T 0990/15 () of 16.9.2019

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2019:T099015.20190916
Datum der Entscheidung: 16 September 2019
Aktenzeichen: T 0990/15
Anmeldenummer: 07785984.1
IPC-Klasse: B65D 81/32
B01F 15/02
B01F 5/10
B01F 15/06
A45D 44/00
G06Q 30/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: VERFAHREN UND SYSTEM ZUM HERSTELLEN EINES KOSMETISCHEN ARTIKELS
Name des Anmelders: Lecas, David
Name des Einsprechenden: Barbot, Willy
Beiersdorf AG
Kammer: 3.2.07
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 52(2)(c)
European Patent Convention Art 52(3)
European Patent Convention Art 113(1)
European Patent Convention Art 114
European Patent Convention R 115(2)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 15(1)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 15(3)
Schlagwörter: Beschwerdeentscheidung - Prüfungsumfang
Mündliche Verhandlung - Fernbleiben von der mündlichen Verhandlung
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0007/91
G 0008/91
G 0009/91
T 1704/06
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende 02) hat gegen die Entscheidung, mit der die gegen das europäische Patent Nr. 2 038 189 gerichteten Einsprüche zurückgewiesen wurden, Beschwerde eingelegt.

II. Die Beschwerdeführerin beantragte,

die angefochtene Entscheidung aufzuheben und

das Patent zu widerrufen.

III. Der Beschwerdegegner (Patentinhaber) beantragte abschließend,

bei Aufhebung der angefochtenen Entscheidung das Patent in geänderter Fassung auf der Basis des während der mündlichen Verhandlung als Hilfsantrag 9 eingereichten Anspruchssatzes mit Ansprüchen 1 bis 4, entsprechend Ansprüchen 6 bis 9 des Patents in der erteilten Fassung, nebst angepasster Beschreibung und Figuren der Patentschrift aufrechtzuerhalten.

IV. Der Einsprechende 01 als weiterer Verfahrensbeteiligter beteiligte sich nicht am Beschwerdeverfahren. Insbesondere stellte er keinen Antrag und trug auch nicht zur Sache vor.

V. Der unhabhängige Anspruch 1 des Hilfsantrags 9 entspricht dem Anspruch 6 des Patents in der erteilten Fassung und lautet wie folgt:

"System mit einer Vorrichtung zum Herstellen von kosmetischen Artikeln und wenigstens einer Verpackungseinheit,

wobei die Verpackungseinheit, insbesondere eine Kapsel (33), zur Herstellung von kosmetischen Artikeln eine Außenumhüllung und vorzugsweise mehrere voneinander durch Wandungen der Verpackungseinheit getrennte Aufnahmeräume (34) aufweist, wobei in dem oder jedem Aufnahmeraum (34) eine vorbemessene Menge wenigstens eines kosmetischen Inhaltsstoffes (12) enthalten ist zur Herstellung eines kosmetischen Produkts durch einen Endverbraucher und wobei die in der Verpackungseinheit enthaltenen Inhaltsstoffe (12) exakt zur Herstellung einer haushaltsüblichen Menge eines kosmetischen Produkts bemessen sind und die in der wenigstens einen Verpackungseinheit enthaltenen vorbemessenen kosmetischen Inhaltsstoffe (12) in einer Kammer vermischbar sind zur Herstellung exakt einer haushaltsüblichen Menge des kosmetischen Artikels dadurch gekennzeichnet, dass die Vorrichtung eine (Misch-) Kammer zur Aufnahme wenigstens eine der Verpackungseinheit aufweist."

VI. Die Beschwerdeführerin machte in der Beschwerdebegründung gegen den erteilten System- bzw. Vorrichtungsanspruchs 6 nur geltend, dass dieser von der Patentierbarkeit ausgeschlossen sei (Artikel 52 (2) c) EPÜ.

Einwände mangelnder Neuheit und mangelnder erfinderischer Tätigkeit sowie mangelnder Ausführbarkeit wurden ausschließlich gegen den Gegenstand des Verfahrensanspruchs gemäß Anspruch 1 des Patents in der erteilten Fassung erhoben, der jedoch nicht mehr zu dem vom Beschwerdegegner allein zur Entscheidung gestellten Anspruchssatz gehört.

VII. Durch Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK teilte die Kammer ihre vorläufige negative Beurteilung des Beschwerdebegehrens der Beschwerdeführerin im Hinblick auf den einzigen gegen den System-/Vorrichtungsanspruch 6 erhobenen Einwand mit (siehe Punkt 5.1).

VIII. Die Beschwerdeführerin hat hierzu nicht Stellung genommen, sondern lediglich schriftsätzlich angekündigt, nicht an der auch auf ihren Hilfsantrag anberaumten mündlichen Verhandlung teilnehmen zu wollen.

IX. Am 16. September 2019 fand die mündliche Verhandlung vor der Kammer unter Anwendung von Artikel 15 (3) VOBK und Regel 115 (2) EPÜ in Abwesenheit der Beschwerdeführerin wie auch des weiteren Verfahrensbeteiligten statt, in der die Sach- und Rechtslage mit dem Beschwerdegegner erörtert wurde.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Verlaufs der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll Bezug genommen.

Die Entscheidung wurde am Schluss der mündlichen Verhandlung verkündet.

Entscheidungsgründe

1. Rechtliches Gehör

Obwohl die Beschwerdeführerin und der weitere Verfahrensbeteiligte nicht an der mündlichen Verhandlung teilnahmen, wurde das Prinzip des rechtlichen Gehörs gemäß Artikel 113 (1) EPÜ nicht verletzt, da es ausreicht, dass sie die Gelegenheit dazu hatten, gehört zu werden. Durch das Fernbleiben von der mündlichen Verhandlung verzichten fernbleibende Parteien auf diese Möglichkeit (siehe die Erläuterung zu Artikel 15 (3) VOBK, zitiert in T 1704/06, nicht veröffentlich im ABl. EPA, sowie die Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA, 9. Auflage 2019, Abschnitte III.B.2.7.3).

Das schriftsätzliche Vorbringen der Beschwerdeführerin ist in dieser Entscheidung berücksichtigt (Artikel 15 (3) VOBK).

2. Ausschluss von der Patentierbarkeit

2.1 Die Beschwerdeführerin hat vorgetragen, dass wesentliche Merkmale des erteilten Anspruchs 6, der Anspruch 1 des Hilfsantrags 9 entspricht, nichttechnischer Natur seien und dass deswegen der Gegenstand dieses Anspruchs von der Patentierbarkeit ausgeschlossen (Artikel 52 (2) c) EPÜ) sei.

2.2 Im Abschnitt 5.1 der Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK, hat die Kammer ausgeführt, warum sie der Ansicht ist, dass ein Widerruf des Streitpatentes auf der Grundlage von Artikel 100 a) i.V.m. Artikel 52 (2) c) EPÜ nicht gerechtfertigt wäre:

"Im Übrigen wäre der seitens der Beschwerdeführerin begehrte Widerruf des Streitpatentes auf der Grundlage von Artikel 100 a) i.V.m. 52 (2) c) EPÜ nach der vorläufigen Auffassung der Kammer in der Sache auch nicht gerechtfertigt.

Nach Artikel 52 (2) c) EPÜ werden insbesondere Verfahren für geschäftliche Tätigkeiten nicht als Erfindungen im Sinne von Artikel 52 (1) EPÜ angesehen. Kommen beim beanspruchten Verfahren jedoch technische Mittel zum Einsatz, wie dies offensichtlich bei den Ansprüchen 1 und 6 der Fall ist, weil kosmetische Inhaltsstoffe in einer Vorrichtung gemischt werden, so bezieht es sich nicht auf ein Verfahren für geschäftliche Tätigkeiten als solches und ist daher nicht von der Patentierung ausgeschlossen (Artikel 52 (3) EPÜ)."

2.3 Diese vorläufige Einschätzung der Kammer wurde von der Beschwerdeführerin weder kommentiert noch während des Beschwerdeverfahrens bestritten (siehe oben, Punkt VIII. des Tatbestandes).

3. Unter diesen Umständen sieht die Kammer - nachdem sie erneut alle relevanten Aspekte in Bezug auf diese Fragen berücksichtigt und überprüft hat - keinen Grund, von ihrer oben genannten Feststellung abzuweichen.

Folglich ist der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 9 nicht von der Patentierbarkeit ausgeschlossen (Artikel 52 (3) EPÜ), so dass dieser Einwand der Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung nicht entgegensteht.

4. Neuheit, erfinderische Tätigkeit und Ausführbarkeit

Die Kammer prüft die Beschwerde nur in Bezug auf diejenigen Einwänden, die Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sind und zu denen die Beschwerdeführerin Argumente vorgetragen hat (Artikel 12 (2) EPÜ und Artikel 114 (1) EPÜ).

Wie vom Beschwerdegegner zutreffend angemerkt, enthielt die Beschwerdebegründung keine Einwände mangelnder Neuheit und mangelnder erfinderischer Tätigkeit des Gegenstandes von Ansprüchen 1 bis 4 des Hilfsantrags 9, der mit dem der Ansprüche 6 bis 9 des Patents in erteilter Fassung identisch ist.

Der Anwendungsbereich von Artikel 114 (1) EPÜ im Zusammenhang mit einer Beschwerde gegen eine Entscheidung der Einspruchsabteilung wurde von der Großen Beschwerdekammer in G 9/91 (ABl. EPA 1993, 408) geprüft, in der unter Nummer 18 ausgeführt wird:

"Überdies ist das Beschwerdeverfahren - anders als das rein administrative Einspruchsverfahren - als verwaltungsgerichtliches Verfahren anzusehen, wie die Große Beschwerdekammer in ihren jüngst ergangenen Entscheidungen G 7/91 und G 8/91 (s. Nr. 7 der Entscheidungsgründe) dargelegt hat. Ein solches Verfahren ist seiner Natur nach weniger auf Ermittlungen ausgerichtet als ein Verwaltungsverfahren. Daher erscheint es gerechtfertigt, Artikel 114 (1) EPÜ, obwohl er sich formal gesehen auch auf das Beschwerdeverfahren erstreckt, in einem solchen Verfahren generell restriktiver anzuwenden als im Einspruchsverfahren."

Mithin gehören andere Einwände als der allein gegen den Gegenstand der Systems-/Vorrichtungsansprüche erhobene, aber nicht durchgreifende Einwand des Ausschlusses von der Patentierbarkeit (siehe Punkte 2 und 3 oben) nicht zum Gegenstand des Beschwerdebegehrens der Beschwerdeführerin mit der Folge, dass das Patent in der Fassung des Anspruchssatzes gemäß dem Hilfsantrag 9 in Ermangelung eines substantiierten diesbezüglichen Vorbringens der Beschwerdeführerin nicht auf Neuheit, erfinderische Tätigkeit und Ausführbarkeit geprüft wird.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent in geändertem Umfang mit folgender Fassung aufrechtzuerhalten:

Ansprüche

1 bis 4 eingereicht als Hilfsantrag 9 während der mündlichen Verhandlung vom 16. September 2019.

Beschreibung

Seiten 2 bis 7 eingereicht als Hilfsantrag 9 während der mündlichen Verhandlung vom 16. September 2019.

Zeichnungen

Figuren 1 bis 8 der Patentschrift

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