T 1561/15 () of 24.6.2020

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2020:T156115.20200624
Datum der Entscheidung: 24 Juni 2020
Aktenzeichen: T 1561/15
Anmeldenummer: 07400032.4
IPC-Klasse: A61M16/00
A61M16/12
G09B23/28
A61H31/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Vorrichtung und Verfahren zur Abgabe von Sauerstoff im Rahmen einer Reanimation
Name des Anmelders: WEINMANN Emergency Medical Technology GmbH + Co. KG
Name des Einsprechenden: Drägerwerk AG & Co. KGaA
Kammer: 3.2.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54 (2007)
European Patent Convention Art 56 (2007)
European Patent Convention Art 83 (2007)
European Patent Convention Art 84 (2007)
European Patent Convention Art 108 (2007)
European Patent Convention Art 110 (2007)
European Patent Convention Art 111(1) (2007)
European Patent Convention Art 123(2) (2007)
European Patent Convention R 99(2) (2007)
European Patent Convention R 101(1) (2007)
RPBA2020 Art 011 (2020)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12(2) (2007)
RPBA2020 Art 012(3) (2020)
RPBA2020 Art 013(1) (2020)
RPBA2020 Art 013(2) (2020)
Schlagwörter: Neuheit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Ausreichende Offenbarung - (ja)
Patentansprüche - Klarheit (ja)
Änderungen - unzulässige Erweiterung (nein)
Zulässigkeit der Beschwerde - Beschwerde hinreichend begründet (nein)
Spät eingereichter Antrag - Rechtfertigung für späte Vorlage (ja)
Zurückverweisung an die erste Instanz - (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 1117/16
T 2344/16

Sachverhalt und Anträge

I. Sowohl die Patentinhaberin als auch die Einsprechende haben Beschwerde eingelegt gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das streitgegenständliche Patent in geändertem Umfang auf der Basis des Hilfsantrags (eingereicht in der mündlichen Verhandlung) aufrecht zu erhalten.

II. Die mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer fand am 24. Juni 2020 statt. Bezüglich des Verlaufs der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll verwiesen.

III. Die endgültigen Anträge der Parteien lauten wie folgt:

Die Patentinhaberin beantragt, die Entscheidung aufzuheben und das Patent in geändertem Umfang auf der Basis des während der mündlichen Verhandlung einge-reichten Hauptantrags (eingereicht als "Hilfsantrag 3A") aufrecht zu erhalten.

Die Einsprechende beantragt, die Entscheidung aufzu-heben und das Patent zu widerrufen, sowie die Beschwer-de der Patentinhaberin zurückzuweisen.

IV. Die folgenden Dokumente sind für die vorliegende Entscheidung von Bedeutung:

E1: WO 00/20061

E3: US-A-2006/0111749

E8: EP-A-1 369 144

V. Anspruch 1 des Hauptantrags lautet wie folgt:

"Vorrichtung zur Vergabe von Zeittakten für einen Helfer bestehend aus einer Steuereinrichtung, die an mindestens einen Spannungsgenerator angeschlossen ist, welcher mit mindestens einer Elektrode verbindbar ist, und die mit einer sauerstoffleitenden Verbindung mit einer Sauerstoffquelle, einem Sauerstoffventil und einem Sauerstoffausgang sowie mindestens einem Signalgeber versehen ist, der zur Ausgabe akustischer und/oder visueller Signale ausgebildet ist, dadurch gekennzeichnet, dass die Vorrichtung als Teil eines Defibrillators ausgebildet ist, dass die Elektrode zur Durchführung einer Defibrillation ausgebildet ist, dass der Spannungsgenerator zur Erzeugung einer für die Durchführung einer Defibrillation geeigneten Spannung ausgebildet ist und dass der Signalgeber dem Helfer getaktete Signale für eine optimale Frequenz zur Herzdruckmassage vorgibt, wobei nach einer fest vorgegebenen Anzahl an ersten Signalen, dem Helfer eine fest vorgegebene Anzahl an zweiten Signalen vorgegeben wird, den Patienten mit einer fest vorgegeben Anzahl an Atemzügen zu ventilieren und wobei in den durch das Gerät vorgegebenen Beatmungsphasen durch die Steuerung die Sauerstoffgabe freigeschaltet wird."

VI. Anspruch 14 des Hauptantrags lautet wie folgt:

"Verfahren zur Vergabe von Zeittakten für einen Helfer unter Verwendung der Vorrichtung nach Patentanspruch 1, das Verfahren bestehend aus mindestens zwei Phasen, wobei die erste Phase, Herzdruckmassage-Phase, und die zweite Phase, Beatmungsphase, verschiedene Zeitdauern besitzen können, wobei die Phasen jeweils durch fest vorgebbare Frequenzen an akustischen und/oder visuellen Signalen gekennzeichnet sind und bei dem Sauerstoff von der Sauerstoffquelle über das Sauerstoffventil an den Sauerstoffausgang abgegeben werden kann, dadurch gekennzeichnet, dass das Verfahren vom Defibrillator durchgeführt wird und dass in mindestens einer Phase eine Sauerstoffabgabe höher als in den übrigen Phasen ist und dass eine Steuerung des Defibrillators eine Sauerstoffabgabe in Beatmungsphasen freischaltet."

VII. Die Argumente der Einsprechenden zu den für die Ent-scheidung relevanten Punkten lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Zulässigkeit der Beschwerde der Patentinhaberin

In der Beschwerdebegründung behaupte die Patentinhaberin lediglich, dass die Entscheidung der Einspruchsabteilung falsch sei und gehe so gut wie gar nicht auf diese Entscheidung ein. Daher erfülle die Beschwerdebegründung nicht die durch Regel 99(2) EPÜ vorgegebenen Anforderungen.

Zulassung des neuen Hauptantrags der Patentinhaberin und Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung

Es lägen keine Gründe vor, die das verspätete Einrei-chen des neuen Hauptantrags rechtfertigten. Da der ge-änderte Anspruch 14 von der Einspruchsabteilung noch nicht geprüft worden sei, müsse die Sache im Falle der Zulassung des Hauptantrags an die Einspruchsabteilung zur weiteren Entscheidung zurückverwiesen werden.

Unzulässige Erweiterung

Die drei im Verlauf des Einspruchsverfahrens in An-spruch 1 hinzugefügten Merkmale

1.3 die Vorrichtung ist als Teil eines Defibrillators ausgebildet,

1.4 die Elektrode ist zur Durchführung einer Defibrillation ausgebildet, und

1.5 der Spannungsgenerator ist zur Erzeugung einer für die Durchführung einer Defibrillation geeigneten Spannung ausgebildet seien in der ursprünglichen Anmeldung nicht offenbart.

Das Merkmal 1.3 sei so zu verstehen, dass die Vorrich-tung eingerichtet sei, um mit einem Defibrillator gekoppelt zu werden. Der ursprünglichen Anmeldung entnehmbar sei aber lediglich die Kombination eines Defibrillators, der einen integrierten Gasdruckbehälter enthalte, mit einer Vorrichtung zur Vergabe von Zeit-takten, die keine Sauerstoffquelle umfasse (Absatz [0019] der A1-Schrift).

Eine mit dem Spannungsgenerator verbindbare Elektrode, die zur Defibrillation eines Patienten verwendet werden solle, sei in der Beschreibung der ursprünglichen An-meldung nicht erwähnt. Der Zweck der in Absatz [0031] erwähnten Elektroden sei nicht erwähnt, und diese Elektroden seien nicht mit dem Spannungsgenerator ver-bunden, sondern mit der Steuerung (Figur 1).

Es sei ferner nicht offenbart, dass der Spannungs-generator der Vorrichtung zur Erzeugung einer für die Durchführung einer Defibrillation geeigneten Spannung ausgebildet sei, wie in Merkmal 1.5 gefordert. Man könne den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen lediglich entnehmen, dass der Defibrillator, der nach Verständnis des Fachmanns üblicherweise eine eigene Spannungsver-sorgung habe, zur Erzeugung einer solchen Spannung ausgebildet sei.

Das Merkmal 1.8 "wobei in den durch das Gerät vorge-gebenen Beatmungsphasen durch die Steuerung die Sauer-stoffgabe freigeschaltet wird", das bereits im Prü-fungsverfahren hinzugefügt wurde, sei in der Kombina-tion mit den übrigen Merkmalen von Anspruch 1 nicht ursprünglich offenbart. Ein nicht näher spezifiziertes Gerät für die Sauerstoffabgabe sei zwar in der Be-schreibung erwähnt (Absätze [0022] und [0024]), aber nicht eine Kombination aus diesem Gerät und der Vorrichtung aus Anspruch 1.

Die im Anspruch 14 hinzugefügten Merkmale "unter Ver-wendung der Vorrichtung nach Patentanspruch 1" und "vom Defibrillator" seien nicht in Kombination ursprünglich offenbart. Außerdem sei den ursprünglichen Anmeldungs-unterlagen nicht zu entnehmen, dass eine Steuerung des Defibrillators eine Sauerstoffabgabe freischalte.

Daher erfüllten die in den Ansprüchen 1 und 14 vorge-nommenen Änderungen nicht die Erfordernisse des Arti-kels 123(2) EPÜ.

Klarheit

Es sei nicht klar, ob der an die Steuereinrichtung angeschlossene Spannungsgenerator zum Gegenstand des Anspruchs 1 gehöre. Es sei ferner unklar, wie das Merkmal 1.5 zu verstehen sei, da die Spannung zur Durchführung einer Defibrillation üblicherweise nicht durch den Spannungsgenerator, sondern durch den Defibrillator geliefert werde.

Darüber hinaus sei unklar, ob die im Anspruch 1 er-wähnte Sauerstoffquelle ein Bestandteil der Vorrichtung oder des Defibrillators sei, oder ob sie gar nicht von Anspruch 1 umfasst sei.

Ebenso sei nicht klar, ob die zur Durchführung einer Defibrillation ausgebildete Elektrode zum beanspruchten Gegenstand gehöre.

Aus der Formulierung "wobei die Vorrichtung als Teil eines Defibrillators ausgebildet ist", müsse man schließen, dass auch der Defibrillator nicht Gegenstand von Anspruch 1 sei.

Also fehle es dem Anspruch an der erforderlichen Klarheit, da sich aus den gewählten Formulierungen der einzelnen Merkmale nicht ergebe, ob lediglich eine Vorrichtung zur Vergabe von Zeittakten, die wahlweise mit einem Defibrillator gekoppelt werden kann, unter Schutz gestellt werden solle oder ein Defibrillator mit einer solchen Vorrichtung.

Schließlich sei unklar, wie es sich mit dem in Merkmal 1.8 erwähnten Gerät verhalte, das mit der beanspruchten Vorrichtung in keinerlei Verbindung stehe.

Anspruch 14 erfülle ebenfalls nicht die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ, da nicht klar sei, ob das Ver-fahren von der Vorrichtung nach Anspruch 1 oder vom Defibrillator durchgeführt wird.

Ausreichende Offenbarung der Erfindung

Die Erfindung wie in den Ansprüchen 1 und 14 definiert sei nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen könne, da aus der Beschrei-bung nicht hervorgehe, ob die Erfindung eine Vorrich-tung zur Vergabe von Zeittakten sei oder ein Defibril-lator mit einer solchen Vorrichtung. Es sei weiterhin nicht ersichtlich, welche der im Anspruch 1 erwähnten Elemente zum Defibrillator und welche zur Vorrichtung gehörten und welche separate Komponenten seien.

Unklar sei weiterhin, ob die in Anspruch 1 erwähnten ersten und zweiten Signale gleich oder verschieden seien von den getakteten Signalen für eine optimale Frequenz zur Herzdruckmassage (HDM).

Schließlich werde dem Fachmann kein Hinweis gegeben, wie das Verfahren nach Anspruch 14 durchgeführt werden solle, ob es also unter Verwendung der Vorrichtung aus Anspruch 1 oder durch den Defibrillator durchgeführt werden solle.

Die Erfordernisse des Artikels 83 EPÜ seien daher nicht erfüllt.

Neuheit

Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei nicht neu gegenüber E1.

E1 offenbare ein System und ein Verfahren zur Beatmung eines Patienten in Kombination mit einer Herzdruck-massage (Abstract und Seite 1, Zeilen 21 bis 23). Hierzu würden dem Helfer Zeittakte vorgegeben, und zwar durch ein Metronommodul (Seite 22, Zeile 37 bis Seite 23, Zeile 3) und ein Display des Beatmungsgeräts (Seite 21, Zeilen 13 bis 16 und Seite 9, Zeilen 2 bis 4).

Insbesondere sei offenbart, dass dem Helfer eine fest vorgegebene Anzahl an ersten Signalen zur HDM vorge-geben werde (Seite 4, Zeilen 15 bis 18) und dass im Anschluss die Beatmungsvorrichtung aktiviert werde (Seite 4, Zeilen 18 bis 26, und Seite 7, Zeile 36 bis Seite 8, Zeile 5), um periodisch Beatmungsluft in die Lunge des Patienten zu liefern (Seite 12, Zeilen 36 bis 38, und Seite 13, Zeilen 6 bis 8). Damit sei auch ein vorbestimmtes Beatmungsintervall mit einer vorbestimm-ten Anzahl an Beatmungshüben bzw. -takten offenbart.

Ob die im Anspruch 1 genannte optionale Elektrode zur Durchführung einer Defibrillation geeignet sei, sei für die Frage der Schutzfähigkeit des Anspruchs nicht relevant, da sie lediglich mit dem Spannungsgenerator verbindbar sein müsse.

Ferner könne die Spannungsquelle der E1 (rechargeable battery) eine Spannung zur Verfügung stellen, die als Eingangsspannung für einen Defibrillator geeignet sei. Somit sei Merkmal 1.5 ebenfalls offenbart.

Da das Merkmal 1.3 lediglich bedeute, dass die Vorrichtung ausgestaltet sein müsse, um als Teil eines Defibrillators verwendet werden zu können oder mit diesem gekoppelt werden zu können, könne auch dieses Merkmal nicht zur Einschränkung des Gegenstandes von Anspruch 1 herangezogen werden, um sich vom Stand der Technik abzugrenzen.

Analog sei auch der Gegenstand des Anspruchs 14 nicht neu, da E1 auch ein Verfahren zur Vergabe von Zeittakten für einen Helfer offenbare, bei dem die Zeittakte aus zwei Phasen, nämlich der HDM-Phase (Seite 22, Zeile 37, bis Seite 23, Zeile 3) und der Beatmungsphase (Seite 21, Zeilen 13 bis 16), bestünden und durch fest vorgegebene Frequenzen an akustischen oder visuellen Signalen gekennzeichnet seien (Seite 4, Zeilen 22 bis 26). Da dem Patienten nur in der Beatmungsphase Sauerstoff zugeführt werde, sei das Merkmal, wonach in mindestens einer Phase die Sauerstoffabgabe höher ist als in den übrigen Phasen, auch offenbart.

E1 offenbare also alle im Anspruch 14 wie erteilt enthaltenen Merkmale.

Die im Anspruch 14 neu hinzugefügten Merkmale könnten die Patentfähigkeit des Anspruchs auch nicht begründen.

Erfinderische Tätigkeit

Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruhe gegenüber einer Kombination von E1 mit E8 oder E3 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Ausgehend von E1 habe der einzige Schritt darin bestan-den, die Vorrichtung zur Anordnung in einem Defibril-lator auszubilden. Da Defibrillatoren mit Beatmungsein-richtungen aus dem in der Beschreibung des Streit-patents (Absätze [0002] und [0003]) genannten Stand der Technik sowie aus E8 (Zusammenfassung und Absätze [0001] bis [0006]) und E3 (Absätze [0004] bis [0006] und [0015]) bekannt seien, könne dieser Schritt nicht als erfinderisch angesehen werden.

Ebenso sei der Gegenstand des Anspruchs 14 gegenüber einer Kombination von E1 mit E8 oder E3 nicht erfin-derisch.

Der Schritt, das Verfahren so auszubilden, dass es von einem Defibrillator durchgeführt werden kann, sei mit Blick auf die in der E8 beschriebene Lösung nahelie-gend. Außerdem offenbare E3 zusätzlich zu den wesent-lichen Merkmalen des erteilten Anspruchs 14 Defibril-latoren zusammen mit Reanimationsverfahren.

VIII. Die entscheidungsrelevanten Argumente der Patent-inhaberin lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Zulässigkeit der Beschwerde der Patentinhaberin

Es sei in der Beschwerdebegründung, mit der die Auf-rechterhaltung des Patents wie erteilt beantragt worden sei, erläutert worden, dass der Gegenstand der An-sprüche 1 und 14 des Patents wie erteilt entgegen der Meinung der Einspruchsabteilung gegenüber dem Stand der Technik neu sei. Es seien die wesentlichen Merkmale der Ansprüche aufgelistet worden, und es sei erklärt wor-den, dass diese nicht in E1 offenbart sind. Daher sei die Beschwerde ausreichend begründet.

Zulassung des neuen Hauptantrags der Patentinhaberin und Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung

Der neue Hauptantrag sei als Reaktion auf den von der Kammer erstmals in der mündlichen Verhandlung erhobenen Einwand einer unerlaubten Zwischenverallgemeinerung im Anspruch 14 eingereicht worden. Es lägen daher die in Artikel 13(2) VOBK 2020 genannten außergewöhnlichen Umstände vor.

Besondere Gründe, die gemäß Artikel 11 VOBK 2020 eine Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung erforder-lich machen könnten, lägen nicht vor.

Unzulässige Erweiterung

Die Formulierung "die Vorrichtung ist als Teil eines Defibrillators ausgebildet" sei technisch gleichwertig zu der Formulierung "ein Defibrillator mit einer Vorrichtung...". Ein Spannungsgenerator, der zur Erzeugung einer für die Durchführung einer Defibril-lation geeigneten Spannung ausgebildet sei, und eine Elektrode, die zur Durchführung einer Defibrillation ausgebildet sei, seien in den Absätzen [0002] und [0003] der ursprünglichen Beschreibung offenbart. Ein Defibrillator mit einer Sauerstoffeinheit und einem Signalgeber sei in den Absätzen [0019] und [0021] offenbart. Daher enthalte der Anspruch 1 keine unzu-lässige Erweiterung.

Da das erfindungsgemäße Verfahren nach Anspruch 14 unter Verwendung der Vorrichtung nach Anspruch 1 durch-geführt werde, sei auch dieser Anspruch nicht unzuläs-sig erweitert. Insbesondere sei im Absatz [0018] der ursprünglichen Beschreibung offenbart, dass eine Steuerung des Defibrillators eine Sauerstoffabgabe in Beatmungsphasen freischalte. Anspruch 14 erfülle somit ebenfalls die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ.

Klarheit

Die in Anspruch 1 beanspruchte Vorrichtung sei als Teil eines Defibrillators definiert, wodurch klar sei, dass der Spannungsgenerator zu diesem Defibrillator gehöre und es keinen weiteren Spannungsgenerator gebe.

Ebenso sei aufgrund der Formulierung "...mit einer Sauerstoffquelle (...) versehen ist" klar, dass die Sauerstoffquelle Teil des beanspruchten Gegenstands sei.

Da das in Anspruch 14 definierte Verfahren von der Vorrichtung nach Anspruch 1 durchgeführt werde und diese ein Teil des Defibrillators sei, sei auch dieser Anspruch klar.

Die Ansprüche 1 und 14 erfüllten somit die Erforder-nisse des Artikels 84 EPÜ.

Ausreichende Offenbarung

Unter Berücksichtigung der Grundkenntnisse des Fach-mannes sei die Erfindung derart umfassend offenbart, dass der Fachmann sie ausführen könne.

Neuheit

Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei neu gegenüber E1, da die Ausgabe von Taktsignalen für die Beatmungsphase in E1 nicht offenbart sei.

Daher sei ebenso der Gegenstand des Anspruchs 14 neu gegenüber E1.

Erfinderische Tätigkeit

Durch die Ausgabe von Taktsignalen für die Beatmung zusätzlich zu den Taktsignalen für die Herzdruckmassage würde der Ersthelfer entlastet, da er leicht wahrnehm-bare und leicht nachzuarbeitende Signale für diese bei-den Tätigkeiten erhalte. Dies könne für den Patienten lebensrettend sein.

Da die Vorgabe von Taktsignalen für die Beatmung aus keinem der zitierten Dokumente bekannt sei oder nahe-gelegt werde, beruhe der Gegenstand der Ansprüche 1 und 14 auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Entscheidungsgründe

1. Zulässigkeit der Beschwerde der Patentinhaberin

1.1 Eine zulässige Beschwerde ist eine prozedurale Voraus-setzung für die Prüfung der Beschwerde (Artikel 110 EPÜ). Die Frage der Zulässigkeit einer Beschwerde im Hinblick auf deren ausreichende Begründung richtet sich nach Artikel 108 und Regel 99(2) EPÜ. Gemäß Regel 99(2) EPÜ hat der Beschwerdeführer in der Beschwerdebegrün-dung darzulegen, aus welchen Gründen die angefochtene Entscheidung aufzuheben ist und auf welche Tatsachen und Beweismittel er seine Beschwerde stützt.

1.2 Der Beschwerdeführer sollte die Entscheidung der Einspruchsabteilung in der Beschwerdebegründung so angreifen, dass die Beschwerdekammer ohne eigene Ermittlungen erkennen kann, warum die Entscheidung aufgehoben werden sollte. Dies setzt seitens des Beschwerdeführers einen schlüssigen Sachvortrag im Hinblick auf alle die Entscheidung tragenden Gründe voraus.

1.3 Diese Erwägungen spiegeln sich auch in Artikel 12(2) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK 2007) wider, der aufgrund der Übergangsbestimmungen in Artikel 25(2) der revidierten Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK 2020) hier anzuwenden ist:

"Die Beschwerdebegründung und die Erwiderung müssen den vollständigen Sachvortrag eines Beteiligten enthalten. Sie müssen deutlich und knapp angeben, aus welchen Gründen beantragt wird, die angefochtene Entscheidung aufzuheben [...] und sollen ausdrücklich und spezifisch alle Tatsachen, Argumente und Beweismittel anführen...".

In der revidierten Verfahrensordnung der Beschwerde-kammern (VOBK 2020) ist diese Bestimmung in beinahe identischer Form in Artikel 12(3) enthalten.

1.4 Im vorliegenden Fall hat die Einspruchsabteilung fest-gestellt, dass der Gegenstand des Anspruchs 14 des Patents wie erteilt nicht neu sei, da die Merkmalskom-bination von Anspruch 14 in E1 offenbart sei (angefoch-tene Entscheidung, Seite 5 und erster Absatz auf Seite 6). Dabei hat die Einspruchsabteilung auf die Ansprüche 1 bis 4 sowie auf eine Reihe von Textstellen in der Beschreibung verwiesen, die von der Einsprechenden zitiert worden waren.

Die Beschwerdebegründung, in der die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Aufrechterhaltung des Patents wie erteilt beantragt wurde, enthält diesbezüg-lich lediglich die Behauptung "Der Fachmann würde die entsprechenden Passagen von Dokument E1 nicht im Sinne der vorliegenden Erfindung interpretieren, so dass die Neuheit gegeben ist." Diese Aussage lässt nicht erken-nen, welche Merkmale die Neuheit begründen oder warum diese Merkmale im Vergleich zu E1 neu sein sollen. In Ermangelung eines substantiierten Sachvortrages der Patentinhaberin könnte die Kammer daher nur mutmaßen, welches Merkmal oder welche Merkmale nach Auffassung der Patentinhaberin die Neuheit herzustellen geeignet sind.

1.5 Auf die Argumentation der Einspruchsabteilung in der angegriffenen Entscheidung wird in der Beschwerdebe-gründung nicht eingegangen. Insbesondere stellt die Patentinhaberin keinerlei Kausalzusammenhang zwischen der angeblichen Unrichtigkeit der angefochtenen Ent-scheidung und ihrer in der Beschwerdebegründung getä-tigten Behauptungen her.

1.6 Die vorliegende Beschwerdebegründung genügt aus den oben angeführten Gründen nicht den in Regel 99 (2) EPÜ angeführten Anforderungen. Deshalb kommt die Kammer zu dem Schluss, dass die durch die Patentinhaberin einge-reichte Beschwerdebegründung unzureichend ist. Demnach ist die Beschwerde der Patentinhaberin gemäß Regel 101 (1) EPÜ als unzulässig zu verwerfen.

2. Gegenstand der Erfindung

Gegenstand der Erfindung gemäß Hauptantrag ist eine Vorrichtung (Anspruch 1) und ein Verfahren (Anspruch 14) zur Vergabe von Zeittakten für einen Helfer, um ihm für die Versorgung eines Patienten im Falle eines Herzstillstandes Signale für eine Herzdruckmassage (HDM) und eine anschließende Beatmung vorzugeben. Dabei wird zunächst eine fest vorgegebene Anzahl von akustischen oder visuellen Signalen in einer optimalen Frequenz zur HDM vorgegeben. Danach gibt der Signalgeber eine zweite Anzahl von Signalen zur Beat-mung aus. Die Ventilation erfolgt über ein Beatmungs-ventil, das über ein Mundstück für den Helfer und einen seitlichen Eingangsstutzen für den Anschluss an eine Sauerstoffquelle verfügt. Die Luft des Helfers mischt sich mit dem aus dem Eingangsstutzen strömenden Sauer-stoff und gelangt über eine Maske zum Patienten. Üblicherweise werden 30 Signale zur HDM vorgegeben und zwei Signale für die Beatmung.

Die Vorrichtung, die als Teil eines Defibrillators aus-gebildet ist, besteht aus einer Steuereinrichtung, die an einen Spannungsgenerator angeschlossen ist, und die mit einer sauerstoffleitenden Verbindung mit einer Sauerstoffquelle, einem Sauerstoffventil und einem Sauerstoffausgang sowie einem Signalgeber versehen ist (Figur 1, rechts oben). In den Beatmungsphasen, d.h. wenn die Signale zur Beatmung vorgegeben werden, wird durch die Steuerung die Sauerstoffgabe freigeschaltet (Figur 3). Der Spannungsgenerator ist mit einer Elek-trode zur Defibrillation verbindbar.

Anspruch 14 bezieht sich auf ein Verfahren zur Vergabe von Zeittakten unter Verwendung der Vorrichtung nach Anspruch 1, wobei das Verfahren aus mindestens zwei, durch fest vorgebbare Frequenzen an akustischen und/oder visuellen Signalen gekennzeichneten Phasen be-steht, wobei die erste Phase, HDM-Phase, und die zweite Phase, Beatmungsphase, verschiedene Zeitdauern haben können. Bei dem Verfahren kann Sauerstoff von einer Sauerstoffquelle über ein Sauerstoffventil an einen Sauerstoffausgang abgegeben werden, wobei das Verfahren vom Defibrillator durchgeführt wird, in mindestens einer Phase die Sauerstoffgabe höher als in den übrigen Phasen ist und eine Steuerung des Defibrillators eine Sauerstoffabgabe in Beatmungsphasen freischaltet.

3. Zulassung des neuen Hauptantrags und Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung

3.1 Die Zulassung des in der mündlichen Verhandlung einge-reichten neuen Hauptantrags ins Beschwerdeverfahren steht im Ermessen der Kammer (Artikel 13 (1) und (2) VOBK 2020).

Während der mündlichen Verhandlung erhob die Kammer im Hinblick auf Anspruch 14 des Hilfsantrags 3, der der von der Einspruchsabteilung aufrecht erhaltenen Fassung des Patents entsprach, den Einwand, dass dieser gegen die Voraussetzungen von Artikel 123(2) EPÜ verstoße. Im Detail erklärte die Kammer, dass gemäß der ursprünglich offenbarten Ausführungsform das Verfahren vom Defibrillator durchgeführt wird, von dem die in Anspruch 1 beanspruchte Vorrichtung ein Teil ist, und nicht von irgendeinem Defibrillator, wie in Anspruch 14 des Hilfsantrags 3 definiert. Das während des Ein-spruchsverfahrens hinzugefügte Merkmal "das Verfahren wird von einem Defibrillator durchgeführt" enthalte daher eine unzulässige Zwischenverallgemeinerung.

Der neue Hauptantrag (eingereicht als Hilfsantrag 3A) unterscheidet sich vom Hilfsantrag 3 darin, dass im Anspruch 14 das Merkmal hinzugefügt wurde, das Ver-fahren werde "unter Verwendung der Vorrichtung nach Anspruch 1" durchgeführt. Der Ausdruck "von einem Defibrillator" wurde ersetzt durch "vom Defibrillator".

Da die Kammer den Einwand einer unerlaubten Zwischen-verallgemeinerung erstmalig während der mündlichen Verhandlung vorbrachte, liegen die in Artikel 13(2) VOBK 2020 genannten außergewöhnlichen Umstände vor. Wie von der Patentinhaberin aufgezeigt, stellt die Anspruchsänderung eine direkte Reaktion auf den vor-stehenden Einwand nach Artikel 123(2) EPÜ dar. Des weiteren erschien der neue Antrag der Kammer als prima facie gewährbar, weil er den Einwand auszuräumen schien, ohne neue Fragen aufzuwerfen.

Die Kammer kam in der mündlichen Verhandlung daher zum Schluss, den Hauptantrag in das Beschwerdeverfahren zuzulassen.

3.2 Gemäß Artikel 11 VOBK 2020 soll eine Kammer die Ange-legenheit nur dann zur weiteren Entscheidung an das Organ, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, zurückverweisen, wenn besondere Gründe dafür sprechen.

Im vorliegenden Fall wurde das Patent mit der angefoch-tenen Entscheidung in geänderter Fassung auf der Basis des Hilfsantrags 3 aufrecht erhalten. Dabei wurden alle Erfordernisse des EPÜ von der Einspruchsabteilung ab-schließend erörtert, die auch für die Beurteilung des neuen Hauptantrags relevant sind.

Die Kammer sieht keine besonderen Gründe, die für eine Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung sprechen würden. Daher hält sie es insbesondere auch im Hinblick auf die gebotene Verfahrensökonomie für sachdienlich und sinnvoll, von dem ihr in Artikel 111 (1) EPÜ und Artikel 11 VOBK 2020 eingeräumten Ermessen dahingehend Gebrauch zu machen, die von der Einsprechenden vorge-brachten Einwände selbst zu prüfen und zu entscheiden.

4. Unzulässige Erweiterung

4.1 Die Kammer ist der Ansicht, dass die im Einspruchsver-fahren durchgeführten Änderungen der Ansprüche gemäß Hauptantrag den Erfordernissen von Artikel 123 (2) EPÜ entsprechen.

4.2 Die von der Einsprechenden im Hinblick auf Anspruch 1 vorgebrachten Argumente beruhen auf der Annahme, dass das Merkmal 1.3 "die Vorrichtung ist als Teil eines Defibrillators ausgebildet" so zu verstehen sei, dass die Vorrichtung eine eigenständige Einheit sei, die dazu eingerichtet sei, mit einem Defibrillator gekop-pelt werden zu können.

Die Kammer kann sich dieser Auslegung nicht anschlie-ßen. In den Absätzen [0019] und [0021] der Beschreibung der ursprünglichen Anmeldungsunterlagen ist eine Aus-führungsform beschrieben, bei der ein Defibrillator über eine Sauerstoffeinheit und einen Signalgeber ver-fügt, der dem Helfer die im Anspruch 1 erwähnten getak-teten Signale vorgibt. Die Sauerstoffeinheit, zu der nach dem Verständnis der Kammer die im Anspruch defi-nierte Sauerstoffquelle, die sauerstoffleitende Ver-bindung, das Sauerstoffventil und der Sauerstoffaus-gang gehören, und der Signalgeber sind also Teile des Defibrillators.

Im Hinblick auf das oben erwähnte Merkmal 1.3 ist es aus Sicht der Kammer nicht erforderlich, dass die Komponenten der beanspruchten Vorrichtung als eigen-ständige Einheit vorliegen, die mit einem ebenfalls eigenständigen Defibrillator gekoppelt werden kann.

Somit ist der im Anspruch definierte Spannungsgenerator nicht etwa ein Teil einer als eigenständig anzusehenden Vorrichtung, das lediglich zur Energieversorgung der Vorrichtung dient, wie von der Einsprechenden vermutet.

Vielmehr ist die Kammer der Ansicht, dass der im Anspruch definierte Spannungsgenerator der in einem Defibrillator unabdingbar vorhandene und in Absatz [0003] der Beschreibung erwähnte Spannungsgenerator zur Durchführung der Defibrillation ist, der üblicherweise mit einer Elektrode zur Durchführung einer Defibril-lation verbunden werden kann. Daher sind auch die Merkmale 1.4 und 1.5 der ursprünglichen Beschreibung unmittelbar und eindeutig zu entnehmen.

4.3 Die Einsprechende argumentiert weiter, dass das Merkmal 1.8 "wobei in den durch das Gerät vorgegebenen Beat-mungsphasen durch die Steuerung die Sauerstoffgabe freigeschaltet wird" in der Kombination mit den übrigen Merkmalen des Anspruchs 1 nicht ursprünglich offenbart sei.

Da dieses Merkmal bereits im Prüfungsverfahren hinzuge-fügt wurde, Artikel 100(c) EPÜ nicht als Einspruchs-grund im Einspruchsverfahren geltend gemacht worden war und die Patentinhaberin der Prüfung dieses neuen Ein-spruchsgrundes nicht zugestimmt hat, muss dieser Einwand zurückgewiesen werden.

4.4 Im Anspruch 14 des Hauptantrags wurde das Merkmal hinzugefügt, dass das Verfahren "unter Verwendung der Vorrichtung nach Anspruch 1" durchgeführt wird. Der Ausdruck "von einem Defibrillator" wurde ersetzt durch "vom Defibrillator". Dadurch wurde spezifiziert, dass das Verfahren nicht von irgendeinem beliebigen Defibrillator durchgeführt wird, sondern von dem Defibrillator, von dem die in Anspruch 1 definierte Vorrichtung ein Teil ist. Dies ist der ursprünglichen Beschreibung unmittelbar und eindeutig zu entnehmen (Absatz [0021]). Der von der Kammer im Hinblick auf den Hilfsantrag 3 erhobene Einwand einer unzulässigen Zwischenverallgemeinerung ist daher ausgeräumt.

Darüber hinaus ist im Absatz [0018] der ursprünglichen Beschreibung offenbart, dass eine Steuerung des Defi-brillators eine Sauerstoffabgabe in Beatmungsphasen freischaltet. Der Auffassung der Einsprechenden, dieses Merkmal sei nicht ursprünglich offenbart, kann daher nicht gefolgt werden.

5. Klarheit

5.1 Die Kammer vertritt die Auffassung, dass der Gegenstand der Ansprüche gemäß Hauptantrag deutlich im Sinne des Artikels 84 Satz 2 EPÜ definiert ist.

5.2 Die von der Einsprechenden vorgebrachten Argumente befassen sich im Wesentlichen mit der Frage, welche Merkmale vom Anspruchsgegenstand umfasst sind. Dabei beziehen sich einige Einwände nicht auf Mängel, die eine Folge der nach der Patenterteilung vorgenommenen Änderungen sein könnten. Dies betrifft z.B. die Frage, ob der Spannungsgenerator, die Sauerstoffquelle und die Elektrode zum Anspruchsgegenstand gehören, aber auch den Einwand bezüglich des Merkmals 1.8. Da mangelnde Klarheit (Artikel 84 EPÜ) nicht zu den in Artikel 100 EPÜ genannten Einspruchsgründen zählt, können diese Einwände nicht berücksichtigt werden.

5.3 Nach Ansicht der Kammer kommt es auch durch die im Ein-spruchsverfahren neu hinzugefügten Merkmale nicht zu einem Verstoß gegen die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ.

Die in Anspruch 1 beanspruchte Vorrichtung ist als Teil eines Defibrillators definiert, wodurch deutlich ge-macht wird, dass der Spannungsgenerator der in einem Defibrillator unabdingbar vorhandene Spannungsgenerator ist, der üblicherweise zur Erzeugung einer für die Durchführung einer Defibrillation geeigneten Spannung ausgebildet ist. Ebenso ist klar, dass die mit diesem Spannungsgenerator verbindbare (und nicht zum An-spruchsgegenstand gehörende) Elektrode zur Durchführung einer Defibrillation ausgebildet ist.

Ebenso geht aus Anspruch 14 deutlich hervor, dass das Verfahren von dem Teil des Defibrillators durchgeführt wird, der die Vorrichtung nach Anspruch 1 bildet.

6. Ausreichende Offenbarung der Erfindung

Die unter diesem Punkt erhobenen Einwände beschäftigen sich mit der Frage, was genau durch die Ansprüche 1 und 14 unter Schutz gestellt werden soll. Dies ist aber nicht eine Frage der ausreichenden Offenbarung, sondern der Klarheit, und als solche schon unter Punkt 5. behandelt worden.

Aus Sicht der Kammer erhält der Fachmann in der Beschreibung genügend Informationen, um die Vorrichtung nach Anspruch 1 und das Verfahren nach Anspruch 14 unter Verwendung der Vorrichtung nach Anspruch 1 ausführen zu können (Absätze [0021] und [0024]).

7. Neuheit

7.1 Anspruch 1 erfordert, dass die Vorrichtung als Teil eines Defibrillators ausgebildet ist.

Wie oben erläutert teilt die Kammer die Auffassung der Einsprechenden nicht, dies bedeute lediglich, dass die Vorrichtung ausgestaltet sein müsse, um als Teil eines Defibrillators verwendet werden zu können oder mit diesem gekoppelt werden zu können. Vielmehr ist die Kammer der Ansicht, dass in Anspruch 1 ein Teil eines Defibrillators beansprucht wird.

7.2 E1 offenbart ein System zur Beatmung in Zusammenhang mit einer Herz-Lungen-Wiederbelebung (Abstract), jedoch keinen Defibrillator, also auch keine Vorrichtung, die als Teil eines Defibrillators ausgebildet ist.

Folglich offenbart E1 auch nicht, dass der Spannungs-generator zur Erzeugung einer für die Durchführung einer Defibrillation geeigneten Spannung ausgebildet ist und dass er mit einer Elektrode zur Durchführung einer Defibrillation verbunden werden kann.

Die Kammer stimmt der Einsprechenden zu, dass das in E1 beschriebene System einen Signalgeber (Metronom-Modul) enthält, der dem Helfer getaktete Signale für eine Herzdruckmassage vorgeben kann (Seite 22, Zeile 37 bis Seite 23, Zeile 3). Im Anschluss an die Herzdruck-massage, d.h. nachdem eine festgelegte Anzahl von Kom-pressionen vom System gezählt wurde, wird der Patient vom Beatmungsgerät in festgelegten Takten automatisch beatmet (Seite 19, Zeilen 24 bis 32). Dabei ist eine Interaktion des Helfers jedoch nicht vorgesehen, im Unterschied zur vorliegenden Erfindung, bei der der Helfer die Beatmung über das Mundstück des Beatmungs-ventils durchführt, während zusätzlich Sauerstoff zugeführt wird.

E1 offenbart zwar, dass der Beginn der jeweiligen Beatmungshübe auf dem Display des Beatmungsgeräts angezeigt wird (Seite 21, Zeilen 13 bis 14). Das dient aber lediglich der Information des Helfers. Das Metronom gibt dem Helfer keine Signale vor, die ihm verdeutlichen, wann und mit welcher Frequenz er die Ventilation vornehmen soll. Dies ist aufgrund der automatischen Beatmung durch das System eben gar nicht erforderlich. Folglich offenbart E1 nicht, dass dem Helfer eine fest vorgegebene Anzahl an zweiten Signalen vorgegeben wird, den Patienten mit einer fest vorge-gebenen Anzahl an Atemzügen zu ventilieren.

7.3 Daher ist der Gegenstand des Anspruchs 1 im Hinblick auf E1 neu.

7.4 Auch der Gegenstand des Anspruchs 14 wird von E1 nicht vorweggenommen. Da E1 nicht die Vorrichtung nach Anspruch 1 offenbart, ist folglich auch kein Verfahren offenbart, das unter Verwendung dieser Vorrichtung vom Defibrillator durchgeführt wird und bei dem eine Steuerung des Defibrillators die Sauerstoffabgabe freischaltet. Darüber hinaus offenbart E1, wie oben erläutert, nicht die zweite Phase von Zeittakten, also die Beatmungsphase.

7.5 Der Gegenstand des Anspruchs 14 ist daher ebenfalls neu gegenüber E1.

8. Erfinderische Tätigkeit

8.1 Die in E1 offenbarte Vorrichtung und das entsprechende Verfahren stellt den nächstliegenden Stand der Technik für die Ansprüche 1 und 14 dar.

8.2 Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich von der in E1 beschriebenen Vorrichtung unter anderem da-durch, dass der Signalgeber dem Helfer nach einer fest vorgegebenen Anzahl an ersten Signalen für die Herz-druckmassage eine fest vorgegebene Anzahl an zweiten Signalen für die Beatmung vorgibt.

Der Gegenstand des Anspruchs 14 unterscheidet sich von dem in E1 beschriebenen Verfahren unter anderem da-durch, dass die Zeittakte in zwei Phasen (Herzdruck-massage-Phase und Beatmungsphase) mit jeweils fest vorgebbaren Frequenzen vergeben werden.

8.3 Diese unterscheidenden Merkmale haben den Effekt, dass dem Helfer, der in einer Notfallsituation sowohl eine Herzdruckmassage als auch eine anschließende Beatmung vornehmen soll, deutlich wahrnehmbare und leicht zu befolgende Signale für eine sukzessive Durchführung beider Tätigkeiten vorgegeben werden.

Die objektive Aufgabe gegenüber E1 kann darin gesehen werden, den Ersthelfer insbesondere beim Übergang von der Herzdruckmassage zur Beatmung zu entlasten und Fehler zu vermeiden.

8.4 Die Kammer ist der Auffassung, dass die beanspruchte Lösung im Hinblick auf den von der Einsprechenden genannten Stand der Technik nicht naheliegend ist.

E3 offenbart, ähnlich wie E1, ein System zur Herz-Lungen-Wiederbelebung in einem Notfall (Abstract). Hierbei können dem Helfer Instruktionen zur Herzdruck-massage am Patienten vorgegeben werden (Absatz [0071]). Auch die Frequenz einer anschließenden Beatmung kann dem Helfer auf einem Display angezeigt werden (Absatz [0078]). Jedoch offenbart E3 nicht, dass diese Instruk-tionen aus getakteten Signalen bestehen, die in zwei Phasen vorgegeben werden. Eine Kombination von E1 und E3 würde also nicht zu den beanspruchten Gegenständen führen und diese auch nicht nahelegen.

E8 bezieht sich auf eine mobile Einheit zur Notfallbe-handlung eines Patienten, die einen Defibrillator und eine Beatmungseinrichtung umfasst (Zusammenfassung). Instruktionen für einen Helfer werden nicht erwähnt, und somit auch keine getakteten Signale für eine Herz-druckmassage oder die Beatmung. Daher offenbart E8 auch nicht die oben genannten unterscheidenden Merkmale der Ansprüche 1 und 14 und kann demzufolge den erfindungs-gemäßen Gegenstand nicht nahelegen.

8.5 Die Einsprechende geht von der Annahme aus, dass ausgehend von E1 der einzige Schritt darin bestanden habe, die Vorrichtung zur Anordnung in einem Defibril-lator auszubilden, da die Merkmale, die sich auf die zweiten Signale beziehen, bereits in E1 offenbart seien.

Dieser Auffassung kann sich die Kammer aus den unter Punkt 8.2 genannten Gründen nicht anschließen. Die Argumente der Einsprechenden laufen also ins Leere.

8.6 Der Gegenstand der Ansprüche 1 und 14 beruht somit auf einer erfinderischen Tätigkeit im Hinblick auf den entgegengehaltenen Stand der Technik (Artikel 56 EPÜ).

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent in geändertem Umfang mit folgender Fassung aufrechtzuerhalten:

- Patentansprüche 1-20, eingereicht in der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer;

- Beschreibung Spalten 1-6, eingereicht in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung;

- Zeichnungen Figuren 1-3, eingereicht in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung.

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