European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2020:T199416.20200728 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 28 Juli 2020 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1994/16 | ||||||||
Anmeldenummer: | 09775790.0 | ||||||||
IPC-Klasse: | B65H69/00 B65H63/06 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | QUALITÄTSUBERWACHUNG VON SPLEISSEN IN EINEM LÄNGLICHEN TEXTILEN PRÜFGUT | ||||||||
Name des Anmelders: | Uster Technologies AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Saurer Spinning Solutions GmbH & Co. KG | ||||||||
Kammer: | 3.2.06 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag und zweiter Hilfsantrag (nein) Erfinderische Tätigkeit - Kombination technischer und nicht-technischer Merkmale Änderung veranlasst durch Einspruchsgrund - erster Hilfsantrag (nein) |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) richtet sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, in der festgestellt wurde, dass unter Berücksichtigung der im Einspruchsverfahren vorgenommenen Änderungen das europäische Patent mit der Nummer 2 331 441 und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des EPÜ genügen.
II. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents wie erteilt (Hauptantrag). Hilfsweise beantragte sie das Patent gemäß einem der mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsanträge 1 oder 2 aufrechtzuerhalten.
III. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte die Beschwerde zurückzuweisen und die Entscheidung der Einspruchsabteilung zu bestätigen.
IV. Die Kammer lud die Parteien zu einer mündlichen Verhandlung.
V. In einer Mitteilung zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung informierte die Kammer die Parteien über ihre vorläufige Meinung zu den anhängigen Anträgen. Sie brachte dabei zum Ausdruck, dass der Gegenstand der Ansprüche 16 und 20 des Hauptantrags sowie jener der diesen entsprechenden, gleichlautenden Ansprüche 1 und 12 des zweiten Hilfsantrags nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen dürfte und dass zumindest der hinzugefügte abhängige Anspruch 14 des ersten Hilfsantrags nicht den Erfordernissen der Regel 80 EPÜ sowie jenen des Artikels 123 (2) EPÜ genügen dürfte.
VI. In einer Mitteilung der Geschäftsstelle wurden die Parteien aufgefordert mitzuteilen, ob sie angesichts der Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus (COVID-19) von Reisebeschränkungen betroffen seien und ob sie den Termin zur mündlichen Verhandlung im Dienstgebäude der Beschwerdekammern wahrnehmen können. In der Mitteilung wurde auch erwähnt, dass eine Entscheidung auf der Grundlage des schriftlichen Vortrags kurzfristig ergehen könne, falls die Parteien ihren Antrag auf mündliche Verhandlung zurücknähmen. Die Parteien wurden um Mitteilung gebeten, ob sie an ihrem Antrag auf mündliche Verhandlung festhielten.
VII. In der Folge kündigte die Beschwerdeführerin in einem Schreiben an, an der mündlichen Verhandlung nicht vertreten zu sein und zog ihren Antrag auf mündliche Verhandlung zurück. Daraufhin wurde die mündliche Verhandlung abgesagt und die Entscheidung konnte im schriftlichen Verfahren ergehen.
VIII. Folgende Dokumente sind für die vorliegende Entscheidung relevant:
E1 |Bedienungsanleitung - Zenit Schlafhorst AC 338 Operating Instruction, Version 6.20, 044907.003/12.04|
E10|Anwendungshandbuch Uster® Quantum 2, Online-Qualitätsmanagement in der Spulerei, V1.1 Mai 2005 |
IX. Anspruch 16 des Hauptantrags sowie der gleichlautende Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrags haben folgenden Wortlaut:
Verfahren zur Überwachung der Qualität eines länglichen, in seiner Längsrichtung (25) durch einen elektronischen Messkopf (34) bewegten textilen Prüfgutes (1), wobei
eine von mindestens zwei Parametern (4, 5) des Prüfgutes (1) abhängige erste Reinigungsgrenze zwischen zulässigen (15a) und unzulässigen (15b) Fehlstellen (2) im Prüfgut (1) festgelegt, in einem Diagramm als erste Reinigungskurve (14) dargestellt und an den Messkopf (34) übermittelt wird und die mindestens zwei Parameter (4, 5) des Prüfgutes (1) für Fehlstellen (2) im Prüfgut (1) gemessen, in Form einer ersten Punktewolke (13), in der jeder Punkt (15a, 15b) einer Fehlstelle (2) entspricht, in dem Diagramm dargestellt und mit der ersten Reinigungsgrenze verglichen werden,
dadurch gekennzeichnet, dass
eine von den mindestens zwei Parametern (4, 5) des Prüfgutes (1) abhängige zweite Reinigungsgrenze zwischen zulässigen (17a) und unzulässigen (17b) Spleissen (3) im Prüfgut (1) festgelegt, in dem Diagramm als zweite Reinigungskurve (16) dargestellt und an den Messkopf (34) übermittelt wird und
die mindestens zwei Parameter (4, 5) des Prüfgutes (1) für Spleisse (3) im Prüfgut (1) gemessen, in Form einer Punktewolke (13), in der jeder Punkt (17a, 17b) einem Spleiss (3) entspricht, in dem Diagramm dargestellt und mit der zweiten Reinigungsgrenze verglichen werden.
X. Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags lautet:
Verfahren zum Einstellen von Reinigungsgrenzen für ein längliches textiles Prüfgut (1) an einem elektronischen Messkopf (34), wobei
eine von mindestens zwei Parametern (4, 5) des Prüfgutes (1) abhängige erste Reinigungsgrenze zwischen zulässigen (15a) und unzulässigen (15b) Fehlstellen (2) im Prüfgut (1) festgelegt, in einem Diagramm als erste Reinigungskurve (14) dargestellt und an den Messkopf (34) übermittelt wird,
dadurch gekennzeichnet, dass
eine von den mindestens zwei Parametern (4, 5) des Prüfgutes (1) abhängige, von der ersten Reinigungsgrenze verschiedene zweite Reinigungsgrenze zwischen zulässigen (17a) und unzulässigen (17b) Spleissen (3) im Prüfgut (1) automatisch aus der ersten Reinigungsgrenze berechnet, in einem Diagramm als zweite Reinigungskurve (16) dargestellt und an den Messkopf (34) übermittelt wird.
Anspruch 8 des ersten Hilfsantrags lautet:
Verfahren zur Überwachung der Qualität eines länglichen, in seiner Längsrichtung (25) durch einen elektronischen Messkopf (34) bewegten textilen Prüfgutes (1), wobei
eine erste und zweite Reinigungsgrenze an dem Messkopf (34) nach einem der vorangehenden Ansprüche eingestellt werden und
mindestens jeweils zwei Parameter (4, 5) des Prüfgutes (1) für Fehlstellen (2) und für Spleisse (3) im Prüfgut (1) gemessen und mit der ersten bzw. zweiten Reinigungsgrenze verglichen werden.
Anspruch 14 des ersten Hilfsantrags lautet:
Verfahren nach einem der Ansprüche 8-13, wobei
die mindestens zwei Parameter (4, 5) des Prüfgutes (1) für Fehlstellen (2) im Prüfgut (1) in Form einer ersten Punktewolke (13), in der jeder Punkt (15a, 15b) einer Fehlstelle (2) entspricht, in dem Diagramm dargestellt werden und
die mindestens zwei Parameter (4, 5) des Prüfgutes (1) für Spleisse (3) im Prüfgut (1) in Form einer Punktewolke (13), in der jeder Punkt (17a, 17b) einem Spleiss (3) entspricht, in dem Diagramm dargestellt werden.
XI. Die für die vorliegende Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdeführerin können wie folgt zusammengefasst werden:
Das Verfahren des Anspruchs 16 des Hauptantrags und damit auch des gleichlautenden Anspruchs 1 des zweiten Hilfsantrags beruhe auf einer erfinderischen Tätigkeit. Es unterscheide sich von dem aus E10 bekannten Verfahren dadurch, dass die zweite Reinigungsgrenze in dem Diagramm als zweite Reinigungskurve dargestellt werde. Die objektive Aufgabe bestehe darin, die Einstellung der Reinigungsgrenze für Spleiße zu erleichtern. Der Fachmann erfahre die erfindungsgemäße Lösung weder aus E10 noch aus E1. In E10 müsste der Fachmann verschiedene Bestandteile jeweils spezifischer Ausführungsarten miteinander verbinden, was nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern nicht zulässig sei. E1 sei mit E10 nicht kombinierbar, weil es in E1 um die Reinigung von Garnereignissen nach dem Prinzip der Kanalreinigung gehe, während in E10 eine Klassierung von Garnereignissen nach dem Prinzip der Klassenreinigung beschrieben sei. Auch könnten Kanalreinigungskurven gemäß Seite 36 der E1 nicht im Klassierschema gemäß Seite 11.4 der E10 dargestellt werden und umgekehrt.
XII. Die für die vorliegende Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdegegnerin können wie folgt zusammengefasst werden:
Das Verfahren des Anspruchs 16 des Hauptantrags und damit auch des gleichlautenden Anspruchs 1 des zweiten Hilfsantrags beruhe auf keiner erfinderischen Tätigkeit. Es sei unstreitig, dass es sich von dem aus E10 bekannten Verfahren dadurch unterscheide, dass die zweite Reinigungsgrenze auch in dem Diagramm dargestellt werde. Die objektive Aufgabe bestehe darin, einen einfacheren Weg zu finden, die Spleiß-Reinigungsgrenze so einzustellen, dass einerseits wenig störende Spleiße nicht unnötig aus dem Garn entfernt, andererseits aber störende Spleiße tatsächlich entfernt würden. Die Lösung gebe E10 auf Seiten 4.12 und 4.13 selber, indem sie bereits eine Punktewolke für Spleiße enthalte. Der Fachmann würde die Lösung für Garnfehler adaptieren und die Spleiß-Reinigungskurve in das Diagramm aufnehmen, um die Aufgabe zu lösen. Alternativ könne die Aufgabe auch darin bestehen, eine Möglichkeit zu schaffen, die zweite Reinigungskurve (Spleiß-Reinigungsgrenze) nach der ersten Reinigungsgrenze (Fehlstellen-Reinigungsgrenze) zu orientieren. Die Lösung dieser Aufgabe sei bereits aus E1 bekannt, da darin auf Seite 36 die Fehlstellen-Reinigungsgrenze und Spleiß-Reinigungsgrenze in einem Diagramm dargestellt seien.
Entscheidungsgründe
1. Hauptantrag
1.1 Das Verfahren gemäß Anspruch Anspruch 16 beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Die Unterscheidungsmerkmale gegenüber E10 sind nicht technischer Natur und bleiben bei der Bewertung der erfinderischen Tätigkeit außer Betracht.
1.2 Die Parteien sind sich einig, dass E10 den nächstliegenden Stand der Technik für das in Anspruch 16 definierte Verfahren beschreibt. Die Kammer stimmt darin überein.
Insbesondere zeigt E10 in Figur 11-1 eine graphische Darstellung, in welcher eine erste Reinigungsgrenze zwischen zulässigen und unzulässigen Fehlstellen im Prüfgut festgelegt und in dem Diagram als erste Reinigungskurve dargestellt ist (siehe die treppenförmige blaue Kurve). Darin sind die zulässigen Fehlstellen unterhalb der Kurve als grüne Punkte, die unzulässigen Fehlstellen oberhalb der Kurve als rote Punkte dargestellt. Gemeinsam bilden die grünen und roten Punkte eine erste Punktewolke, in der jeder Punkt einer Fehlstelle entspricht. Jeder Punkt wird notwendigerweise mit der ersten Reinigungsgrenze verglichen, um ihn als "klassierten" Garnfehler in grün oder als "ausgereinigten" Garnfehler in rot darstellen zu können. Die Spleiße sind ebenfalls in Form einer Punktewolke eingetragen, wobei die zulässigen Spleiße als grün gefüllte Quadrate und die unzulässigen Spleiße als rot gefüllte Quadrate dargestellt sind. Auch diese Punkte wurden in E10 notwendigerweise mit einer, dieser Darstellung zugrundeliegenden, zweiten Reinigungsgrenze verglichen, um sie in "klassierte" (grün) und "geschnittene" (rot) Spleißverbindungen einteilen zu können. Eine zweite Reinigungsgrenze zwischen zulässigen und unzulässigen Spleißen im Prüfgut ist daher in Figur 11-1 offensichtlich ebenfalls hinterlegt. Auf diesen Umstand hat die Kammer bereits in ihrer Mitteilung hingewiesen (siehe Punkt 1.2 der Mitteilung).
Allerdings ist die zweite Reinigungsgrenze nicht explizit als zweite Reinigungskurve in dem Diagramm dargestellt. Sie verläuft jedoch erkennbar in dem Bereich zwischen den rot gefüllten und den grün gefüllten Quadraten.
1.3 Das Verfahren gemäß Anspruch 16 unterscheidet sich daher von dem der Figur 11-1 in E10 zugrundeliegenden Verfahren dadurch, dass die zweite Reinigungsgrenze in dem Diagramm als zweite Reinigungskurve dargestellt wird. Dieser Unterschied steht zwischen den Parteien außer Streit.
1.4 Die Kammer hat in ihrer Mitteilung ausgeführt, dass sie der Ansicht sei, dass das Unterscheidungsmerkmal nicht-technisch sei und im Sinne der T 641/00 bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit daher nicht zu berücksichtigen sei (siehe Punkt 1.2 der Mitteilung). Dieser vorläufigen Ansicht der Kammer wurde von der Beschwerdeführerin nicht entgegnet.
Die bloße Darstellung von Informationen (d.h. hier durch eine Kurve) ist für sich genommen nicht-technisch. Eine alternative Form der Darstellung von Informationen, die auch bereits im Stand der Technik enthalten sind, macht dieses Merkmal ebenfalls nicht technisch. Ein nicht-technisches Merkmal könnte allerdings so mit anderen, technischen Merkmalen zusammenwirken, dass eine technische Wirkung entsteht (siehe T 603/89, Randziffer 2.5, bestätigt in G 1/04, Randziffer 5.3, und T 2276/15, Randziffer 3.2). Im gegenständlichen Fall ist der Kammer ein solches Zusammenwirken jedoch nicht ersichtlich und wurde von den Parteien auch nicht geltend gemacht. Die Ausführungen der Beschwerdeführerin erschöpfen sich vielmehr darin, aus dem Unterscheidungsmerkmal direkt eine Aufgabe abzuleiten und danach nachzuweisen, dass der Fachmann den durch E10 und E1 nachgewiesenen vorbekannten Stand der Technik nicht kombiniert hätte.
Die Kammer kann daher nur indirekt aus der von der Beschwerdeführerin formulierten Aufgabe ableiten, dass diese als technische Wirkung des Unterscheidungsmerkmals ansehen dürfte, dass die Einstellung der Reinigungsgrenze für Spleiße erleichtert werde.
Dem folgt die Kammer jedoch nicht. Das Unterscheidungsmerkmal besteht weder darin, dass eine zweite Reinigungsgrenze festgelegt wird, noch darin dass sie in dem Diagramm dargestellt wird. Beides ist aus E10 bereits bekannt, nämlich in Form von rot und grün gefüllten Quadraten, zwischen welchen diese, notwendigerweise im System hinterlegte Grenze verläuft. Das nachträgliche bessere Sichtbarmachen der genauen Position einer Grenze, die bereits vorab abgespeichert ist, kann die zu diesem Zeitpunkt bereits erfolgte Einstellung derselben nicht vereinfachen.
Die Parteien haben zu dem Punkt der mangelnden Technizität des Unterscheidungsmerkmals keine Argumente vorgetragen und haben auch der vorläufigen Ansicht der Kammer nicht entgegnet. Die Kammer sieht daher keinen Grund, von der in ihrer Mitteilung geäußerten Ansicht abzuweichen. Die Kammer bestätigt daher hiermit ihre Auffassung, dass das Merkmal, wonach die zweite Reinigungsgrenze in dem Diagramm als zweite Reinigungskurve dargestellt wird, bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht zu berücksichtigen ist.
Die weiteren Argumente der Parteien, die auf der Formulierung einer Aufgabe beruhen, welche auf das nicht-technische Merkmal gerichtet ist, sind folglich für die gegenständliche Entscheidung nicht relevant.
1.5 Mangels eines weiteren Unterscheidungsmerkmals beruht das Verfahren gemäß Anspruch 16 daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ. Der Hauptantrag ist somit nicht gewährbar.
2. Erster Hilfsantrag
Das Einführen des neuen abhängigen Anspruchs 14 beruht entgegen der Regel 80 EPÜ nicht auf einem Einspruchsgrund.
In ihrer Mitteilung äußerte die Kammer ihre Bedenken in Bezug auf Regel 80 EPÜ, nämlich ob das Einführen eines neuen abhängigen Anspruchs durch einen Einspruchsgrund veranlasst sei (siehe ebenfalls den zweiten Absatz in Punkt 2 der Mitteilung). Dieser vorläufigen Ansicht wurde von der Beschwerdeführerin nicht entgegen getreten.
Gemäß Regel 80 EPÜ können Änderungen am Text eines erteilten Patents während des Einspruchs- und Einspruchsbeschwerdeverfahrens nur dann als sachdienlich und erforderlich, und damit als zulässig, angesehen werden, wenn sie einen Einspruchsgrund nach Artikel 100 EPÜ ausräumen (siehe z.B. T 674/96, Punkt 3.10 der Entscheidungsgründe, oder T 340/10, Punkt 2.2 der Entscheidungsgründe).
Zwar könnte das Streichen des unabhängigen Anspruchs 16 (in der Nummerierung wie erteilt) als adäquate Reaktion auf einen Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit des darin beanspruchten Verfahrens angesehen werden. Dadurch, dass die Verfahrensschritte dieses gestrichenen Anspruchs jedoch als neuer, von den Ansprüchen 8 bis 13 und indirekt auch von Ansprüchen 1 bis 7 abhängiger Anspruch 14 neu hinzugefügt wurden, sind nun explizit Merkmalskombinationen beansprucht, die sich nicht aus den erteilten Ansprüchen ergeben. Das in Anspruch 14 beanspruchte Verfahren umfasst über die mehrfachen Rückbezüge sowohl Merkmale des im erteilten Anspruch 1 formulierten ersten Aspekts der automatischen Berechnung einer zweiten Reinigungsgrenze aus der ersten, als auch des im erteilten Anspruch 16 formulierten zweiten Aspekts der Darstellung der Parameter der Fehlstellen und Spleiße in Form einer Punktewolke. Eine derartige Kombination war nicht Gegenstand eines Anspruchs in erteilter Fassung. Das Einspruchsverfahren und das Einspruchsbeschwerdeverfahren sind nicht als Gelegenheit für die Patentinhaberin gedacht, durch die Aufnahme bislang nicht beanspruchter Ausführungsformen, die Formulierung ihrer Ansprüche zu verbessern.
Gleichzeitig ist diese Hinzufügung eines weiteren abhängigen Anspruchs aber auch nicht dazu geeignet, einen Einspruchsgrund gegenüber den Ansprüchen, von denen dieser direkt oder indirekt abhängig ist, auszuräumen, da diese unverändert sind. Der Einspruchsgrund der mangelnden erfinderischen Tätigkeit des Anspruchs 16 (wie erteilt) ist bereits durch dessen Streichung ausgeräumt. Auch im Hinblick auf diesen Einwand ist das Hinzufügen des abhängigen Anspruchs 14 daher weder sachdienlich noch erforderlich.
Die Änderung der Ansprüche durch das Hinzufügen des abhängigen Anspruchs 14 steht daher nicht im Einklang mit Regel 80 EPÜ. Der erste Hilfsantrag ist somit nicht gewährbar.
3. Zweiter Hilfsantrag
3.1 Ansprüche 1 und 12 entsprechen den Ansprüchen 16 und 20 des Hauptantrags. Die Kammer kommt daher zum selben Ergebnis wie hinsichtlich des Hauptantrags, wie auch bereits in der Mitteilung unter Punkt 3 erwähnt. Das darin beanspruchte Verfahren und die korrespondierende Vorrichtung beruhen nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, da die Unterscheidungsmerkmale nicht technischer Natur sind und bei der Bewertung der erfinderischen Tätigkeit außer Betracht bleiben. Der zweite Hilfsantrag ist somit ebenfalls nicht gewährbar.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.