 2023 zu einer mündlichen Verhandlung geladen. Ein verfahrensleitender Bescheid mit einer vorläufigen Meinung der Kammer zu einigen der strittigen Punkte erging am 8. September 2022. Die Verhandlung fand wie anberaumt am 20. Januar 2023 statt. Am Ende der Verhandlung wurde die Entscheidung verkündet.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerden sind zulässig.
2. Verfahrensmangel und Rückzahlung der Beschwerdegebühr unter Regel 103(1)(a) EPÜ
2.1 Die Einsprechende 2/3 brachte vor, während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung keine Gelegenheit gehabt zu haben, zur Auswahl des nächstliegenden Standes der Technik Stellung zu nehmen und ihre Ansicht zu begründen, dieser sei D26.
Des weiteren bemängelte sie, dass sie nach der Verkündung der Auswahl von D2 als nächstliegendem Stand der Technik durch die Einspruchsabteilung spontan während der Verhandlung reagieren hätte müssen, ohne die Möglichkeit gehabt zu haben, während einer Unterbrechung der Verhandlung ihre Argumente entsprechend anzupassen. Dadurch sei ihr rechtliches Gehör verletzt worden, Artikel 113(1) EPÜ.
Überdies sei die Auswahl eines bestimmten Dokuments als nächstliegender Stand der Technik durch die Einspruchsabteilung an sich schon eine Verletzung ihres rechtlichen Gehörs und daher ein Verfahrensmangel, da die Einsprechende keine Argumente ausgehend von D26 vortragen konnte.
2.2 Die Kammer hält dieses Vorbringen nicht für überzeugend.
Aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung, Punkte 6.2 und 6.3 geht hervor, dass alle Parteien Gelegenheit hatten, ihre Argumente zur Auswahl des nächstliegenden Standes der Technik vorzutragen und dies auch getan haben. Im übrigen waren diese Argumente auch bereits schriftlich vorgebracht worden und sind in der Entscheidung der Einspruchsabteilung ausführlich abgehandelt, siehe Punkt 3.8.1. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs ist hier nicht ersichtlich. Der diesbezügliche Einwand der Einsprechenden 2/3 ist für die Kammer nicht nachvollziehbar.
Aus dem Protokoll geht auch nicht hervor, dass die Einsprechende 2/3 nach der Ankündigung der Einspruchsabteilung, erfinderische Tätigkeit ausgehend von D2 beurteilen zu wollen, erfolglos nach einer Unterbrechung der Verhandlung gefragt hätte, um ihre Argumentation anpassen zu können. Es stand ihr frei, eine solche Unterbrechung förmlich zu beantragen.
Insofern die Einsprechende 2/3 die Einspruchsabteilung dafür kritisiert, ein Dokument als nächstliegenden Stand der Technik ausgewählt und die Argumentation dann auf Angriffe ausgehend von diesem Dokument beschränkt zu haben, so kann die Kammer darin jedenfalls keinen Verfahrensmangel erkennen. Die Einspruchsabteilung hat sowohl die Auswahl des nächstliegenden Standes der Technik aus der Vielzahl der von den Einsprechenden angeführten Dokumenten, als auch die darauffolgende Analyse ausführlich begründet und alle Parteien hatten Gelegenheit, dazu vorzutragen. Ob die Auswahl von D2 gerechtfertigt war, oder ob auch andere Dokumente, etwa D26, als Ausgangspunkt möglich wären, ist keine Frage des Verfahrens, sondern der materiellen Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit.
2.3 Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr ist daher unbegründet.
Erteiltes Patent
3. Änderungen, Artikel 76(1) bzw. 123(2) EPÜ
Als ursprüngliche Anmeldung wird im folgenden auf die als D1a im Verfahren befindliche ursprüngliche Beschreibung der Teilanmeldung verwiesen, in der die ursprünglich eingereichten Ansprüche der Stammanmeldung am Ende wiedergegeben sind.
3.1 Die Patentinhaberin gab als Basis für den geänderten Anspruch 1 die ursprünglichen Ansprüche 1, 2, 3 und 6 an. Des weiteren wurde auf die Beschreibung, Seite 7, Zeilen 11-22, insbesondere Zeilen 17-20 verwiesen.
3.2 Ein Einwand der Einsprechenden richtete sich gegen das Merkmal "als nach dem Auftragen einer Lösung enthaltend ein Lösungsmittel und Paclitaxel getrockneter Arzneistoff haftet". Ein weiterer Einwand bezog sich auf das Merkmal "wobei der von den Falten abgedeckte Bereich der Ballonoberfläche mit Paclitaxel bedeckt ist". Diese Merkmale seien ursprünglich nur im Zusammenhang mit einem Tauchverfahren als Beschichtungsverfahren offenbart worden. Demgegenüber verlange der geänderte Anspruch lediglich das Auftragen einer Lösung.
3.2.1 Die Patentinhaberin verwies hierzu auf den ursprünglichen Anspruch 6. Dieser Anspruch verlangt aber, dass der getrocknete Arzneistoff nur in dem von den Falten abgedeckten Bereich vorliegt. Dies ist im geänderten Anspruch 1 nicht verlangt, so dass dies schon aus diesem Grund keine Basis für die gemachte Änderung darstellen kann.
3.2.2 Die Patentinhaberin verwies ferner auf Seite 7, Zeilen 11-22 sowie Seite 9 Zeile 35 bis Seite 10 Zeile 19.
Der zitierte Absatz auf Seite 7 bezieht sich allerdings auf ein Tauchverfahren.
Die Patentinhaberin führte aus, aus dem zitierten Absatz auf Seiten 9 und 10 werde klar, dass ein Tauchverfahren nicht unbedingt nötig sei. Die Einspruchsabteilung ist dieser Argumentation im wesentlichen gefolgt.
Dies hält die Kammer für nicht überzeugend.
Die Beschichtung der Ballone ist allgemein auf Seite 6, Zeilen 21-27 beschrieben. Dort wird ausgeführt, dass Ballone entweder in gefaltetem oder in entfaltetem Zustand beschichtet werden können. Der nächste Absatz beschäftigt sich mit der Beschichtung in entfaltetem Zustand, ohne hierzu nähere Details zu beschreiben, insbesondere nicht die beiden beanstandeten Merkmale. Der übernächste Absatz, der von der Pateninhaberin zitierte Absatz auf Seite 7, Zeilen 11-22, beschreibt die Beschichtung von Ballons in gefaltetem Zustand. Dort wird ausgeführt, dass gefaltete Ballonkatheter mittels eines Tauchverfahrens beschichtet werden, wodurch die wirkstoffhaltige Lösung zwischen die Falten eindringt. Nach dem Trocknen kann der Wirkstoff entweder überall belassen oder außen abgewaschen werden, so dass der Wirkstoff nur zwischen den Falten haftet.
3.2.3 Die beiden beanstandeten Merkmale, die die Patentinhaberin auf Seite 7, Zeilen 11-22 offenbart sieht, sind daher eindeutig im Zusammenhang mit einem Tauchverfahren beschrieben. Das Argument, der Fachmann hätte aus anderen Teilen der Beschreibung, etwa aus der Offenbarung auf Seite 9, Zeile 25 bis Seite 10, Zeile 29, geschlossen, dass die Art der Beschichtung unerheblich sei, führt nicht zu einer eindeutigen Offenbarung der beanstandeten Merkmale in der in der im Anspruch definierten Allgemeinheit. Dass verschiedene Beschichtungsverfahren möglich sind, ist unbestritten. Es ist aber in den angeführten Passagen nicht beschrieben, dass die beanstandeten Merkmale auch durch andere Beschichtungsverfahren erreicht werden können; die Merkmale werden dort ja gar nicht erwähnt. Ob ein Fachmann basierend auf der ursprünglichen Offenbarung auf naheliegende Weise erkannt hätte, ein Tauchverfahren sei möglicherweise nicht notwendig, kann dahingestellt bleiben. Einer direkten und eindeutigen Offenbarung des beanspruchten Sachverhalts entspricht dies nicht.
3.2.4 Daher sind die beiden beanstandeten Merkmale ursprünglich nur im Zusammenhang mit einer Beschichtung durch Tauchverfahren beschrieben. Der geänderte Anspruch verlangt dies nicht, so dass er über die ursprüngliche Offenbarung hinausgeht.
3.3 Zumindest der unter Artikel 100(c) EPÜ vorgebrachte Einspruchsgrund unerlaubter Änderungen verhindert daher die Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung gemäß Artikel 101(2) EPÜ, wie von der der Patentinhaberin beantragt. Diesem Antrag kann daher nicht entsprochen werden.
Hilfsanträge 1-12
4. Änderungen, Artikel 76(1) bzw. 123(2) EPÜ
4.1 Die Ansprüche der Hilfsanträge 1-5 und 7-11 enthalten ebenfalls unerlaubte Änderungen, und zwar aus den gleichen Gründen, wie das erteilte Patent. Diese Anträge wurden von der Patentinhaberin in der mündlichen Verhandlung aufrechterhalten, aber nicht mehr gesondert verteidigt; weitere Ausführungen hierzu erübrigen sich daher.
4.2 Die unabhängigen Ansprüche 1 der Hilfsanträge 6 und 12 sind identisch. Im Vergleich zu Anspruch 1 des erteilten Patents enthalten sie zwei zusätzliche Merkmale. Das erste Merkmal bezieht sich auf das Vorhandensein zusätzlicher Substanzen auf der Ballonoberfläche. Das zweite Merkmal definiert, dass "nur der von den Falten abgedeckte Bereich mit dem nach dem Auftragen getrockneten Arzneistoff bedeckt ist".
4.2.1 Die Patentinhaberin brachte vor, dass der Einwand unter Artikel 123(2) EPÜ gegen das erteilte Patent durch die Aufnahme des zweiten Merkmals ausgeräumt würde, da nun in ursprünglichem Anspruch 6 eine Basis für den geänderten Hauptanspruch zu finden sei. Dort sei dieses Merkmal ohne Beschränkung auf ein Tauchverfahren beschrieben. Die Änderung beruht daher auf einer Kombination der ursprünglichen Ansprüche 1-3 und 6.
4.2.2 Dies ist jedoch nicht der Fall. Eine Kombination der Ansprüche 1-3 und 6 führt nicht zu dem im Anspruch angegebenen Merkmal "Paclitaxel mit nach dem Gewebekontakt sofortiger Wirkstoffreigabe als nach dem Auftragen einer Lösung enthaltend ein Lösungsmittel und Paclitaxel getrockneter Arzneistoff haftet".
In ursprünglichem Anspruch 6 wird nur allgemein ein "Auftragen" definiert, was nicht unbedingt in Lösung passieren muss. Dieses fehlende Merkmal muss immer noch aus der Beschreibung entnommen werden. Hierzu hat die Patentinhaberin hat auf den Absatz auf Seite 9, Zeile 35 bis Seite 10 Zeile 11 verwiesen. Dieser Absatz beschreibt allgemein die Zusammensetzung der aufgetragenen Lösungen. Diese Lösungen sind allerdings diejenigen, die vorher in den auf Seiten 6 und 7 beschriebenen Verfahren verwendet werden; sie sind daher auf die dort beschriebenen Verfahren beschränkt. Diese Passage ändert daher nichts daran, dass die Anwesenheit der Wirkstoffe (nur) unter den Falten in der ursprünglichen Beschreibung nur im Zusammenhang mit Tauchverfahren offenbart war.
4.3 Daher enthalten auch die Ansprüche der Hilfsanträge 1-12 unerlaubte Änderungen; das Patent kann auf Basis dieser Anspruchssätze nicht aufrechterhalten werden.
Hilfsantrag 13
5. Zulassung ins Beschwerdeverfahren
5.1 Hilfsantrag 13 wurde, zusammen mit den Hilfsanträgen 14-18, mit der Beschwerdebegründung eingereicht. Die Zulassung des Hilfsantrags 13 ins Beschwerdeverfahren richtet sich daher nach den Bestimmungen der Artikel 12(4) und 12(6) der Verfahrensordnung, VOBK 2020.
5.2 Artikel 12(4) VOBK stellt die Zulassung des Antrags ins Ermessen der Kammer. Er verlangt unter anderem, dass die Änderungen gekennzeichnet sind, deren Grundlage anzugeben ist, und begründet werden muss, weshalb dieser Antrag vorgebrachte Einwände ausräumt. Dies ist in Punkt II.13 der Beschwerdebegründung gemacht worden, und war insoweit unstrittig.
5.3 Die Einwände der Einsprechenden gegen die Zulassung des Antrags basieren auf Artikel 12(6) VOBK, der insofern eine lex specialis des Artikels 12(4) VOBK darstellt. Dort wird folgendes bestimmt:
"Anträge, (...), die in dem Verfahren, das zu der angefochtenen Entscheidung geführt hat, vorzubringen gewesen wären, (...), lässt die Kammer nicht zu, es sei denn, die Umstände der Beschwerdesache rechtfertigen eine Zulassung."
Die Einsprechenden argumentierten insbesondere, dass sich der Einwand, der durch diesen Antrag ausgeräumt werden soll, nämlich der Einwand unter Artikel 76(1)/123(2) EPÜ bezüglich der Abwesenheit des Tauchverfahrens im unabhängigen Anspruch, schon von Anfang an im Einspruchsverfahren befunden habe. Zwar hätte die Einspruchsabteilung sowohl in ihrer vorläufigen Meinung, als auch in ihrer Entscheidung diesen Einwand als unbegründet angesehen. Dies ändere aber nichts an der Tatsache, dass der Einwand im Verfahren war und die Patentinhaberin daher Gelegenheit hatte, zur Verteidigung des Patents bereits im Einspruchsverfahren einen oder mehrere entsprechende Hilfsanträge einzureichen. Hilfsantrag 13 hätte daher bereits im Einspruchsverfahren eingereicht werden müssen.
5.4 Die Kammer hält diesen Einwand für unbegründet und lässt den Antrag ins Beschwerdeverfahren zu.
5.4.1 Laut Artikel 12(6) VOBK 2020 werden zu Beginn der Beschwerdeverfahrens eingereichte Anträge nicht zugelassen, falls sie bereits im Einspruchsverfahren "vorzubringen gewesen wären". Es ist nicht ausreichend, dass die Anträge bereits im Einspruchsverfahren hätten eingereicht werden können. Dass die Anträge im vorliegenden Fall "vorzubringen gewesen wären" ("should have been submitted", "auraient dû être soumis"), sieht die Kammer nicht. Dies hätte eines Anlasses im Einspruchsverfahren bedurft; einen solchen Anlass vermag die Kammer nicht zu erkennen. Die Einspruchsabteilung hat ja im Verlauf des Verfahrens deutlich gemacht, dass sie dem von den Einsprechenden vorgebrachten Einwand nicht folgt, und auch dementsprechend entschieden.
Das Vorhandensein des Einwands im Verfahren als solches reicht als Anlass nicht aus. Es kann der Patentinhaberin im Einspruchsverfahren nicht zugemutet werden, grundsätzlich jedem vorgebrachten Einwand, und jeder Permutation von vorgebrachten Einwänden, durch die Einreichung von Hilfsanträgen zu begegnen. Dies würde auch eine ungebührliche Belastung für die Einspruchsabteilung und die anderen Verfahrensbeteiligten darstellen. Es liegt in der Verantwortung der Patentinhaberin, Einwänden, die sie für unbegründet hält, lediglich argumentativ entgegenzutreten. Folgt die Einspruchsabteilung in ihrer Entscheidung diesem Vorbringen, so kann eine Nichtzulassung von am Beginn des Beschwerdeverfahrens eingereichten Hilfsanträgen, die diesen Einwänden Rechnung tragen, unter Artikel 12(6) VOBK 2020 nicht ausschließlich damit begründet werden, der Antrag hätte bereits im Einspruchsverfahren eingereicht werden können. In die Zulassungsentscheidung muss vielmehr einfließen, ob im Einspruchsverfahren eine Notwendigkeit bestand, den Antrag einzureichen.
5.4.2 Die Einsprechenden haben eingewandt, diese Sichtweise hätte zur Folge, dass die Bedingungen für die Zulassung neuer Anträge der Patentinhaberin am Beginn des Beschwerdeverfahren unter Artikel 12(6) VOBK 2020 davon abhängen, ob die Einspruchsabteilung das Patent aufrechterhalten hat oder widerrufen.
Die Kammer bestreitet dies nicht. Ein solcher Unterschied ist im Wortlaut des Artikels 12(6) VOBK 2020 angelegt. Falls die Einspruchsabteilung das Patent aufrechterhält, waren zusätzliche, in der Rangfolge niedriger stehende Hilfsanträge eben nicht "vorzubringen gewesen", auch wenn sie selbstverständlich hätten eingereicht werden können.
5.4.3 Der Antrag wurde im vorliegenden Fall überdies auch zum frühestmöglichen Zeitpunkt im Beschwerdeverfahren eingereicht und ließ daher den Einsprechenden ausreichend Zeit, ihm argumentativ zu begegnen. Der Sachverhalt an sich war ja bereits ausführlich im Einspruchsverfahren diskutiert worden und ist auch in der angefochtenen Entscheidung detailliert abgehandelt, siehe Punkte 2.1.1.2. (d) und (f).
5.4.4 Ein Einreichen des Antrags bereits im Einspruchsverfahren hätte zudem weder Auswirkungen auf den Verlauf des Einspruchsverfahrens gehabt, noch die ursprüngliche Beschwerdeposition der Einsprechenden in der Sache verändert. Die Einspruchsabteilung hätte diesen Antrag schließlich gar nicht behandelt, da sie einen höherrangigen Antrag aufrechterhielt.
6. Änderungen, Artikel 76(1) bzw. 123(2) EPÜ
Der einzige Anspruch des Hilfsantrags 13 ist eine Kombination der erteilten Ansprüche 1 und 2. Er verlangt nun zusätzlich, dass "der Ballon in fertig gefaltetem Zustand durch Tauchen in einer niedrig viskosen Wirkstofflösung beschichtet ist."
6.1 Dieses Merkmal ist auf Seite 7, Zeilen 11-13 der ursprünglichen Beschreibung offenbart. Durch die Aufnahme dieses Merkmals sind die oben diskutierten Einwände gegen das erteilten Patent und die Hilfsanträge 1-12 ausgeräumt, da diese Einwände auf dem Fehlen des Tauchverfahrens in den unabhängigen Ansprüchen beruhten.
Zwar wurde von den Einsprechenden eingewandt, ein "getrockneter Arzneistoff", wie im geänderten Anspruch definiert, sei ursprünglich nur in Anspruch 6 offenbart, der aber im Gegensatz zum geänderten Anspruch verlange, dass die Beschichtung nur in dem von den Falten abgedeckten Bereichs vorliege. Der Absatz auf Seite 7, Zeilen 11-22 erwähne keinen getrockneten Arzneistoff, sondern nur das Trocknen des Lösungsmittels.
Dies überzeugt die Kammer nicht. Zwar benutzt der fragliche Absatz tatsächlich den Ausdruck "der nach Trocknen des Lösungsmittels außen anhaftende Belag", dies kann aber nur so verstanden werden, dass das Lösungsmittel entfernt wurde und der Arzneistoff daher getrocknet vorliegt. Des weiteren ist das Vorliegen getrockneter Arzneistoffe auf der Ballonhülle auch an anderen Stellen der ursprünglichen Offenbarung beschrieben, etwa auf Seite 8, Zeilen 22ff.
6.2 Die weiteren gegen die Ansprüche des erteilten Patents und der Hilfsanträge 1-12 vorgebrachten Einwände, die analog auch gegen den Anspruch des Hilfsantrags 13 zutreffen würden, sind unbegründet.
6.2.1 Es wurde eingewandt, die Kombination aus Paclitaxel und der Tatsache, dass dieses in Lösung und ohne die Gegenwart von Hilfsstoffen vorliegt, sei ursprünglich so nicht offenbart gewesen und könne nur durch Auswahl aus verschiedenen Listen erreicht werden.
Paclitaxel ist auf Seite 8, Zeile 16 und in Anspruch 8 als erster spezifischer Arzneistoff einer Liste genannt und wird in allen Beispielen verwendet. Eine Einschränkung des Arzneistoffs auf Paclitaxel kann daher der ursprünglichen Offenbarung nichts hinzufügen, auch nicht in Kombination mit dessen Verwendung in Lösung. Zwar ist richtig, dass auf Seite 9 Zeile 35 Lösungen neben Suspensionen oder Emulsionen genannt werden, allerdings werden in dem Absatz, aus dem das Merkmal des Tauchverfahrens entnommen wurde (Seite 7 Zeile 11ff.), lediglich allgemeine aufzutragende "Wirkstofflösungen" genannt. Schon aus diesem Grund ist für dieses Merkmal kein weiterer Auswahlschritt nötig.
Auch das Argument, das Weglassen von Hilfsstoffen in der Wirkstofflösung sei ursprünglich nicht offenbart worden, ist nicht überzeugend. Es ist zwar richtig, dass in ursprünglichem Verfahrensanspruch 15 lipophile Wirkstoffe "und Hilfsstoffe" aufgebracht werden und ein solches Verfahren auch in dem Absatz auf Seite 9, Zeile 35 bis Seite 10, Zeile 11 beschrieben ist. Allerdings verlangt der ursprüngliche Anspruch 5, der sich auf durch Tauchen beschichtete Ballons bezieht, keine Hilfsstoffe und diese sind auch im allgemeinen Teil der Beschreibung, Seite 5 Zeile 34 bis Seite 6 Zeile 6, als optional beschrieben.
6.2.2 Weiterhin wurde eingewandt, das Merkmal der vorgeformten Längsfalten, das aus dem ursprünglichen Anspruch 3 stamme, beziehe sich dort auf Ballone, die bereits vor dem Beschichten vorgeformte Längsfalten aufwiesen. Demgegenüber verlange der geänderte Anspruch dies nicht ausdrücklich, es würden auch Ballone beansprucht, die erst nach dem Beschichten vorgeformte Längsfalten erhielten.
Die Kammer hält eine Interpretation des geänderten Anspruchs derart, dass die beanspruchten Ballone die vorgeformten Längsfalten erst nach der Beschichtung erhalten, für unfachmännisch. Eine solche Vorgehensweise würde ja die Beschichtung zerstören. Zwar wurde darauf hingewiesen, dass der Absatz auf Seite 6, Zeilen 29 bis Seite 7 Zeile 9 auch das Einfalten beschichteter Ballons beschreibt. Allerdings haben diese Ballons, wie am Anfang des Absatzes ausgeführt, bereits vorher vorgeformte Längsfalten. Des weiteren impliziert das Merkmal, dass der Ballon vorgeformte Längsfalten aufweist, dass diese Falten eine Eigenschaft des Ballons an sich sind, und nicht etwa dem Ballon im Rahmen eines Beschichtungsverfahrens oder danach hinzugefügt werden.
6.2.3 Die vorgebrachten Einwände gegen abhängige Ansprüche des Patents sind gegenstandslos, da Hilfsantrag 13 nur aus einem Anspruch besteht.
6.3 Daher enthält der Anspruch des Hilfsantrags 13 keine Änderungen, die über die ursprüngliche Offenbarung hinausgingen, Artikel 76(1)/123(2) EPÜ.
7. Ausführbarkeit, Artikel 83 EPÜ
7.1 Die Einsprechende 2/3 hat vorgebracht, die in den Ansprüchen definierten Beschichtungseigenschaften und die gewünschte Wirkstofffreisetzung sei nur mit bestimmten Kombinationen von Wirkstoffen und Lösungsmitteln erreichbar.
Dieser Einwand ist nicht überzeugend. Weder wurde spezifiziert, welche Eigenschaften nicht erreichbar sein sollen, noch wurden dafür Belege vorgelegt.
7.2 Der von der Einsprechenden 4 vorgebrachte Einwand gegen Anspruch 4 des erteilten Patents ist nach dessen Streichen gegenstandslos.
7.3 Die beanspruchten Ballonkatheter sind daher ausführbar beschrieben, Artikels 83 EPÜ.
8. Neuheit, Artikel 54 EPÜ
8.1 Mangelnde Neuheit wurde von der Einsprechenden 4 geltend gemacht, und zwar gegenüber den Dokumenten D2, D3, D9, D16, D22 und D27.
Die Patentinhaberin brachte dagegen vor, keines dieser Dokumente offenbare, dass ein dort beschriebener Ballon "vorgeformte Längsfalten aufweist, deren Neigung zur Rückfaltung durch ein Aufdehnen des Ballons nicht verloren geht", wie im Anspruch verlangt.
8.2 D2
8.2.1 Beispiel 9 der D2 beschreibt Beschichtungsexperimente von Nylonballons mit Paclitaxel in ethanolischer Lösung. Dabei werden zwei verschiedene Verfahren angewandt. In beiden werden die Ballone im aufgeblasenen Zustand beschichtet.
Es ist unstrittig, dass das Merkmal "vorgeformte Längsfalten, deren Neigung zur Rückfaltung durch ein Aufdehnen des Ballons nicht verloren geht", in D2 nicht explizit beschrieben ist.
8.2.2 Die Einsprechende 4 hat vorgebracht, das Merkmal "vorgeformte Längsfalten" sei implizit offenbart. Alle Katheterballons besäßen Längsfalten in gefaltetem Zustand. Dies sei bereits in Absatz [0019] des Patents erwähnt. Alleine die Wicklung der Ballons um den Schaft erzwinge bereits eine Längsfaltenbildung, und zwar vor dem Aufblasen. Daher seien die Falten vorgeformt. Diese Falten besäßen auch die Eigenschaft, sich nach dem Aufblasen und dem darauf folgenden erneuten Zusammenfalten des Ballons an der gleichen Stelle wieder zu bilden. Der Anspruch spezifiziere nicht, wie genau die Neigung zur Rückfaltung ausgestaltet sein müsse, dieses funktionelle Merkmal sei sehr unbestimmt. Die in D2 beschriebenen Ballone erfüllten es ebenso.
Dies ist allerdings eine unbelegte Behauptung. Selbst wenn man zugesteht, dass die Ballone der D2 Längsfalten besitzen, was dort ebenfalls nicht ausdrücklich beschrieben wird, so ist doch an keiner Stelle erwähnt, dass sich beim erneuten Einfalten des Ballons die Falte an derselben Stelle bildet. Diese Bedingung geht aber aus dem Wortlaut des Anspruchs hervor. "Vorgeformte Längsfalten, deren Neigung zur Rückfaltung (...)" kann aufgrund des Rückbezugs nur auf diese Weise verstanden werden. Diese Eigenschaft der Ballone der D2, egal wie stark ausgeprägt, wurde weder nachgewiesen noch überzeugend technisch begründet. Nicht jede Falte eines Ballons kann als vorgeformte Längsfalte im Sinne des Anspruchs interpretiert werden. Die Neigung zur Rückfaltung an derselben Stelle ist eine Eigenschaft des Ballonmaterials an dieser Stelle, die nicht einfach als gegeben hingenommen werden kann.
8.2.3 Die Einsprechende 4 verwies weiterhin auf D43a, Seite 3. Dort wird beschrieben, dass sich allgemein Nylonballone, also auch derjenige der D2, leichter wieder zusammenfalten, als PET-Ballone.
Dies sagt aber nichts darüber aus, an welcher Stelle sich die Ballone wieder einfalten. Dass Nylonballone allgemein vorgeformte Längsfalten besitzen, ist in D43a nicht beschrieben.
8.2.4 Insgesamt findet sich weder in D2 alleine noch in Verbindung mit D43a eine Offenbarung vorgeformter Längsfalten, wie vom Anspruch verlangt.
8.3 D3, D16, D22, D27
Als neuheitsschädliche Offenbarung in D3 wurde auf Abbildung 4 und den begleitenden Text auf Seite 12, Zeile 10 bis Seite 13, Zeile 2 verwiesen. In D22 wurde auf Beispiel 7a verwiesen.
In D27 hat sich die Einsprechende 4 auf Abbildung 3 und auf den zweiten vollständigen Absatz der Seite 27 bezogen. Insbesondere betont sie die Anwesenheit von Längsfalten in der Abbildung.
Die Einsprechende 4 verwies ebenso auf Beispiel 9 der D16. Beispiel 9 der D16 entspricht wörtlich Beispiel 9 der D2.
Hier gilt analoges wie gegenüber D2. Weder D3, noch D16, D22 oder D27 offenbaren Ballone mit vorgeformten Längsfalten, deren Neigung zur Rückfaltung durch ein Aufdehnen des Ballons nicht verloren geht, wie im Anspruch verlangt.
8.4 D9
D9 ist schon deshalb nicht für Neuheit relevant, da es Paclitaxel nicht erwähnt.
8.5 Insgesamt ist daher Neuheit gegenüber den angeführten Dokumenten gegeben, Artikel 54 EPÜ.
9. Erfinderische Tätigkeit, Artikel 56 EPÜ
9.1 Nächster Stand der Technik
In der angefochtenen Entscheidung wurde erfinderische Tätigkeit ausgehend von D2 als nächstem Stand der Technik beurteilt.
Die Einsprechenden 2-4 haben kritisiert, dass die Einspruchsabteilung den Aufgabe-Lösungs-Ansatz ausschließlich ausgehend von D2 durchgeführt hat.
In ihrer Beschwerdeschrift gab die Einsprechende 4 an, Einwände seien im Einspruchsverfahren ausgehend von nicht weniger als 22 verschiedenen Dokumenten gemacht worden. Die Kammer gesteht zu, dass man sich einer Erfindung von verschiedenen Seiten aus nähern kann. Dass die Einspruchsabteilung verpflichtet gewesen wäre, 22 verschiedene Aufgabe-Lösungs-Ansätze durchzuexerzieren, sieht sie jedoch nicht. Insofern hält sie die Vorgehensweise der Einspruchsabteilung im vorliegenden Fall für nicht zu beanstanden, zuerst über den nächstliegenden Stand der Technik zu entscheiden, und danach ausgehend davon einen Aufgabe-Lösungs-Ansatz durchzuführen.
Im übrigen hat die Einsprechende 4 in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer mangelnde erfinderische Tätigkeit ebenfalls ausschließlich ausgehend von D2 geltend gemacht.
In ihrer Beschwerdebegründung trug die Einsprechende 2/3 vor, die Einspruchsabteilung hätte ihr in der mündlichen Verhandlung keine Gelegenheit gegeben, ihren Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit ausgehend von D26 als nächstem Stand der Technik vorzutragen. In der Beschwerdebegründung war sie ebenfalls von D26 als nächstem Stand der Technik ausgegangen. In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer machte sie hingegen mangelnde erfinderische Tätigkeit ausgehend von D23 geltend, einem Dokument, das im schriftlichen Teil des Beschwerdeverfahrens von der Patentinhaberin als nächster Stand der Technik angesehen worden war.
Da sich zumindest die Beschwerde der Einsprechenden 4 gegen die Schlussfolgerung der Einspruchsabteilung richtet, die beanspruchten Ballonkatheter beruhten ausgehend von D2 auf erfinderischer Tätigkeit, wird dieser Einwand zuerst behandelt. Andere Dokumente als möglicher Startpunkt werden danach abgehandelt.
9.2 Ausgehend von D2 als nächstem Stand der Technik
9.2.1 Unterschiede des Anspruchs gegenüber D2
D2 offenbart in Beispiel 9 einen Kathetherballon, der zunächst mit einer Polyurethanschicht und danach mit Paclitaxel beschichtet wird.
Der im Anspruch von Hilfsantrag 13 definierte Ballon unterscheidet sich nach Überzeugung der Kammer von demjenigen der D2 zumindest in den folgenden Merkmalen:
a) "vorgeformte Längsfalten, deren Neigung zur Rückfaltung durch ein Aufdehnen des Ballons nicht verloren geht"
b) "dass an der Oberfläche des Ballons Paclitaxel mit nach Gewebekontakt sofortiger Wirkstofffreigabe (...) haftet"
Warum Merkmal (a) in D2 nicht offenbart ist, wurde bereits bei der Diskussion der Neuheit begründet.
Zu Merkmal (b) hat die Patentinhaberin insbesondere auf Seite 5, Zeilen 1-9 der D2 hingewiesen. Dort ist ausgeführt, dass der Wirkstoff in ein Polymer eingebettet ist, aus dem er durch wässrige Körperflüssigkeiten langsam herausgelöst wird und aus dem Polymer herausdiffundiert. Das Paclitaxel liegt also in der Polyurethanschicht eingebettet vor, aus der es dann langsam herausgelöst wird. Dies entspricht keiner sofortigen Wirkstoffabgabe gemäß dem vorliegenden Anspruch. Es wird auch in der Zusammenfassung der Erfindung der D2 auf Seite 3, Zeilen 4-6 darauf hingewiesen, dass das Polymer und der Wirkstoff ausgewählt werden, um eine kontrollierte Freisetzung zu erreichen.
Die Einsprechende 4 hat das Vorliegen dieses Unterschieds bestritten. Sie hat auf den Absatz auf Seite 7, Zeilen 16ff der D2 verwiesen, in der verschiedene Einflüsse auf das Freisetzungsverhalten beschrieben sind. Dieser Absatz spricht aber nicht von sofortiger Freisetzung und ändert nichts an der Lehre der D2, dass die Freisetzung des Wirkstoffs aus der Polymermatrix erst durch eindringende Körperflüssigkeiten erfolgt.
9.2.2 Aufgabe und Lösung
Ausgehend von Beispiel 9 der D2 kann im einfachsten Fall die technische Aufgabe formuliert werden, alternative paclitaxelbeschichtete Ballonkatheter zur Verfügung zu stellen.
Diese Aufgabe wird durch die beanspruchten Ballonkatheter gelöst, die sich durch die Anwesenheit vorgeformter Längsfalten auszeichnen und dadurch, dass an der Oberfläche Paclitaxel zur bei Gewebekontakt sofortigen Wirkstofffreigabe haftet.
Dass die beanspruchten Ballonkatheter diese Aufgabe lösen, war unbestritten.
9.2.3 Naheliegen der Lösung
Die Einsprechende 4 argumentierte, die Lösung sei aus dem Stand der Technik nahegelegt. Vorgefaltete Katheterballons seien bekannt, beispielsweise aus D4. Laut D4, Spalte 3, Zeilen 33ff. oder Spalte 1 letzter Absatz dienen die vorgeformten Falten zur besseren Rückfaltung nach Abgabe des Wirkstoffs im Körper. Sofortige Wirksstofffreigabe sei in D2 selbst erwähnt, nämlich in Zeilen 16 bis 26 der Seite 7.
Die Kammer überzeugt dies nicht.
In der angesprochenen Passage der D2 wird zwar erwähnt, dass die Freisetzungskinetik sowohl von der Art des Wirkstoffs wie auch der Art, Dicke und Porosität der Polymerbeschichtung abhängt. Die einzige Maßnahme, die zur Erhöhung der Geschwindigkeit des Wirkstofftransfers auf die Gefäßwand konkret beschrieben wird, ist aber eine Erhöhung des Drucks, die dann zu einer Vergrößerung des Ballondurchmessers führt. In D4 werden vorgeformte Längsfalten in Katheterballons beschrieben, allerdings sind diese Ballons nicht mit Wirkstoffen beladen und dienen nicht zur Applikation von Wirkstoffen auf die Gefäßwand.
Ein Fachmann hätte also ausgehend von D2 zunächst den Wirkstoff direkt auf der Ballonoberfläche aufbringen müssen, anstatt ihn in eine Polymermatrix einzubinden. Darauf gibt es in D2 keinen Hinweis. Danach hätte er aus Dokument D4, einem Dokument, das überhaupt keine Wirkstoffbeladung beschreibt, diesen modifizierten Ballon mit vorgeformten Längsfalten ausstatten müssen. Eine reine Kombination der Lehre der D2 mit derjenigen der D4 würde ja nicht zu anspruchsgemäßen Ballonen führen. Ohne Kenntnis der beanspruchten Erfindung hätte der Fachmann keine Anregung gehabt, ausgehend von D2 diese Modifikationen vorzunehmen.
Da ausgehend von D2 bereits das Auffinden der beanspruchten Ballons als Alternative aus dem Stand der Technik nicht nahegelegt war, kann dahingestellt bleiben, ob die von der Patentinhaberin behaupteten Vorteile in Bezug auf die systemische Belastung mit den Wirkstoffen tatsächlich bestehen oder nicht.
9.2.4 Daher ist ausgehend von D2 erfinderische Tätigkeit gegeben.
9.3 Ausgehend von D26 als nächstem Stand der Technik
D26 behandelt medizinische Implantate, im wesentlichen Stents, auf die unter Zuhilfenahme einer Aufrauung der Oberfläche bioaktive Materialien aufgebracht werden sollen, siehe Absatz [0013]. Die in Absatz [0076] beschriebene Struktur ist ein beschichteter Stent, der durch die Expansion eines darunter befindlichen Ballons an die Wand des Blutgefäßes gedrückt werden soll. Dies ergibt sich schon aus dem einleitenden Satz in Absatz [0076], denn das Paclitaxel wird auf verschiedene Stahloberflächen aufgebracht. Eine ähnliche Struktur ist in Abbildungen 1 und 2 beschrieben, siehe Absatz [0036]. Es handelt sich in D26 nicht um die Expansion eines beschichteten Ballons.
In D26 werden demnach keine Ballonkatheter erwähnt. Im Hinblick darauf, dass andere Dokumente im Verfahren sind, die eindeutig paclitaxelbeschichtete Katheterballone beschreiben, wie etwa D2, kann D26 nicht als nächstliegender Stand der Technik angesehen werden, wie auch in der Einspruchsentscheidung in Punkt 3.8.1 festgestellt.
9.4 Ausgehend von D23
D23 wurde von der Patentinhaberin als nächster Stand der Technik angesehen. Die Patentinhaberin argumentierte in ihrer Beschwerdebegründung, weshalb die beanspruchten Katheterballone ausgehend von D23 auf erfinderischer Tätigkeit beruhen. Die Einsprechende 2/3 ist dieser Argumentation entgegengetreten.
9.4.1 D23 offenbart wirkstoffbeschichtete Ballons, wobei der Wirkstoff in Form von Mikrokapseln oder polymerbeschichteten Kristallen vorliegt (Seite 2, Zeilen 17-32). Dabei liegt der Arzneistoff generell in einem Polymerreservoir vor, mit dem etwa die Oberfläche des Ballons beschichtet wird (Seite 2, Zeilen 25/26). Bei Aufblasen des Ballons wird der polymerbeschichtete Arzneistoff gegen die Gefäßwand gedrückt und freigesetzt, siehe Seite 3 Zeilen 1-4. Permanente Falten sind in Abbildung 10 zu sehen und auf Seite 8, Zeilen 4-8 beschrieben.
9.4.2 Der beanspruchte Ballon unterscheidet sich von dem der D23 dadurch, dass Paclitaxel als Arzneistoff nicht erwähnt wird. Anspruch 2 nennt als eine von mehreren Klassen von Arzneistoffen allgemein Restenosehemmer. Dies war unstrittig.
Der beanspruchte Ballon unterscheidet sich von D23 allerdings auch noch dadurch, "dass an der Oberfläche des Ballons Paclitaxel mit nach Gewebekontakt sofortiger Wirkstofffreigabe als nach dem Auftragen einer Lösung enthaltend ein Lösungsmittel und Paclitaxel getrockneter Arzneistoff haftet". In D23 wird der Arzneistoff nicht als solches aus einer Lösung abgeschieden und liegt auch nicht in getrockneter Form vor, sondern als Mikrokapsel, s. Seite 5, Zeilen 28-30.
9.4.3 Ausgehend von D23 bietet sich im einfachsten Fall die technische Aufgabe, alternative wirkstoffbeschichtete Ballonkatheter zur Verfügung zu stellen.
Diese Aufgabe wird durch die beanspruchten Ballonkatheter gelöst, die sich dadurch auszeichnen, dass an der Oberfläche des Ballons Paclitaxel mit nach Gewebekontakt sofortiger Wirkstofffreigabe als nach dem Auftragen einer Lösung enthaltend ein Lösungsmittel und Paclitaxel getrockneter Arzneistoff haftet.
Dass die beanspruchten Ballonkatheter diese Aufgabe lösen, war unbestritten.
9.4.4 Die Einsprechende 2/3 hat vorgebracht, die Verwendung von Paclitaxel auf Katheterballons sei aus D24 bekannt.
Dies ist zwar richtig, allerdings befindet sich das Paclitaxel dort nicht in der beanspruchten Weise auf der Ballonoberfläche. Stattdessen werden verschieden poröse Ballonkatheter oder Doppelballonkatheter verwendet, bei denen das Paclitaxel in gelöster Form zum Einsatz kommt (Seite 392, "in vivo"). Eine Kombination von D23 und D24 führt daher nicht zu den beanspruchten Ballonkathetern.
9.5 Weitere Dokumente
Die Einsprechende 4 hat im schriftlichen Verfahren auch noch andere Dokumente als Startpunkt angeführt. Diese Dokumente sind aber als Ausgangspunkt auch nicht näher an den beanspruchten Ballons, als die bereits diskutierten Dokumente.
In D6 werden gefaltete Ballons beschrieben, bei denen Wirkstoffe in den Falten eingelagert sind, wie auf Seite 12, Zeilen 3-21 beschrieben ist. Allerdings ist in D6 kein Paclitaxel erwähnt. Ebenso wenig gibt es ein Ausführungsbeispiel, so dass unter anderem Details der Arzneimittelbeschichtung, wie im Anspruch definiert, nicht offenbart sind.
D9, D14, D16 und D27 haben dem Vorbringen der Einsprechenden 4 nach zumindest das gleiche Unterscheidungsmerkmal zu den Ansprüchen wie D2, nämlich die vorgeformten Längsfalten. D3 mangelt es ebenso an der Offenbarung der vorgeformten Längsfalten. Diese Dokumente können daher der Diskussion nichts hinzufügen. D22, das hier ebenso angeführt wurde, ist kein Stand der Technik unter Artikel 56 EPÜ.
9.6 Insgesamt gesehen beruht der in Anspruch 1 des Hilfsantrags 13 definierte Katheterballon gegenüber den angeführten Dokumenten auf erfinderischer Tätigkeit.
10. Im Ergebnis stellt die Kammer fest, dass das Patent auf der Grundlage des Hilfsantrags 13 aufrechterhalten werden kann. Eine Anpassung der Beschreibung scheint noch erforderlich. Die Parteien haben einer Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung zu diesem Zweck zugestimmt.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent mit folgendem Anspruch und einer noch anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten:
Ansprüche:
Nr. 1 des Hilfsantrags 13 eingereicht mit der Beschwerdebegründung vom 20 März 2020.