T 2450/17 (Spachtelmasse mit Leichtzuschlag/HENKEL) of 10.1.2020

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2020:T245017.20200110
Datum der Entscheidung: 10 Januar 2020
Aktenzeichen: T 2450/17
Anmeldenummer: 06706787.6
IPC-Klasse: C04B 28/02
C04B 111/40
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: SPACHTELMASSE MIT LEICHTZUSCHLAG
Name des Anmelders: Henkel AG & Co. KGaA
Name des Einsprechenden: MAPEI S.p.A
ARDEX GMBH
Construction Research & Technology GmbH
G. Theodor Freese GmbH & Co. KG
MC-BAUCHEMIE MÜLLER GmbH & Co. KG
Kammer: 3.3.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 69(1)
European Patent Convention Art 83
European Patent Convention Art 112(1)(a)
European Patent Convention Art 123(2)
European Patent Convention Art 123(3)
European Patent Convention R 42(1)(b)
European Patent Convention R 80
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(1)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(3)
RPBA2020 Art 011
Schlagwörter: Ausreichende Offenbarung - (ja)
Patentansprüche - Auslegung mehrdeutiger Bergriffe
Spät eingereichter Antrag - geänderte Passage in der Beschreibung
Spät eingereichter Antrag - eingereicht in der mündlichen Verhandlung
Spät eingereichter Antrag - zugelassen (ja)
Änderungen in der Beschreibung bzgl. Standes der Technik
Änderungen - Erweiterung des Patentanspruchs (nein)
Vorlage an die Große Beschwerdekammer - (nein)
Zurückverweisung an die erste Instanz
Zurückverweisung - (ja)
Orientierungssatz:

Zur Möglichkeit und den Folgen von Berichtigungen inhaltlich unzutreffender, in der Patentschrift enthaltener Hinweise auf den Stand der Technik, siehe Punkte 2. bis 2.5 und 3.3.3 bis 3.3.6

Angeführte Entscheidungen:
T 0006/81
T 0011/82
T 0022/83
T 0889/93
T 1039/93
T 2321/08
T 0593/09
T 1754/15
T 1966/16
T 0278/17
T 0731/17
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 1175/17
T 0471/20
T 0857/20

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das Europäische Patent

Nr. 1 853 530 zu widerrufen. Das Patent betrifft eine Baustofftrockenmischung.

II. In der Entscheidung werden u.a. folgende Dokumente genannt:

D13: US 5 603 759 A

D18: DIN 4226-2, Gesteinskörnungen für Beton und

Mörtel, Seite 1 bis 40, Februar 2002

D26: Produktdatenblatt "ISOSPHERES SG-300-B", Stand

24. Mai 2000.

D58: Neroth, G., und Vollenschaar, D. (Hrsg.),

Wendehorst Baustoffkunde, 27. Auflage, Vieweg,

Teubner, 2011

D59: Thienel, K.-Ch., Werkstoffe I, Allgemeine

Grundlagen - Stoffkennwerte, Institut für

Werkstoffe des Bauwesens, Universität

der Bundeswehr, München, 2011.

III. Die unabhängigen Ansprüche 1, 15, 16 und 18 des der angefochtenen Entscheidung zu Grunde liegenden Hauptantrags haben folgenden Wortlaut:

"1. Baustofftrockenmischung, insbesondere für die Herstellung von Spachtelmassen, enthaltend hydraulische und/oder nichthydraulische Bindemittel und mineralische Zuschläge, dadurch gekennzeichnet, dass die Baustofftrockenmischung außerdem mindestens einen Leichtzuschlagstoff enthält, der nichtporös und/oder nichtwassersaugend ausgebildet ist und mehr als 99% der Teilchen der Baustofftrockenmischung Teilchengrößen bzw. Teilchendurchmesser unterhalb von 500 µm, gemäß Siebanalyse, aufweisen.

15. Verwendung einer Baustofftrockenmischung nach einem der Ansprüche 1 bis 14 in Spachtelmassen und/oder zur Herstellung von Spachtelmassen.

16. Spachtelmasse, herstellbar unter Verwendung einer Baustofftrockenmischung nach den Ansprüchen 1 bis 14 durch Anmachen mit Wasser, insbesondere unter Zugabe von 10 bis 30 Gew.-%, vorzugsweise 20 bis 30 Gew.-%, Wasser, und/oder enthaltend eine Baustofftrockenmischung nach den Ansprüchen 1 bis 16 [sic] sowie Wasser, insbesondere in Mengen von 10 bis 30 Gew.-%, vorzugsweise 20 bis 30 Gew.-%, bezogen auf die Spachtelmasse.

18. Spachtelmasse, herstellbar unter Verwendung einer Baustofftrockenmischung nach einem der Ansprüche 1 bis 14 durch Anmachen mit Wasser, wobei die Spachtelmasse auf einen Untergrund aufgetragen und nachfolgend abgebunden und abgetrocknet ist."

IV. In ihrer Entscheidung kam die Einspruchsabteilung u.a. zu dem Schluss, dass der der Entscheidung zu Grunde liegende Hauptantrag weder das Erfordernis nach Artikel 83 EPÜ noch jenes nach Artikel 123(2) EPÜ erfülle. Die Begründung hierfür kann wie folgt zusammen gefasst werden.

Anspruch 1 lasse drei alternative Leichtzuschlagstoffe zu, und zwar i) einen nichtporösen Leichtzuschlagstoff, ii) einen nichtwassersaugenden Leichtzuschlagstoff und iii) einen nichtporösen sowie nichtwassersaugenden Leichtzuschlagstoff. Was Alternative i) betreffe, so würde der Fachmann unter dem Begriff "nichtporös" die Abwesenheit von Poren verstehen. Auf der Suche nach geeigneten Leichtzuschlagstoffen würde er die im Patent angegebene DIN-Norm (D18) konsultieren, welche jedoch eine Reihe von porösen Stoffen nenne. Somit könne aus diesem Dokument kein Hinweis auf nichtporöse Leichtzuschlagstoffe erhalten werden. Auch die in Absatz [0022] des Streitpatents aufgezählten Mikrohohlkugeln seien nicht zweifelsohne nichtporös. So könnten diese eine offene Porosität besitzen, welche z.B. durch Fehlstellen in Form von Öffnungen in der Wandung verursacht seien. Um geeignete Mikrohohlkugeln auszuwählen, müsse der Fachmann die Oberflächenporosität bestimmen und mit einem Referenzwert vergleichen. Das Patent enthalte jedoch weder einen Hinweis auf die zu verwendende Messmethode noch Angaben, ab welcher Porosität ein Material bzw. dessen Oberfläche als nichtporös im Sinne von Anspruch 1 anzusehen sei. Auch das in Absatz [0022] genannte konkrete Produkt "ISOSPHERES SG-300-B" sei hier keine Hilfe, da sich das unter dem genannten Handelsnamen vertriebene Produkt mit der Zeit ändern könne. Was die Alternative ii) betreffe, so sei nicht klar, ab wann ein Leichtzuschlagstoff als "nichtwassersaugend" bezeichnet werden könne. Für die Alternative iii) ergäben sich entsprechende Erwägungen. Das Erfordernis nach Artikel 83 EPÜ sei daher nicht erfüllt.

Die Einspruchsabteilung kam auch zu dem Schluss, dass die Hinzufügung der im erteilten Absatz [0008] enthaltenen Information, wonach D13 Tonerdemikrohohlkugeln offenbare, welche als poröse Leichtzuschlagstoffe anzusehen seien, gegen Artikel 123(2) EPÜ verstoße. Zum einen offenbare D13 keine Tonerdemikrohohlkugeln und zum anderen habe die hinzugefügte Information eine Auswirkung auf die Auslegung des Anspruchs und damit auf den Gegenstand der Anmeldung.

V. Mit ihrer Beschwerdebegründung reichte die Beschwerdeführerin einen Hauptantrag ein, welcher dem der erstinstanzlichen Entscheidung zu Grunde liegenden Hauptantrag entspricht. Es wurden auch drei Hilfsanträge eingereicht.

VI. Es erging eine Mitteilung nach Artikel 15(1) VOBK 2007.

VII. In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer reichte die Beschwerdeführerin eine geänderte Seite 2 der Patentschrift ein, in welcher in Absatz [0008] Streichungen vorgenommen wurden.

Die Beschwerdegegnerin 2 beantragte die Große Beschwerdekammer mit folgenden Fragen zu befassen:

"Absatz 8 im Streitpatent wörtlich:

'[0008] Aus dem Dokument US 5,603,759 A1 ist eine Trockenmischung bekannt, welche ebenfalls als Leichtzuschlagstoff Perlite oder Tonerdemikrohohlkugeln enthält. Auch diese Leichtzuschlagstoffe sind poröse Zuschlagstoffe.'

Streichung im Absatz:

'[0008] Aus dem Dokument US 5,603,759 A1 ist eine Trockenmischung bekannt, welche ebenfalls als Leichtzuschlagstoff Perlite [deleted: oder Tonerdemikrohohlkugeln ]enthält. [deleted: Auch diese Leichtzuschlagstoffe sind poröse Zuschlagstoffe.]'

Frage an die große Beschwerdekammer:

1. Wenn in der Beschreibungseinleitung eine nachträglich im Prüfungsverfahren eingeführte Textpassage, wie im Absatz 8 des Streitpatent [sic], eine Problematik des Art. 123(2) EPÜ verursacht aber keinen Einfluß auf die Ansprüche hat, ist diese Streichung dieser Textpassage des Absatz 8 für die Gewährbarkeit des Hauptanspruchs der [sic] Patents erforderlich?

2. Zusätzlich wird gefragt, ob nicht automatisch die Streichung der fraglichen Textpassage im erteilten Patent zu einer unzulässigen Erweiterung nach Art 123(3) EPÜ führt?

3. Muss eine derartige Änderungen [sic] bei der Stellung der Anträge vorgenommen werden, oder erst bei einer erfolgten Entscheidung über die Gewährbarkeit der Ansprüche?"

VIII. Die Beschwerdeführerin trug im Wesentlichen wie folgt vor:

Das Erfordernis nach Artikel 83 EPÜ sei erfüllt. Insbesondere verstehe der Fachmann den Ausdruck "nichtporös" als keine offene Porosität aufweisend. D18, auf welches in Absatz [0017] verwiesen werde, offenbare Leichtzuschlagstoffe, die eine offene Porosität aufwiesen. Derartige Leichtzuschlagstoffe könnten durch Hydrophobierung nichtwassersaugend gemacht werden. Entgegen den in Absatz [0008] gemachten Angaben, offenbare Dokument D13 keine porösen Tonerdemikrohohlkugeln. Absatz [0008] in seiner erteilten Fassung enthalte daher unrichtige Angaben. Für die Prüfung der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit werde die Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung beantragt.

IX. Die Beschwerdegegnerinnen trugen im Wesentlichen wie folgt vor:

Das Erfordernis nach Artikel 83 EPÜ sei aus den in der angefochtenen Entscheidung angegebenen Gründen nicht erfüllt. So wisse der Fachmann insbesondere nicht, wie Leichtzuschlagstoffe, welche er als poröse Stoffe auffasse, gleichzeitig "nichtporös" seien sollen. Eine Auslegung dahingehend, dass "nichtporös" als keine offene Porosität aufweisend anzusehen sei, ergebe sich nicht aus dem Patent. Die in D18 angegebenen Leichtzuschlagstoffe umfassten Stoffe mit offener Porosität. Aus Absatz [0008] in seiner erteilten Fassung ergebe sich, dass Mikrohohlkugeln porös seien, sodass die in Absatz [0022] angegebenen Mikrohohlkugeln dem Fachmann bei der Ausführung der Erfindung keine Hilfe böten. Das Merkmal "nichtporös" sei ein unklarer Parameter im Sinne von T 593/09, der sich auf die Kornporigkeit, die Haufwerksporigkeit oder die Gesamtporigkeit beziehen könne. Das Merkmal "gemäß Siebanalyse" in Anspruch 1 sei hinsichtlich der Ansprüche 16 bis 18 zu beanstanden.

Die Änderung in Absatz [0008] des Patents sei, weil verspätet, nicht zum Verfahren zu zulassen. Diese führe zu einer Erweiterung des Schutzbereichs.

Die bei der mündlichen Verhandlung vertretenen Beschwerdegegnerinnen 1 und 2 beantragten die Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung für den Fall, dass die Kammer zur Auffassung gelange, das Erfordernis nach Artikel 83 EPÜ sei erfüllt.

X. Anträge

Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents im Umfang des mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hauptantrags, hilfsweise auf der Grundlage eines der mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsanträge 1 bis 3. Sie beantragte auch die Aufrechterhaltung des Patents mit dem in der mündlichen Verhandlung geänderten Abschnitt [0008] der Beschreibung des Patents.

Die Beschwerdegegnerinnen 1, 2, 4 und 5 beantragten die Zurückweisung der Beschwerde. Die Beschwerdegegnerin 2 beantragte zusätzlich eine Befassung der Großen Beschwerdekammer mit den eingereichten Vorlagefragen.

Entscheidungsgründe

Hauptantrag

1. Ausreichende Offenbarung

1.1 Wie die Einspruchsabteilung zutreffend festgestellt hat, umfasst Anspruch 1 drei Alternativen, und zwar i) einen nichtporösen Leichtzuschlagstoff, ii) einen nichtwassersaugenden Leichtzuschlagstoff und iii) einen nichtporösen sowie nichtwassersaugenden Leichtzuschlagstoff.

1.2 Um die in Anspruch 1 beanspruchte Erfindung auszuführen, würde der Fachmann zunächst auf die im Patent angegebene, besonders bevorzugte Ausführungsform zurückgreifen.

1.3 Diese besondere Ausführungsform wird in Absatz [0022] erwähnt. Dabei ist der Leichtzuschlagstoff ausgewählt aus Glas-, Kunststoff- oder keramischen Mikrohohlkugeln, insbesondere keramischen Mikrohohlkugeln oder Glasmikrohohlkugeln. In Absatz [0023] wird weiter ausgeführt, dass "bevorzugte Mikrohohlkugeln [...] einen Hüllendurchmesser [haben], welcher nur ca. 5 bis 15%, vorzugsweise nur 10% der Gesamtkugeln ausmacht (d.h. mit anderen Worten ca. 85 % bis 95%, vorzugsweise 90%, der Kugeln werden vom Hohlraum gebildet)". Es gibt keinen Anhaltspunkt im Patent, noch haben die Beschwerdegegnerinnen, welche diesbezüglich die Darlegungs- und Beweislast trifft, einen solchen Anhaltspunkt dargetan, weshalb die im genannten Abschnitt erwähnten Mikrohohlkugeln nicht die in Streit stehenden Eigenschaften "nichtporös" und "nichtwassersaugend" aufweisen sollen. Dabei würde der verständige Fachmann die genannten Passagen so verstehen, dass es sich bei den genannten Mikroholkugeln um solche handelt, deren Hülle nicht porös ist, d.h. keine Poren enthält, welche den Hohlraum der Mikrohohlkugel mit der Oberfläche verbinden. Er würde auch derartige Mikrohohlkugeln nicht schon deshalb als porös im Sinne des Patents ansehen, weil sie im Inneren einen abgeschlossenen Hohlraum aufweisen.

In diesem Zusammenhang ist der Beschwerdeführerin dahingehend zuzustimmen, dass der Fachmann, welcher vor die Aufgabe gestellt ist, die beanspruchte Erfindung auszuführen, den Ausdruck "nichtporös" in Anspruch 1 so verstehen würde, dass sich der Leichtzuschlagstoff durch eine geschlossene, beispielsweise kalzinierte, Oberfläche auszeichnet. Eine derartige Auslegung ergibt sich zum einen aus der Tatsache, dass Leichtzuschlagstoffe ausweislich Absatz [0017] eine hohe Porosität aufweisen, welche einen inneren geschlossenen Porenraum umfasst, und zum anderen daraus, dass durch das Merkmal "nichtporös" die erfindungsgemäßen Leichtzuschlagstoffe "ein nur geringes Wasserbindevermögen" aufweisen sollen (Absatz [0020]. Eine Auslegung dahingehend, dass durch das in Streit stehende Merkmal "nichtporös" auch Stoffe ausgeschlossen seien, welche bei geschlossener Oberfläche eine innere Porosität aufweisen bzw. einen Hohlraum aufweisen, ergibt sich hieraus nicht. Dies folgt zwingend aus der Tatsache, dass gemäß bevorzugter Ausführungsform der Leichtzuschlagstoff ausgewählt ist aus Glas-, Kunststoff- bzw. keramischen Mikrohohlkugeln (Absatz [0022]).

1.4 Es gibt auch keinen ersichtlichen Grund anzunehmen, dass die in den genannten Passagen erwähnten Mikrohohlkugeln Fehlstellen in Form von Öffnungen in der Wandung bzw. Hülle aufweisen könnten, wie dies die Einspruchsabteilung in ihrer Entscheidung suggeriert hat und auch die Beschwerdegegnerinnen geltend machen. Selbst wenn der verständige Fachmann zwischen Mikrohohlkugeln auszuwählen hätte, deren Hülle nicht porös ist, und solchen, deren Hülle porös ist, so würde er klarerweise nicht letztere auswählen, um zu "nichtporösen" bzw. "nichtwassersaugenden" Leichtzuschlagstoffen im Sinne von Anspruch 1 zu gelangen. Der Schlussfolgerung, wonach der Fachmann mittels der genannten bevorzugten Ausführungsform in der Lage ist, die beanspruchte Erfindung auszuführen, steht auch nicht entgegen, dass in Absatz [0022] ein Beispiel einer Mikrohohlkugel mittels Handelsnamen angegeben ist. In Absatz [0022] wird nämlich gesagt, dass bevorzugte Mikrohohlkugeln kommerziell erhältlich sind, und der genannte Handelsname nur als Beispiel erwähnt.

1.5 Auch kann den Beschwerdegegnerinnen nicht darin gefolgt werden, dass Absatz [0008] des Patents wie erteilt ein Nachweis dahingehend darstelle, dass Mikrohohlkugeln generell porös seien, d.h. eine poröse Hülle aufwiesen. So bezieht sich dieser Absatz auf Tonerdemikrohohl-kugeln, welche in D13 offenbart sein sollen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die in Absatz [0022] genannten Mikrohohlkugeln generell eine poröse Hülle haben. Und selbst wenn in Absatz [0022] Mikrohohlkugeln mitumfasst sein sollten, deren Hülle porös ist, so würde der Fachmann, wie oben ausgeführt, diese beim Versuch, eine Baustofftrockenmischung nach Anspruch 1 zu erhalten, gerade nicht auswählen. Aus den gleichen Gründen kann den Beschwerdegegnerinnen auch nicht darin gefolgt werden, dass der Fachmann aufgrund von Absatz [0008] in seiner erteilten Fassung im allgemeinen Mikrohohlkugeln, wie sie z.B. in D26 erwähnt werden, bei der Ausführung der Erfindung, nicht in Betracht zöge.

1.6 Wie bereits erwähnt, würde der verständige Fachmann, welcher das Patent liest, die bevorzugten Mikrohohlkugeln als "nichtwassersaugender" Leichtzuschlagstoff im Sinne von Anspruch 1 verstehen. Dabei ist dieser Begriff nicht dahin gehend zu verstehen, dass die Mikrohohlkugeln absolut kein Wasser binden können, sondern dass sie lediglich ein "geringes Wasserbindevermögen" aufweisen müssen, um die in Absatz [0020] genannten Wirkungen hinsichtlich Auftrags-, Abtrocknungs- und Aushärtungsverhalten zu erreichen. Es besteht kein ernsthafter Zweifel, dass durch Mikrohohlkugeln, welche keine poröse Hülle bzw. keine poröse Wandung aufweisen, diese Wirkungen erzielt werden können. In diesem Zusammenhang ist die Frage, ab wann ein Leichtzuschlagstoff als "nichtwassersaugend" bzw. als "ein geringes Wasserbindevermögen" besitzend anzusehen ist, allenfalls als Abgrenzungsproblem anzusehen, welches jedoch nicht den Kern der Erfindung betrifft. Allenfalls könnte dies die Klarheit von Anspruch 1 in Frage stellen, welche im vorliegenden Fall im Hinblick auf die Ausführbarkeit der Erfindung keine Rolle spielt. Dies trifft auch auf das von der Einspruchsabteilung gerügte Fehlen der Angabe einer Messmethode zum Bestimmen der Oberflächenporosität des Leichtzuschlagstoffs zu.

1.7 Einer näheren Betrachtung bedarf es hinsichtlich der Absätze [0017] ff, wonach erfindungsgemäße Leichtzuschläge auch insbesondere jene, welche in D18 erwähnt werden, umfassen. Diese umfassen unstreitig Stoffe, welche eine offene Porosität aufweisen und damit nicht "nichtporös" im Sinne von Anspruch 1 sind. Diese Leichtzuschläge werden entsprechend auch im abhängigen Anspruch 2 genannt. Im Patent werden somit auch Leichtzuschläge, welche nicht "nichtporös" im Sinne von Anspruch 1 sind, als erfindungsgemäß dargestellt.

Dabei ist zu beachten, dass Anspruch 1 durch die Alternative ii), wonach der Leichtzuschlag auch nur nichtwassersaugend (jedoch zugleich porös) sein kann, auch Leichtzuschläge umfasst, die grundsätzlich porös sind, aber dabei nichtwassersaugend. Bei der mündlichen Verhandlung vor der Kammer trug die Beschwerdeführerin vor, dass es im allgemeinen Fachwissen liege, die in Absatz [0017] ff des Streitpatents bzw. in D18 genannten porösen Leichtzuschläge zu hydrophobieren. Die bei der mündlichen Verhandlung vertretenen Beschwerdegegnerinnen 1 und 2 machten zwar geltend, dass eine solche Hydrophobierung unüblich sei, bestritten jedoch nicht, dass es Teil des allgemeinen Fachwissens ist, Leichtzuschläge zu hydrophobieren.

Die Kammer schließt daraus, dass Anspruch 1 dahingehend auszulegen ist, dass zwar auch offen poröse Leichtzuschläge umfasst sind, wie sie in Absatz [0017] ff bzw. in D18 genannt werden, aber nur solche die zuvor hydrophobiert wurden oder ggf. von Natur aus hydrophob sind.

Es besteht kein begründeter Zweifel daran, dass derartig behandelte Leichtzuschläge, wie sie in Absatz [0017] ff bzw. in D18 und Anspruch 2 angegeben sind, nichtwassersaugend im o.a. Sinne sind. Für den Ausdruck "nichtwassersaugend" wird auf die o.a. Erläuterungen verwiesen.

1.8 Weitere Argumente der Beschwerdegegnerinnen

1.8.1 Die Beschwerdegegnerinnen machen auch geltend, der Ausdruck "nichtporös" sei als unklar definierter Parameter im Sinne von T 593/09 zu verstehen und führe zu einem Mangel an Offenbarung.

Dies überzeugt insbesondere deshalb nicht, da sich die genannte Entscheidung auf Parameter bezieht, für die ein numerischer Wert bzw. ein entsprechender Bereich beansprucht wird. Dies ist vorliegend nicht der Fall.

1.8.2 Nach Ansicht der Beschwerdegegnerinnen sei auch nicht klar, auf welche Art der Porigkeit sich der in Streit stehende Ausdruck "nichtporös" beziehe. Wie sich aus D58 und D59 ergebe, könne es sich dabei um Kornporigkeit, Haufwerksporigkeit bzw. Gesamtporigkeit handeln. Insbesondere mache es technisch keinen Sinn, die Porosität des einzelnen Teilchens zu betrachten. Vielmehr sei insbesondere das Verhalten der bevorzugten Mikrohohlkugeln als Schüttung ausschlaggebend.

Auch dieses Argument überzeugt nicht. So wird der Fachmann den Begriff "nichtporös" wie oben ausgeführt verstehen. Insbesondere gibt es keinen Anhaltspunkt im Patent dahingehend, dass hier die Haufwerksporigkeit bzw. das Verhalten der Mikrohohlkugeln als Schüttung zu betrachten wäre. Da die erfindungsgemäßen Leichtzuschlagstoffe in einer Baustofftrockenmischung im Gemisch mit anderen Stoffen vorliegen, macht es technisch auch keinen Sinn, das Wasseraufnahmeverhalten einer Schüttung aus Teilchen des Leichtzuschlagstoffs und damit die Haufwerksporigkeit des Leichtzuschlagstoffs als Kriterium für die (Abwesenheit von) Porosität heranzuziehen.

1.8.3 Hinsichtlich der Ansprüche 16 bis 18 machen die Beschwerdegegnerinnen geltend, das Merkmal "gemäß Siebanalyse" in Anspruch 1 sei bei angemischter Spachtelmasse nicht bestimmbar.

Dieser Einwand führt ins Leere, da die Ansprüche 16 bis 18 auf eine Spachtelmasse gerichtet sind, welche unter Verwendung der in Anspruch 1 definierten Baustofftrockenmischung erhalten werden kann. Um diese Spachtelmasse zu erhalten, ist es jedoch für den Fachmann nicht notwendig, die Siebanalyse an der angemischten Spachtelmasse durchzuführen.

1.9 Aus den genannten Gründen offenbart das Patent die Erfindung so deutlich und vollständig, dass ein Fachmann sie ausführen kann. Das Erfordernis nach Artikel 83 EPÜ ist erfüllt.

2. Zulassung des geänderten Absatzes [0008]

2.1 In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer reichte die Beschwerdeführerin einen geänderten Absatz [0008] ein. Absatz [0008] wurde dabei gegenüber der erteilten Fassung, wie oben unter Punkt VII erwähnt, geändert.

2.2 Die Zulassung dieser Änderung lag im Ermessen der Kammer (siehe insbesondere Artikel 13(3) VOBK 2007 und 13(1) VOBK 2020). Zwar war diese Passage bereits in der angefochtenen Entscheidung als nicht mit Artikel 123(2) EPÜ vereinbar angesehen worden, allerdings mit der Begründung, die Änderungen hätten eine Auswirkung auf die Auslegung von Anspruch 1. In der Mitteilung der Kammer unter Artikel 15(1) VOBK 2007 vertrat die Kammer die vorläufige Auffassung, Absatz [0008] in seiner erteilten Fassung verstoße nicht gegen Artikel 123(2) EPÜ. Während der Diskussion dieses Einwands in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer wurde erörtert, ob zwar ein Verstoß gegen Artikel 123(2) EPÜ vorliegen könnte, die beanstandeten Passagen in Absatz [0008] jedoch keine Auswirkung auf die Auslegung des Gegenstands von Anspruch 1 hätten. Darüber hinaus waren sich die Parteien darin einig, dass das in Absatz [0008] zitierte Dokument D13 keine Tonerdemikro­hohlkugeln offenbare. Die Beschwerdeführerin begründete die Streichung der in Frage stehenden Passagen zu Recht als legitime Reaktion auf diese Diskussion, die nicht hätte früher eingereicht werden können. Die Änderungen sind als durch einen Einspruchsgrund gemäß Regel 80 EPÜ veranlasst anzusehen, da sie gerade dazu dienen sollten, einem etwaigen Einwand unter Artikel 123(2) (vgl. Artikel 100 c) EPÜ) zu begegnen. Schließlich sind die Änderungen auch prima facie gewährbar und verstoßen vor dem Hintergrund der in der mündlichen Verhandlung geführten Diskussion auch nicht prima facie gegen Artikel 123(3) EPÜ. Aus den genannten Gründen ließ die Kammer die Änderung in Absatz [0008] zum Verfahren zu.

2.3 Die Änderungen genügen auch Artikel 123(2) EPÜ. Insbesondere enthält Absatz [0008] in der neuen Fassung unstreitig keine unrichtigen Angaben hinsichtlich des darin zitierten Standes der Technik.

2.4 Was das Erfordernis nach Artikel 123(3) EPÜ betrifft, so sei dieses nach Ansicht der Beschwerdegegnerinnen durch die Streichung in Absatz [0008] verletzt, da der Schutzbereich unter Berücksichtigung der geänderten Beschreibung im Sinne von Artikel 69(1) EPÜ zu bestimmen sei. Insbesondere seien gemäß Absatz [0008] in seiner erteilten Fassung poröse Tonerdemikrohohlkugeln vom Schutzbereich des Patents in seiner erteilten Fassung nicht umfasst, wohingegen dies durch die vorgenommenen Streichungen nunmehr der Fall sei.

Aus der genannten Passage im Patent wie erteilt geht jedoch nicht hervor, dass die angeblich in D13 offenbarten Tonerdemikrohohlkugeln nicht "nichtwassersaugend" im Sinne von Anspruch 1 seien, weshalb aus Absatz [0008] in seiner erteilten Fassung nicht geschlussfolgert werden kann, dass die dort erwähnten Tonerdemikrohohlkugeln grundsätzlich nicht vom Schutzumfang des Patents umfasst sind, welcher auch poröse aber nichtwassersaugende Stoffe umfasst (vgl. Punkt 1.1 oben, Alternative ii)). Ebenso ergibt sich insbesondere aus Absatz [0022] unmittelbar und eindeutig, dass Mikrohohlkugeln grundsätzlich als erfindungsgemäße Leichtzuschlagstoffe in Frage kommen.

Darüber hinaus sind "poröse" Tonerdemikrohohlkugeln zunächst nach dem Wortlaut der Alternativen i) und iii) (vgl. Punkt 1.1 oben), welche das Merkmal "nichtporös" erfordern, nach wie vor nicht vom Schutzumfang von vorliegendem Anspruch 1 umfasst. Fraglich ist daher nur, ob sie von der Alternative ii) umfasst sein können, welche das Merkmal "nichtwassersaugend" erfordert, das wie in Punkt 1.2.4 oben erläutert auszulegen ist. Da in Absatz [0008] in seiner erteilten Fassung keine Aussage hinsichtlich des letzteren Merkmals getroffen wird, ergibt sich auch hier keine erkennbare Erweiterung des Schutzbereichs. Dies bedeutet, dass allenfalls Tonerdemikrohohlkugeln vom Schutzbereich des erteilten Patents nicht umfasst waren, wenn sie "porös" und "wassersaugend" sind. Derartige Tonerdemikrohohlkugeln sind jedoch vom Schutzbereich des vorliegenden Anspruchs 1 auch unter Berücksichtigung der in Absatz [0008] vorgenommenen Änderungen nicht umfasst, da auch der vorliegende Anspruch Leichtzuschlagstoffe mit den Merkmalen "porös" und "wassersaugend" vom Schutzbereich ausschließt.

Es ist daher keine Erweiterung des Schutzbereichs durch die in Absatz [0008] vorgenommene Streichung erkennbar.

2.5 Die Änderungen in Absatz [0008] sind daher unter den genannten Vorschriften nicht zu beanstanden.

3. Antrag auf Befassung der Großen Beschwerdekammer

3.1 Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsanwendung oder wenn sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt, befasst die Beschwerdekammer gemäß Artikel 112(1)a) EPÜ auf Antrag die Große Beschwerdekammer, wenn sie hierzu eine Entscheidung für erforderlich hält.

3.2 Die Beschwerdegegnerin 2 macht nicht geltend, dass zu den von ihr formulierten Vorlagefragen divergierende Rechtsprechung existiert, die es zu vereinheitlichen gälte. Die Kammer sieht in den gestellten Fragen auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung berührt. Es scheint sich vielmehr um fallspezifische Einzelfragen zu handeln, die nicht in einer Vielzahl von Fällen auftreten und daher möglichst einheitlich beantwortet werden sollten.

3.3 Vor allem aber fehlt es vorliegend am Tatbestandsmerkmal der Erforderlichkeit.

3.3.1 Die vorgeschlagenen Vorlagefragen 1 und 3 sind bereits nicht entscheidungsrelevant, da die Beschwerdeführerin der Kammer einen Antrag zur Entscheidung vorgelegt hat, der außer einem Satz von Ansprüchen bereits eine teilweise angepasste Beschreibung enthält, in der die beanstandeten Streichungen im erteilten Absatz [0008] vorgenommen worden waren. Auf die Frage, ob diese Streichung für die Gewährbarkeit des Hauptanspruchs des Patents erforderlich war oder nicht (Frage 1) und, falls ja, ob eine Anpassung nicht auch zu einem späteren Zeitpunkt hätte erfolgen können (Frage 3) kam es daher nicht mehr an.

3.3.2 Auch wenn man die Vorlagefragen 1 und 3 über ihre konkrete Formulierung hinaus weiter verstehen wollte, etwa in die Richtung, ob die beanstandeten Änderungen im Sinne von Regel 80 EPÜ zulässig, da durch einen Einspruchsgrund nach Artikel 100 EPÜ veranlasst, sind, ist die Kammer ohne weiteres in der Lage, diese Fragen auf der Grundlage der gefestigten Rechtsprechung der Beschwerdekammern zu beantworten, ohne dass hierfür eine Vorlage an die Große Beschwerdekammer erforderlich wäre (vgl. unten 3.3.3 und 3.3.4); gleiches gilt für die Vorlagefrage 2 (vgl. unten 3.3.5 und 3.3.6, sowie oben 2.4).

3.3.3 In der Rechtsprechung der Beschwerdekammern ist anerkannt, dass Bezugnahmen auf den bisherigen Stand der Technik, soweit dieser im Sinne von Regel 42(1)b) EPÜ für das Verständnis der Erfindung relevant ist, auch nachträglich eingefügt werden können, ohne dass dies notwendigerweise als eine unzulässige Erweiterung des Gegenstands der Patentanmeldung im Sinne von Artikel 123(2) EPÜ anzusehen wäre, vgl. etwa T 6/81 (Gründe Nr. 9), T 11/82 (Abl. 1983, 479, dort Gründe Nr. 16 ff.) und T 2321/08 (Gründe Nr. 8). Abgrenzungen vom relevanten Stand der Technik dürfen dabei aber nicht unrichtig oder irreführend sein, andernfalls könnten sie den Gegenstand des Patents doch verändern, vgl. T 11/82 (Gründe Nr. 22). Die Beseitigung derartiger Unrichtigkeiten verstößt damit nicht gegen Artikel 123(2) EPÜ, T 22/83 (Gründe B "order grant of a patent", Punkt 1), sondern ist im Gegenteil geeignet und geboten, um Konformität mit dieser Vorschrift herbeizuführen, vgl. T 889/93 (Gründe Nr. 2) und T 1039/93 (Gründe Nr. 2).

3.3.4 Die Streichung unrichtiger Angaben zum Stand der Technik, von dem die Patentschrift sich abgrenzt, ist daher geeignet, dem Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 c) EPÜ Rechnung zu tragen. So war auch im vorliegenden Fall die von der Beschwerdegegnerin 2 beanstandete Streichung in Absatz [0008] durch die im Beschwerdeverfahren diskutierten Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit der in Absatz [0008] aufgenommenen unzutreffenden Angaben mit Artikel 123(2) EPÜ veranlasst. Regel 80 EPÜ ist daher vorliegend eingehalten (vgl. auch Punkt 2.2 oben). Die Kammer kommt zu diesem Ergebnis unter Anwendung der in der Rechtsprechung der Beschwerdekammern herausgearbeiteten Grundsätze, ohne dass es insoweit einer Vorlage an die Große Beschwerdekammer bedarf.

3.3.5 Soweit in Vorlagefrage 2 unterstellt wird, dass jede Änderung eines unrichtigen Verweises auf den Stand der Technik, der nach Regel 80 EPÜ - weil von Artikel 100 c) EPÜ veranlasst - zulässig ist, zugleich eine Verletzung von Artikel 123(3) EPÜ darstellt, so ist dies unzutreffend. Die Kammer ist ebenfalls ohne Notwendigkeit einer Vorlage an die Große Beschwerdekammer in der Lage, diese Feststellung zu treffen.

3.3.6 Zum einen ist Regel 80 EPÜ bereits erfüllt, wenn Änderungen an den Patentunterlagen im Hinblick auf einen potentiell relevanten Einspruchsgrund vorgenommen werden. Es genügt daher als Rechtfertigung für eine Korrektur unrichtiger Angaben zum Stand der Technik, dass diese potentiell geeignet sind, den Offenbarungsgehalt des Patents zu verändern.

Zum anderen ist, wie oben unter Punkt 2.4 dargelegt, im vorliegenden Fall eine Schutzbereichserweiterung nicht gegeben, da der Schutzbereich erst dann erweitert wäre, wenn Leichtzuschläge, die sowohl porös als auch wassersaugend sind, nunmehr erstmals vom Schutzbereich umfasst wären. Diese Schlussfolgerung kann aus dem berichtigten Verweis auf den Stand der Technik für die dort genannten Stoffe jedoch nicht gezogen werden.

4. Zurückverweisung zur weiteren Entscheidung

4.1 Nach Artikel 111 (1) EPÜ kann die Kammer jede in die Zuständigkeit der Einspruchsabteilung fallende Befugnis ausüben oder die Sache zur weiteren Entscheidung an diese zurückverweisen. Artikel 11 der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK 2020) in der ab 1. Januar 2020 geltenden Fassung (Amtsblatt EPA 2019, A63), die hier gemäß Artikel 25 (1) VOBK 2020 Anwendung findet, spezifiziert insoweit, dass eine Kammer eine Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an die Instanz zurückverweist, die die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wenn besondere Gründe dafür sprechen.

4.2 Im vorliegenden Fall stützt sich die angefochtene Entscheidung ausschließlich auf die Einspruchsgründe nach Artikel 100 b) und 100 c) EPÜ. Die Einspruchsgründe nach Artikel 100 a) EPÜ wurden (mit Ausnahme der nicht als neuheitsschädlich nachgewiesenen öffentlichen Vorbenutzung Tefrotex 90-L) weder in der Entscheidung abgehandelt noch in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung diskutiert. Alle bei der mündlichen Verhandlung vertretenen Parteien haben daher für den Fall, dass die Kammer die Einschätzung zu Artikel 83 EPÜ nicht bestätigen sollte, die Zurückverweisung der Angelegenheit zur weiteren Verhandlung vor der Einspruchsabteilung beantragt.

4.3 Da der Zweck des Beschwerdeverfahrens vorrangig darin besteht, die Entscheidung der ersten Instanz zu überprüfen (Artikel 12 (2) VOBK 2020) und die Einsprüche gegen das Patent nicht umfassend hinsichtlich der Einwände fehlender Neuheit und insbesondere fehlender erfinderischer Tätigkeit geprüft wurden, liegen hier besondere Gründe vor, die es rechtfertigen, die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an die erste Instanz zurückzuverweisen, wie von allen Parteien beantragt. Andernfalls müsste die jeweils unterliegende Seite eine erstmalige aber zugleich abschließende Entscheidung ohne Rechtsmittelmöglichkeit zu essentiellen Patentierungsvoraussetzungen hinnehmen, wie sie in Artikel 54 und 56 EPÜ niedergelegt sind, nur weil zuvor bereits eine Entscheidung zu anderen Patentierungsvoraussetzungen ergangen war, die einer rechtlichen Prüfung indes nicht standgehalten hat.

4.4 Die Kammer schließt sich insoweit der rechtlichen Einschätzung der Kammern in den zu vergleichbar gelagerten Fällen ergangenen Entscheidungen T 731/17, T 1754/15 und T 1966/16 an und folgt insoweit auch ihrer eigenen Entscheidung im Fall T 278/17.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird zur weiteren Entscheidung an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen.

3. Der Antrag auf Befassung der Großen Beschwerdekammer wird zurückgewiesen.

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