T 0781/18 (Filterelement/MANN+HUMMEL) of 28.4.2021

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2021:T078118.20210428
Datum der Entscheidung: 28 April 2021
Aktenzeichen: T 0781/18
Anmeldenummer: 10754454.6
IPC-Klasse: B01D 29/01
B01D 39/14
B01D 46/52
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: FILTERELEMENT UND FILTER ZUR FILTRIERUNG VON FLUIDEN
Name des Anmelders: MANN+HUMMEL GmbH
Name des Einsprechenden: DONALDSON COMPANY, INC.
Kammer: 3.3.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54(1)
European Patent Convention Art 54(2)
Schlagwörter: Neuheit - (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 2052/14
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Einsprechenden (Beschwerdeführerin) betrifft die Zwischenentscheidung der Einspruchs-abteilung, das europäische Patent EP 2 477 718 B auf der Basis des während der mündlichen Verhandlung eingereichten ersten Hilfsantrags aufrechtzuerhalten.

II. Unter anderem das folgende Dokument war Gegenstand des Einspruchsverfahrens:

D4|WO 2010/011910 A2

III. In einer Mitteilung der Kammer nach Artikel 15(1) VOBK 2020 wurden die Parteien informiert, dass die aufrechterhaltene Fassung nicht die Erfordernisse von Artikel 54 EPÜ zu erfüllen schien und das Patent daher zu widerrufen wäre.

IV. Daraufhin reichte die Patentinhaberin (Beschwerdegegnerin) das folgende Dokument ein:

D12|I. M. Hutten, "Handbook of Non-Woven Filter Media", Elsevier Science & Technology Books, 2007, 1-473

V. Der Wortlaut von Anspruch 1 der aufrechterhaltenen Fassung und die von der Beschwerdeführerin vorgeschlagene Merkmalsnummerierung lauten wie folgt:

M1|1. Filterelement für einen Filter zur Filtrierung von Fluiden, insbesondere von Gasen, insbesondere von Ansaugluft, Kraftstoff, Harnstoff-Lösung oder Motoröl insbesondere einer Brennkraftmaschine insbesondere eines Kraftfahrzeugs, oder Umgebungsluft zur Einleitung in Belüftungssysteme von Gebäuden oder Fahrzeugen, wobei

M2|das Filterelement (1) ein zickzackförmig gefaltetes Filtermedium (14; 106) mit einer Rohseite (105) und einer Reinseite (104) aufweist, wobei

M3|auf der Rohseite (105) eine Mehrzahl von länglichen Senken (656) in das Filtermedium (14; 106) geformt ist,

M4|die sich zwischen rohseitigen Faltenspitzen (102a) und rohseitigen Faltengründen (103a) etwa senkrecht zu Faltkanten (F) des Filtermediums (14; 106) erstrecken und auf der Reinseite (104) entsprechende Erhebungen (658) realisieren,

M5|derart, dass sich in einem rohseitigen Faltenzwischenraum (148a) jeweils zwei Senken (656) auf den beiden den Faltenzwischenraum (148a) begrenzenden Mediumabschnitten (120) direkt gegenüber liegen und jeweils einen Strömungskanal (660) mit bilden, dadurch gekennzeichnet, dass

M6|im Zentrum wenigstens einer der Senken (656) ein Stützrücken (662) geformt ist, welcher sich entlang der Senke (656) und der entsprechenden Erhebung (658) erstreckt und auf der Rohseite (105) eine Vertiefung und auf der Reinseite (104) eine Erhöhung bildet und

M7|wobei die Senken (656) und Erhebungen (658) in Form von Rillierungen im ungefalteten Filtermedium (106) realisiert sind, die senkrecht zu den Faltkanten (F) verlaufen.

VI. Die Argumente der Beschwerdeführerin können wie folgt zusammengefasst werden:

Die Priorität der D4 sei nicht gültig.

Die "Rillierungen" aus Anspruch 1 könnten als Einprägungen realisiert sein und müssten nicht zwangsweise "durchgehend" sein. Dies würde das Streitpatent selber belegen.

Das Dokument D12 sei verspätet eingereicht worden, sehr umfangreich und daher nicht zu berücksichtigen. Doch selbst wenn es berücksichtigt würde, könnte es nicht belegen, dass "Rillierungen" immer zwingend durchgehend seien.

Die Ausführungsformen der Figuren 5b und 11a von D4 seien neuheitsschädlich für den Gegenstand von Anspruch 1 der aufrechterhaltenen Fassung des Streitpatents.

Insbesondere offenbare D4 auch die Realisierung von Rillierungen im ungefalteten Filtermedium.

VII. Die Argumente der Beschwerdegegnerin können wie folgt zusammengefasst werden:

Das Dokument D12 sei eine zeitnahe Reaktion auf die vorläufige Meinung der Kammer gewesen. Da es sich außerdem um allgemeines Fachwissen handele, sei es zu berücksichtigen.

Die Seiten 83 und 84 von D12 würden belegen, dass Rillierungen durchgehend sein müssten, damit sich Strömungskanäle ausbildeten und eine Versteifung stattfände.

Das Dokument D4 offenbare nicht das Merkmal M7 von Anspruch 1 der aufrechterhaltenen Fassung.

VIII. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

1. Anspruchsinterpretation

1.1 Der Begriff "Rillierungen" in Merkmal M7 von Anspruch 1 der aufrechterhaltenen Fassung entspricht dem Bilden von Rillen, auf Englisch "corrugations" oder "flutes", was lediglich das Vorhandensein von länglichen, schmalen Vertiefungen erfordert.

Nichts im Wortlaut von Anspruch 1 erlaubt aber den Schluss, dass diese Vertiefungen durchgehend sein müssen und nicht unterbrochen sein dürfen.

Auch die Beschreibung des Streitpatents erlaubt einen solchen Schluss nicht. Im Gegenteil, Abschnitt [0123] sagt ausdrücklich, dass die Rillierungen unterbrochen sind, nämlich an den Faltkanten.

1.2 Auch wenn die in D12 auf den Seiten 83 und 84 gezeigten Rillierungen ("corrugations") durchgehend sind, kann D12 nicht belegen, dass dies notwendigerweise für alle Typen von Rillierungen der Fall sein muss, und dass nicht auch unterbrochene Rillierungen Strömungskanäle ausbilden und stabilisierend wirken können.

Auch das Streitpatent offenbart im bereits genannten Abschnitt [0123] in Verbindung mit Figur 25 Rillierungen, die unterbrochen sind und die trotzdem Strömungskanäle ausbilden.

Es kann daher dahingestellt bleiben, ob D12 nach Artikel 13 VOBK 2020 zu berücksichtigen ist oder nicht.

2. Neuheit

Entgegen der Auffassung der Einspruchsabteilung ist der Gegenstand von Anspruch 1 der aufrechterhaltenen Fassung angesichts des Dokuments D4 aus den folgenden Gründen nicht neu (Artikel 54(1) und (2) EPÜ):

2.1 Was die Entgegenhaltung D4 betrifft, war die Einspruchsabteilung zum Schluss gekommen, dass dieses Dokument zum Stand der Technik nach Artikel 54(2) EPÜ gehört, da die Priorität des Streitpatents nicht gültig ist (siehe Punkt II.2 der angefochtenen Entscheidung).

Die Beschwerdegegnerin hat dies nicht bestritten.

Daher gibt es keinen Anlass für eine andere Einschätzung des Status von D4 und dieses Dokument gehört somit zum Stand der Technik nach Artikel 54(2) EPÜ.

2.2 Während die Beschwerdegegnerin die Offenbarung der Merkmale M1 bis M6 von Anspruch 1 der aufrechterhaltenen Fassung in D4, insbesondere in den Ausführungsformen der Figuren 5b und 11a, nicht bestreitet, vertritt sie die Auffassung, dass das Merkmal M7 nicht offenbart ist.

Nach diesem Merkmal sind "die Senken (656) und Erhebungen (658) in Form von Rillierungen im ungefalteten Filtermedium (106) realisiert ... [und verlaufen] senkrecht zu den Faltkanten (F)".

2.3 Im allgemeinen Abschnitt auf Seite 18, Zeile 19, bis Seite 19, Zeile 26, insbesondere auf Seite 19, Zeilen 11 bis 15, offenbart D4 jedoch die Realisierung der Senken im Filtermedium durch Rillierungen mittels Walzen:

"Corrugation rollers can be used for forming flutes..." (Übersetzung durch die Kammer: "Walzen zur Rillierung können für das Bilden von Rillen verwendet werden ...")

"... passing the media between two flute rollers, e.g. into a nip or bite between two rollers, each of which has surface features appropriate to create a flute..." (Übersetzung durch die Kammer: "... das Durchlaufen des Mediums zwischen zwei Walzen zur Rillierung, z.B. in einem Spalt zwischen zwei Walzen, wobei jede Walze geeignete Merkmale an der Oberfläche aufweist, damit eine Rille gebildet wird ...")

Nach Seite 18, Zeilen 19 bis 26, ist die Rillierung zudem senkrecht zu den Faltkanten:

"pleats or folds formed transversely to the machine direction" (Übersetzung durch die Kammer: "quer zur Maschinenrichtung gebildete Falten")

Schließlich offenbart die Passage auf Seite 19, Zeilen 24 bis 26, von D4, dass die Rillierungen im ungefalteten Filtermedium realisiert sind (Hervorhebung durch die Kammer):

"Accordingly, the filtration media can be micropleated to form the flutes, and subsequently pleated to form the pleated filtration media pack having a first face and a second face" (Übersetzung durch die Kammer: "Dementsprechend kann das Filtrationsmedium mikrogefaltet werden, um die Rillen zu bilden, und anschließend gefaltet werden, um das gefaltete Filtrationsmedienpaket mit einer ersten Oberfläche und einer zweiten Oberfläche zu bilden")

Es kann daher dahingestellt bleiben, ob um ungefalteten Filtermedium realisierte Rillierungen im Filterelement von solchen unterschieden werden können, die erst nach dem Falten realisiert worden sind.

2.4 Nach Auffassung der Beschwerdegegnerin steht die Passage auf Seite 19, Zeilen 11 bis 15 von D4 im Widerspruch zu Merkmal M7 von Anspruch 1. Danach läuft das Filtermedium in einem Spalt ("nip or bite") zwischen zwei Walzen zur Rillierung ("two flute rollers").

Die Kammer kann hier jedoch keinen Widerspruch erkennen, denn Merkmal M7 von Anspruch 1 erfordert weder besondere Abmessungen der Rillierungen, noch erfordert es einen bestimmten Druck während der Rillierung, noch schließt es eine Rillierung mittels einer Mehrzahl von Walzen aus. Gleiches gilt für die Beschreibung des Streitpatents.

2.5 Des weiteren würden nach ihrer Ansicht die Figuren 5b und 11a im Gegensatz zu Merkmal M7 keine sich entsprechenden Senken und Erhebungen offenbaren.

Auch dieses Argument überzeugt nicht. Figur 5b von D4 offenbart Senken (Seite 29, Zeilen 24 bis 28: "relatively flatter portion of the media 128a" und "relatively flatter portion of the media 129a"). Diese Senken entsprechen zwangsläufig auf der Rückseite des Filtermediums Erhebungen.

Gleiches gilt für die Senken in Figur 11a (Seite 43, Zeilen 19/20 "adjacent portions of the flute 460, 462"), die ebenfalls auf der Rückseite Erhebungen entsprechen.

Dies ist deutlich erkennbar, selbst wenn man die Figuren 5b und 11a von D4 lediglich als schematische, nicht maßstabsgetreue Zeichnungen ansieht, und steht somit - im Gegensatz zur Auffassung der Beschwerdegegnerin - nicht im Widerspruch zu den Schlussfolgerungen von T 2052/14, Gründe 1.3.5.

2.6 Die Beschwerdegegnerin ist schließlich der Meinung, dass die Senken von D4 nicht durchgehend sind.

Wie aber unter Punkt 1. dargelegt, werden unterbrochene Rillierungen vom Merkmal M7 aus Anspruch 1 keineswegs ausgeschlossen.

2.7 Daher offenbaren die Ausführungsformen der Figuren 5b und 11a von D4 auch das Merkmal M7 aus Anspruch 1 der aufrechterhaltenen Fassung des Streitpatents.

Somit erfüllt die aufrechterhaltene Fassung nicht die Erfordernisse von Artikel 54(1) und (2) EPÜ. Das Patent ist daher zu widerrufen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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