T 2213/16 () of 7.2.2019

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2019:T221316.20190207
Datum der Entscheidung: 07 Februar 2019
Aktenzeichen: T 2213/16
Anmeldenummer: 08749297.1
IPC-Klasse: B60P 7/135
A01D 90/08
B62D 33/03
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: TRANSPORTWAGEN FÜR INSBESONDERE LANDWIRTSCHAFTLICHES STÜCKGUT
Name des Anmelders: GREEN FARMING GmbH
Name des Einsprechenden: Conow-Anhängerbau GmbH & Co KG
WIELTON SA
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 56
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(3)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(1)
European Patent Convention Art 84
European Patent Convention Art 123(2)
Schlagwörter: Zulassung in das Verfahren - Hilfsantrag (JA)
unzulässige Erweiterung (NEIN)
Klarheit (JA)
Neuheit (JA)
Erfinderische Tätigkeit (JA)
Einwendungen Dritter (NICHT RELEVANT)
Verspätetes Vorbringen (NICHT ZUGELASSEN)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 1756/11
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen Entscheidung der Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts, die am 25. Juli 2016 zur Post gegeben wurde und mit der das europäische Patent Nr. 2141979 aufgrund des Artikels 101 (3) (b) EPÜ widerrufen worden ist.

II. Die Einspruchsabteilung hat in ihrer Entscheidung unter anderem die Dokumente

DE 1 802 040 A1 (D4)

DE 1 630 039 (D9)

berücksichtigt.

III. Am 9. April 2018, nach Ladung und dem Bescheid der Kammer gemäß Artikel 15 (1) VOBK, werden von Dritten Anmerkungen und Beweismittel eingereicht.

Bei den Beweismitteln handelt es sich angeblich um drei Internetseiten der Internetpräsenz der Patentinhaberin (http://krassort.com) zu den Zeitpunkten 8., 11. und 14. Februar 2007. Diese Seiten sollen mit Hilfe der Wayback-Maschine der Organisation "Inter­net Archive"(https://archive.org/) ausfindig gemacht worden sein.

Der Dritte behauptet, dass sich in der Zusammenschau der drei Seiten der Gegenstand des Anspruchs 1 wie erteilt ergebe.

IV. Am 7. Februar 2019 wurde mündlich verhandelt.

Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte in der mündlichen Verhandlung die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang auf der Grundlage der als Hilfsantrag in der mündlichen Verhandlung eingereichten Ansprüche 1 bis 17 und der Beschreibung und Figuren des Patents wie erteilt.

Die Beschwerdegegnerin 1 (Einsprechende 1) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.

Einen im Ergebnis inhaltsgleichen Antrag hatte die Beschwerdegegnerin 2 (Einsprechende 2) mit Schreiben vom 11. April 2017 gestellt.

V. Der Anspruch 1 lautet wie folgt:

Transportwagen für Stückgut (2), insbesondere aus landwirtschaftlichem Erntegut wie Stroh oder Silage gepressten Ballen, mit einer das Stückgut (2) untergreifenden und von Längs- sowie Querseitenteilen (3,3'; 4,4') begrenzten Ladeplattform (5), wobei deren Transportraum insbesondere bei geöffneten und mittels einer Stützvorrichtung (S, S') in eine bodennahe Öffnungsstellung (A) abgesenkten Längsseitenwänden (3, 3') zugänglich ist,

dadurch gekennzeichnet, dass

die zumindest eine mit der Stützvorrichtung (S,S') verlagerbare Längsseitenwand (3, 3') in eine eine Ladehöhe (H) oberhalb der Ladeplattform (5) definierende, zu dieser einen als freie Zone (Z) einen Abstand aufweisende, zumindest eine obere Lage (L) des gestapelten Stückgutes (2, 2', 2") erfassende und dieses seitlich als ein Schwenk-Klemm-System sichernde (Pfeil F) Schließstellung (B) hochschwenkbar (Pfeil R) ist,

wobei mit einem Antrieb (7,7') aufweisenden Hubgestänge der Stützvorrichtung (S,S') das eine mehrlagige Stapelung bildende Stückgut (2,2',2") von der Längsseitenwand (3,3') so erfassbar ist, dass eine seitliche Klemm-Fixierung erreicht ist.

VI. Die Argumente der Beschwerde­führerin (Patentinhaberin) - soweit sie für die Entscheidung wesentlich waren - lauteten wie folgt:

Der Antrag, wie in der mündlichen Verhandlung vorgelegt, müsse in das Verfahren zugelassen werden. Dieser Antrag beruhe auf dem Hilfsantrag 1, der mit der Beschwerdebegründung eingereicht wurde.

Dies war nötig, da die Einspruchsabteilung das von der Einsprechenden 1 verspätet vorgelegte Dokument in das Verfahren zugelassen hat.

In Übrigen stelle die Änderung des Anspruchs 1 des vorliegenden Antrags keine unzulässige Änderung dar. Letztlich ist nur das ,,zusätzlich" gestrichen worden, um Missverständnisse zu vermeiden.

In der Passage der Beschreibung, auf der die Änderung beruhe, sei beschrieben, dass sich die Erfindung gegenüber dem Stand der Technik durch eine zusätzliche Klemmfixierung auszeichne.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei neu und beruhe auf einer erfinderischen Tätigkeit. D9 offenbare einen Transportwagen für Steinpaletten. Diese Paletten würden aber nicht mit einer Klemmfixierung über die Längsseitenwände gehalten, die mit einem hydraulischen Antrieb verfahren würden. Die Seitenwände würden dort vielmehr nachträglich mit einer Spindelsicherung versehen.

Auch das Dokument D4 offenbare keine Klemmfixierung durch Hochschwenken einer Längsseitenwand. Die hochgeschwenkte Stellung in D4 sei eine Öffnungsstellung und eben keine Schließstellung. Auch hier sei der erfinderische Gedanke nicht gezeigt.

Die Einwendungen Dritter seien nicht begründet.

Zum einen habe seinerzeit keine Veröffentlichung stattgefunden. Dies könne durch den beteiligten Programmierer bezeugt werden. Zum anderen stellten die angeblich seinerzeit öffentlichen drei Internetseiten drei unterschiedliche Offenbarungen dar, da diese an verschiedenen Tagen (nämlich am 8., 11. und 14. Februar 2007) aufgenommen worden seien. Weder eine einzelne dieser Seiten noch die Gesamtheit aller Seiten aber offenbare den Gegenstand des Anspruchs 1.

Dies sei schon deshalb nicht der Fall, da keine der Internetseiten eine mehrlagige Beladung zeigten oder beschrieben.

Die Einlassungen der Einsprechenden 1 zu den Einwendungen Dritter dürften nicht in das Verfahren zugelassen werden. Es sei schließlich nicht mit den allgemeinen Vorstellungen von Fairness zu verbinden, wenn nach dem Bescheid der Kammer durch die Person, die nun im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor der Kammer unter Aufsicht des Vertreters für die Einsprechende vortrage, Einwendungen Dritter eingereicht würden, und die Einsprechende sich diese dann als Partei ohne Achtung von Fristen zu Eigen machen und weiterführen könne.

VII. Die Beschwerdegegnerinnen 01 und 02 begegneten diesen Argumenten wie folgt:

Der Antrag, der in der mündlichen Verhandlung als geänderter Hilfsantrag 1 vorgelegt wurde, dürfe nicht in das Verfahren zugelassen werden.

Zum einen seien die Änderungen schon für den Hilfsantrag 1 verspätet, der mit der Beschwerdebegründung vorgelegt worden sei. Immerhin habe die Patentinhaberin 4 Wochen vor der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung Zeit gehabt, sich auf das Dokument D9 vorzubereiten.

Zum anderen stelle die Streichung des ,,zusätzlich" in der Änderung des Hilfsantrag 1 eine unzulässige Erweiterung dar. Die Passage in Paragraph [0009] nenne ausdrücklich diese zusätzliche Klemmfixierung. Somit müsse es auch im Wortlaut des Anspruchs 1 verbleiben.

Eine weitere unzulässige Erweiterung ergebe sich unabhängig von der Ergänzung im Hilfsantrag 1 und dessen Änderung dadurch, dass das Merkmal der freien Zone (Z) nur in Verbindung mit den Sicherungselementen (6, 6') offenbart sei.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei nicht neu gegenüber der D9. So seien die Seitenwände der D9 ebenfalls in der Lage, die Ladung mit einer Klemmung zu fixieren. Letztlich sei auch ein Antrieb für die Seitenwand offenbart. Damit aber sei auch das zusätzliche Merkmal des geänderten Anspruchs 1 offenbart.

Vor allem aber könne dieses Merkmal keine erfinderische Tätigkeit begründen. In D4 sei ein Transportwagen gezeigt, der eine obere und eine untere Öffnungsstellung aufweise, vergleiche Figuren 1, 2 und 3, 4. Würde man diese beiden Stellungen kombinieren, was z.B. auf Seite 4, 2. Absatz oder in den Ansprüchen 3 und 4 nahegelegt werde, käme der Fachmann zum Gegenstand des Anspruchs 1: über die untere Öffnungsstellung, über die Mittelstellung zur oberen Stellung, die dann eine Schließstellung wäre. Es sei weiterhin völlig unklar, wie der Gegenstand des Anspruchs 1 konkret funktioniere. Schließlich hänge die Klemmfixierung erheblich von der Art des Stückgutes ab. Drei Lagen von Äpfeln könnten schließlich nicht erfolgreich von der vorliegenden Erfindung geklemmt werden. Auch müsse das Stückgut notwendig kompressibel sein. Es sei aber zugestanden, dass das zusätzliche Merkmal des Anspruchs 1 gemäß dem Hilfsantrag 1 keine zusätzliche Unklarheit hervorrufe.

Es sei nicht korrekt, die Einwendungen Dritter als drei unterschiedliche Offenbarungen anzusehen. Dafür gebe es keine Veranlassung. Die Daten der drei Internetseiten lägen dicht beieinander. Es sei auch zweifelsfrei, dass der dort gezeigte Gegenstand dem des Anspruchs 1 entspreche. Da diese Internetseiten über ein öffentlich zugängliches Portal (Wayback-Maschine der Organisation ,,Internet Archive" (https://archive.org/)) abgerufen wurden, ist auch die öffentliche Zugänglichkeit der vorgelegten Internetseiten nachgewiesen. Letztlich offenbarten sie in Zeichnung und Beschreibung den Gegenstand des angegriffenen Anspruchs 1 neuheitschädlich.

Entscheidungsgründe

1. Der Hilfsantrag 1, wie in der mündlichen Verhandlung vorgelegt, wird in das Verfahren zugelassen, Artikel 13 (1) VOBK.

1.1 Die Beschwerdegegnerin 1 monierte, dass die Patentinhaberin ausreichend Zeit im Einspruchsverfahren gehabt habe, um Hilfsanträge vorzubereiten. Außerdem werfe der Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 neue Probleme hinsichtlich der Klarheit und der unzulässigen Erweiterung auf.

1.2 Der Hilfsantrag 1, der mit der Beschwerdebegründung vorgelegt wurde, ist nach Ansicht der Kammer eine Reaktion der Beschwerdeführerin/Beschwerdeführerin auf die Vorlage des Dokuments D9, welches die Einsprechende erst etwa 4 Wochen vor der mündlichen Verhandlung im Verfahren vor der Einspruchsabteilung eingereicht hat.

D9 wurde von der Einspruchsabteilung in der Verhandlung als hoch relevant eingestuft und im Rahmen ihres Ermessens in das Verfahren zugelassen. Insofern ist die Vorlage weiterer Hilfsanträge im Beschwerdeverfahren als Reaktion auf das verspätete Einreichen von D9 als legitim anzusehen.

1.3 Der aktuelle Hilfsantrag 1 basiert auf dem Hilfsantrag 1 wie mit der Beschwerdebegründung vorgelegt, wobei das Wort ,,zusätzlich" im letzten Merkmal des Anspruchs 1 gestrichen wurde (zusätzliche Klemmfixierung). Die Patentinhaberin/Beschwerdeführerin begegnete mit dieser Änderung einem Klarheitseinwand, den die Beschwerdegegnerin 1/Einsprechende 1 während der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer vorgebracht hat.

1.4 Die Kammer hält die Auswirkungen der Streichung des Begriffs ,,zusätzlich" auf den Gegenstand des Anspruchs 1 für derart überschaubar, dass diese Änderung als zumutbar angesehen wird. Weiterhin kann die Kammer keine Probleme erkennen, die durch diese Änderung bedingt wären.

1.5 Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist durch das Streichen des Wortes ,,zusätzlich" im letzten Merkmal des Anspruchs 1 nicht unzulässig erweitert.

Diesen Einwand hat die Einsprechende im Rahmen der Zulassung des geänderten Hilfsantrags 1 vorgebracht und behauptet, in der ursprünglichen Offenbarung sei eben eine zusätzliche seitliche Fixierung genannt.

Die Kammer stimmt der Beschwerdegegnerin 1 (Einsprechenden 1) insofern zu, als die ursprüngliche Passage in der Tat eine zusätzliche Fixierung benennt. Das Attribut ,,zusätzlich" ist dort allerdings auf einen anderen Kontext bezogen, nämlich auf den Stand der Technik, der zuvor beschrieben wird: die gesamte Textstelle drückt damit aus, dass die strittige Erfindung eine zusätzliche Klemmfixierung gegenüber dem Stand der Technik aufweist.

Nichts anderes ist im vorliegenden Anspruch 1 definiert.

Im Übrigen hätte ein ,,zusätzlich" (zusätzliche Klemmfixierung) im strittigen Anspruch 1 eine andere, sinnentstellende Bedeutung, da im Anspruch 1 (Merkmal 5.4) ein Schwenk-/Klemmsystem definiert ist. Wenn nun im hinzugefügten Merkmal ,,eine zusätzliche seitliche Klemm-Fixierung" beansprucht wird, würde das ,,zusätzlich" in diesem Kontext bedeuten, dass es eine weitere, zweite Klemmfixierung im erfinderischen Gegenstand gebe. Dies ist aber nicht der Fall.

2. Die weiteren Einwände der Beschwerdegegnerin 1 (Einsprechenden 1) in Bezug auf eine unzulässige Erweiterung im Sinne des Artikels 123 (2) EPÜ, erstmals vorgetragen mit Schreiben vom 8. November 2018, werden nicht in das Verfahren zugelassen, Artikel 13 (1) VOBK.

2.1 Die Beschwerdegegnerin 1 (Einsprechende 1) trägt vor, dass Anspruch 1 wie erteilt unzulässig erweitert sei, da das Merkmal der freien Zone (Z) nur in Verbindung mit den Sicherungselementen (6, 6') offenbart sei. Dieser Mangel sei auch im vorliegenden Hilfsantrag 1 vorhanden.

Die Beschwerdegegnerin 1 hat diesen Einwand etwa zwei Monate vor der mündlichen Verhandlung der Kammer vorgebracht.

Dieser Einwand steht nicht in Verbindung mit den am Anspruch 1 durchgeführten Änderungen. Weiterhin steht dieser Einwand nicht in Zusammenhang mit den vor Einspruchsabteilung diskutierten angeblichen Mängeln der unzulässigen Erweiterung des Streitpatents.

Dies wurde von der Beschwerdegegnerin 1 auch nicht vorgebracht.

Daher hält es die Kammer aus Gründen der Verfahrensökonomie und der Fairness den anderen Parteien gegenüber für nicht angemessen, diesen Einwand erstmals in der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer zu diskutieren.

3. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag ist neu gegenüber dem Dokument D9 und beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit, ausgehend von D9 in Kombination mit D4, Artikel 54 (2) und 56 EPÜ.

3.1 Der in der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer eingereichte (geänderte) Hilfsantrag 1 beinhaltet gegenüber Anspruch 1 wie erteilt das folgende Merkmal:

wobei mit einem Antrieb (7,7') aufweisenden Hubgestänge der Stützvorrichtung (S,S') das eine mehrlagige Stapelung bildende Stückgut (2,2',2") von der Längsseitenwand (3,3') so erfassbar ist, dass eine seitliche Klemm-Fixierung erreicht ist.

3.2 Dieses Merkmal ist in D9 nicht offenbart.

D9 offenbart Seitenwände 18, die mit einem Hydraulikantrieb um eine Achse derart schwenken können, dass sie in einer Offenstellung unterhalb der Ladeplattform zu liegen kommen. Nach der Beladung werden die Seitenwände um etwa 180 Grad zurückgeschwenkt und begrenzen damit die Ladefläche seitlich.

Die Offenbarung ist soweit unbestritten.

Allerdings folgt die Kammer nun der Beschwerde­gegnerin 1 nicht weiter, die ausführt, mit dem Hochschwenken der Ladeseitenwände finde auch eine Klemmung des Ladegutes statt. Dafür gibt es in D9 keinen Hinweis.

Das Gegenteil ist der Fall. Erst durch das Andrücken der Seitenwände wird der Steinstapel gegen Bewegung und damit gegen Zerstörung geschützt, siehe Seite 2, Zeilen 12 ff. der D9. Das Anlegen der Seitenwände geschieht mit Ketten oder Knebeln (Seite 3 oben) oder mittels Schraubspindeln, Seite 5, Zeilen 8 ff.

Somit ist insbesondere für die Klemmfixierung kein Antrieb im Sinne des hinzugefügten Merkmals von Anspruch 1 offenbart.

3.3 Dieses Merkmal begründet auch die erfinderische Tätigkeit.

Weder Dokument D9 noch D4 offenbaren eine Schwenk-/Klemmbewegung einer Seitenwand mit einem Antrieb oder legt diese nahe.

Die Beschwerdegegnerin 1 (Einsprechende 1) trägt vor, dass D9 bereits das Erfordernis einer Klemmung lehre. D4 offenbare nun zwei Ausführungsbeispiele, nämlich das der Figuren 1 und 2, wonach das Seitengatter zum Beladen in eine bodennahe Stellung bewegt werde und das Ausführungsbeispiel der Figuren 3 und 4, bei dem das Seitengatter in eine Öffnungsstellung nach oben verschwenkt werde. Nun sei es mit der Anregung aus D9 naheliegend, die Bewegungen beider Ausführungsbeispiele miteinander zu kombinieren und somit von der bodennahen Öffnungsstellung - über die Schließstellung - zur obenliegenden Stellung des Gatters zu kommen, wobei sich eine Klemmung automatisch einstelle. Die Kombination der beiden Ausführungs­beispiele werde auch durch D4 selbst nahegelegt, Seite 4, 2. Absatz und Ansprüche 3 und 4 in Kombination.

Die Kammer sieht hierbei erhebliche technische Probleme die Konstruktion von D4 in D9 zu integrieren.

D9 weist eine Vielzahl von Seitenwänden auf, nämlich für jede zu ladende Steinpalette eine Seitenwand auf jeder Seite. Somit lässt sich eine Mehrzahl von Seitenwänden pro Seite nicht mit einem Hubmechanismus versehen, der vom Prinzip her an den Querseiten angebracht werden muss. Schon von daher würde der Fachmann D9 nicht mit D4 kombinieren.

Auch kann die Kammer nicht erkennen, dass die Kombination der beiden Ausführungsbeispiele der D4 den Fachmann in die Richtung der strittigen Erfindung leiten würde. So ist die obere Stellung des Gatters eine Öffnungsstellung in D4. Diese müsste aber für die vorliegende Erfindung eine Schließstellung sein. Dazu ist hinsichtlich der erforderlichen Stabilität eine andere mechanische Ausführung nötig.

Insbesondere ist in D4 nicht der grundlegende erfinderische Gedanke angesprochen, nämlich dass mit einer Klemmung der oberen Lage eines gestapelten Stückgutes wie Stroh oder Heu (aus kompressiblen Material) damit automatisch auch die darunterliegende Lage gegen Verrutschen gesichert ist.

Die Ausführungen der Beschwerdegegnerin 1 (Einsprechende 1) beruhen daher auf der Kenntnis des Streitpatents.

4. Der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 ist deutlich und knapp formuliert und durch die Beschreibung gestützt, Artikel 84 EPÜ.

4.1 Die Beschwerdegegnerinnen beanstanden, dass unklar sei, wie die Erfindung funktioniere, zumal die Funktion der Schwenk-/Klemmbefestigung von der Art des Stückgutes abhänge. So müsse dieses groß genug sein, dass es von der in Schließstellung befindlichen Seitenwand erfasst werden könne und es müsse kompressibel sein. Dies aber, so die Beschwerdegegnerinnen, sei nicht klar im Anspruch definiert.

Hierzu führt die Kammer aus, dass lediglich das hinzugefügte Merkmal des Hilfsantrags 1 in Kombination mit den bereits vorhandenen Merkmalen einer Überprüfung der Klarheit zugänglich ist. Einen Klarheitsmangel, der sich durch die Merkmalskombination des erteilten Anspruchs 1 ergibt, kann die Kammer nicht prüfen oder feststellen, G 3/14.

4.2 In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass das Schwenk-/Klemmsystem bereits Teil des erteilten Anspruchs 1 darstellt. Das hinzugefügte Merkmal definiert lediglich einen Antrieb für das Hubgestänge und erklärt, dass die Klemmfixierung seitlich stattfindet. Beide Aspekte indes stellen die Klarheit, wie sie sich durch den erteilten Anspruch 1 ergibt, nicht zusätzlich in Frage. Dies ist von den Beschwerdegegnerinnen auch nicht behauptet worden.

5. Die Einwendungen Dritter bleiben unberücksichtigt, da sie nicht relevant sind.

Sie können nicht die Patentfähigkeit der strittigen Erfindung in Frage stellen, da die vorgelegten Beweismittel nicht alle Merkmale aufzeigen.

Damit kann auch dahingestellt sein, ob die angegebenen Beweismittel tatsächlich öffentlich zugänglich gewesen sind.

5.1 Die Einwendungen Dritter, eingereicht am 9. April 2018 zeigen drei Internetseiten der Patentinhaberin (http://krassort.com) zu den Zeitpunkten 8., 11. und 14. Februar 2007. Diese Seiten wurden angeblich mit Hilfe der Wayback-Maschine der Organisation ,,Internet Archive"(https://archive.org/) ausfindig gemacht.

Der Dritte behauptet, dass sich in der Zusammenschau der drei Seiten der Gegenstand des Anspruchs 1 wie erteilt ergebe.

5.2 Dazu ist zunächst formal festzustellen, dass sich der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem vorliegenden Antrag vom erteilten Anspruch 1 um ein weiteres Merkmal unterscheidet (siehe oben), zu dem die Einwendungen Dritter nicht Stellung nehmen.

Zum anderen sind die drei Internetseiten vom 8., 11. und 14. Februar 2007 als drei verschiedene Offenbarungen anzusehen, da weder eindeutig und unmittelbar erkennbar noch nachgewiesen ist, dass es sich bei den Darstellung in den drei Dokumenten um ein- und denselben Gegenstand handelt.

5.3 Die Seite vom 8. Februar 2007 beschreibt lediglich die Fa. Krassort und ein Produkt ,,Docking Boy"; die Seite vom 11. Februar 2007 erwähnt einen Ballenwagen für den Transport von Großballen und zeigt ein Bild eines offensichtlich unbeladenen Ballenwagens.

Die Internetseite vom 14. Februar 2007 zeigt dasselbe Bild eines unbeladenen Ballenwagens und erklärt, dass Seitengatter hydraulisch abgeklappt werden können. Weiter ist ausgeführt, dass durch das Hochklappen der Seitengatter die Ballen auf dem Fahrzeug festgeklemmt werden.

5.4 Inhaltlich stellt die Kammer fest, dass insbesondere die dritte Seite (vom 14. Februar 2007) zweifelsfrei keine bodennahe Öffnungsstellung der abgesenkten Längsseitenwände beschreibt oder zeigt. Auch ist nicht erkennbar, dass der Ballenwagen eine mehrlagige Stapelung des Stückguts zulässt und die obere Lage mit einem Schenk-/Klemmsystem sichert.

Keines der von Dritten vorgelegten Beweismittel offenbart alle Merkmale des erteilten Anspruchs 1.

5.5 Da kein Foto eine Beladung zeigt und da auch der Text dies nicht erwähnt, hat die Kammer Zweifel, dass selbst die Zusammenschau der Internetseiten alle Merkmale des vorliegenden Anspruchs 1 offenbaren.

6. Die Einlassungen der Beschwerdegegnerin 1 (Ein­sprechenden 1) zu den Einwänden Dritter werden nicht in das Verfahren zugelassen, Artikel 13 (1) und (3) VOBK.

6.1 Die Beschwerdegegnerin 1 (Einsprechende 1) führt zu den Einwendungen Dritter aus, dass die drei Internetseiten in der Zusammenschau gesehen werden müssten und dass die Veröffentlichung als nachgewiesen angesehen werden müsse. Des Weiteren sei auch das zusätzliche Merkmal des Anspruchs 1 gemäß dem vorliegenden Antrag offenbart.

Die Patentinhaberin/Beschwerdeführerin bestreitet die öffentliche Zugänglichkeit und behauptet, der seinerzeit beauftragte Programmierer der Webseite habe die hier vorgelegten Seiten mittels eines Passwortes geschützt. Dies sei durch eine eidesstattliche Versicherung des seinerzeitigen Geschäftsführers (Herrn Krassort) nachgewiesen.

6.2 Gemäß Artikel 13 (1) VOBK steht es im Ermessen der Kammer, Änderungen des Vorbringens eines Beteiligten nach Einreichung seiner Beschwerdebegründung oder Erwiderung zuzulassen und zu berücksichtigen. Bei der Ausübung des Ermessens werden insbesondere die Komplexität des neuen Vorbringens, der Stand des Verfahrens und die gebotene Verfahrensökonomie berücksichtigt. Gemäß Absatz (3) werden Änderungen des Vorbringens nach Anberaumung der mündlichen Verhandlung nicht zugelassen, wenn sie Fragen aufwerfen, deren Behandlung der Kammer oder dem bzw. den anderen Beteiligten ohne Verlegung der mündlichen Verhandlung nicht zuzumuten ist.

6.3 Weiterhin können gemäß der etablierten Rechtsprechung der Beschwerdekammern Einwendungen Dritter in Bezug auf das Beschwerdeverfahren regelnde Fristen keine Wirkung entfalten, die über die Rechte der Parteien hinausgehen zu einem bestimmten Zeitpunkt das Vorbringen noch zu ändern.

Daraus folgt unmittelbar, dass auch die Beschwerdegegenerin 1 (Einsprechende 1) aus dem späten Einreichen der Einwendungen Dritter (vorliegend nach Bescheid und Ladung der Kammer), nicht das Recht dazu herleiten kann, sich dann noch das Vorbringen Dritter zu eigen machen und weiterzuführen, siehe auch Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 8. Auflage, III.N.5 und T 1756/11, Entscheidungsgründe 2.8 bis 2.10.

Vorliegend ist ergänzend noch festzustellen, dass es sich bei der einwendenden Dritten um die selbe Person handelt, die für die Beschwerdeführerin 1 (Einsprechenden 1) in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer unter Aufsicht des bestellten Vertreters ihre Ausführungen gemacht hat. Die Kammer hält es aus Gründen der Fairness gegenüber der Beschwerdeführerin auch hier für nicht geboten, einen anderen Maßstab für die Beachtung der Einwendungen Dritter anzulegen, als für die Zulassung eines geänderten Vorbringens einer Partei.

Somit unterliegt das Vorbringen der Beschwerdegegnerin 1 (Einsprechenden 1) zu den Einwendungen Dritter auch den Artikeln 13 (1) und (3) VOBK.

6.4 Die Kammer ist hier, selbst wenn die unter 5.5 erwähnten Zweifel am Gesamtoffenbarungsgehalt der drei Webauszüge überwunden werden könnten, der Auffassung, dass die Berücksichtigung der Ausführungen der Beschwerdegegnerin zu den Einwendungen Dritter ohne eine Vertagung der mündlichen Verhandlung nicht möglich wäre.

Dazu müsste der Programmierer der Webseite als Zeuge gehört werden, insbesondere zu den Fragen, ob und inwieweit die Internetseite zu den angegebenen Zeitpunkten öffentlich zugänglich gewesen ist und ob alle drei Internetseiten zum selben Zeitpunkt eingestellt waren bzw. ob diese denselben Gegenstand zeigen oder zeigen sollten.

Eine Vertagung der mündlichen Verhandlung zu diesem Zweck ist hier auch in dem Stadium des Verfahrens weder mit der gebotenen Verfahrensökonomie noch mit der Fairness gegenüber der Beschwerdeführerin vereinbar.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent in geändertem Umfang auf der Grundlage der folgenden Unterlagen aufrecht zu erhalten:

Ansprüche 1 bis 17 gemäß Hilfsantrag 1 in der Fassung vom 7. Februar 2019;

Beschreibung Spalten 1 bis 6 des Patents wie erteilt;

Figuren 1 bis 9 des Patents wie erteilt.

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