T 2534/11 () of 17.12.2015

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2015:T253411.20151217
Datum der Entscheidung: 17 Dezember 2015
Aktenzeichen: T 2534/11
Anmeldenummer: 00102114.6
IPC-Klasse: F02M 25/07
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Abgasrückführsystem
Name des Anmelders: Siebe Automotive (Deutschland) GmbH
Name des Einsprechenden: PIERBURG AG
BorgWarner Esslingen GmbH
Modine Europe GmbH
Behr GmbH & Co.
Kammer: 3.2.04
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
European Patent Convention Art 83
Schlagwörter: Ausreichende Offenbarung - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0523/08
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Gegen das europäische Patent Nr. 1030050 wurden vier Einsprüche eingelegt mit dem Antrag, das Patent zu widerrufen.

II. Mit einer am 2. Januar 2008 zur Post gegebenen Entscheidung hat die Einspruchsabteilung wegen Verletzung des Artikels 100 c) i.V.m. 123(2) EPÜ das Patent widerrufen. Die Entscheidung der Einspruchsabteilung wurde durch die Entscheidung T 523/08 der Beschwerdekammer 3.2.4 vom 23. Februar 2010 aufgehoben. Die Sache wurde an die erste Instanz zur weiteren Behandlung zurückverwiesen.

III. Mit der Zwischenentscheidung vom 7. September 2011, zur Post gegeben am 10. Oktober 2011, wurde festgestellt, dass das europäische Patent Nr. 1030050 in der im Einspruchsverfahren geänderten Fassung den Erfordernissen des Übereinkommens genüge.

Gegen diese Entscheidung,

- - hat die Einsprechende I als Beschwerdeführerin die am 9. Dezember 2011 eingegangene Beschwerde unter gleichzeitiger Entrichtung der Beschwerdegebühr eingelegt und am 3. Februar 2012 die Beschwerdebegründung eingereicht;

- - hat die Einsprechende IV als Beschwerdeführerin unter gleichzeitiger Entrichtung der Beschwerdegebühr die am 19. Dezember 2011 eingegangene Beschwerde eingelegt und die Beschwerdebegründung am 20. Februar 2012 eingereicht;

IV. Nach Zurückverweisung wurde mit den Einsprüchen das Patent im gesamten Umfang in Hinblick auf Artikel 100 a) i.V.m. Artikeln 52(1), 54 und 56 EPÜ wegen mangelnder Neuheit und erfinderischer Tätigkeit angegriffen. Die Einsprechende I stützte ihren Einspruch zusätzlich auf den Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 b) i.V.m. Artikel 83 EPÜ. Dazu wurden unter anderen die folgenden Beweismittel herangezogen:

HE1: US 4 147 141 A

HE5: DE19733964A1

HE7: US 4 134 377 A, DE 2842653

HE8: DE69405340T2

HE14: GB2223272A

V. In einer Mitteilung vom 27. Oktober 2015 zur Vorbereitung auf mündlichen Verhandlung teilte die Beschwerdekammer den Parteien ihre vorläufige Auffassung mit. Die mündliche Verhandlung fand am 17. Dezember 2015 in Anwesenheit aller Parteien sowie der Verfahrensbeteiligten/Einsprechenden III statt. Die Verfahrensbeteiligte/Einsprechende II hatte mit Schreiben vom 27. August 2015 mitgeteilt, dass sie nicht erscheinen würde.

VI. Die Beschwerdeführerinnen beantragen, die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

VII. Die Patentinhaberin als Beschwerdegegnerin beantragt, die Zurückzuweisung der Beschwerde, hilfsweise die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents im Umfang der Hilfsanträge I oder II, eingereicht mit der Erwiderung zur Beschwerdebegründung.

VIII. Die zum Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung maßgebende Fassung des unabhängigen Anspruchs 1 des Hauptantrags lautet wie folgt (Unter Beibehaltung der von den Parteien benutzten Merkmalsbezeichnung):

1 Abgasrückführsystem für eine Brennkraftmaschine,

2 mit einem Abgasrückführventil für die Rückführung von Abgasen in das Luftzufuhrsystem der Brennkraftmaschine, wobei die Abgase eine Kühleinrichtung durchströmen, ferner

3 mit einer Bypass-Leitung (17), die die Kuhleinrichtung (10) umgeht, und

4 einer Weiche (18,19) mit einem Einlass und zwei Durchlässen, die eine Verzweigung bilden,

4.1 deren Einlass mit einer Abgasrückführleitung verbunden ist und

4.2 die zwei Durchlässe aufweist, von denen einer mit der Kühleinrichtung (10) und

4.3 von denen der anderer mit der Bypass-Leitung (17) verbunden ist,

4.4 derart, dass steuerbar die Abgase alternativ durch die Kühleinrichtung (10) oder die Bypass-Leitung (17) strömbar sind, wobei

4.5 die Weiche (18;19) für eine Betriebsstellung federgesteuert (21) und für die andere Betriebsstellung druckgesteuert ist, und

4.5.1 durch eine Feder (21) in der Normalbetriebsstellung gehalten wird, wobei die Normalbetriebsstellung diejenige Betriebsstellung ist, in der das Abgas durch den Kühler geleitet wird, und

4.6 die Weiche (18,19) vor der Kühleinrichtung (10) angeordnet und

4.7 integraler Bestandteil der Kühleinrichtung (10) ist und

4.8 aus genau einem Bypass-Ventil (18) oder genau einer Bypass-Klappe (19) besteht,

4.8.1 das bzw. die in der Verzweigung vor Kühleinrichtung (10) und Bypass-Leitung (17) angeordnet ist und

4.8.2 in der druckgesteuerten Betriebsstellung die Kühleinrichtung (10) und in der federgesteuerten Betriebsstellung die Bypass-Leitung (17) verschließt.

IX. Die Beschwerdeführerinnen haben folgendes vorgetragen:

- Zu der Ausführbarkeit wurde zunächst vorgetragen, dass es im Patent an genauen Hinweisen fehle, wie die Weiche sowohl vor der Kühleinrichtung als auch integraler Bestandteil derselben sein könne.

- Zur erfinderischen Tätigkeit wurde zunächst von HE1 ausgegangen. HE1 unterscheide sich von Anspruch 1 lediglich durch die Merkmale 4.5, 4.5.1 und 4.8.2. Die Aufgabe sei eine gut funktionierende Weichensteuerung vorzuschlagen. Aus HE8 sei eine feder- und druckgesteuerte Weiche mit dem gleichen Hintergrund wie in HE1, nämlich Emissionswerte zu reduzieren, bekannt. Der Fachmann würde unter Anwendung der dort gezeigten Steuerung ohne erfinderisches Zutun zum Gegenstand des Anspruchs 1 gelangen.

Von der Ventilanordnung nach HE5 (Fig.1) unterscheide sich der Gegenstand von Anspruch 1 durch dieselben Steuerungsmerkmale sowie die Schaltung der Weiche vor dem Kühler. Bestrebt mit dem Ziel eine bessere Betätigung der Weiche vorzuschlagen, würde der Fachmann die mit Feder 21 und Druck 20 beaufschlagte Ventilsteuerung von HE14 (s. Fig.2) auf die Ventilanordnung der HE5 übertragen, und somit auch ohne erfinderisches Zutun zum Gegenstand des Anspruchs 1 gelangen.

X. Die Beschwerdegegnerin hat folgendes vorgetragen:

- Jedenfalls beim Heranziehen der Beschreibung sowie der Zeichnungen sei für den Fachmann verständlich, wie er die Weiche strömungstechnisch vor dem Kühler in der Praxis anordnen solle, und wie er dabei auch die Weiche als integraler Bestandteil der Kühleinrichtung ausführen könne.

- Gegenüber HE1 als Ausgangspunkt unterscheide sich der Gegenstand vom Anspruch 1 auch noch durch die Integration der Weiche. HE8 sei für den Fachmann ungeeignet, um eine Lösung auf dem Gebiet der Abgasrückführung zu liefern. Ähnliche Temperaturen und Ventilverklebungen würden auf dem Gebiet der Ladeluftkühlung wie in HE8 nämlich nicht auftreten. Darüber hinaus sei auch bei der Anordnung in HE8 der Kühler 4 von der Weiche 3 getrennt, und die federgesteuerte Betriebstellung die entgegengesetzte Betriebstellung zum By-pass Verschluss nach Anspruch 1 des Patents. Daher führe die Kombination dieser Lehren nicht zum Erfindungsgegenstand.

- Zuletzt betrachte der Fachmann HE5 nicht als nächstliegenden Stand der Technik, denn HE5 fehle zusätzlich die Schaltung der Weiche vor dem Kühler, und sei somit weiter ab liegend von Anspruch 1 als HE1. HE14 sei mit der Ladeluftkühlung beschäftigt und somit für eine Lösung auf dem Gebiet der Abgasrückführung ungeeignet.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerden sind zulässig.

2. Ausreichende Offenbarung

2.1 Der von den Beschwerdeführerinnen vorgetragene Einwand, dass der Gegenstand des angefochtenen Patents nicht ausführbar sei wurde damit begründet, dass die beiden Merkmale in Anspruch 1, wonach die Weiche sowohl vor der Kühleinrichtung angeordnet, als auch integraler Bestandteil der Kühleinrichtung sei, so widersprüchlich seien, dass der Fachmann sie nicht realisieren könne.

Nach Merkmal 4.2 besitze die Weiche einen Durchlass zur Kühleinrichtung. Demnach sei für den Fachmann eindeutig, dass die Weiche nur vor und getrennt von der Kühleinrichtung liege, also unmöglich einen integralen Bestandteil dieser Kühleinrichtung bilden könne. Dabei sei auch anzumerken, dass "integral" offenbar nicht die Bedeutung einer einzigen Baueinheit aufweise: es sei aus den Figuren eindeutig, dass Weiche und Kühler getrennt hergestellt, und erst dann zusammengebaut worden seien, und deshalb keine einzige, also integrale, Einheit bildeten.

2.2 Obwohl konstruktiv ein Bauelement, welches gleichzeitig vor einer Einheit und als integraler Bestandteil derselben ausgebildet ist, am ersten Blick vielleicht widersprüchlich erscheinen könnte, folgt die Kammer dennoch der Argumentation der Beschwerdegegnerin. Im Rahmen von Strömungseinrichtungen, wird die relative Lage einer Einheit "vor" einer Anderen als "stromauf" dieser Anderen verstanden. Als solche vermittelt eine stromauf Lage nach Merkmal 4.8.1 keinen besonderen Hinweis über den Abstand zwischen diesen beiden Einheiten oder über ihre Bauweise. Dagegen enthält die Bestimmung des Merkmals 4.7 "integraler Bestandteil" einen strukturellen Hinweis auf eine bestimmte Konstruktion. Daraus folgt, das beide Anspruchsmerkmale unabhängig voneinander, und somit auch gleichzeitig realisiert werden können.

2.3 Mit der Bereitschaft, Anspruch 1 technisch sinnvoll zu verstehen, würde der Fachmann die als erste Einheit definierte Weiche, die den Zweck hat, eine Kühlung durch den Kühler in bestimmten Situationen zu vermeiden, folglich stromauf der als zweiten Einheit definierten Kühleinrichtung anordnen. Dabei würde er das zweite Merkmal, bei dem gleichzeitig die Weiche integraler Bestandteil der Kühleinrichtung ist, so verstehen, dass die Weiche im Einströmbereich und integral mit der Kühleinrichtung verbaut werden soll.

Aus Sicht der Kammer ist die Erfindung nach Anspruch 1 des Hauptantrags daher schon basierend alleine auf dem Verständnis des Anspruchswortlauts für den Fachmann so deutlich und vollständig offenbart, dass er sie zum Anmeldezeitpunkt des Patents ausführen kann (wie in T 0523/08 entschieden, beruht Anspruch 1 des Hauptantrags auf der ursprünglichen Anmeldung).

2.4 Auf der Suche nach einer ausreichenden Offenbarung zumindest eines Wegs zur Ausführung der Erfindung ist vom Fachmann jedenfalls die Gesamtheit der Patentanmeldung wie eingereicht heranzuziehen, d.h., der Wortlaut der Ansprüche, die Beschreibung und die Zeichnungen zum Anmeldetag, vgl. Artikel 83 EPÜ.

Sollte der Fachmann also den vorgebrachten Widerspruch in Anspruch 1 des Hauptantrags nicht allein mit seinem Fachwissen überwinden wie von den Beschwerdeführerinnen argumentiert, würde er spätestens beim Heranziehen der Beschreibung und der Zeichnungen den geltend gemachten Widerspruch leicht beheben. Die Erfindung wird anhand von zwei alternativen Ausführungsformen beschrieben, eine ist in der Figur 2 und der zugehörigen Beschreibung mit einem Ventil 18 vorgesehen, die andere weist nach Figur 3 eine Klappe 19 auf. In beiden Ausführungsformen sind das Ventil oder die Klappe stromauf eines nachgeschalteten Kühlers 10 gezeigt. Das Ventil 18 mit dessen Einlass und Auslässen wird in der Ausführung nach Figur 2 im selben zylindrischen Gehäuse wie der Kühler 10 untergebracht. In der Figur 3 ist die Klappe 19 in einem Gehäuse bewegbar gelagert, und dieses Gehäuse ist direkt mit dem Kühlergehäuse befestigt. Somit ist für den Fachmann sofort ersichtlich, dass das Ventil 18 sowie die Klappe 19, die zwei Alternativformen der Weiche bilden (Spalte 3, Zeilen 5,6), die tatsächlich mit dem Kühler als Einheit verbunden sind und somit auch als integraler Bestandteil der Kühleinrichtung zu verstehen sind. Anhand der beiden Ausführungsformen von Figur 2 und 3 ist eindeutig zu erkennen, dass die Weiche mit dem Kühlergehäuse zusammengebaut und somit unter die Definition "integraler Bestandteil" fällt (siehe dazu Duden Online Wörterbuch: "Adjektiv - zu einem Ganzen dazugehörend und es erst zu dem machend, was es ist.")

Der Fachmann erkennt daher beim Heranziehen der gesamten Offenbarung des Patents (bzw. der Patentanmeldung), wie die Weiche mit dem Kühler in integraler Bauweise gemäß Merkmal 4.7 des Anspruchs 1 ausgeführt werden kann, wobei eine solche Weiche eindeutig im Einlassbereich und somit stromauf des wärmetauschenden Teils der Kühleinrichtung nach Merkmal 4.8.1 des Anspruchs 1 anzuordnen ist.

2.5 Die Beschwerdeführerinnen haben schließlich auch vorgetragen, dass die Bypass-Leitung, nachdem sie nach Merkmal 3 des Anspruchs 1 die Kühleinrichtung umgeht, mit ihrem Anschluss zur Verzweigung der Weiche keinen Bauteil der Kühleinrichtung bildet. Dennoch sollte die Weiche selber nach Merkmal 4.7 integraler Bestandteil der Kühleinrichtung bilden. Diese Tatsache trage auch zu dem obengenannten Widerspruch bei, weil die Weiche dadurch teilweise einen Bestandteil der Kühleinrichtung und teilweise nicht bilden könne.

Auch diese Ansicht kann die Kammer nicht überzeugen. Bypass-Leitungen sind strömungstechnisch unabhängig von ihrer Bauweise naturgemäß gegenüber der umgangenen Einheit parallel geschaltet. Im vorliegenden Fall ist diese Leitung nach Figur 2 über einen Flansch an einem Durchlass der Weiche angebracht, wogegen sie in Figur 3 direkt in die Durchlassöffnung der Weiche eingeschoben wird. Es ist demnach für den Fachmann eindeutig, dass die Bypass-Leitung als solche unabhängig von ihrer Verbindung zur Weiche den Wärmetauscher umgeht.

2.6 Zusammenfassend kommt die Kammer daher zum Schluss, dass die Erfindung gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags im europäischen Patent (bzw. der europäischen Patentanmeldung) so deutlich und vollständig offenbart ist, dass ein Fachmann sie ausführen kann.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 erfüllt daher die Erfordernisse der Artikel 100 b) und 83 EPÜ.

3. Erfinderische Tätigkeit

3.1 Anwendungsgebiet der Erfindung

Die Erfindung gemäß Anspruch 1 des Patents betrifft ein Abgasrückführsystem. Wie in Absatz 2 des Patents erklärt, sind solche Abgasrückführsysteme bekannt und dienen auf dem Gebiet der Kraftfahrzeugtechnik unter anderem der Verbesserung der Emissionswerte sowie der Senkung des Kraftstoffverbrauchs. Gemäß Anspruch 1 soll das Abgasrückführsystem mit einem Abgasrückführventil für die Rückführung von Abgasen in das Luftzufuhrsystem der Brennkraftmaschine vorgesehen sein, wobei die Abgase eine Kühleinrichtung durchströmen. Eine Bypass-Leitung erlaubt die Kühleinrichtung zu umgehen, und eine Weiche ist steuerbar in der Art, dass die Abgase alternativ durch die Kühleinrichtung oder die Bypass-Leitung strömbar sind.

Der in Absatz 5 des Patents angegebene Zweck der Erfindung ist es, eine weitere Verbesserung der Emissionswerte sowie des Kraftstoffverbrauchs einer Brennkraftmaschine zu erzielen, und das Abgasrückführsystem zudem konstruktiv zu vereinfachen. Kern der Lösung besteht darin, dass die Weiche für eine Betriebsstellung federgesteuert und für die andere Betriebsstellung druckgesteuert ist, wobei in der federgesteuerten Betriebsstellung die Bypass-Leitung (17) verschließt, und wobei die Weiche integraler Bestandteil der Kühleinrichtung ist. Mit dieser Steuerung der Weiche kann im Normalbetrieb, wo eine Kühlung der Abgase ständig benötigt wird, die Bypass-Leitung geschlossen bleiben. Die Integration der Weiche in die Kühleinrichtung erlaubt darüber hinaus eine kompakte Bauweise.

3.2 Kombination von HE1 mit HE8

3.2.1 Die HE1 beschreibt ein Abgasrückführsystem für eine Brennkraftmaschine mit einem Kühler 6 und eine dazu parallele Bypass-Leitung 16. Eine Weiche im Form eines Dreiwege-Ventils 11 ist vor dem Kühler vorgesehen, und funktioniert derart, dass die Abgase alternativ durch den Kühler 6 oder die Bypass-Leitung 16 strömen (Spalte 1, Zeile 66 bis Spalte 2, Zeile 2; Spalte 2, Zellen 33 bis 47; Figur 1). Somit enthält HE1 die gleichen Komponenten wie im Anspruch 1 beschrieben, und wird daher in Übereinstimmung mit den Parteien als geeigneter Startpunkt zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit angesehen.

3.2.2 Es ist unstrittig, dass sich der Gegenstand des Anspruchs 1 von diesem bekannten Abgasrückführsystem zumindest durch die Merkmale 4.5,4.5.1 und 4.8.2 unterscheidet. Diese Merkmale definieren die Weichensteuerung, wonach die Weiche für eine Betriebsstellung federgesteuert und für die andere Betriebsstellung druckgesteuert ist, und durch eine Feder in der Normalbetriebsstellung gehalten wird, wobei die Normalbetriebsstellung diejenige Betriebstellung ist, in der das Abgas durch den Kühler geleitet wird, und in der druckgesteuerten Betriebsstellung die Kühleinrichtung und in der federgesteuerten Betriebsstellung die Bypass-Leitung verschließt.

3.2.3 Nach dem Vortrag der Einsprechenden Beschwerdeführerinnen könne somit die Aufgabe darin gesehen werden, bei dem aus HE1 bekannten Abgasrückführsystem eine gut funktionierende Weichensteuerung vorzuschlagen. Zur Lösung dieser Aufgabe würde der Fachmann zur Steuerung der Weiche aus HE1 auf die Lehre gemäß HE8 zurückgreifen, und die dort gezeigte Feder- und Drucksteuerung für die Weichensteuerung nach HE1 übertragen.

3.2.4 HE8 offenbart ein System zur Regelung der Ladeluft für eine Brennkraftmaschine, bei dem eine Weiche 7 mit einem Einlasskanal 3a sowie zwei Durchgangskanälen 3b und 3c offenbart ist. Diese werden durch die Weiche, welche als Bypassklappe ausgeführt ist, wahlweise verschlossen. Die Weiche ist integral mit einem vorgeschalteten Wärmetauscher 2 verbaut, und steuert das Gas entweder in Richtung des Bypasskanals 3c oder in Richtung eines zweiten Kühlers 4 über den Kanal 3b (siehe Fig.1). Des Weiteren wird eine Stellvorrichtung 14 für eine Weiche 7 offenbart, bei der eine Betriebsstellung federgesteuert und die andere Betriebsstellung druckgesteuert ist.

3.2.5 Die Auffassung der Beschwerdeführerinnen, wonach HE8 im selben Fachgebiet der Verbrennungsmotoren liegt, und mit den selben Medien arbeitet, kann die Beschwerdekammer nicht teilen. Abgasrückführung und Ladeluftkühlung gehören zu zwei getrennten Kreisen und Systemen eines Verbrennungsmotors. Bei diesen verschiedenen Systemen sind die durchströmenden Medien von unterschiedlicher Zusammensetzung, und weisen sehr unterschiedliche Betriebsbedingungen auf. Bei Frischluft wird bei niedrigen Temperaturen ein relativ gefiltertes, reines, Luftstandardgemisch bestehend aus Sauerstoff und Stickstoff verarbeitet. Dagegen wird bei Abgasrückführung ein erhitztes Rauchgasgemisch mit Russ rückgeleitet. Dies führt zu ganz verschiedenen baulichen Problemstellungen, was deren Ventilanordnung und ihre Betätigung angeht, darunter zählen insbesondere Verklebungen wie auch die Temperaturbeständigkeit der Stellorgane. Aufgrund dieser baulichen Unterschiede würde der Fachmann nicht erwarten, dass insbesondere ein Ventil mit Betätigungs- und Steuerungssystemen in Ladeluftkühlungskreisen ebenso passende Eigenschaften für die Anwendung auf dem Gebiet der Abgasrückführung aufweisen würde.

Auch die Auffassung der Beschwerdeführerinnen, wonach auf Seite 3, Absatz 2 der HE8 gleichfalls von der Einhaltung von Schadstoffnormen wie bei Abgasrückführsystemen die Rede sei, kann die Beschwerdekammer nicht überzeugen. Bei der Kühlung der Ladeluft wird hauptsächlich bezweckt, die von dem Turbokompressor erhitzte Frischluft zu kühlen, damit eine erhöhte Luftdichte und somit auch Frischlufteinströmung in den Verbrennungsmotor eingespeist wird: dadurch kann proportional mehr Kraftstoff verbrannt werden. Der Ladeluftkühler erhöht somit die mögliche Abgabeleistung. Hierbei ist die Einhaltung von Schadstoffnormen zwar immer im Hintergrund, bildet aber kein Hauptziel. Demgegenüber wird bei Abgasrückführung gezielt durch Erniedrigung der Verbrennungstemperatur die Minderung der Emission von Stickstoffoxiden (NOx) bezweckt, welche bei der Verbrennung entstehen.

Die Kühlung der rückgeführten Abgase verstärkt die gesuchte Wirkung auf die Emission. Hier würde der Fachmann auf der Suche einer anwendbaren Lösung folglich im Umfeld der Emissionssenkung insbesondere von Stickstoffoxiden, wie dies bei der Abgasrückführung der Fall ist, aber jedenfalls nicht auf dem Gebiet der Frischluftkühlung aus einem Turboverdichter suchen. Aus den bevorstehenden Gründen teilt die Beschwerdekammer die Zweifel mit der Beschwerdegegnerin, ob denn der Fachmann auf eine in HE8 für die Ladeluftkühlung beschriebene Ventilsteuerung zum Optimieren der Weichensteuerung in einem Abgasrückführsystem tatsächlich zurückgreifen würde.

3.2.6 Aber selbst wenn der Fachmann die Lehre der HE8 in Betracht ziehen würde, gelänge er dennoch nicht in naheliegender Weise zu einem Abgasrückführsystem nach Anspruch 1. In HE8 ist die normale federdruckgesteuerte Betriebstellung, im Gegensatz zum Patent, die Stellung durch die Bypass-Leitung (s. HE8, Seite 7, Absatz 2). Somit führt diese Lehre von der Erfindung weg. Auch die von den Beschwerdeführerinnen vorgebrachte Meinung, dass der Fachmann immer die federgesteuerte Stellung für die Betriebsstellung, die am längsten betrieben wird auswählen würde, kann die Beschwerdekammer nicht teilen. Wie oben bereits erklärt, ist in HE8 die federdruckgesteuerte Stellung durch die Bypass-Leitung. Diese Stellung wird jedoch wie auf der Seite 10 der HE8, letzten Absatz angegeben, meistens beim Start betrieben, und demnach nicht in den längsten Betriebsphasen. Darüber hinaus werden in der sehr beanspruchten Umgebung der Abgase auch andere Überlegungen herangezogen, wie zum Beispiel die Fehlersicherheit. Demnach kann die längste Betriebszeit nicht das einzige offensichtliche Kriterium für die Wahl der federgesteuerten Betriebsstellung durch den Fachmann sein.

Angenommen, er würde die entgegengesetzte Betriebstellung dennoch auswählen, ist in HE8 weiterhin die als Weiche dargestellte Bypassklappe 7 mit ihrem Gehäuse 3 integral mit einem vorgeschalteten Wärmetauscher 2 montiert, bildet aber keinen Bestandteil der stromab geschalteten Kühleinrichtung 4. Es gibt für den Fachmann keine Anregung, von dieser Lehre abzuweichen, und dabei die Bypassklappe 7 von dem Wärmetauscher 2 zu abstrahieren, um diese losgelöst, also einzeln, als Ersatz im Dreiwege-Ventil 11 der HE1 ohne weiteres anzuwenden. Auch die Behauptung, wonach eine Vorschaltung als triviale Alternative zur in HE8 gezeigten Nachschaltung von dem Fachmann betrachtet werden würde, greift nach Ansicht der Kammer nicht. Der Fachmann müsste hierzu die gesamte Anordnung von Einlass und Auslässen konstruktiv umbauen, was sein normales fachmännisches Können übersteigen würde.

Aus den vorstehenden Ausführungen folgt, dass, falls der Fachmann dennoch eine Kombination der völlig unterschiedlichen Steuerungskonzepte aus HE1 und HE8 für eine Weiche erwägen würde, die dann nötigen Anpassungen einen Aufwand darstellen würden, der nach Ansicht der Kammer weit über den Rahmen normalen fachmännischen Handelns hinausgeht.

3.3 Kombination von HE5 mit HE14

3.3.1 HE5 beschreibt ein Abgasrückführsystem für eine Brennkraftmaschine mit einem gleichzeitig als Abgasrückführventil wirkenden Bypassventil, welches die rückgeführte Abgasmenge über eine Kühleinrichtung 5 oder alternativ über eine Bypassleitung 7 steuert (Spalte 2, Zeilen 41 bis 51, Figur). Dieses Abgasrückführsystem weist eine Weiche 14,15 auf, deren Auslass mit der Abgasrückführleitung verbunden ist, und welche zwei Durchlässe 10,11 aufweist, von denen der eine mit der Bypassleitung 7 und der andere mit der Kühleinrichtung 5 verbunden ist (Spalte 2, Zeilen 41 bis 51).

3.3.2 Nach dem Vortrag der Beschwerdeführerinnen beschreibe HE5 auch eine integrale Bauweise nach Merkmal 4.7, wie auf der Spalte 2, Zeilen 41-43 und in Anspruch 3 durch das gemeinsame Gehäuse dargestellt. Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheide sich von diesem bekannten Abgasrückführsystem zumindest durch die Merkmale 4.6 und 4.8.2. Diese Merkmale definierten die Anordnung der Weiche vor der Kühleinrichtung, sowie die federgesteuerte Betriebsstellung, bei der die Bypass-Leitung geschlossen ist. Die den Merkmalen zugrunde liegende Aufgabe sei eine verbesserte Betätigung des Ventils vorzuschlagen.

3.3.3 In ähnlicher Weise wie HE8 offenbart auch HE14 ein System zur Regelung und Kühlung der Ladeluft für eine Brennkraftmaschine, bei dem eine Weiche im Form eines Ventils 13 eine federgesteuerte Umschaltklappe 17 aufweist, bei der die Federkraft eine parallel zum Kühler 9 verlaufende Bypass-Leitung 12 verschließt (s. HE14, Seite 9, Zeilen 2-29; Figuren 1,2). Nachdem HE14 primär wieder eine Ladeluftkühlung betrifft, gelten die selben Überlegungen, wie unter 3.2.5 zur HE8 ausgeführt. Der Fachmann würde daher zunächst die in HE14 befindliche Lehre für eine Ventilsteuerung bei einem Ladeluftkühlungskreislauf nicht zum Optimieren der Weichensteuerung in einem Abgasrückführsystem nach HE5 heranziehen.

3.3.4 Unter der Annahme, dass der Fachmann dennoch die Lehre der HE14 in Erwägung zieht, würde er auch in diesem Fall wieder nicht in naheliegender Weise zu einem Abgasrückführsystem nach Anspruch 1 gelangen. Bezüglich des Merkmals 4.7 teilt die Beschwerdekammer die Meinung der Beschwerdegegnerin. HE5 beschreibt keine besondere Anordnung des Abgaskühlers, der in der einzigen Figur schematisch dargestellt und in einer Leitung 6 vorgesehen ist. Diese Leitung ist nach Spalte 2, Zeilen 41-43 der HE5 "abschnittsweise in einem die erfindungsgemäße Ventilanordnung aufweisenden Gehäuse 9 ausgebildet", jedoch ohne Angabe, welcher Abschnitt dieser Leitung gemeint ist. Das gemeinsame Gehäuse nach Anspruch 3 betrifft die Ventilanordnung selbst und nicht den Zusammenbau des Doppelsitzventils mit dem Abgaskühler 5. Somit fehlt zumindest ein eindeutiger Hinweis, dass diese Ventilanordnung integraler Bestandteil der Kühleinrichtung ist. Ebenso wenig findet der Fachmann darin eine besondere Anregung für eine Integration der Ventilanordnung im selben Gehäuse mit dem Abgaskühler.

Da weder HE14 noch HE5 eine Ventilanordnung, die integraler Bestandteil der Kühleinrichtung ist offenbart, käme der Fachmann entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerinnen selbst bei Zusammenschau von HE14 mit HE5 nicht zu allen Merkmalen des Anspruchs 1.

Aus den obigen Überlegungen folgt, dass diese Argumentationslinie ebenfalls die Kammer nicht überzeugen kann.

3.4 Aufgrund der vorstehenden Betrachtungen ist die Kammer zur Schlussfolgerung gelangt, dass der Gegenstand des im Einspruchsverfahren geänderten Anspruchs 1 im Lichte der Dokumente HE1 und HE8 bzw. HE5 und HE14 ohne rückschauende Betrachtungsweise für den Fachmann nicht nahe liegt. Die Kammer hat sich abschließend auch davon überzeugt, dass andere im schriftlichen Verfahren genannte Dokumente nicht relevanter sind, als die während der Verhandlung vor der Kammer von den Parteien diskutierten. Die Parteien hatten im übrigen eingeräumt, dass außer HE1 mit HE8 und HE5 mit HE14 keine weiteren Angriffslinien von Bedeutung seien.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag beruht daher auf einer erfinderischen Tätigkeit.

3.5 Da der Hauptantrag die Erfordernisse der Patentierbarkeit erfüllt, erübrigt sich für die Kammer die Hilfsanträge I und II zu berücksichtigen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerden werden zurückgewiesen.

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