European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2020:T224216.20200121 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 21 Januar 2020 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 2242/16 | ||||||||
Anmeldenummer: | 10714562.5 | ||||||||
IPC-Klasse: | C22C 1/00 C22C 24/00 B01J 23/02 B01J 23/04 B01J 35/00 B01J 37/02 B01J 21/06 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | VERFAHREN ZUR HERSTELLUNG VON ALKALI- UND ERDALKALILEGIERUNGEN UND VERWENDUNG DER ALKALI- UND ERDALKALILEGIERUNGEN | ||||||||
Name des Anmelders: | NANO-X GmbH ElringKlinger AG |
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Name des Einsprechenden: | Schott AG | ||||||||
Kammer: | 3.3.05 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Zulässigkeit der Beschwerde - (ja) Ausreichende Offenbarung - Hauptantrag (nein) Ausreichende Offenbarung - Hilfsanträge (nein) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die vorliegende Beschwerde der Patentinhaberinnen (Beschwerdeführerinnen) richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das europäische Patent EP 2393948 zu widerrufen.
II. Das Streitpatent bezieht sich auf die Herstellung von Alkali- und Erdalkalilegierungen und deren Verwendung.
III. Die Einspruchsabteilung befand, dass die Erfindung nicht ausreichend offenbart sei (Artikel 100 b) und 83 EPÜ).
IV. In ihrer Entscheidung berücksichtigte die Einspruchsabteilung unter anderem folgende Dokumente D20 und D21, die eine Nacharbeitung der Erfindung durch die Einsprechende beschreiben:
D20|Analysenbericht "A-13-149" des Instituts für Oberflächen- und Schichtanalytik (IFOS) GmbH vom 24.01.2014, gesendet an Schott AG, Analysengegenstand "Charakterisierung von dünnen mischoxidischen Schichten"|
D21|Auszüge aus einem Laborbuch (2 Seiten), datiert 3.6.2013 bzw. 26.11.2013 |
V. Mit ihrer Beschwerdebegründung legten die Beschwerdeführerinnen eigene Versuchsdaten einer erneuten Nacharbeitung des Beispiels 5 des Streitpatents vor und benannten einen Zeugen für die wissenschaftliche Richtigkeit der Ausführungen.
VI. Anspruch 1 des Hauptantrags vom 19. September 2014, der bereits der Einspruchsentscheidung zugrunde lag, lautet wie folgt:
"Verfahren zur Herstellung von Alkali- oder Erdalkalilegierungen, dadurch gekennzeichnet, daß
- Salze, Hydroxide, Alkoxide oder Oxide von Alkali- oder Erdalkaliverbindungen, ausgewählt aus der Gruppe bestehend aus Alkali- bzw. Erdalkalisulfaten, -chloriden, -nitraten,
-carbonaten, -formiaten, -oxalaten, -sulfiden,
-sulfiten, -bromiden, -iodiden, -fluoriden,
-nitriden, -nitriten, -phosphaten, -phosphiden,
-phosphiten und -acetaten,
mit
- Salzen, Hydroxiden, Alkoxiden oder Oxiden von Halbmetallen, Nichtmetallen oder Metallen, ausgewählt aus der Gruppe bestehend aus CO2, CO, N2O3, N2O5, NO2, NOx, Siliziumoxid, Aluminiumoxid, Telluroxid, Germaniumoxid, Antimonoxid, Galliumoxid, Vanadiumoxid, Manganoxid, Chromoxid, Titanoxid, Zirkoniumoxid, Ceroxid, Lanthanoxid, Cobaltoxid, Kupferoxid, Eisenoxid, Silberoxid, Wolframoxid und Zinkoxid,
gemischt und anschließend auf Temperaturen über 400°C bis zur Schmelztemperatur des höchstschmelzenden Bestandteils erhitzt werden, wobei die Salze, Hydroxide, Alkoxide oder Oxide von Alkali- oder Erdalkalimetallen im Molverhältnis 1:1 oder im Überschuß zu den Salzen, Hydroxiden, Alkoxiden oder Oxiden der Halbmetalle, Nichtmetalle oder Metalle vorliegen."
VII. Anspruch 1 des in der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer vorgelegten ersten Hilfsantrags wurde auf die Herstellung von Alkalilegierungen beschränkt. Er unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags ferner darin, dass in beiden Aufzählungen mehrere Alternativen gestrichen wurden, und lautet:
"Verfahren zur Herstellung von Alkalilegierungen, dadurch gekennzeichnet, daß
- Salze, Hydroxide, Alkoxide oder Oxide von Alkaliverbindungen, ausgewählt aus der Gruppe bestehend aus Alkalinitraten, -carbonaten,
-formiaten, -oxalaten und -acetaten,
mit
- Salzen, Hydroxiden, Alkoxiden oder Oxiden von Halbmetallen, Nichtmetallen oder Metallen, ausgewählt aus der Gruppe bestehend aus CO2, CO, N2O3, Siliziumoxid, Aluminiumoxid, Zirkoniumoxid und Ceroxid,
gemischt und anschließend auf Temperaturen über 400°C bis zur Schmelztemperatur des höchstschmelzenden Bestandteils erhitzt werden, wobei die Salze, Hydroxide, Alkoxide oder Oxide von Alkalimetallen im Molverhältnis 1:1 oder im Überschuß zu den Salzen, Hydroxiden, Alkoxiden oder Oxiden der Halbmetalle, Nichtmetalle oder Metalle vorliegen."
VIII. Anspruch 1 des in der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer vorgelegten zweiten Hilfsantrags unterscheidet sich von dem des ersten Hilfsantrags lediglich darin, dass die Alternative "Ceroxid" in der zweiten Aufzählung gestrichen wurde.
IX. Die wesentlichen Argumente der Beschwerdeführerinnen können wie folgt zusammengefasst werden:
Die Ausführbarkeit der beanspruchten Erfindung wird insbesondere durch Beispiel 5 des Streitpatents belegt. Die in Abbildung 1, Kurve b) des Streitpatents gezeigte Messung einer einzigen Atomlage ist physikalisch möglich und abhängig vom gewählten Polarwinkel. Dies wird auch durch die erneute Nacharbeitung des Beispiels gezeigt.
Die von der Einsprechenden (Beschwerdegegnerin) vorgelegten Versuchsdaten in D20/D21 sind hingegen anzuzweifeln, da sich das aus den Amplituden abgelesene C:K-Verhältnis der gemessenen Proben um einen Faktor 3 unterscheidet.
Die Beschwerdegegnerin hat ferner keine exakte Nacharbeitung eines Beispiels der Erfindung vorgenommen, so dass D20/D21 im Einklang mit T 665/90, T 1712/09, T 406/91 und T 740/90 ungeeignet ist, die behauptete mangelnde Ausführbarkeit zu belegen.
X. Die Einsprechende (Beschwerdegegnerin) hat im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:
Die Beschwerdeführerinnen haben sich in ihrer Beschwerdebegründung nicht mit der angegriffenen Entscheidung auseinandergesetzt.
Ferner zeigt die Nacharbeitung gemäß D20/D21, dass die Erfindung zumindest nicht im gesamten beanspruchten Bereich ausführbar ist. Auch wird das wesentliche Merkmal des Messwinkels im Streitpatent nicht erwähnt.
XI. Die Beschwerdeführerinnen (Patentinhaberinnen) beantragten die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und das Patent auf Basis des Hauptantrags vom 19. September 2014 oder der in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsanträge 1 oder 2 aufrecht zu erhalten. Die mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsanträge 1 und 2 wurden zurückgenommen.
XII. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte schriftlich, die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen bzw. die Zurückweisung der Beschwerde.
Entscheidungsgründe
1. Zulässigkeit der Beschwerde
1.1 In der angefochtenen Entscheidung wurde als Grund für den Widerruf des Streitpatents - in geänderter Form gemäß Hauptantrag - allein die mangelnde Ausführbarkeit festgestellt (Punkte 4.3 und 5).
Die Einspruchsabteilung führte in ihrer Begründung insbesondere die Nacharbeitung der Einsprechenden (D20, D21) an, gemäß welcher das im Streitpatent als Nachweis für eine Legierungsbildung herangezogene Signal bei der XPS-Untersuchung nicht auftrat (Punkte 4.3.1-4.3.3). Ferner bezweifelte sie, dass Beispiel 5 der Patentschrift tatsächlich eine Legierungsbildung belege (Punkte 4.3.4-4.3.8).
1.2 Die Beschwerdebegründung befasst sich mit der Ausführbarkeit der Erfindung, und zwar insbesondere mit der Relevanz der Nacharbeitung der Einsprechenden (Punkte 2 und 4 der Beschwerdebegründung) sowie - in Form einer erneuten Nacharbeitung - mit der Relevanz des Beispiels 5 des Streitpatents (Punkt 3 der Beschwerdebegründung).
1.3 Somit setzen sich die Beschwerdeführerinnen in ihrer Beschwerdebegründung mit der angefochtenen Entscheidung auseinander.
Ob die Argumente auch überzeugend sind, ist Gegenstand der substantiellen Prüfung. Das Argument der Beschwerdegegnerin, wonach Punkt 3 der Beschwerdebegründung und die Nacharbeitung von Beispiel 5 als verspätet außer Betracht zu lassen seien, sind für die Frage der Zulässigkeit der Beschwerde nicht relevant.
1.4 Die Beschwerdebegründung erfüllt die Erfordernisse der Regel 99(2) EPÜ.
1.5 Die Zulässigkeit der Beschwerde ist gegeben.
2. Benennung eines Zeugen
2.1 Die Beschwerdeführerinnen haben einen Zeugen für die wissenschaftliche Richtigkeit der Ausführungen zu den Punkten 1) und 2) der Beschwerdebegründung sowie die Durchführung und Auswertung der photoelektronenspektroskopischen Untersuchungen gemäß Punkt 3) der Beschwerdebegründung benannt.
2.2 In ihrer vorläufigen Meinung teilte die Kammer den Parteien mit, dass der angebotene Zeugenbeweis derzeit nicht relevant zu sein schien, da die strittige Frage in Bezug auf die Ausführbarkeit weder die wissenschaftliche Richtigkeit der genannten Ausführungen noch die Durchführung photoelektronenspektroskopischer Untersuchungen im Allgemeinen sei.
2.3 Die Beschwerdeführerinnen haben daraufhin keine weiteren Argumente zur möglichen Relevanz des angebotenen Zeugenbeweises vorgebracht. Wie aus den untenstehenden Betrachtungen (Punkt 3.) hervorgeht, ergab sich für die Kammer im weiteren Verfahren auch kein Grund, von ihrer vorläufigen Einschätzung abzuweichen.
2.4 Daher bestand keine Notwendigkeit, den angebotenen Zeugenbeweis zu erheben.
Hauptantrag
3. Ausführbarkeit der Erfindung
3.1 Anspruch 1 des Hauptantrags bezieht sich auf ein Verfahren zur Herstellung von Alkali- oder Erdalkalilegierungen. Im vorliegenden Fall ist es somit ein wesentliches Merkmal der beanspruchten Erfindung, dass eine Alkali- oder Erdalkalilegierung erhalten wird.
3.2 Die Beschwerdegegnerin konnte in ihrer Nacharbeitung (D20/D21; diese Dokumente sind in Kombination zu sehen) keine Legierungsbildung nachweisen.
3.3 Somit hatte die Kammer zu befinden, ob D20/D21 aufgrund dieses Ergebnisses ein Beleg für die mangelnde Ausführbarkeit der Erfindung war.
3.4 Es gibt keinen Grund, das Ergebnis in D20/D21 anzuzweifeln, dass keine Legierungsbildung nachzuweisen war.
3.4.1 Im Streitpatent wird das Vorliegen einer Kalium-Silizium Legierung durch Photoelektronenspektroskopie-Messungen (XPS) nachgewiesen (Absatz [0049] und Abbildung 1 des Streitpatents).
3.4.2 Diese Methode (XPS) wurde auch in D20/D21 verwendet. Dabei erfolgten die Messungen gemäß D20 unter verschiedenen Detektorwinkeln (20°, 45° und 90°), d.h. mit geringerer und höherer Informationstiefe.
3.4.3 Es gibt keine Grundlage, darüber hinaus gehende Anforderungen an das Messverfahren zu stellen.
3.4.4 Gemäß Streitpatent wurde die Bildung einer metallischen Kalium-Silizium Legierung zwar nur an der äußersten Atomlage nachgewiesen (Absatz [0049]).
Die Beschwerdeführerinnen argumentierten zudem, dass die Legierungsbildung in der äußersten Atomlage (Informationstiefe der XPS Messung von ~0,1 nm) nur bei Wahl eines geeigneten Polarwinkels, nämlich 75° (zur Oberflächennormalen), detektiert werden könne.
3.4.5 Die beanspruchte Erfindung ist jedoch nicht auf eine Legierungsbildung lediglich in der äußersten Atomlage beschränkt. Der Polarwinkel wird im Streitpatent an keiner Stelle erwähnt. Unabhängig von der Frage, ob dies bereits einen Mangel an Ausführbarkeit begründet, kann im vorliegenden Fall jedenfalls kein bestimmter Polarwinkel als wesentlich für den Nachweis einer Legierung im Sinn der beanspruchten Erfindung vorausgesetzt werden.
3.4.6 Es war unstrittig, dass die Spektren in D20 kein Signal einer Legierungsbildung zeigen.
3.5 Die Beschwerdeführerinnen bestritten die Relevanz der Nacharbeitung D20/D21, da die dort vorgelegten Versuchsdaten nicht zuverlässig wären und es sich um keine exakte Nacharbeitung eines Beispiels des Streitpatents handelte.
3.6 Zuverlässigkeit der Versuchsdaten in D20/D21
3.6.1 Die Beschwerdeführerinnen rügten, dass sich bei den in D20 gezeigten Spektren das aus den Amplituden abgelesene C:K-Verhältnis der gemessenen Proben um den Faktor 3 unterschied, und schlossen daraus, dass die Elementzusammensetzung der Proben somit Fehlerbalken von über 300% aufwies.
3.6.2 Der genannte Unterschied lediglich im C:K Verhältnis begründet jedoch keine Zweifel an den vorgelegten Versuchsdaten, da es sich um zwei verschieden hergestellte Proben handelt. So vergleichen die Beschwerdeführerinnen die Daten der unter N2 getemperten Probe 156040-9a mit der unter O2 getemperten Probe 156040-9b (D21 sowie Punkt 4.3.1 der Einspruchsentscheidung). Diese Proben können in Bezug auf das C:K Verhältnis, d.h. bezüglich der Menge an organischen bzw. kohlenstoffhaltigen Resten, nicht als gegenseitige Referenz angesehen werden.
3.6.3 Die Kammer sieht somit keinen Grund, die Versuchsdaten in D20/D21 anzuzweifeln.
3.7 Relevanz von D20/D21 als Nacharbeitung der Erfindung
3.7.1 Es war unstrittig, dass die Nacharbeitung in D20/D21 alle Herstellungsschritte des in Anspruch 1 definierten Verfahrens aufweist.
3.7.2 Die Beschwerdeführerinnen waren jedoch der Auffassung, dass gemäß T 665/90 eine exakte Nacharbeitung eines Beispiels des Streitpatents notwendig gewesen wäre, um die behauptete mangelnde Ausführbarkeit zu belegen. Sie verwies zur Stützung dieser Argumentation auf weitere Entscheidungen, insbesondere T 1712/09, T 406/91 und T 740/90.
3.7.3 T 665/90 bezog sich auf einen Fall, bei welchem die dort vorliegende Patentschrift Beispiele enthielt, in denen das beanspruchte Verfahren ausführlich beschrieben wurde, und deren Ausführbarkeit nicht in Frage gestellt wurde, so dass die Ausführbarkeit als gegeben angesehen wurde (Punkt 3 der Gründe). Die dort eingereichte Nacharbeitung stellte keinen Grund da, dies zu bezweifeln, da sie sich in vielerlei Hinsicht von den Beispielen der Patentschrift unterschied (ebenda).
3.7.4 Die anderen von den Beschwerdeführerinnen genannten Entscheidungen betrafen ebenfalls Fälle, in denen Bedingungen des jeweiligen Beispiels als wesentlich für das Nacharbeiten der beanspruchten Erfindung angesehen wurden (T 740/90: industrieller Maßstab des Beispiels, Gründe 2.7; T 406/91: Verwendung bestimmter Tenside, Gründe 3.1; T 1712/09: Verwendung bestimmter Messverfahren/Apparaturen, Gründe 1.7).
3.7.5 Ein derartiges Erfordernis, dass eine Einsprechende zwingend eine exakte Nacharbeitung eines Beispiels eines Streitpatents vorlegen muss, um eine mangelnde Ausführbarkeit nachzuweisen, kann jedoch im vorliegenden Fall nicht greifen, da das Streitpatent zumindest implizit lehrt, dass die genaue Vorgehensweise des Beispiels, insbesondere die Wahl der Einsatzstoffe, des Lösungsmittels und der Verfahrensbedingungen, gerade nicht wesentlich ist, um die angestrebte Legierungsbildung zu erhalten.
3.7.6 Diese Lehre ergibt sich aus der expliziten Auflistung einer Vielzahl verschiedenster geeigneter Alkali- und Erdalkaliverbindungen (Anspruch 1 und Absatz [0011]), der Vielzahl als geeignet genannter Phasen zum Mischen der Einsatzstoffe (als Schmelze, in der Gasphase oder in einem beliebigen Lösungsmittel; Absatz [0012]; keine Einschränkung in Anspruch 1), der Vielzahl verschiedenster möglicher Verfahrensweisen zum Erstellen der Mischung (z.B. Sol-Gel-Verfahren, Fällungsreaktionen, Schmelzverfahren, Flammenpyrolyse und Gefriertrocknung; Absatz [0019]; keine Einschränkung in Anspruch 1) sowie des breiten Bereiches möglicher Bedingungen des Erhitzens (Temperatur über 400 °C bis zur Schmelztemperatur des höchstschmelzenden Bestandteils gemäß Anspruch 1).
3.7.7 Ferner enthält das Streitpatent lediglich ein Beispiel, das eine Legierungsbildung erwähnt und somit das beanspruchte Verfahren illustriert, nämlich Beispiel 5. In diesem Beispiel wird eine Beschichtung hergestellt, die Kalium und Silizium als Komponenten enthält.
3.7.8 D21 beschreibt die Herstellung eines Beschichtungsgemischs "Nano-X 3" aus 17,021 g TEOS, 2,35296 g Wasser, 0,35 g p-TSH sowie (kurz vor dem Beschichten hinzugegeben) 32,10 g Kaliumacetat, 414,63 g Ethanol und 0,2 g TEGO Twin 4100. Dies wurde zum Tauchbeschichten verschiedener Substrate eingesetzt. Die Proben wurden 1 h bei 500 °C und anschließend entweder 1 h bei 650 °C in N2 oder 1 h bei 650 °C in O2 thermisch behandelt.
3.7.9 Die Nacharbeitung D20/D21 bezieht sich somit auf dieselben Komponenten wie Beispiel 5, nämlich Kalium und Silizium, wobei Silizium ebenfalls als Tetraethoxysilan (TEOS) eingesetzt wurde, das zu SiO2 hydrolysiert. Jedoch ist die Zusammensetzung des Beschichtungsgemischs eine andere (u.a. Verwendung von Kaliumacetat statt Kaliumnitrat; Verwendung von Ethanol).
Unter Berücksichtigung der genannten Lehre des Streitpatents (Punkte 3.7.5 und 3.7.6) ist die Vorgehensweise in D20/D21 als eine geeignete Nacharbeitung anzusehen. Dies trifft umso mehr zu, als sie nicht etwa in den Randbereich des Anspruchs fällt, sondern im Vergleich zur Breite des beanspruchten Bereichs nur geringfügig vom spezifischen Ausführungsbeispiel (Beispiel 5) abweicht und somit scheinbar im Kernbereich der Erfindung liegt.
3.7.10 Die Beschwerdeführerinnen konnten auch keinen Grund nennen, warum der Fachmann bei der Nacharbeitung der Erfindung die in D20/D21 gewählten Herstellungsschritte vor dem Hintergrund der Lehre des Streitpatents bzw. des allgemeinen Fachwissens als nicht erfolgsversprechend gewertet hätte.
Die Nacharbeitung in D20/D21 stellt somit insbesondere kein gezieltes Aufsuchen von nicht ausführbaren Ausführungsformen dar.
3.7.11 Im vorliegenden Fall stünde ein generelles Erfordernis, das Ausführungsbeispiel exakt nachzuarbeiten, auch im Gegensatz zur etablierten Rechtsprechung der Beschwerdekammern, dass die Ausführung der Erfindung im gesamten beanspruchten Bereich ermöglicht sein muss ("Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts", 9. Auflage 2019, II-C.5.4 und T 409/91, ABl. 1994, 653; T 435/91, ABl. 1995, 188 und T 172/99).
Die Frage der Ausführbarkeit über den gesamten beanspruchten Bereich stellt sich zusätzlich zu dem Erfordernis, dass der Fachmann der Patentschrift zumindest einen Weg zur Ausführung der beanspruchten Erfindung entnehmen können muss (T 792/00, Punkt 2 der Gründe).
3.7.12 Es ergibt sich von selbst, dass eine Abänderung des spezifischen Beispiels notwendig ist, um dessen Verallgemeinerbarkeit und somit die Ausführbarkeit über den gesamten beanspruchten Bereich zu beurteilen.
3.8 Aus den vorstehenden Gründen ist die beanspruchte Erfindung zumindest in der in D20/D21 angestrebten Ausführungsform nicht ausführbar.
3.8.1 Die Beschwerdeführerinnen haben als Antwort auf die Entscheidung der Einspruchsabteilung, dass die Erfindung nicht ausreichend offenbart und insbesondere nicht über die gesamte beanspruchte Breite nacharbeitbar sei (Punkt 4.3.3 der Einspruchsentscheidung), in ihrer Beschwerdebegründung lediglich eine Wiederholung des spezifischen Beispiels 5 vorgelegt.
3.8.2 Auch wenn zugunsten der Beschwerdeführerinnen angenommen wird, dass Beispiel 5 eine ausreichend offenbarte Ausführungsform der Erfindung darstellt, kommt die Kammer somit zu dem Schluss, dass die beanspruchte Erfindung nicht im gesamten beanspruchten Bereich ausführbar ist. Sie ist damit im Streitpatent und in der zugrundeliegenden Anmeldung nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann (Artikel 100 b) EPÜ und Artikel 83 EPÜ).
Hilfsanträge
4. Ausführbarkeit der Erfindung
4.1 Es war unstrittig, dass die in D20/D21 angestrebte Ausführungsform auch unter den jeweiligen Anspruch 1 des ersten und zweiten Hilfsantrags fällt (die Aufzählung nach dem ersten Spiegelstrich umfasst jeweils Kaliumacetat als Alkaliacetat, die Aufzählung nach dem zweiten Spiegelstrich umfasst Siliziumoxid (als Hydrolyseprodukt von TEOS).
4.2 Daher gelten dieselben Schlussfolgerungen wie für den Hauptantrag (Punkt 3.). Auch die in den beiden Hilfsanträgen beanspruchte Erfindung ist jeweils nicht im gesamten beanspruchten Bereich ausführbar. Sie ist damit im Streitpatent und in der zugrundeliegenden Anmeldung nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann (Artikel 100 b) EPÜ und Artikel 83 EPÜ).
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
5. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.