T 0523/08 () of 23.2.2010

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2010:T052308.20100223
Datum der Entscheidung: 23 Februar 2010
Aktenzeichen: T 0523/08
Anmeldenummer: 00102114.6
IPC-Klasse: F02M 25/07
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Abgasrückführsystem
Name des Anmelders: Siebe Automotive (Deutschland) GmbH
Name des Einsprechenden: Pierburg AG
Gustav Wahler GmbH u. Co. KG
Modine Europe GmbH
Behr GmbH & Co.
Kammer: 3.2.04
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 123(2)
Schlagwörter: Unzulässige Erweiterung (Hauptantrag)
Korrektur eines offensichtlichen Fehlers
Zurückverweisung an Einspruchsabteilung (Hilfsantrag)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0190/99
T 1321/04
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 2534/11

Sachverhalt und Anträge

I. Die Patentinhaberin hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 2. Januar 2008 das europäische Patent 1 030 050 zu widerrufen am 3. März 2008 Beschwerde eingelegt und die Beschwerdegebühr gezahlt. Die Beschwerdebegründung ist am 13. Mai 2008 eingegangen.

II. Gegen das Patent waren vier Einsprüche eingelegt worden, mit denen sämtliche Einspruchsgründe nach Artikel 100 EPÜ geltend gemacht worden sind.

Den Widerruf hat die Einspruchsabteilung damit begründet, dass weder Anspruch 1 des Hauptantrages noch derjenige des Hilfsantrages den Erfordernissen des Artikels 123 (2) EPÜ genüge. Durch die Aufnahme des Merkmals "Verzweigung" würde zumindest auch eine Ausführungsform beansprucht, die nicht den ursprünglichen Unterlagen entnommen werden könne.

Darüber hinaus sei die ursprüngliche Offenbarung wegen einer Diskrepanz zwischen Figur 3 und Seite 4 der Beschreibung nicht eindeutig und würde zwei mögliche Interpretationen erlauben. Dadurch würden auch Ausführungsformen beansprucht, bei der das Bypass-Ventil federgesteuert die Kühleinrichtung verschließe. Dies sei allerdings nicht durch die ursprünglichen Unterlagen gestützt.

III. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und, als Hauptantrag, das Patent in der erteilten Fassung aufrechtzuerhalten oder in der Fassung eines der mit Schreiben vom 8. Dezember 2008 eingereichten Hilfsanträge 1 - 4 aufrechtzuerhalten.

Demgegenüber beantragten die Beschwerdegegnerinnen (Einsprechende 1-4), die Beschwerde zurückzuweisen.

IV. Der erteilte Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag hat folgenden Wortlaut:

"Abgasrückführsystem für eine Brennkraftmaschine, insbesondere einen Diesel- oder Ottomotor, mit einem Abgasrückführventil für die Rückführung von Abgasen in das Luftzufuhrsystem der Brennkraftmaschine, wobei die Abgase eine Kühleinrichtung durchströmen, ferner mit einer Bypass-Leitung (17), die die Kühleinrichtung (10) umgeht, und einer Weiche (18; 19), deren Einlaß mit einer Abgasrückführleitung verbunden ist und die zwei Durchlässe aufweist, von denen einer mit der Kühleinrichtung (10) und von denen der andere mit der Bypass-Leitung (17) verbunden ist, derart, daß steuerbar die Abgase alternativ durch die Kühleinrichtung (10) oder die Bypass-Leitung (17) strömbar sind, wobei die Weiche (18; 19) für eine Betriebsstellung federgesteuert (21) und für die andere Betriebsstellung druckgesteuert ist, und durch eine Feder (21) in der Normalbetriebsstellung gehalten wird, dadurch gekennzeichnet, daß die Weiche (18; 19) vor der Kühleinrichtung (10) angeordnet und integraler Bestandteil der Kühleinrichtung (10) ist und aus genau einem Bypass-Ventil (18) oder genau einer Bypass-Klappe (19) besteht, das bzw. die in der Verzweigung vor Kühleinrichtung (10) und Bypass-Leitung (17) angeordnet ist und in einer ersten Betriebsstellung die Kühleinrichtung (10) und in einer zweiten Betriebsstellung die Bypass-Leitung (17) verschließt."

Der gemäß Hilfsantrag 1 geänderte Anspruch 1 lautet wie folgt:

"Abgasrückführsystem für eine Brennkraftmaschine, insbesondere einen Diesel- oder Ottomotor, mit einem Abgasrückführventil für die Rückführung von Abgasen in das Luftzufuhrsystem der Brennkraftmaschine, wobei die Abgase eine Kühleinrichtung durchströmen, ferner mit einer Bypass-Leitung (17), die die Kühleinrichtung (10) umgeht, und einer Weiche (18; 19) mit einem Einlass und zwei Durchlässen, die eine Verzweigung bilden, deren Einlaß mit einer Abgasrückführleitung verbunden ist und die zwei Durchlässe aufweist, von denen einer mit der Kühleinrichtung (10) und von denen der andere mit der Bypass-Leitung (17) verbunden ist, derart, daß steuerbar die Abgase alternativ durch die Kühleinrichtung (10) oder die Bypass-Leitung (17) strömbar sind, wobei die Weiche (18; 19) für eine Betriebsstellung federgesteuert (21) und für die andere Betriebsstellung druckgesteuert ist, und durch eine Feder (21) in der Normalbetriebsstellung gehalten wird, wobei die Normalbetriebsstellung diejenige Betriebsstellung ist, in der das Abgas durch den Kühler geleitet wird, dadurch gekennzeichnet, daß die Weiche (18; 19) vor der Kühleinrichtung (10) angeordnet und integraler Bestandteil der Kühleinrichtung (10) ist und aus genau einem BypassVentil (18) oder genau einer Bypass-Klappe (19) besteht, das bzw. die in der Verzweigung vor Kühleinrichtung (10) und Bypass-Leitung (17) angeordnet ist und in der druckgesteuerten Betriebsstellung die Kühleinrichtung (10) und in der federgesteuerten Betriebsstellung die Bypass-Leitung (17) verschließt."

V. Die Beschwerdeführerin trug im Wesentlichen Folgendes vor:

1) Aus Seite 4, Absatz 1 der ursprünglichen Beschreibung ergebe sich für den Fachmann, dass Figur 3 einen offensichtlichen Fehler aufweise. Wenn die letzten beiden Sätze im Kontext dieses Absatzes und des letzten Absatzes auf dieser Seite gelesen würden, sei es nämlich offensichtlich und sofort erkennbar, dass ein Fehler vorliege und wie er zu korrigieren sei. Die in Figur 3 in ausgezogenen Linien dargestellte Klappe 19, müsste richtigerweise gestrichelt dargestellt sein und die gestrichelte Klappenstellung, bei der der Bypass 17 verschlossen wird, müsste in ausgezogenen Linien dargestellt sein. Nach einer entsprechenden Korrektur dieses offensichtlichen Fehlers, wären die Beschreibung und die Figuren konsistent.

2) Bei der Auslegung der in der Patentschrift verwendeten Begriffe käme es auf die Sichtweise des Fachmannes an. Das Patent sei mit der Bereitschaft auszulegen, es zu verstehen und nicht mit dem Willen es misszuverstehen. Der Fachmann sei willens, es sinnvoll auszulegen und eine schlüssige Lehre daraus abzuleiten. Im vorliegenden Fall sei der Fachmann ein Ingenieur mit Kenntnissen aus dem Bereich von Motorsteuerungen und der Strömungsmechanik.

Der Begriff "besteht" in Anspruch 1 sei nicht abschließend zu verstehen, weil die Weiche neben einer Bypass-Klappe bzw. einem Bypass-Ventil zumindest noch einen Einlass und zwei Durchlässe aufweise.

Der Begriff "Verzweigung" sei zwar in der Beschreibung nicht explizit erwähnt, darauf komme es aber auch nicht an. Weil die Weiche in der Beschreibung derart beschrieben sei, dass sie einen Einlass und zwei Durchlässe aufweise, wobei die Abgase alternativ durch die Kühleinrichtung oder die Bypassleistung gelenkt werden, sei eine Verzweigung für den Fachmann implizit offenbart. Mit dem Begriff "Weiche" in der Patentschrift, werde dem Fachmann zwangsläufig auch eine "Verzweigung" mitoffenbart, da eine Verzweigung ein Wesensmerkmal einer Weiche sei. Eine Weiche sei ohne Verzweigung nicht denkbar.

Außerdem beschränke der Begriff "alternativ" in Anspruch 1 den Gegenstand auf eine Weiche mit einer Verzweigung und genau zwei Durchlässen. Demgegenüber könne eine Verzweigung mit einem Einlass, zwei Durchlässen und einem oder mehreren Nebenauslässen, kaum als eine durch einen Einlass und zwei Durchlässe gebildete Verzweigung im Sinne des Anspruches 1 bezeichnet werden.

3) Mit der Änderung im Oberbegriff des Anspruches 1 des Hilfsantrages 1 komme noch eindeutiger zum Ausdruck, dass die Verzweigung ein Teil der Weiche sei.

VI. Die Beschwerdegegnerinnen argumentieren demgegenüber im Wesentlichen wie folgt:

1) Für den Fachmann sei es keinesfalls offensichtlich, wie er die Diskrepanz zwischen den Ausführungen auf Seite 4 der ursprünglichen Beschreibung und der in Figur 3 dargestellten Klappenstellung zu korrigieren hätte. Die genannte gestrichelte Betriebsstellung in Figur 3 könne eine federgesteuerte oder eine druckgesteuerte sein. Da die Zeichnungen gleichberechtigt mit der Beschreibung seien, wüsste der Fachmann nicht, welche Berichtigung vorzunehmen sei.

2) Der Begriff "bestehend aus" hätte im Patentrecht eine abschließende Bedeutung. Deshalb könne die in Anspruch 1 erwähnte Weiche nicht aus mehr als dem Bypass-Ventil oder der Bypass-Klappe bestehen. Dies ergebe sich auch daraus, dass die Weiche aus genau einem Bypass-Ventil oder genau einer Bypass-Klappe bestehen solle.

Die in Anspruch 1 genannte "Verzweigung" sei weder explizit noch implizit in den ursprünglichen Unterlagen offenbart. Darüber hinaus könne eine Verzweigung mehr als nur einen Einlass und zwei Durchlässen aufweisen. So sei eine aus einem Einlass und zwei Durchlässen gebildete Verzweigung vorstellbar, die zusätzlich weitere Nebenauslässe oder dergleichen aufweise. Solche Ausführungsformen gingen aber über die ursprüngliche Offenbarung hinaus. Auch sei das Merkmal, dass das Bypass-Ventil oder die Bypass-Klappe "in der Verzweigung vor Kühleinrichtung und Bypass-Leitung angeordnet" sind, nicht in den ursprünglichen Unterlagen offenbart.

3) Durch die genannte Diskrepanz zwischen Figur 3 und Seite 4 der Beschreibung, könnte der Fachmann die verschiedenen Betriebsstellungen nicht korrekt einander zuordnen. Dies gelte insbesondere für die Normalbetriebsstellung. Zum Schutzgegenstand würden deshalb auch Lösungen gehören, bei denen das Bypassventil federgesteuert die Kühleinrichtung verschließe oder die Bypass-Klappe druckgesteuert die Bypass-Klappe 17 verschließe. Diese Ausführungsformen seien jedoch nicht durch die ursprünglichen Anmeldungsunterlagen gestützt.

In den ursprünglichen Unterlagen fehle auch eine Offenbarung, nach der das Bypass-Ventil oder die Bypass-Klappe zwei Endstellungen aufweise, in denen entweder die Kühleinrichtung oder die Bypassleitung verschlossen würden.

Da somit zum Schutzgegenstand auch Ausführungsformen gehören würden, die in den ursprünglichen Unterlagen nicht offenbar wären, seien die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ nicht erfüllt.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Hauptantrag - Anspruch 1

2.1 Gemäß Art. 123 (2) EPÜ, darf die europäische Patentanmeldung und das europäische Patent nicht in der Weise geändert werden, dass ihr Gegenstand über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht. Dies ist nur dann erfüllt, wenn der Fachmann den beanspruchten Gegenstand der Anmeldung in der eingereichten Fassung unter Heranziehen des allgemeinen Fachwissens unmittelbar und eindeutig entnehmen kann.

2.2 Zum beanspruchten Gegenstand nach Anspruch 1

2.2.1 Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Begriff "besteht" in Anspruch 1 von einem Fachmann im abschließenden Sinne verstanden wird oder nicht, und ob die "Verzweigung" nur einen Einlass und genau zwei Durchlässe umfasst oder auch mehr als zwei Durchlässe umfassen kann.

2.2.2 Zum Begriff "besteht"

a) Grundsätzlich wird den in Patentdokumenten verwendeten Begriffen die im Stand der Technik übliche Bedeutung gegeben, es sei denn, dass sich aus der Beschreibung dafür eindeutig eine besondere Bedeutung ergibt (siehe beispielsweise T 1321/04, nicht im Abl. veröffentlicht). Wenn Begriffe in einem Patentdokument ausdrücklich in einem anderen als dem üblichen Sinn verwendet werden, so geht diese Bedeutung vor.

b) Der ursprünglich eingereichte Anspruch 1 beschreibt eine Weiche, "deren Einlass mit einer Abgasrückführleitung verbunden ist und die zwei Durchlässe aufweist". Dies entspricht auch den Ausführungen auf Seite 2, Zeilen 11-13 der Anmeldung. Auf Seite 4, Zeilen 3 bis 7 wird darüber hinaus beschrieben, dass das Ventil 18 bzw. die Klappe 19 als Bypassorgane eine Weiche bilden, das heißt, das Ventil 18 und die Klappe 19 sind auch ein Bestandteil der Weiche. Daraus ergibt sich, dass die Weiche sowohl einen Einlass und zwei Durchlässe als auch das Ventil 18 bzw. die Klappe 19 aufweist.

Im Kennzeichen des Anspruchs 1 wird eine Weiche beansprucht, mit genau einem Bypass-Ventil oder genau einer Bypass-Klappe. Mit "genau" wird nur die Anzahl der beanspruchten Bypass-Ventile bzw. -klappen festgelegt, nicht jedoch ausgeschlossen, dass die Weiche noch weitere Merkmale aufweist, wie beispielsweise ein Gehäuse, Ventilsitze, etc.

c) Im vorliegenden Fall ergibt sich deshalb aus der ursprünglichen Anmeldung, dass der Begriff "besteht" in Anspruch 1 nicht im abschließenden Sinne verwendet wird.

2.2.3 Zum Begriff "Verzweigung"

a) Eine Verzweigung wird in den ursprünglichen Unterlagen nicht explizit erwähnt. Allerdings kommt es darauf auch nicht unbedingt an, sondern lediglich auf die Offenbarung dessen, was der Begriff bezeichnen soll.

Die Weiche dient nach der Beschreibung dazu, den Abgasstrom entweder durch die Kühleinrichtung oder die Bypass-Leitung zu lenken (siehe beispielsweise Seite 2, Abs. 3 der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung). Dazu ist es erforderlich, dass der Abgasstrom zwischen dem Weicheneinlass und den Weichendurchlässen und in Strömungsrichtung vor der Kühleinrichtung und der Bypass-Leitung verzweigt wird. Eine Verzweigung ist somit ein notwendiges Merkmal der in der der Patentschrift beschriebenen Weiche.

Die Kammer ist deshalb davon überzeugt, dass dieses Merkmal sich dem Fachmann, einem Ingenieur mit Kenntnissen auf dem Gebiet der Motorsteuerungen und Strömungsmechanik, zumindest implizit erschließt.

b) Allerdings ist eine Weiche mit einer Verzweigung nicht notwendigerweise auf zwei Durchlässe beschränkt, sondern kann auch mehr als zwei Durchlässe aufweisen. So zeigt beispielsweise Figur 1 der Patentschrift eine Verzweigung in Form einer Luftzuführung 3, mit der die durch einen Einlass zugeführte Luft auf vier Auslässe, d.h. Durchlässe verteilt wird.

Die Beschwerdekammer teilt nicht die Auffassung der Beschwerdeführerin, der Begriff "alternativ" in Anspruch 1 beschränke den beanspruchten Gegenstand auf eine Weiche mit einer Verzweigung und nur zwei Durchlässen.

i) Nach dem Oberbegriff des Anspruches 1 ist der Einlass der Weiche mit einer Abgasrückführleitung verbunden. Einer ihrer Durchlässe ist mit der Kühleinrichtung 10 und der andere mit der Bypass-Leitung 17 derart verbunden, dass die Abgase steuerbar alternativ durch die Kühleinrichtung 10 oder die Bypass-Leitung 17 strömbar sind.

Der Begriff "steuerbar" bedeutet nach dem Duden, "sich steuern lassend". Die vorstehende Formulierung in Anspruch 1 bedeutet demnach, dass sich die Abgase so steuern lassen müssen, dass sie entweder durch die Kühleinrichtung 10 oder durch die Bypass-Leitung strömen.

ii) Auch eine Verzweigung mit mehr als zwei Durchlässen, beispielsweise mit einem dritten Durchlass zum Abzweigen eines Teils des Abgases für einen Thermogenerator, würde den Wortlaut des Anspruches 1 erfüllen.

Zum Einen ist es nach diesem Wortlaut nicht zwingend erforderlich, dass die gesamten Abgase alternativ durch die Kühleinrichtung 10 oder die Bypass-Leitung 17 geleitet werden. Die nicht durch den dritten Durchlaß abströmenden Abgase könnten dann immer noch so gesteuert werden, dass sie entweder durch die Kühleinrichtung 10 oder durch die Bypass-Leitung 17 strömen.

Zum Anderen könnten die Abgase, zum Beispiel durch Schließen des dritten Durchlasses auch so gesteuert werden, dass der gesamte Abgasstrom entweder durch die Kühleinrichtung oder die Bypass-Leitung geleitet wird.

2.3 Mit Anspruch 1 wird demnach zumindest auch eine Ausführungsform beansprucht, bei der die Verzweigung mehr als zwei Durchlässe aufweist. Da der Fachmann der ursprünglich eingereichten Anmeldung aber nur eine Ausführungsform mit genau zwei Durchlässen entnehmen kann, geht der beanspruchte Gegenstand über den Inhalt der Anmeldung in dieser Fassung hinaus.

Anspruch 1 des Hauptantrages erfüllt somit nicht die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ.

3. Hilfsantrag 1 - Anspruch 1

3.1 In Figur 2 wird die Normalbetriebsstellung des Ventils 18 dargestellt, in der das Abgas durch den Kühler geleitet wird. Insofern ist die Aussage auf Seite 4, Zeilen 8 - 11 der ursprünglichen Anmeldungsunterlagen zutreffend. Die Aussage in Zeilen 11 - 13, dass die entsprechende Stellung in Figur 3 in ausgezogenen Linien dargestellt sei, ist jedoch nicht zutreffend, denn dort wird der Zugang zum Kühler durch die Klappe 19 blockiert. Entsprechendes gilt für den letzten Absatz auf Seite 4. Das Vorliegen eines Fehlers ist somit für den Fachmann offensichtlich.

3.1.1 Gemäß der Rechtsprechung der Beschwerdekammern (zum Beispiel T 0190/99, nicht im ABl. EPA veröffentlicht) sind bei der Prüfung eines Anspruchs unlogische oder technisch unsinnige Auslegungen auszuschließen. Das Patent ist mit der Bereitschaft auszulegen, es zu verstehen und nicht mit dem Willen es misszuverstehen.

a) Im vorliegenden Fall gibt es nur eine sinnvolle Korrekturmöglichkeit, nämlich, dass in Figur 3 die gestrichelt dargestellte Klappe tatsächlich in ausgezogenen Linien dargestellt sein sollte und die in ausgezogenen Linien dargestellte Klappe dafür gestrichelt dargestellt sein sollte. Denn nur dann ergeben die Feststellungen auf Seite 4, insbesondere in den letzten beiden Sätzen von Absatz 1 und in Absatz 3 einen Sinn.

b) Natürlich könnte der Fehler auch in der Beschreibung, auf Seite 4 enthalten sein. So könnten statt der ausgezogenen Linien in Zeile 13, die gestrichelten Linien gemeint gewesen sein. Dann würde allerdings der nachfolgende Satz bezüglich Figur 2 nicht mehr zutreffend sein.

Mit der "entsprechenden Stellung" in Zeile 12 könnte auch die Betriebsstellung gemeint gewesen sein. Dann wäre allerdings ebenfalls der nachfolgende Satz bezüglich Figur 2 nicht mehr zutreffend.

Selbst wenn die ausgezogenen Linien der Zeile 13, gestrichelte Linien gewesen sein sollten und die in Zeilen 13 und 14 genannte gestrichelte Betriebsstellung, als in ausgezogenen Linien dargestellte Betriebsstellung gemeint gewesen sein sollte, würde der letzte Satz hinsichtlich Figur 2 keinen Sinn ergeben.

3.1.2 Die Kammer kommt somit zu dem Ergebnis, dass der Fehler für den Fachmann derart offensichtlich ist, dass sofort erkennbar ist, dass ein Fehler vorliegt und welche Berichtigung vorzunehmen ist.

Eine entsprechend korrigierte Figur 3 wäre dann konsistent mit Seite 4 der Beschreibung, das heißt die Normalbetriebsstellung kann dann eindeutig der federgesteuerten Betriebsstellung zugeordnet werden, in der die Bypass-Leitung 17 verschlossen wird. Durch eine solche Korrektur würde auch ein möglicherweise bestehendes Ausführbarkeitsproblem ausgeräumt.

3.2 Änderungen

3.2.1 Mit der ersten Änderung im Oberbegriff des Anspruches 1 wird ausgeschlossen, dass die Verzweigung der Weiche mehr als einen Einlass und genau zwei Durchlässe aufweist. Eine solche Verzweigung ist in den Figuren und in der Beschreibung eindeutig offenbart. Der über den Einlass der Weiche zugeführte Abgasstrom, wird dort verzweigt und durch das Bypass-Ventil 18 bzw. die Bypass-Klappe 19 in die Durchlässe zu der Kühleinrichtung 10 bzw. der Bypass-Leitung 17 gelenkt.

Mit der zweiten Änderung wird die Normalbetriebsstellung, wie sie auf Seite 4, Zeilen 8 - 11 offenbart ist, aufgenommen.

3.2.2 Im Kennzeichen des Anspruches 1 wurde aufgenommen, dass die Betriebsstellung, in der die Weiche die Kühleinrichtung verschließt, druckgesteuert ist, und diejenige, in der sie die Bypass-Leitung verschließt, d.h. die Normalbetriebsstellung, federgesteuert ist.

a) Nach Überzeugung der Kammer versteht der Fachmann unter der "federgesteuerten Betriebsstellung" diejenige Stellung, bei der die Bypass-Leitung 17 durch Federkraft verschlossen wird und die in Figur 2 in durchgezogenen Linien dargestellt ist.

Figur 2 entnimmt er, dass die "druckgesteuerte Betriebsstellung", diejenige Stellung ist, bei der das Ventilschließglied durch Druckbeaufschlagung des Steuerorgans gegen die Federkraft verschoben wird und so den Durchlaß zur Kühleinrichtung verschließt.

b) Diese Änderung ergibt sich für den Fachmann unmittelbar und eindeutig aus dem letzten Absatz auf Seite 4 der ursprünglichen Beschreibung in Verbindung mit den Figuren, wobei er den Fehler in Figur 3, wie oben ausgeführt, als solchen erkennt und weiß was gemeint war.

3.2.3 Das Bypass-Ventil bzw. die Bypass-Klappe dienen zum alternativen Verschließen der Kühleinrichtung 10 bzw. der Bypass-Leitung 17. Es ist für den Fachmann eine Selbstverständlichkeit, dass sie dazu vor diesen anzuordnen sind und er wird die Darstellung in Figur 2, 3 auch entsprechend verstehen. Dass in Figur 3 die Klappe nur in einer Endposition "vor" der Bypassleitung 17 angeordnet ist, ändert nichts an dieser Feststellung, denn der Fachmann wird den Begriff "vor" im strömungstechnischen Sinne verstehen. Deshalb ist auch das Merkmal, dass das Bypass-Ventil oder die Bypass-Klappe der Weiche in der Verzweigung vor der Kühleinrichtung und der Bypass-Leitung angeordnet sind, von der Offenbarung der ursprünglich eingereichten Anmeldung gestützt.

3.2.4 Die geänderten Merkmale des Anspruches 1 des Hilfsantrages ergeben sich somit für den Fachmann unmittelbar und eindeutig aus den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen, insbesondere den Figuren und Seite 4.

4. Zurückverweisung

Hauptzweck des Beschwerdeverfahrens ist die Überprüfung erstinstanzlicher Entscheidungen. Da in der angefochtenen Entscheidung nur zur mangelnden Offenbarung Stellung genommen worden ist, hält es die Kammer für geboten, diese Beschwerdesache gemäß Artikel 111 (1) EPÜ 1973 an die Einspruchsabteilung zur Fortsetzung des Einspruchsverfahrens auf Grundlage des Hilfsantrages 1 zurückzuverweisen. Dort wird die Beschwerdeführerin Gelegenheit haben, die angekündigte Korrektur der Figur 3 vorzunehmen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die erste Instanz zur weiteren Entscheidung zurückverwiesen.

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