European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2020:T076416.20201027 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 27 October 2020 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0764/16 | ||||||||
Anmeldenummer: | 10724704.1 | ||||||||
IPC-Klasse: | G05B19/19 G05B19/416 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verfahren und Vorrichtung zur Generierung eines variablen Bewegungsprofils für eine Antriebseinheit einer Maschine | ||||||||
Name des Anmelders: | Robert Bosch GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Siemens Aktiengesellschaft | ||||||||
Kammer: | 3.5.03 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (nein) Zulassung von nach der Ladung eingereichten Anspruchssätzen - Hilfsanträge 1 bis 5 (nein): eine von der Einschätzung der Einspruchsabteilung abweichende vorläufige Meinung ist kein "außergewöhnlicher Umstand" |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Der Einspruch der Einsprechenden gegen das vorliegende europäische Patent wurde mit der Entscheidung der Einspruchsabteilung nach Artikel 101 (2) EPÜ zurückgewiesen.
II. Die Einsprechende (Beschwerdeführerin) legte gegen diese Entscheidung Beschwerde ein. Sie begründete ihre Beschwerde u.A. mit Einwänden mangelnder erfinderischer Tätigkeit im Hinblick auf die folgenden Dokumente:
E1: US 2008/0203072 A1 und
E5: DE 100 65 422 A1.
III. Am 27. Oktober 2020 fand die mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.
- Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in vollem Umfang zu widerrufen.
- Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen (Hauptantrag) oder das Patent auf der Grundlage der Hilfsanträge 1 bis 4, eingereicht mit Schriftsatz vom 18. Juni 2020, oder Hilfsantrag 5 (bezeichnet als Annex 1 "Hilfsantrag 1") eingereicht während der mündlichen Verhandlung, aufrechtzuerhalten.
IV. Anspruch 1 des Streitpatents (Hauptantrag) hat den folgenden Wortlaut (mit der in der Einspruchsschrift verwendeten Merkmalsgliederung):
"1a) Verfahren zur Generierung eines variablen
Bewegungsprofils für eine Antriebseinheit einer
Maschine, das die folgenden Schritte umfasst:
1b) Vorbestimmen (102) einer Mehrzahl von
Randbedingungen, um das variable Bewegungsprofil
zu definieren,
1c) wobei eine Randbedingung eine bestimmte Bewegung
definiert, die von der Antriebseinheit ausgeführt
werden kann
1d) und mindestens eine der Randbedingung [sic] unter
Verwendung mindestens einer Variablen und/öder
[sic] einer Formelbeziehung definiert wird;
1e) Graphisches Darstellen (104) eines, auf der
Mehrzahl von Randbedingungen basierenden
Bewegungsprofils (322); und
1f) Abbilden (106) der Mehrzahl von Randbedingungen
auf einen Programmcode,
1g) wobei der Programmcode mindestens einen, der
Variablen zugeordneten Platzhalter und/oder ein
aufgelöstes Gleichungssystem der Formelbeziehung
umfasst,
1h) und wobei der Programmcode eingerichtet ist, die
Antriebseinheit (212) entsprechend dem variablen
Bewegungsprofil anzusteuern,
dadurch gekennzeichnet dass,
1i) im Schritt des graphischen Darstellens (104)
mindestens eine der Mehrzahl von Randbedingungen
verändert wird, um eine veränderte Mehrzahl von
Randbedingungen vorzubestimmen,
1j) wobei die veränderte Mehrzahl von Randbedingungen
auf den Programmcode abgebildet wird,
1k) wobei der Programmcode ausgebildet ist, um bei
seiner Ausführung, den mindestens einen
Platzhalter durch einen aktuellen Parameter zu
ersetzen
1l) und/oder ein Ergebnis des aufgelösten
Gleichungssystems der Formelbeziehung zu
berechnen, um ein aktuelles Bewegungsprofil für
die Antriebseinheit (212) zu generieren."
V. Anspruch 1 von Hilfsantrag 1 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags durch die Streichung des Ausdrucks "/oder" in dem Merkmal 1l.
VI. In Anspruch 1 von Hilfsantrag 2 wurde zudem in den Merkmalen 1d und 1g der Ausdruck "/oder" gestrichen.
VII. Anspruch 1 von Hilfsantrag 3 beruht auf Anspruch 1 des Hauptantrags und enthält das folgende zusätzliche Merkmal als erstes Merkmal des kennzeichnenden Teils:
"die mindestens eine Variable oder Formelbeziehung einer variablen Produkteigenschaft, Werkstückeigenschaft, und/oder Prozessgröße eines, von der Maschine handzuhabenden Produkts, Werkstücks
und/oder Prozesses zugeordnet ist, und ...".
VIII. Anspruch 1 von Hilfsantrag 4 enthält zusätzlich zu dem Merkmal von Anspruch 1 von Hilfsantrag 3 das folgende Merkmal, welches nach dem zusätzlichen Merkmal von Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 eingefügt wurde:
"die mindestens eine Variable einer Produktlänge, einem Produktdurchmesser, einem Druckmarkensensorwert oder einem Abstand zweier aufeinanderfolgender Produkte zugeordnet ist,".
IX. Anspruch 1 von Hilfsantrag 5 basiert auf Anspruch 1 von Hilfsantrag 3, wobei das zusätzliche Merkmal des Hilfsantrags 3 wie folgt geändert wurde (Streichungen hervorgehoben):
"die mindestens eine Variable oder Formelbeziehung einer variablen Produkteigenschaft, Werkstückeigenschaft, und/oder Prozessgröße eines, von der Maschine handzuhabenden Produkts, Werkstücks und[deleted: /oder] Prozesses zugeordnet ist, und ...".
Entscheidungsgründe
1. Das Streitpatent
Das Streitpatent betrifft ein Verfahren zur Generierung eines variablen Bewegungsprofils für eine Antriebseinheit einer Maschine wie beispielsweise einer Verpackungsmaschine, Druckmaschine, Textilmaschine oder Automatisierungsanlage. Üblicherweise wird für eine Anwendung der Maschine eine unveränderliche Bewegungsbahn festgelegt. Der dazu notwendige Programmcode wird manuell erstellt und bei einer Änderung der Bewegungsbahn angepasst. Diese Vorgehensweise hat einen hohen Entwicklungsaufwand zur Folge, der sich durch die manuelle Programmcodeerstellung und Anpassung ergibt. Zudem ist aufgrund der starren Bewegungsbahn eine geringe Flexibilität gegeben (siehe Absätze [0001] bis [0004] und [0011] des Streitpatents).
Gemäß dem Streitpatent werden Randbedingungen für die Bewegungsbahn einer Maschine vorgegeben, die mittels Variablen und Formelabhängigkeiten während des Entwicklungsstadiums, vor der eigentlichen Erstellung des Programmcodes, festgelegt werden. Damit wird das Grundschema des Bewegungsablaufs vordefiniert; Einzelbewegungen können jedoch variabel an aktuelle Problemstellungen angepasst werden, um beispielsweise Zeitpunkte, Geschwindigkeiten oder den Umfang einzelner Bewegungen zur Programmlaufzeit zu modifizieren. Damit kann laut der Patentschrift die Flexibilität der Maschine verbessert werden und die Bewegungsbahn beispielsweise an eine variable Produktlänge, Produktdurchmesser, Druckmarkensensorwert oder einen veränderlichen Abstand zweier aufeinanderfolgender Produkte angepasst werden. Zudem wird im Entwicklungsstadium ein grafisches Resultat der Bewegungsbahn dargestellt (siehe Absätze [0009] bis [0016], [0020], [0035] und [0041]).
2. Hauptantrag, erfinderische Tätigkeit
2.1 Die Kammer sieht E1 als geeigneten Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit im Hinblick auf den beanspruchten Gegenstand an.
E1 zeigt ein Verfahren zur Erzeugung der Bewegungsbahn eines Roboters, beispielsweise zum Schweißen oder Kleben. Der Roboterbewegungsbahn wird eine Pendelbewegung ("weaving movement") überlagert, welche vor Ausführung der Bewegung grafisch dargestellt werden kann. Ein Nutzer kann Parameter der Pendelbewegung beeinflussen und die geänderte Bewegungsbahn des Roboters anzeigen lassen. Anschließend werden die Parametereinstellungen in das Roboterprogramm übernommen (siehe Zusammenfassung und Absätze [0001], [0005] bis [0009], [0044] und [0045]).
2.2 Damit offenbart E1 alle Merkmale von Anspruch 1 außer dem Merkmal 1g und den alternativen, mit "und/oder" verknüpften Merkmalen 1k und 1l.
2.3 Die Beschwerdeführerin argumentierte, dass El in Absatz [0013] auch das Merkmal 1g zumindest implizit offenbare. Die Kammer kann dem nicht zustimmen, da ein Parameter der Pendelbewegung in E1 - nach seiner Festlegung durch den Benutzer - als fixer Parameter in dem Programmcode vorliegt und nicht, wie in Merkmal 1g spezifiziert wird, als ein "der Variablen zugeordneter Platzhalter".
2.4 Wie in der Patentschrift angegeben wird, kann durch die Merkmale von Anspruch 1 eine Bewegungsbahn der Maschine variabel an aktuelle Problemstellungen zur Programmlaufzeit angepasst werden (siehe Absatz [0014]).
2.5 Die Kammer sieht - in Übereinstimmung mit der Formulierung in der angefochtenen Entscheidung - die resultierende objektive technische Aufgabe darin, das Verfahren aus El so weiterzuentwickeln, "dass automatisch auf eventuelle Störungen oder Probleme reagiert werden kann, welche außerhalb des vorgegebenen Ablaufpfads liegen" (siehe Entscheidungsgründe, Punkt 6.7).
2.6 Das Dokument E5 betrifft ein Verfahren zur Erstellung und Optimierung flexibler Kurvenscheibenfunktionen mittels eines Steuerprogramms. E5 offenbart, dass Parameter der Kurvenscheibenfunktionen zur Laufzeit des Programmcodes aus dem Prozess ableitbar sind oder über eine Bedienoberfläche vorgegeben werden können. Hierdurch werde eine prozessadaptive Kurvenscheibenfunktionsgenerierung möglich, welche Vorteile im Hinblick auf Produktivität und Flexibilität der Maschine aufweist. Beispielhaft kann durch die adaptive Anpassung des Programmcodes auf Verschleißerscheinungen reagiert werden (siehe Absätze [0001], [0006] bis [0008], [0038] und Anspruch 21). E5 nimmt daher die Merkmale 1g und 1k von Anspruch 1 vorweg.
2.7 Die Beschwerdegegnerin stimmte in der mündlichen Verhandlung zwar der Formulierung der genannten technischen Aufgabe zu. Sie argumentierte aber, dass die Fachperson E1 nicht mit E5 kombinieren würde, da E1 die Koordination der Bewegung eines Roboters mit einem Schweißwerkzeug betreffe, wobei Kollisionsvermeidung hierbei ein wesentliches Erfordernis sei. Der in E1 erzeugte Programmcode sei daher statisch. Änderungen des Bewegungsablaufs zur Laufzeit wären ausgehend von E1 daher nicht wünschenswert. Zudem sei E1 auf Anwendungen gerichtet, bei denen kein Verschleiß auftreten könne, während E5 eine Rotationsmaschine und das Problem der Kompensation von Werkzeugverschleiß betreffe. Die Fachperson würde ausgehend von E1 bei Störungen oder Problemen vielmehr den Roboter stoppen und beispielsweise eine Neuprogrammierung durchführen.
2.8 Die Kammer sieht die Fachperson als Softwareprogrammierer auf dem Gebiet der Maschinensysteme an. Diese Fachperson weist neben Kenntnissen auf dem Gebiet der Robotik auch grundlegende Kenntnisse auf benachbarten Gebieten numerisch gesteuerter Produktionsmaschinen auf (siehe E5, Absatz [0001] und T 176/84, Leitsatz). Die Kammer stimmt zwar mit der Beschwerdegegnerin überein, dass in E1 lediglich ein statischer Programmcode erzeugt wird. Es ist jedoch auf dem Gebiet der Maschinensysteme allgemein wünschenswert, auf Störungen und Probleme im Programmablauf reagieren zu können. Dabei liegen die Nachteile der von der Beschwerdegegnerin genannten Alternativlösung ("Roboter stoppen und Neuprogrammierung durchführen") auf der Hand. Die Fachperson würde daher ausgehend von E1 Änderungen des Bewegungsablaufs zur Laufzeit ins Auge fassen. Da E5 auf die erhöhte Flexibilität und Produktivität durch die Realisierung von prozessadaptiven Bewegungsbahnen bereits hinweist, würde die Fachperson angesichts der oben genannten Aufgabenstellung die Merkmale 1g und 1k aus E5 übernehmen und somit in naheliegender Weise zur beanspruchten Lösung gelangen.
2.9 Damit beruht der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Hinblick auf E1 in Kombination mit E5 (Artikel 100 a) EPÜ in Verbindung mit Artikel 56 EPÜ).
3. Hilfsanträge 1 bis 5, Zulassung
3.1 Die Hilfsanträge 1 bis 4 wurden mit dem Schriftsatz der Beschwerdegegnerin vom 18. Juni 2020, d.h. nach der Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung vom 17. Januar 2020 eingereicht. Der Hilfsantrag 5 wurde erst während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 27. Oktober 2020 vorgelegt. Die Zulassung der Hilfsanträge 1 bis 5 unterliegt daher Artikel 13 (2) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern 2020 (VOBK 2020).
3.2 Gemäß Artikel 13 (2) VOBK 2020 bleiben Änderungen des Beschwerdevorbringens eines Beteiligten nach Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung grundsätzlich unberücksichtigt, es sei denn, der betreffende Beteiligte hat stichhaltige Gründe dafür aufgezeigt, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen.
Bei der Anwendung von Artikel 13 (2) VOBK 2020 können wiederum die Kriterien von Artikel 13 (1) VOBK 2020 herangezogen werden (siehe z.B. T 989/15, Gründe 16.2). Diese Kriterien beziehen sich unter Anderem auf die Prüfung, ob Änderungen des Beschwerdevorbringens der Verfahrensökonomie abträglich sind und ob sie bereits aufgeworfene Fragen ausräumen und hierbei keinen Anlass zu neuen Einwänden geben.
3.3 Die Beschwerdegegnerin argumentierte, dass die Beschwerde bereits vor vier Jahren eingereicht wurde, während die neue Verfahrensordnung erst Anfang 2020 in Kraft getreten sei. Die Verfahrensordnung der Beschwerdekammern in der revidierten Fassung von 2020 (VOBK 2020) sollte daher nicht für die Beurteilung der Zulassung der Hilfsanträge berücksichtigt werden. Die Nichtzulassung der Anträge würde zudem das rechtliche Gehör der Beschwerdegegnerin verletzen (Artikel 113 (1) EPÜ), da die Einspruchsabteilung den Einspruch zurückgewiesen hatte und die Beschwerdegegnerin somit nicht mit einer gegenteiligen Meinung der Kammer rechnen konnte.
3.3.1 Die revidierte Fassung der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern trat gemäß Artikel 24 (1) VOBK 2020 zum 1. Januar 2020 in Kraft. Sie ist auf alle Beschwerden anzuwenden, die am Tag des Inkrafttretens anhängig waren (Artikel 25 (1) VOBK 2020). Zudem trifft der Ausnahmetatbestand nach Artikel 25 (3) VOBK 2020 nicht zu, da die Ladung zur mündlichen Verhandlung vom 17. Januar 2020 datiert. Der Tag der Einreichung der Beschwerde ist nach diesen Rechtsvorschriften für die Anwendbarkeit des Artikels 13 (2) VOBK 2020 unerheblich.
3.3.2 Nach Ansicht der Kammer ist es zudem im Hinblick auf Artikel 13 (2) VOBK 2020 unerheblich, ob die in der Mitteilung nach Artikel 15 (1) VOBK 2020 geäußerte vorläufige Meinung der Kammer von der angefochtenen Entscheidung abweicht. Mit einer für die Beteiligten ungünstigen vorläufigen Meinung kann jederzeit in den Verfahren vor den Beschwerdekammern vor Verkündung der Entscheidung prinzipiell gerechnet werden (siehe auch T 752/16, Gründe 3.4).
3.3.3 Im Hinblick auf das Argument der Beschwerdegegnerin, dass ihr rechtliches Gehör durch die Nichtzulassung der Hilfsanträge verletzt würde (Artikel 113 (1) EPÜ), stellt die Kammer fest, dass die Beschwerdegegnerin während der mündlichen Verhandlung ausreichend Gelegenheit hatte, ihre Argumente zur Zulassung der Hilfsanträge 1 bis 5 unter Berücksichtigung der Vorschriften des Artikels 13 (2) VOBK 2020 in Verbindung mit Artikel 13 (1) VOBK 2020 vorzutragen.
3.4 Die Beschwerdegegnerin argumentierte zudem, dass der Gegenstand der Hilfsanträge 1 bis 5 eindeutig gewährbar sei, da die Anträge gegenüber dem Hauptantrag weiter eingeschränkt seien. Die Hilfsanträge 3 bis 5 würden insbesondere den Gegenstand der Ansprüche von E5 abgrenzen, da E5 auf die Kompensation von Verschleiß gerichtet sei, während die Erfindung den Einfluss von Produkteigenschaften berücksichtige.
3.4.1 Die Kammer stimmt mit der Beschwerdegegnerin überein, dass Anspruch 1 der Hilfsanträge 1 und 2 so zu interpretieren ist, dass er zwingend das in Anspruch 1 des Hauptantrags nur optional angegebene Merkmal 1l enthält. Der Anspruch ist daher auf ein Verfahren gerichtet, welches Randbedingungen auf einen Programmcode abbildet und der Programmcode ausgebildet ist, ein Ergebnis des Gleichungssystems der Formelbeziehung zu berechnen, um ein aktuelles Bewegungsprofil für die Antriebseinheit zu generieren.
3.4.2 Da sich das erstinstanzliche Verfahren auf Einwände im Hinblick auf das alternative Merkmal 1k konzentriert hat, enthält die angefochtene Entscheidung keine Auseinandersetzung mit Merkmal 1l. Es ist zudem fraglich, ob das Merkmal im Sinne des Anspruchswortlauts so zu interpretieren ist, dass ein Ergebnis des Gleichungssystems durch den Programmcode berechnet wird, oder ob - wie in Absatz [0043] des Streitpatents angegeben wird - die Umsetzung des Gleichungssystems in Programmcode während der automatischen Codegenerierung erfolgt. Die Berechnung des Ergebnisses des Gleichungssystems durch den Programmcode erscheint nur dann sinnvoll, wenn das Gleichungssystem einen Platzhalter im Sinne des Merkmals 1k enthält. Anspruch 1 enthält jedoch - zumindest explizit - keine solche Einschränkung.
3.4.3 Die Kammer und die Beschwerdeführerin sind daher durch die Vorlage der Hilfsanträge 1 und 2 nach Zustellung der Ladung mit neuen Sachverhalten konfrontiert, welche komplexe Fragen aufwerfen und gegebenenfalls bei Zulassung der Anträge eine Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung erforderlich machen würden. Die Änderungen der Hilfsanträge 1 und 2 sind somit der Verfahrensökonomie abträglich.
3.4.4 Die Hilfsanträge 3 bis 5 enthalten zusätzliche Merkmale, welche auf den Ansprüchen 5 und 6 des Streitpatents beruhen (siehe Punkte VII bis IX oben). Diese Anträge sowie die Argumentation der Beschwerdegegnerin werden so verstanden, dass sie jeweils auf eine prozessspezifische Adaption des Programmcodes gerichtet sind.
3.4.5 Diese Merkmale können jedoch nicht zu einer eindeutigen Gewährbarkeit der Anträge beitragen, da E5 bereits eine prozessadaptive Kurvenscheibengenerierung zeigt (siehe Absätze [0015], [0038], [0039] und Anspruch 21).
3.5 Die Kammer erachtet daher die von der Beschwerdegegnerin vorgebrachten Gründe nicht als stichhaltig und erkennt auch keine "außergewöhnlichen Umstände" im Sinne des Artikels 13 (2) VOBK 2020, welche die verspätete Vorlage der obigen Hilfsanträge rechtfertigen könnten.
3.6 Die Hilfsanträge 1 bis 5 wurden daher nicht in das Verfahren zugelassen (Artikel 13 (1) und (2) VOBK 2020).
4. Da keine zulässigen bzw. gewährbaren Anspruchssätze vorliegen, ist das Streitpatent zu widerrufen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.