European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2020:T008116.20200921 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 21 September 2020 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0081/16 | ||||||||
Anmeldenummer: | 07765117.2 | ||||||||
IPC-Klasse: | F41H7/04 F41H11/16 F41H7/02 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | GEPANZERTES UNTERSTÜTZUNGSFAHRZEUG | ||||||||
Name des Anmelders: | Rheinmetall Landsysteme GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | FFG Flensburger Fahrzeugbau Gesellschaft mbH Krauss-Maffei Wegmann GmbH & Co. KG |
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Kammer: | 3.2.03 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Ausreichende Offenbarung - Hauptantrag (nein) Ausreichende Offenbarung - Hilfsantrag (nein) Änderungen - zulässig Hauptantrag (ja) Änderungen - zulässig Hilfsantrag (nein) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Das europäische Patent EP-B1-2 044 383 (im Folgenden: das Patent) betrifft ein universales gepanzertes Unterstützungsfahrzeug für kombinierbare Aufgaben eines Berge-, Brückenlege-,Pionier- und/oder Minenräumfahrzeugs.
II. Gegen das erteilte Patent wurden zwei Einsprüche eingelegt, die auf die Gründe der Artikel 100 a), b) und c) EPÜ gestützt waren.
III. Die Einspruchsabteilung hat entschieden, das Patent zu widerrufen. Die Entscheidung über den Widerruf beruht auf der Ansicht der Einspruchsabteilung, dass der Einspruchsgrund nach Artikel 100 b) EPÜ einer Aufrechterhaltung des Patents wie erteilt entgegensteht. Weiterhin hat sie festgestellt, dass der Einspruchsgrund nach Artikel 100 b) EPÜ einer Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf Grundlage der Hilfsanträge 1 bis 9 entgegensteht und dass die Änderungen in Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 9 nicht die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ erfüllen.
IV. Gegen diese Entscheidung hat die Patentinhaberin (im Folgenden: die Beschwerdeführerin) Beschwerde eingelegt.
Sie beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache an die Einspruchsabteilung zur weiteren Prüfung der Einsprüche auf Grundlage der erteilten Ansprüche oder der Ansprüche eines der mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsanträge 1 bis 9 zurückzuverweisen.
Die Beschwerdegegnerinnen (die Einsprechende 1 und Einsprechende 2) beantragten, die Beschwerde zurückzuweisen.
V. In der als Anlage zur Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügten Mitteilung gemäß Artikel 15(1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern VOBK 2007 teilte die Kammer den Beteiligten ihre vorläufige Einschätzung des der Beschwerde zugrundeliegenden Sachverhalts mit.
VI. Im Schreiben vom 14. Januar 2020 ergänzte die Beschwerdegegnerin 2 ihre Argumente zu den im Ladungszusatz diskutierten Punkten.
VII. Mit Schreiben vom 10. März 2020 teilte die Beschwerdeführerin mit, dass sie an der mündlichen Verhandlung am 5. Mai 2020 nicht teilnehmen werde.
VIII. In der Mitteilung vom 23. April 2020 teilte die Kammer den Beteiligten mit, dass der anberaumte Termin zur mündlichen Verhandlung am 5. Mai 2020 wegen Corona-bedingten Einschränkungen des Beschwerdekammerbetriebs aufgehoben worden ist.
IX. Mit einer neuen Ladung zur mündlichen Verhandlung wurden die Beteiligten zu einer Verhandlung am 21. September 2020 geladen.
X. Mit Schreiben vom 5. August 2020 brachte zusätzlich auch die Beschwerdegegnerin 1 ergänzende Argumente zur mangelnden Ausführbarkeit vor.
XI. Eine mündliche Verhandlung fand am 21. September 2020 in Abwesenheit der Beschwerdeführerin gemäß Artikel 15(3) VBOK und Regel 115(2) EPÜ statt.
XII. Wortlaut der unabhängigen Ansprüche
a) Hauptantrag
Anspruch 1 einschließlich einer von der Beschwerdeführerin vorgeschlagenen Merkmalsgliederung lautet:
M1 "Universales Unterstützungsfahrzeug (1, 101, 201) für
kombinierbare Aufgaben eines Berge-, Brückenlege-, Pionier- und/oder Minenräumfahrzeuges, mit
M2 einem gemeinsamen modularen Chassis (4) zur Aufnahme
der Fahrgestellkomponenten, der Triebwerksmodule (44) und wenigstens einer Kraftstoffanlage (45), der Hydraulikeinheiten (47) und der jeweiligen Systemaufbauten (6, 106, 206),
M3 einer vom Fahrzeug (1, 101,201) abgekoppelten und in
sich geschlossenen Besatzungszelle (3, 203), welche wenigstens einen Dachausstieg (33) und/oder Heckausstieg (34) aufweist und die variierbar ist je nach Fahrzeugvariante,
M4 elektrischen, pneumatischen und/oder hydraulischen
Schnittstellen (46) im Innen- und Außenbereich des Chassis (4) zum Anschluss der jeweiligen auf bzw. im Chassis adaptierten Arbeitsgeräte (61, 62, 63, 64, 161, 164, 165, 261, 262) und Handarbeitsgeräte, wobei
M5 die Arbeitsgeräte (61, 62, 63, 64, 161, 164, 165, 261,
262) eine Baggeranlage, eine Dozeranlage, eine Windenanlage, eine Heckausrüstung, eine Krananlage, eine Bergeeinrichtung, eine Brückenlegeeinrichtung und / oder der gleichen zur Lösung der Aufgaben des Fahrzeuges (1, 101, 201) sind."
b) Hilfsantrag 1
Anspruch 1 entspricht dem Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag, wobei am Ende folgendes Merkmal M6a hinzugefügt wurde:
M6a "wobei die Heckausrüstung (64, 164) die Ausrüstungs-
komponenten (64a, 264a und/oder den Heckträger (64b, 164b) für die Werkzeugkisten (64c, 164c), die Baggerwerkzeuge (64d), das Gassenmarkierungsgerät (64e) und/oder die Konsole mit einem Ersatztriebwerk (164d) aufnimmt."
c) Hilfsantrag 2
Anspruch 1 entspricht dem Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag, wobei folgendes Merkmal M4a vor Merkmal M4 eingefügt wurde:
M4a "wobei in der Besatzungszelle (3, 103) eine
Luftaufbereitungsanlage (35) gegen ABC-Bedrohungen und/oder eine Mannschaftsraumklimatisierung (36) vorgesehen sind".
d) Hilfsantrag 3
Anspruch 1 entspricht dem Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag, wobei am Ende folgendes Merkmal M6b hinzugefügt wurde:
M6b "wobei die Besatzungszelle (3, 103), das Chassis (4)
und/oder die Haube (5) mit reaktiven und/oder aktiven Schutzmodulen und/oder mit Tarnkits ausgestattet werden kann, die die optische; IR- und Radarsignatur mindern oder stark abändern, wobei zusätzliche Luftverblechungen, Hinterlüftungen und Isolierungen für eine Abschirmung der heißen Abgase und Kühlluft zur Fahrzeugstruktur sorgen."
e) Hilfsantrag 4
Anspruch 1 entspricht dem Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag, wobei das Merkmal M5 um folgendes am Ende ergänzt wurde:
"nämlich:
für das Pionierfahrzeug Baggeranlage (61), Dozeranlage (62), Windenanlage (63) und/oder Heckausrüstung (64, 164),
für das Bergefahrzeug Bergeeinrichtung (165), Krananlage (161), Dozeranlage (62), Windenanlage (63) und/oder Heckausrüstung (64, 164),
für das Brückenlegefahrzeug Brückenlegeeinrichtung (261), Brückenlegemodule (262), Dozeranlage (62) und/oder Heckausrüstung (64, 164),
und für das Minenräumfahrzeug Krananlage (161), Minendurchbruchsystem, Windenanlage (63) und/oder Heckausrüstung (64, 164)."
f) Hilfsantrag 5
Anspruch 1 entspricht dem Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 4, wobei am Ende das Merkmal M6a hinzugefügt wurde.
g) Hilfsantrag 6
Anspruch 1 entspricht dem Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrags 4, wobei vor Merkmal M4 das Merkmal M4a hinzugefügt wurde.
h) Hilfsantrag 7
Anspruch 1 entspricht dem Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 4, wobei am Ende das Merkmal M6b hinzugefügt wurde.
i) Hilfsantrag 8
Anspruch 1 entspricht dem Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag, wobei das Merkmal M1 folgendermaßen geändert wurde:
"Universales Unterstützungsfahrzeug (1, 101, 201) für
kombinierbare Aufgaben eines Berge-, Brückenlege-, Pionier- [deleted: und/]oder Minenräumfahrzeuges, mit".
j) Hilfsantrag 9
Anspruch 1 entspricht dem Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 4, wobei das Merkmal M1 in Analogie zum Hilfsantrag 8 geändert wurde.
XIII. Das schriftsätzliche Vorbringen der Beschwerdeführerin lässt sich wie folgt zusammenfassen:
a) Hauptantrag
Eine Patentschrift richte sich an den Fachmann. Die in Anspruch 1 definierten Fahrzeugvarianten mit den entsprechend möglichen Arbeitsgerätekombinationen könnten vom Fachmann ohne weiteres nachgebaut werden, da ihm die jeweiligen Arbeitsgeräte und ihre Schnittstellen bekannt seien. Ferner offenbare das Patent drei Ausführungsformen, die auch in den Figuren dargestellt seien. Diese leiteten den Fachmann auch dazu an, weitere gemäß Anspruch 1 mögliche Fahrzeugvarianten nachzuarbeiten. Für einen Fachmann klar erkennbar technisch nicht realisierbare Varianten würden von ihm bei der Nacharbeitung nicht in Erwägung gezogen.
b) Hilfsanträge 1 bis 9
In Hinblick auf die Ausführbarkeit gelte für die Hilfsanträge 1 bis 9 die gleiche Argumentation wie für den Hauptantrag. Insbesondere Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 9 stelle klar, dass das Fahrzeug nur dazu geeignet sein müsse, die Aufgaben eines der genannten Fahrzeugtypen zu erfüllen, wobei zusätzlich für die einzelnen Fahrzeugtypen die Kombination der Werkzeuge definiert werde.
Die Änderungen in Anspruch 1 des Hilfsantrags 9 seien im Wesentlichen durch die Ausführungen in der Beschreibung gestützt, die die Fahrzeuge mit ihren jeweiligen Arbeitsgeräten offenbare. Die Verknüpfung der Arbeitsgeräte mittels "und/oder" beruhe auf der Offenbarung im ursprünglich eingereichten Anspruch 3.
XIV. Das schriftsätzliche und mündliche Vorbringen der Beschwerdegegnerinnen lässt sich folgendermaßen zusammenfassen:
a) Hauptantrag
Die Unbestimmtheit der kombinierbaren Aufgaben in Anspruch 1 des Patents und die entsprechend unbestimmte Anzahl der Arbeitsgerätekombinationen stünden einer Nacharbeitung der Erfindung durch den Fachmann über den ganzen beanspruchten Bereich entgegen.
Anspruch 1 umfasse eine Vielzahl möglicher Kombinationen von Fahrzeugen und Arbeitsgeräten. Das Patent offenbare nicht, wie jede der möglichen Aufgabenkombinationen und Arbeitsgerätekombinationen gemäß Anspruch 1 realisiert werden könne. Ein Fachmann benötige dafür unzumutbaren Aufwand, da sich bestimmte Arbeitsgerätekombinationen an einem Fahrzeug ohne jegliche Anleitung dazu auch von einem Fachmann nicht ohne weiteres umsetzen ließen. Er müsse dazu vielmehr selbst erfinderisch tätig werden, um alle möglichen Ausführungsformen gemäß Anspruch 1 zu realisieren.
b) Hilfsanträge 1 bis 9
In Bezug auf den Gegenstand der Hilfsanträge gelte im Wesentlichen die gleiche Argumentation wie in Hinblick auf den Hauptantrag. Zudem sei der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 9 nicht direkt und unmittelbar aus der ursprünglichen Anmeldung ableitbar.
Entscheidungsgründe
1. Artikel 100 b) EPÜ - Hauptantrag
1.1 Die Begründung in Punkt 2.2.1. der angefochtenen Entscheidung beruht auf der Ansicht der Einspruchs-abteilung, dass die Unbestimmtheit der kombinierbaren Aufgaben und die entsprechend unbestimmten Arbeitsgerätekombinationen gemäß Anspruch 1 des Patents einer Nacharbeitung der Erfindung durch den Fachmann über den ganzen beanspruchten Bereich entgegenstehe.
Die Kammer schließt sich dieser Ansicht der Einspruchsabteilung aus folgenden Gründen an.
1.2 Es ist unstreitig, dass die einzelnen in Anspruch 1 aufgelisteten Arbeitswerkzeuge dem Fachmann als solches bekannt sind und daher beispielsweise die in den Figuren des Patents dargestellten Fahrzeuge von einem Fachmann ohne Probleme nachgearbeitet werden können:
- ein in Absatz [0035] in Bezugnahme auf Figur 1
beschriebenes Pionierfahrzeug mit einer Baggeranlage
und einer Dozeranlage, das zudem eine Windenanlage
und eine Heckausrüstung aufweisen kann,
- ein in Absatz [0044] in Bezugnahme auf Figur 2
beschriebenes Bergefahrzeug, das eine Krananlage,
eine Dozeranlage, eine Windenanlage und eine
Heckausrüstung aufweisen kann bzw. gemäß Absatz
[0046] ein Minendurchbruchsystem anstelle einer
Dozeranlage aufweisen kann,
- ein in Absatz [0053] in Bezugnahme auf Figur 3
beschriebenes Brückenlegefahrzeug mit einer
Brückenverlegeeinrichtung (samt Brückenmodule) und
Dozeranlage.
1.3 Allerdings ist der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht auf ein bloßes Berge-, Brückenlege-, Pionier- oder Minenräumfahrzeug als solches gerichtet. Vielmehr wird gemäß Merkmal M1 im Oberbegriff des Anspruchs 1 ein universales Unterstützungsfahrzeug beansprucht, das dazu in der Lage ist, Aufgaben dieser unterschiedlichen Fahrzeugtypen in Kombination erledigen zu können.
Diese Auslegung von Anspruch 1 deckt sich mit den in Absatz [0025] des Patents dargestellten Vorteilen der Erfindung, wonach die Besatzung des universal einsetzbaren Fahrzeugs zur Durchführung aller Aufgaben im Fahrzeug verbleiben kann. Dabei soll es sich insbesondere um folgende Tätigkeiten handeln können:
"Erstellung von Gefechtsstellungen mit der Bagger- und Dozeranlage, Überwinden von Sperren, Herstellen einer Gasse im Minenfeld mit dem Minendurchbruchsystem, Bergen eines Schadenfahrzeuges mit der Gefechtsfeldbergeeinrichtung und das Verlegen von Brückenmodulen."
Anspruch 1 in seiner gesamten Breite umfasst daher gestützt durch die Angaben in der Beschreibung des Patents ein universales Fahrzeug, das eine beliebige Kombination von Aufgaben eines Berge-, Brückenlege-, Pionier- oder Minenräumfahrzeug übernehmen und daher auch die dafür erforderliche Arbeitsgerätekombination aufweisen können muss.
1.4 Auch wenn in Absatz [0025] einige der kombinierbaren Aufgaben umrissen werden, lässt es Anspruch 1 selbst offen, welche konkrete Aufgaben welchen Fahrzeugtyps miteinander kombiniert werden sollen.
Diese Unbestimmtheit der Aufgaben des universalen Unterstützungsfahrzeugs spiegelt sich auch in der möglichen Auswahl an Arbeitsgeräten gemäß Merkmal M5 wider, wonach eine Baggeranlage, eine Dozeranlage, eine Windenanlage, eine Heckausrüstung, eine Krananlage, eine Bergeeinrichtung, eine Brückenlegeeinrichtung und/oder dergleichen zur Lösung der Aufgaben des Fahrzeuges eingesetzt werden können.
1.5 Ein Fachmann mag zwar, wie von der Beschwerdeführerin argumentiert, dazu in der Lage sein, Fahrzeuge gemäß Anspruch 1 auf Grundlage der in den Figuren des Patents dargestellten Berge-, Brückenlege- und Pionierfahrzeuge nachzuarbeiten.
Anspruch 1 ist allerdings nicht nur auf die in den Figuren des Patents dargestellten Ausführungsformen gerichtet, er muss folglich in seiner ganzen Breite für einen Fachmann nacharbeitbar sein. Ein Fachmann muss also aufgrund der Offenbarung im Patent in Kombination mit seinem allgemeinen Fachwissen dazu in die Lage versetzt werden, ein universales Unterstützungsfahrzeug gemäß Anspruch 1 bereitzustellen, bei dem es sich nicht nur um ein einfaches in den Figuren des Patents dargestelltes Berge-, Brückenlege- und Pionierfahrzeug handelt, sondern das, wie von Anspruch 1 gefordert, anhand adäquater Arbeitsgeräte dazu geeignet ist, deren Aufgaben in Kombination zu übernehmen.
1.6 Obwohl gerade die Kombination der Aufgaben verschiedener Fahrzeugtypen in Form eines universalen Unterstützungsfahrzeugs gemäß Anspruch 1 die Erfindung darstellen soll, enthält das Patent keine technische Lehre, wie eine derartige Kombination von Aufgaben und Arbeitsgeräten über die ganze Anspruchsbreite realisiert werden kann.
Dem Patent ist beispielsweise nicht zu entnehmen, wie die Aufgaben eines Brückenlegefahrzeugs und eines Pionierfahrzeugs mit einem einzigen Universalfahrzeug gelöst werden können. Das Patent offenbart keinerlei technische Lehre für den Fachmann, wie ein derartiges Fahrzeug mit den für die zu lösenden Aufgaben üblicherweise erforderlichen Arbeitsgeräten, also einer Brückenverlegeeinrichtung und einer Kran- oder Baggeranlage, realisiert werden kann.
Mit den im Patent beschriebenen Ausführungsformen dieser Arbeitsgeräte ist eine Kombination der Arbeitsgeräte aufgrund der Dimensionierung und überragenden Ausgestaltung der Brückenverlege-einrichtung zumindest nicht ohne weiteres umsetzbar. Zur Nacharbeitung einer derartigen Ausführungsform wäre der Fachmann daher völlig auf sich gestellt und müsste mittels unzumutbarem Aufwand oder mittels erfinderischen Tätigwerden geeignete Bauformen und Schnittstellen entwickeln, so dass die Arbeitsgeräte in Kombination an einem Fahrzeug angebracht werden können.
1.7 Selbst wenn man Anspruch 1 entgegen seinem expliziten Wortlaut dahingehend interpretieren würde, dass die einzelnen gemäß Anspruch 1 möglichen Arbeitsgeräte nicht gleichzeitig am Fahrzeug angebracht sein müssen und das Fahrzeug gemäß den Ausführungen in Absatz [0008] des Patents modular aufgebaut sein kann, so lässt das Patent auch diesbezüglich nicht erkennen, wie dies von einem Fachmann ohne unzumutbaren Aufwand realisiert werden kann.
Die Anbringung verschiedenster Arbeitsgeräte am Chassis soll gemäß Absatz [0011] des Patents erst dadurch möglich geworden sein, dass für die verschiedenen Arbeitsgeräte gemeinsame Schnittstellen zum Chassis gefunden wurden. Dies wird auch von der Beschwerdeführerin auf Seite 4, zweiter Absatz der Beschwerdebegründung entsprechend festgestellt. Wie diese neu gefundenen gemeinsamen Schnittstellen ausgestaltet sind, die ja erst einen derartigen modularen Ausbau gemäß Patent ermöglichen, wird im Patent allerdings an keiner Stelle beschrieben. Daher fehlt auch für diese nach Anspruch 1 gegebenenfalls mögliche Ausgestaltungsform jegliche Anleitung, mit Hilfe derer das universal einsetzbare Unterstützungsfahrzeug von einem Fachmann ohne unzumutbaren Aufwand nachgearbeitet werden kann.
1.8 Die Beschwerdeführerin argumentiert weiterhin, dass ein Fachmann unter Berücksichtigung des allgemeinen Fachwissens eine gemäß Anspruch 1 theoretisch zwar mögliche, aber von vornherein nicht ohne weiteres technisch umsetzbare Kombination von Arbeitsgeräten nicht ernsthaft bei der Nacharbeitung in Betracht ziehen würde.
Dies ist in Hinblick auf die Figuren des Patents insofern nachvollziehbar, als dass ein Fachmann nicht ohne weiteres davon ausgehen würde, dass die in den Figuren 1 und 2 gezeigte Baggeranlage und Krananlage gleichzeitig an der gleichen Schnittstelle am Fahrzeug angebracht werden können und dass derartige Bagger- oder Krananlagen und eine in Figur 3 dargestellte Brückenverlegeeinrichtung aufgrund der überragenden Position der letzteren nicht ohne weiteres an einem Fahrzeug angebracht werden können.
Es ist allerdings kein technischer Grund erkennbar, der grundsätzlich eine bestimmte Kombination der in Anspruch 1 definierten Arbeitsgeräte an einem universalen Unterstützungsfahrzeug ausschließen würde. Vielmehr könnte ein Fachmann Arbeitsgeräte wie eine Brückenverlegeeinrichtung und eine Krananlage in angepasster Dimensionierung der einzelnen Arbeitsgeräte, aufgrund spezieller Bauformen oder ausfahrbarer Abstützelemente und dergleichen gegebenenfalls durchaus in Betracht ziehen und an unterschiedlichen Schnittstellen an einem Fahrzeug anzubringen versuchen.
Die in den Figuren des Patents dargestellten Fahrzeuge schränken das Verständnis des Lesers jedenfalls nicht derartig ein, dass ein Fachmann angesichts der Darstellungen bestimmte Arbeitsgerätekombinationen ungeachtet ihrer Dimensionierung und Ausführungsform von vornherein außer Betracht lassen würde. Zu einer deratigen Annahme gibt es keine erkennbare Veranlassung.
Folglich sind auch die Schlussfolgerungen in den von der Beschwerdeführerin zitierten Entscheidungen T292/85 und T1018/05, wonach ein Fachmann unmögliche Kombinationen in einem Anspruch nicht in Erwägung ziehen würde, für den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Ferner ist im vorliegenden Fall entgegen den Ausgangsvorrausetzungen der Entscheidung T292/85 gerade keine geeignete Variante bekannt, mittels der die Aufgabenkombinationen gemäß Anspruch 1 mit entsprechenden Arbeitsgerätekombinationen erzielt werden können.
1.9 Die Kammer kommt mithin zu dem Schluss, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag nicht über seine ganze Breite ausführbar ist. Der Einspruchsgrund nach Artikel 100 b) EPÜ steht einer Aufrechterhaltung des Patents wie erteilt folglich entgegen.
2. Artikel 100 b) EPÜ - Hilfsanträge 1 bis 3
Der Gegenstand von Anspruch 1 der Hilfsanträge 1 bis 3 unterscheidet sich von dem des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag jeweils dadurch, dass weitere Merkmale hinzugefügt wurden. Diese betreffen allerdings nicht die zur mangelnden Ausführbarkeit führende Unbestimmtheit der kombinierbaren Aufgaben und schränken auch die Kombinationsmöglichkeiten der Arbeitsgeräte nicht ein.
Daher gilt für die Hilfsanträge 1 bis 3 in Bezug auf die mangelnde Ausführbarkeit die gleiche Argumentation wie für den Hauptantrag.
3. Artikel 100 b) EPÜ - Hilfsanträge 4 bis 7
3.1 Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4 definiert jeweils mögliche Arbeitsgeräte für ein Pionier-, Berge-, Brückenlege- und Minenräumfahrzeug.
Allerdings ist Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 nicht nur auf ein derartiges Pionier-, Berge-, Brückenlege- und Minenräumfahrzeug als solches gerichtet, sondern auf ein universales Unterstützungsfahrzeug, das eine Kombination von Aufgaben erfüllen soll, für die üblicherweise die genannten Fahrzeuge eingesetzt werden.
Die Angaben zu den möglichen Arbeitsgeräten eines Pionier-, Berge-, Brückenlege- und Minenräumfahrzeugs ändern nichts daran, dass Anspruch 1 hinsichtlich der einzusetzenden Arbeitsgerätekombination unbestimmt ist.
Daher gilt auch für den Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 4 die in den obigen Punkten 1.6 und 1.7 dargelegte Argumentation, wonach das Patent nicht offenbart, wie alle gemäß Anspruch 1 möglichen Arbeitsgerätekombinationen von einem Fachmann ohne unzumutbaren Aufwand in dem beanspruchten Universalfahrzeug eingesetzt werden können.
3.2 Der jeweilige Gegenstand von Anspruch 1 der Hilfsanträge 5 bis 7 unterscheidet sich von dem des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 4 jeweils dadurch, dass weitere Merkmale hinzugefügt wurden. Diese betreffen ebenfalls nicht die Unbestimmtheit der kombinierbaren Aufgaben und schränken auch die gemäß Anspruch 1 möglichen Kombinationsmöglichkeiten der Arbeitsgeräte nicht ein.
Daher gilt für Hilfsanträge 5 bis 7 in Bezug auf die mangelnde Ausführbarkeit die gleiche Argumentation wie für Hilfsantrag 4.
4. Artikel 100 b) EPÜ - Hilfsantrag 8
Anspruch 1 entspricht im Wesentlichen dem Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag, wobei in Bezug auf die zu lösenden Aufgaben lediglich klargestellt wurde, dass es sich um kombinierbare Aufgaben eines Berge-, Brückenlege-, Pionier- oder Minenräumfahrzeuges handelt.
Diese Änderung hat allerdings keinerlei Auswirkung darauf, dass ein Fachmann auf sich gestellt ist, um alle gemäß Merkmal M5 möglichen Arbeitsgeräte-kombinationen an einem Universalfahrzeug zu realisieren, das gemäß Anspruch 1 weiterhin kombinierbare Aufgaben der genannten Fahrzeugtypen zu lösen hat.
Daher gilt die in den obigen Absätzen 1.6 und 1.7 dargelegte Argumentation in gleicher Art und Weise auch für den Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 8.
5. Artikel 123(2) EPÜ - Hilfsantrag 9
5.1 Im Vergleich zu Anspruch 1 des Hauptantrags wurde Anspruch 1 des Hilfsantrags 9 unter anderem dahingehend geändert, dass für das Berge-, Brückenlege-, Pionier- und Minenräumfahrzeug die jeweils möglichen Arbeitsgeräte angegeben werden. Dabei sind die einzelnen genannten Arbeitsgeräte jedes Fahrzeugtyps mittels "und/oder" verknüpft.
Gemäß dem Wortlaut in Anspruch 1 können die einzelnen Fahrzeuge daher aufgrund dieser "und/oder"-Verknüpfung nur eines der genannten Arbeitsgeräte aufweisen oder jegliche Kombination davon.
Eine derartige Ausführungsform für jeden der in Anspruch 1 aufgelisteten Fahrzeugtypen wird von der ursprünglichen Anmeldung nicht offenbart. Dies wird im Folgenden anhand des Bergefahrzeugs exemplarisch im Detail erläutert.
5.2 Der geänderte Anspruch 1 definiert als Arbeitsgeräte
"für das Bergefahrzeug [eine] Bergeeinrichtung (165), Krananlage (161 ), Dozeranlage (62), Windenanlage (63) und/oder Heckausrüstung (64, 164)".
Das Bergefahrzeug kann also entweder nur ein Arbeitsgerät, ausgewählt aus der angegebenen Gruppe von Arbeitsgeräten, aufweisen, oder aber eine beliebige Kombination dieser Geräte.
5.3 Auf Seite 3, Zeilen 1 bis 3 der Anmeldung wird diesbezüglich offenbart, dass die Systemaufbauten eines Bergefahrzeugs aus einer Krananlage, einer Räum- und Stützanlage, einer Windenanlage und einer Gefechtsbergeeinrichtung bestehen.
Diese Kombination von Systemaufbauten (Arbeitsgeräten) entspricht weder der in Anspruch 1 definierten Kombination von Arbeitsgeräten, noch lässt sich aus dieser Offenbarung unmittelbar ableiten, dass ein Bergefahrzeug auch lediglich eines der genannten Arbeitsgeräte oder beliebige Kombinationen davon aufweisen kann.
5.4 Weiterhin offenbart die Anmeldung auf Seite 7 im fünften Absatz in Bezug auf das Bergefahrzeug:
"Auf dem Chassis 4 sind die Systemaufbauten 106 adaptierbar. Dieses sind bei einem Bergefahrzeug 101 eine Krananlage 161, die Dozeranlage 62. Im Chassis 3 sind die Windenanlage 63 und auf dem Heck die Heckausrüstung 164 integriert. Am Heck des Fahrzeuges 101 (1) ist zum Abschleppen von Schadfahrzeuges eine Gefechtfeldbergeeinrichtung 165 vorgesehen. Die hydraulische Leistung für die Arbeitsgerät 161, 62, 63, 165 etc. wird von der triebwerksseitig angetriebenen Hydraulikanlage 46 im Chassis 4 erzeugt."
Auch dieser Absatz offenbart nicht, dass ein Bergefahrzeug nur eines der genannten Arbeitsgeräte oder beliebige Kombinationen davon aufweisen kann, sondern offenbart lediglich eine Kombination der Arbeitsgeräte.
Zudem wird auf Seite 7 der Anmeldung eine Position der Arbeitsgeräte definiert, wonach die Kran- und Dozeranlage auf dem Chassis, die Windenanlage im Chassis und die Heckausrüstung auf dem Heck angebracht sind. Diesbezüglich sind in Anspruch 1 keinerlei Angaben zu finden.
5.5 Die in Anspruch 1 durch die Verknüpfung "und/oder" definierten alternativen Arbeitsgerätekombinationen werden entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin auch nicht durch den ursprünglich eingereichten Anspruch 3 offenbart, da Anspruch 3 entsprechend Merkmal M5 nur allgemein angibt, welche Arbeitsgeräte möglicherweise in dem Unterstützungsfahrzeug eingesetzt werden können. Angaben darüber, welche Arbeitsgeräte konkret für ein Bergefahrzeug vorgesehen sind, können aus Anspruch 3 wie ursprünglich eingereicht nicht abgeleitet werden.
5.6 Die in Anspruch 1 hinzugefügte Definition der Arbeitsgeräte für das Bergefahrzeug stellt folglich eine unzulässige Verallgemeinerung der Lehre der ursprünglichen Anmeldung dar.
5.7 Für die in Anspruch 1 weiterhin definierten Arbeitsgerätekombinationen für ein Brückenlege-, Pionier- und Minenräumfahrzeug findet sich in Analogie zu den Ausführungen in Bezug auf das Bergefahrzeug ebenfalls keine entsprechende Offenbarung in den ursprünglich eingereichten Anmeldeunterlagen.
5.8 Die Änderungen in Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 9 gehen daher über den Offenbarungsgehalt der ursprünglichen Anmeldung hinaus und erfüllen nicht das Erfordernis des Artikels 123(2) EPÜ.
6. Da folglich kein gewährbarer Anspruchssatz vorliegt, hat die Beschwerde keinen Erfolg.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.