T 0321/10 () of 22.3.2012

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2012:T032110.20120322
Datum der Entscheidung: 22 März 2012
Aktenzeichen: T 0321/10
Antrag auf Überprüfung: R 0012/12
Anmeldenummer: 04012124.6
IPC-Klasse: B65B 55/06
B65B 55/10
B65B 43/36
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Vorrichtung und Verfahren zum Befüllen flexibler Folienbeutel
Name des Anmelders: Deutsche SiSi-Werke Betriebs GmbH
Name des Einsprechenden: KHS GmbH
Kammer: 3.2.07
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Aufgabe - sterilisierendes gasförmiges Medium näher zu definieren/Offenbarungslücke im nächstkommenden Stand der Technik schließen (Punkt 4); Offenbarung des weiteren Stands der Technik (Punkt 6.4); Erfinderische Tätigkeit - nein (sämtliche Anträge); konkrete Anhaltspunkte für fachmännisches Handeln nicht erforderlich, da Unterscheidungsmerkmale nicht auf spezifisches Handeln gerichtet (Punkt 9.5)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Einsprechende (im Folgenden Beschwerdeführerin) hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, den Einspruch gegen das europäische Patent EP 1 598 274 zurückzuweisen, Beschwerde eingelegt.

Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Zurückweisung der Beschwerde, hilfsweise, unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung die Aufrechterhaltung des Patents in beschränktem Umfang auf der Basis eines der Anspruchssätze, eingereicht als Hilfsantrag mit Schriftsatz vom 22. Oktober 2009 und als Hilfsantrag II während der mündlichen Verhandlung.

II. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag (erteilte Fassung) lautet, mit einer seitens der Kammer eingefügten Merkmalsbezeichnung, wie folgt:

"1. Verfahren zum Befüllen

a) von flexiblen Folienbeuteln (1), bei dem:

b) ein Folienbeutel (1) mit einem gasförmigen Medium zumindest teilweise ausgeformt wird und

c) anschließend der Folienbeutel (1) mit flüssigem Füllgut (5) gefüllt wird, wobei

d) das gasförmige Medium den Folienbeutel (1) desinfiziert

dadurch gekennzeichnet, dass

e) das gasförmige Medium Ozon und als Trägergas Luft umfasst".

Der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag unterscheidet sich von dem Anspruch 1 gemäß Hauptantrag durch das zusätzliche Merkmal am Ende dieses Anspruchs

f) "und dass der Folienbeutel (1) nur teilweise mit dem gasförmigen desinfizierenden Medium ausgeformt und anschließend mit einem desinfizierten und/oder sterilen Medium, das vorzugsweise nicht mehr desinfizierend wirkt, ausgeformt wird".

Der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag II unterscheidet sich von dem Anspruch 1 gemäß Hauptantrag durch das zusätzliche Merkmal am Ende dieses Anspruchs

g) "und dass der Folienbeutel (1) nur teilweise mit dem gasförmigen desinfizierenden Medium ausgeformt und anschließend mit einem desinfizierten und/oder sterilen Medium, das nicht mehr desinfizierend wirkt, ausgeformt wird".

In dem zusätzlichen Merkmal g) ist folglich gegenüber dem Merkmal f) der Ausdruck "vorzugsweise" gestrichen worden.

III. Es wird auf den folgenden Stand der Technik Bezug genommen

D1 GB-A-963 144

D4 WO-A-99/30747

D9 DE-A-25 11 355.

IV. Das wesentliche Vorbringen der Beschwerdeführerin kann wie folgt zusammengefasst werden:

Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag unterscheide sich von dem Verfahren zum Befüllen von flexiblen Folienbeuteln nach D1 ausschließlich durch das kennzeichnende Merkmal e), nach dem das gasförmige Medium Ozon und als Trägergas Luft umfasst. Ausgehend von dem aus D1 bekannten Verfahren als nächstkommenden Stand der Technik stelle sich die Aufgabe, für das, in D1 lediglich in allgemeiner Form angesprochene, sterilisierende Gas ein für die Durchführung des bekannten Verfahrens geeignetes Gas bereitzustellen. Eine Anregung dafür, dass ein derartiges Gas entsprechend dem Merkmal e) des Anspruchs 1 Ozon und als Trägergas Luft umfasst, ergebe sich unmittelbar aus der Entgegenhaltung D9, nach der ein derartiges Medium sowohl zur Durchführung einer Vorsterilisierung als auch zur Sterilisierung des Folienbeutelmaterials während des kontinuierlichen Betriebs bekannt ist.

Betreffend das Verfahren nach dem Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag sei zu berücksichtigen, dass sich aufgrund des in dem Merkmal f) enthaltenen Ausdrucks "vorzugsweise nicht mehr desinfizierend wirkt" das Medium weiterhin desinfizierend wirken kann und somit dieses Verfahren dasjenige nach dem Anspruch 1 gemäß Hauptantrag umfasse. Insoweit werde dieses Verfahren somit gleichfalls durch die Entgegenhaltungen D1 und D9 nahegelegt.

Das Verfahren nach dem Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag II sei aufgrund der in dem Merkmal g) enthaltenen Formulierungen bezüglich der Verwendung unterschiedlicher Medien sehr allgemein definiert. Aufgrund dieser allgemeinen Definitionen sei nicht erkennbar, dass davon ausgegangen werden könne, dass sich, zumindest in technisch bedeutsamer Weise, die Wirkung einstellt, nach der der Verbrauch an höherwertigerem desinfizierenden Gas reduziert werden kann.

Anlässlich der Diskussion in der mündlichen Verhandlung sei im Übrigen davon auszugehen, dass sich die Aufgabe, den Verbrauch an desinfizierendem Gas möglichst klein zu halten, für den Fachmann ohne weiteres stelle. Die Lösung dieser Aufgabe nach dem angesprochenen Merkmal sei ausgehend von dem Verfahren nach D1 unter Berücksichtigung solchen allgemeinen fachmännischen Handelns als naheliegend anzusehen.

V. Das wesentliche Vorbringen der Beschwerdegegnerin kann wie folgt zusammengefasst werden:

Das Verfahren nach dem Anspruch 1 gemäß Hauptantrag beruhe gegenüber demjenigen nach D1 als nächstkommenden Stand der Technik unter Berücksichtigung der D9 als weiteren Stand der Technik auf erfinderischer Tätigkeit. Bezüglich der D9 sei übereinstimmend mit der angefochtenen Entscheidung zu berücksichtigen, dass dieser Entgegenhaltung bezüglich des dort, im Wesentlichen im Zusammenhang mit einer Vorsterilisation, genannten desinfizierenden Medium nicht zu entnehmen sei, dass es für ein Verfahren zum Befüllen von flexiblen Folienbeuteln, bei dem die Folienbeutel auch auszuformen seien, geeignet sei.

Die Verfahren nach dem Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag sowie gemäß Hilfsantrag II unterschieden sich von dem aus D1 bekannten Verfahren weiter durch die Merkmale f) bzw. g), aufgrund derer in vorteilhafterweise der Verbrauch des – höherwertigeren – desinfizierenden Mediums durch die anschließende Verwendung eines lediglich desinfizierten und/oder sterilen Mediums reduziert werden kann. Da es für diese Maßnahmen im vorliegenden Stand der Technik keinerlei Anhaltspunkt gebe, seien sie, in Verbindung mit den übrigen Merkmalen der betreffenden Ansprüche, als zu einem auf erfinderischer Tätigkeit beruhenden Verfahren führend zu erachten. Die speziellen Maßnahmen nach dem Merkmal f) bzw. g) könnten mangels jedweden Anhaltspunktes hierfür auch nicht als im Rahmen fachmännischen Handelns liegend angesehen werden.

Entscheidungsgründe

1. Offenbarung der Entgegenhaltung D1

1.1 D1 offenbart unstreitig ein Verfahren mit den (identischen) Oberbegriffsmerkmalen der Ansprüche 1 sämtlicher Anträge.

Bei dem Verfahren zum Befüllen von flexiblen Folienbeuteln nach D1 (Merkmal a)) wird ein flexibler Folienbeutel mit einem gasförmigen Medium ("gas blast") entsprechend den Merkmalen a) und b) zumindest teilweise ausgeformt (vgl. D1, Seite 1, Zeilen 26 - 37; Seite 2, Zeilen 4 - 24).

Dieser Folienbeutel wird anschließend, entsprechend dem Merkmal c) mit flüssigem Füllgut gefüllt (Seite 1, Zeilen 26 - 37).

Das gasförmige Medium kann die den Folienbeutel desinfizierende Wirkung entsprechend dem Merkmal d) aufweisen. Dazu ist in D1 ausgeführt, dass das Prinzip des Ausformens mit einem Gas in zweckmäßiger Weise mit einer Gasbehandlung des Behälterinneren kombiniert werden kann, in dem beispielsweise ein sterilisierendes Gas oder ein neutrales Gas wie Stickstoff als ausformendes Medium eingesetzt wird (Seite 2, Zeilen 65 – 69).

1.2 Betreffend diese Gasbehandlung ist weiter ausgeführt, dass die Verwendung eines neutralen Gases wie Stickstoff dann von besonderer Bedeutung ist, wenn es wünschenswert ist, das Füllgut in einer neutralen oder luftfreien Atmosphäre zu verpacken. Durch das eingeblasene Gas werde die Luft, einschließlich etwaig andernfalls in Lufttaschen gefangener Luft, verdrängt (Seite 2, Zeilen 70 – 76).

2. Unterscheidungsmerkmal des Verfahrens nach dem Anspruch 1 gemäß Hauptantrag gegenüber dem Verfahren nach der Entgegenhaltung D1

2.1 Ausgehend von dem oben angesprochenen Offenbarungsgehalt der D1 trifft, was unbestritten ist, die Auffassung der angefochtenen Entscheidung zu, dass sich das Verfahren nach dem Anspruch 1 von demjenigen nach D1 durch das Merkmal e) unterscheidet.

3. Wirkung des Unterscheidungsmerkmals (Merkmal e))

Das Unterscheidungsmerkmal e) definiert, dass das gasförmige Medium Ozon und als Trägergas Luft umfasst.

Die Wirkung des Unterscheidungsmerkmals besteht, wie seitens der Kammer in der mündlichen Verhandlung angesprochen, im Hinblick auf das Verfahren nach der D1 darin, die Zusammensetzung für das in D1 nur allgemein bezüglich seiner Wirkung als sterilisierendes Gas ("sterilising gas") angesprochene gasförmige Medium näher zu definieren.

4. Aufgabe

Die ausgehend von der genannten Wirkung des Unterscheidungsmerkmals e) zu lösende Aufgabe kann, wie in der mündlichen Verhandlung erörtert, darin gesehen werden für das in D1 lediglich mit seiner Wirkung oder Eigenschaft als sterilisierend umschriebene Gas eine geeignete Zusammensetzung zu wählen.

Diese Aufgabe ist folglich, ausgehend von der Offenbarung der D1, darauf gerichtet, eine Offenbarungslücke bezüglich der Zusammensetzung des in D1 genannten sterilisierenden Gases zu schließen.

5. Lösung der Aufgabe

Die Kammer erachtet die Auffassung der Beschwerdegegnerin, der seitens der Beschwerdeführerin nicht widersprochen worden ist, als zutreffend, dass die Aufgabe als durch das Verfahren nach dem Anspruch 1 gelöst angesehen werden kann, weil durch das Merkmal e) Komponenten des gasförmigen Mediums, nämlich Ozon und Luft als Trägergas, definiert werden.

6. Offenbarung der Entgegenhaltung D9

6.1 Die seitens der Beschwerdeführerin, in Verbindung mit der D1, als weiterer Stand der Technik genannte D9 offenbart das Verfahren nach dem Anspruch 1 betreffend ein Verfahren, bei dem Verpackungen unter Sterilisierung durch UV-Strahlung kontinuierlich hergestellt und mit flüssigem Füllgut gefüllt werden (vgl. Anspruch 1 und den die Seiten 1 und 2 überbrückenden Absatz).

6.2 Hinsichtlich dieses Verfahrens zum Befüllen von durch Umformen eines Verpackungsmaterials hergestellten Verpackungen offenbart D9 ein Verfahren "zur kontinuierlichen Herstellung von beispielsweise mit steriler Milch abgefüllter, keimfreier getrennter Verpackungen aus einer durch die Verpackungsmaschine in durchgeführten Verpackungsmaterialbahn". Dabei erfolgt "die Umwandlung der Verpackungsmaterialbahn in getrennte, gefüllte, sterile Verpackungen gewöhnlich durch Umformung des Verpackungsmaterials zu einem Schlauch oder Rohr". Hinsichtlich der Sterilisierung ist ausgeführt, dass eine "Sterilisierung der Innenseite des Schlauches durch UV-Bestrahlung" erfolgt. Dazu ist weiter ausgeführt "Das Sterilisieren der Innenseite des Schlauches erfolgt also kontinuierlich beim Vorbeitritt des Materialschlauches an der UV-Strahlungsquelle während des Betriebes. Gleichzeitig wird der in der Luft enthaltene Sauerstoff zu Ozon umgewandelt, und da es aus mehreren Gründen unerwünscht ist, das Füllgut, beispielsweise Milch, mit dem Ozon zur Berührung gelangen zu lassen, ist innerhalb des Schlauches zwischen der UV-Strahlungsquelle und dem Ort, an dem das Füllgut eingeführt wird, eine Lufteintrittsöffnung vorgesehen, durch die während des Betriebs ein kontinuierlicher Luftstrom eingeführt wird … so daß das sich bildende Ozon mitgenommen und durch das offene Schlauchende ausgeführt wird".

6.3 Betreffend eine besondere Vorsterilisierung vorab der Durchführung des Verfahrens zum Befüllen von Verpackungen, die, wie seitens der Beschwerdegegnerin zutreffend ausgeführt, den Kern der Lehre der D9 betrifft, ist in D9 angegeben (Fettdruck durch die Kammer hinzugefügt) "Bei Inbetriebnahme einer Verpackungsmaschine dieser Art nach einem Stillstand muß eine besondere Vorsterilisierung denjenigen Teil des Verpackungsmaterials und der Maschine vorgenommen werden, die während des Betriebs mit dem Füllgut wie Milch z.B., zur Berührung gelangen. Dies gilt also für die Innenseite der Füllgut-und Luftzuleitungen, die Außenseite derjenigen Teile der Zuleitungen, die sich innerhalb des Verpackungsmaterialschlauches befinden, die übrigen Teile der Maschine, die sich innerhalb des Verpackungsmaterialschlauches befinden, sowie mindestens denjenigen Teil der Innenseite des Verpackungsmaterialschlauches, die sich zwischen der UV-Strahlungsquelle und der Eintrittsstelle des Füllgutes in den Verpackungsmaterialschlauches befindet …" (Seite 2, letzter Absatz).

Diesbezüglich ist weiter ausgeführt, dass die der Lehre der D9 zu Grunde liegende Aufgabe gelöst wird und weitere Vorteile erzielt werden, "indem ein Verfahren, bei dem bei einer Maschine zum kontinuierlichen Herstellen von Verpackungen unter Sterilisierung mittels UV-Strahlung diejenigen Teile der Maschine und des Verpackungsmaterials, die mit dem Füllgut der Verpackungen direkt oder indirekt zur Berührung gelangen, vor Inbetriebnahme der Maschine sterilisiert werden" (Seite 4, 2. Absatz).

Betreffend die Durchführung der Sterilisation ist in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass "die UV-Strahlungsquelle aktiviert wird, worauf der durch die UV-Strahlung zu Ozon umgewandelte Sauerstoff, vorzugsweise zusammen mit der vorhandenen Luft, durch die zu sterilisierenden Teile umgewälzt bzw. mit diesen zur Berührung gebracht wird …" (Seite 4, zweiter Absatz). Weiter ist dazu angegeben "Die Nutzung der Sterilisierungswirkung von Ozon ermöglicht in wirksamer Weise und ohne komplizierte Ausrüstung die Durchführung einer Sterilisierung selbst an nicht leicht zugänglichen Teilen des Abfüllsystems der Verpackungsmaschine" (vgl. den die Seiten 4 und 5 überbrückenden Absatz).

6.4 Aufgrund der genannten Offenbarungsstellen der D9 erachtet die Kammer die Auffassung der Beschwerdeführerin als zutreffend, nach der im Verfahren nach der D9 sowohl betreffend die Vorsterilisation als auch betreffend die Sterilisation im laufenden Betrieb zum Befüllen der Verpackungen eine Sterilisation durchgeführt wird, bei der die Innenseite des Verpackungsmaterials durch unter Einwirkung einer UV-Strahlungsquelle in einem Luftstrom gebildetes Ozon desinfiziert wird.

Es ist folglich unerheblich, inwieweit eine Offenbarung betreffend eine alleinige Verwendung des in einem Luftstrom gebildeten Ozons zur Vorsterilisierung, vorliegend bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit bezüglich eines auf einen kontinuierlichen Betrieb gerichteten Verfahrens zum Befüllen, zu berücksichtigen gewesen wäre.

6.5 Betreffend die Beurteilung des Offenbarungsgehaltes der D9 vermag die Kammer den Einwänden der Beschwerdegegnerin nicht zu folgen.

Nach einem ersten Einwand betreffe die in der D9 angesprochene Sterilisation unter Verwendung eines Luftstromes in dem aufgrund einwirkender UV-Strahlung Ozon gebildet wird, ausschließlich die Vorgehensweise zur Vorsterilisation.

Da nach der D9 ein und dieselbe UV-Strahlungsquelle sowohl zu Vorsterilisation als auch zu Sterilisation während des laufenden Betriebes eingesetzt wird und D9 keine Angaben enthält, die auf einen unterschiedlichen Betrieb der UV-Strahlungsquelle bei der Vorsterilisation bzw. der Sterilisation im laufenden Betrieb schließen lassen, ist davon auszugehen, dass die Sterilisation in beiden Fällen unter Ausnutzung des erzeugten Ozons erfolgt. Diese Auffassung wird auch dadurch gestützt, dass in D9, wie ausgeführt, Maßnahmen angesprochen werden durch die ein als schädlich erachteter Kontakt des Ozons mit dem Füllgut vermieden werden kann (vgl. den die Seiten 1 und 3 überbrückenden Absatz).

Nach einem weiteren Einwand spräche gerade der angesprochene Aspekt, gemäß dem nach D9 ein Kontakt des Füllgutes mit Ozon vermieden werden solle, gegen eine Sterilisierung unter Verwendung von Ozon mit Luft als Trägergas im laufenden Betrieb.

Die Kammer erachtet aus zwei Gründen diesen Einwand als nicht zutreffend. Zum einen ist nach D9 lediglich ein Kontakt zwischen dem Ozon und dem Füllgut, nicht aber ein Kontakt zwischen dem Ozon und der zu sterilisierenden Innenseite des Verpackungsmaterials zu vermeiden (vergleiche den die Seiten 1 und 2 überbrückenden Absatz). Zum anderen ist, wie seitens der Beschwerdeführerin ausgeführt, bezüglich der Angabe der D9, nach der ein Kontakt zwischen dem Ozon und dem Füllgut zu vermeiden ist, zu berücksichtigen, dass diese Offenbarung nur für den Fall relevant ist, dass tatsächlich ein Füllgut verpackt werden soll, zu dem ein derartiger Kontakt als schädlich angesehen wird. Im Übrigen kann auch bei dem Verfahren nach dem Anspruch 1 ein derartiger Kontakt erfolgen, denn erst unter Weiterbildung des Verfahrens nach dem Anspruch 6 wird er als zu vermeiden beansprucht.

6.6 Als Ergebnis ist folglich festzuhalten, dass D9, insofern übereinstimmend mit dem Streitpatent (Abschnitt [0046], für den Verpackungsschlauch sowohl für die Sterilisation im laufenden Betrieb als auch für die Vorsterilisation den Einsatz von in einem Luftstrom durch Bestrahlung mit UV-Licht erzeugtem Ozon vorsieht.

Die Verwendung eines desinfizierenden gasförmigen Mediums bei einem Verfahren zum Befüllen von Verpackungen mit einem flüssigem Füllgut, das entsprechend dem Merkmal e) des Anspruchs 1 Ozon und als Trägergas Luft umfasst ist, ist folglich aus D9 bekannt.

7. Naheliegen des Verfahrens nach dem Anspruch 1 gemäß Hauptantrag

7.1 Berücksichtigt der Fachmann ausgehend von dem Verfahren nach D1 zur Lösung der in Punkt 4 genannten Aufgabe die angesprochene Offenbarung der D9, nach der zur Sterilisation des Verpackungsmaterials bei einem Verfahren zum Befüllen von Verpackungen mit flüssigem Füllgut wie auch bei einer Vorsterilisation ein gasförmiges Medium umfassend Ozon und als Trägergas Luft eingesetzt wird, dann ist offensichtlich, dass die Offenbarungslücke der D1 hinsichtlich des dort lediglich allgemein angesprochenen sterilisierenden Gases ohne weiteres durch die Angaben der D9 betreffend das einzusetzende sterilisierende Medium gefüllt werden kann.

7.2 Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Argumente der Beschwerdeführerin, nach denen der verfügbare Stand der Technik, bspw. D4, auf mehrere mögliche sterilisierende Mittel verweise, so dass die Berücksichtigung des aus D9 bekannten, Ozon und Luft als Trägergas umfassenden gasförmigen Mediums als auf der Kenntnis des erfindungsgemäßen Verfahrens und damit auf einer rückschauenden Betrachtungsweise beruhend anzusehen sei. Dies gelte umso mehr unter Berücksichtigung des Umstandes, dass D9 kein Hinweis betreffend den Einsatz des Ozon und Luft als Trägergas umfassenden gasförmigen Mediums zum zumindest teilweisen Ausformen von flexiblen Folienbeuteln zu entnehmen sei.

7.3 Betreffend die Berücksichtigung des gasförmigen Mediums nach der D9 als das in D1 lediglich allgemein angesprochenen sterilisierende Gas ist anzumerken, dass gegen die Berücksichtigung der Entgegenhaltung D9 als weiteren Stand der Technik in Verbindung mit der D1 als nächstkommenden Stand der Technik weder ein Einwand erhoben worden ist noch anderweitig erkennbare Gründe dieser entgegenstehen. Folglich ist, unabhängig davon ob weiterer Stand der Technik, wie beispielsweise die D4 (vgl. Seite 1, Zeilen 3 - 9), weitere bei dem Verfahren nach D1 als sterilisierendes Gas einsetzbare gasförmige Medien offenbart, im Hinblick auf D9 (lediglich) zu prüfen, inwieweit letztere Entgegenhaltung die Offenbarungslücke der D1 betreffend das dort angesprochene sterilisierende Gas zu schließen vermag. Die Antwort dazu wurde bereits in Punkt 7.1 oben gegeben.

Die Frage, ob aus dem Stand der Technik noch weitere, ggfs. gleichfalls naheliegende, sterilisierende Mittel bekannt sind, ist vorliegend für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit unter Berücksichtigung der Entgegenhaltungen D1 und D9 nicht relevant.

7.4 Hinsichtlich der Eignung des aus D9 bekannten gasförmigen Mediums zum zumindest teilweisen Ausformen flexibler Folienbeutel entsprechend den Merkmalen a) und b) ist zu berücksichtigen, dass es ausweislich des Merkmals e) des Anspruchs 1 des Streitpatents keiner weiteren Maßnahmen hierfür bedarf. Es ist folglich davon auszugehen, dass das mit dem gasförmigen Medium gemäß dem Merkmal e) übereinstimmende gasförmige Medium nach der D9 in einer dem Verfahren nach dem Anspruch 1 entsprechenden Weise bei dem Verfahren nach D1 einsetzbar ist. Im Übrigen ist, wie bereits in Punkt 1.1 ausgeführt, das Ausformen mittels des desinfizierenden Gases bereits durch das Verfahren nach der D1 gegeben.

Es geht im vorliegenden Fall nur um das Füllen einer Offenbarungslücke in der D1, nicht um die Anwendung der gesamten Lehre der D9.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass kein Grund ersichtlich ist, der den Fachmann daran gehindert hätte, bei dem Verfahren nach D1 als sterilisierendes Gas, das aus D9 bekannte sterilisierende Ozon-Luftgemisch einzusetzen.

7.5 Die seitens der Beschwerdegegnerin als zutreffend erachtete angefochtene Entscheidung, nach der das Verfahren nach dem Anspruch 1 ausgehend von demjenigen nach der D1 und weiterer Berücksichtigung der D9 auf erfinderischer Tätigkeit beruht, geht davon aus, dass "die Verwendung von Ozon mit Luft als Trägergas zu diesem Zweck (Anmerkung: der Desinfizierung nach dem Merkmal e)) durch den bekannt gewordenen Stand der Technik, insbesondere durch die Dokumente … und D9, nicht nahegelegt wird" (Gründe, Nr. 14.1). Betreffend die D9 wird angemerkt, "dass dort zwar ein Ozon-Luft-Gemisch zum Einsatz kommt, aber keine Ausformung von Beuteln stattfindet". Weiter ist ausgeführt "Das Gemisch wird zur Vorsterilisierung der Anlage eingesetzt" und "Der D9 ist daher nicht die Lehre entnehmbar, dass ein Ozon-Luft-Gemisch zur Sterilisierung des Verpackungsmaterials während des Befüllungsverfahrens geeignet ist" (Gründe, Nr. 14.2).

Wie dem Vorstehenden zu entnehmen ist, beruht dieses Ergebnis auf einer unzutreffenden Beurteilung des Offenbarungsgehaltes der Entgegenhaltung D9, nach der nicht nur das aus der D9 bekannte sterilisierende Medium als für eine Sterilisierung des Verpackungsmaterials während des Befüllungsverfahrens ungeeignet angesehen worden ist, sondern auch unnötigerweise verlangt wurde, dass das sterilisierende Medium zum Ausformen verwendet wird.

7.6 Damit wird das Verfahren nach dem Anspruch 1 durch die Berücksichtigung der Entgegenhaltung D9 ausgehend von D1 als nächstkommenden Stand der Technik nahegelegt (Artikel 56 EPÜ).

8. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag

8.1 Der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag unterscheidet sich vom Anspruch 1 gemäß Hauptantrag durch die zusätzlichen Merkmale f), nach denen der Folienbeutel nur teilweise mit dem gasförmigen desinfizierenden Medium ausgeformt und anschließend mit einem desinfizierten und/oder sterilen Medium, das vorzugsweise nicht mehr desinfizierend wirkt, voll ausgeformt wird.

8.2 Durch die das vollausformende Medium betreffende Angabe, dass dieses vorzugsweise nicht mehr desinfizierend wirkt, kann dieses Medium, wie das teilausformende Medium, gleichfalls ein desinfizierendes Medium sein. In diesem Fall können das teilausformende und das vollausformende Medium identisch sein.

Der Anspruch gemäß dem Hilfsantrag umfasst folglich auch ein Verfahren bei dem, entsprechend dem Verfahren nach dem Anspruch 1 gemäß Hauptantrag, lediglich ein (einziges) gasförmiges Medium sowohl zum (zumindest teilweisen) Ausformen als auch zum Desinfizieren eingesetzt wird. In diesem Fall ist der Teil des Merkmals f), nach dem der Folienbeutel nur teilweise mit dem gasförmigen desinfizierenden Medium ausgeformt wird ohne Bedeutung.

Dieses Verfahren, und folglich auch der dieses Verfahren umfassende Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag, beruht, wie betreffend das Verfahren nach dem Anspruch 1 gemäß Hauptantrag vorstehend ausgeführt, gegenüber D1 und D9 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).

9. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag II

9.1 Der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag II unterscheidet sich vom Anspruch 1 gemäß Hauptantrag durch die zusätzlichen Merkmale g), nach denen der Folienbeutel nur teilweise mit dem gasförmigen desinfizierenden Medium ausgeformt und anschließend mit einem desinfizierten und/oder sterilen Medium, das nicht mehr desinfizierend wirkt, voll ausgeformt wird.

Für diesen Anspruch 1 ist folglich die Verwendung zweier Medien unterschiedlicher Zusammensetzung definiert. Betreffend das Ausformen der Folienbeutel definiert der Anspruch 1, dass das erste Medium zumindest dem Teilausformen und das zweite Medium dem anschließenden Vollausformen dient. Hinsichtlich der Eigenschaften dieser beiden Medien ist weiter definiert, dass das gasförmige erste Medium den Folienbeutel desinfiziert und, dass das zweite Medium desinfiziert und/oder steril ist und nicht mehr desinfizierend wirkt.

9.2 Die Kammer vermag sich der Argumentation der Beschwerdeführerin nicht anzuschließen, nach der die zusätzlichen Merkmale g) durch D1, zumindest implizit, offenbart seien.

Ihrer Auffassung nach geht dieses Merkmal nicht unmittelbar und eindeutig aus dem seitens der Beschwerdeführerin angesprochenen Teil der Beschreibung der D1 (Seite 2, Zeilen 65 – 69) hervor.

Weitere Ausführungen hierzu erübrigen sich, da, wie im Folgenden ausgeführt, das Verfahren nach dem in Rede stehenden Anspruch 1 nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht.

9.3 Betreffend die Wirkung dieser Unterscheidungsmerkmale hat die Beschwerdegegnerin auf die Angabe des Streitpatents (Absatz [0016]) verwiesen, nach der es ermöglicht werde, "nur wenig desinfizierendes gasförmiges Medium in den Folienbeutel zu geben und diesen anschließend mit einem desinfizierten bzw. sterilen gasförmigen Medium (z.B. sterile Heißluft) voll auszuformen". Ihrer Auffassung nach treffe diese Wirkung, in zugegebener Maßen unterschiedlichem Ausmaß, unabhängig davon ein, wie groß der Anteil des ersten und des zweiten Mediums in einem konkreten Anwendungsfall gewählt werde.

Nach der Beschwerdeführerin hänge die Wirkung der Merkmale g) und damit auch deren praktische Bedeutung erheblich davon ab, wie groß die jeweiligen Anteile des ersten und des zweiten Mediums seien. Da der Anspruch 1 diesbezüglich keine Angaben enthalte, sei davon auszugehen, dass die Maßnahme nach den Merkmalen g) dann nahezu wirkungslos sei, wenn der Anteil des ersten Mediums beim Ausformen der Folienbeutel denjenigen des zweiten Mediums erheblich übersteige.

Die Kammer erachtet diese Beurteilung der Wirkung als zutreffend, was hinsichtlich der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit zur Folge hat, dass die Wirkung der Merkmale g) erheblich von weiteren, im Anspruch 1 nicht definierten, Umständen abhängt. Dazu zählen bspw. die Form, Flexibilität und Größe der zu füllenden Folienbeutel. Wie seitens der Beschwerdegegnerin dargelegt, hat nämlich die Teilausformung mit dem ersten Medium so zu erfolgen, dass die gesamte Innenfläche des Folienbeutels entfaltet bzw. faltenfrei ist um ein Einwirken des sterilisieren den Mediums über die gesamte Innenfläche der Folienbeutel zu ermöglichen. Mit zunehmenden Volumenanteil des ersten Mediums, der für ein derartiges, ein vollständiges Desinfizieren ermöglichendes Teilausformen erforderlich ist, gegenüber dem für das verbleibende Vollausformen erforderlichen Volumenanteil des zweiten Mediums, schwindet der sich aus der Verwendung zweier unterschiedlicher Medien etwaig ergebende Vorteil.

Die sich aus der o.g. Wirkung der Unterscheidungs merkmale g) ergebende, im Hinblick auf das Verfahren nach D1 zu lösende Aufgabe kann folglich darin gesehen werden, abhängig von den Umständen eines konkreten Anwendungsfalles zwei unterschiedliche Medien einzusetzen, von denen das erste dem Desinfizieren und als Voraussetzung hierfür dem entsprechenden Teilausformen und das zweite dem sich an das Desinfizieren und Teilausformen anschließenden Vollausformen dienen.

Die Kammer erachtet es als im Rahmen fachmännischer Handelns liegend, bedarfsweise, nämlich bspw. dann, wenn das für ein Desinfizieren der Innenflächen erforderliche Teilausformen lediglich eines relativ geringen Volumenanteils des desinfizierenden Mediums bedarf, das gesamte Ausformen des Folienbeutels mit zwei unterschiedlichen Medien entsprechend den Merkmalen g) durchzuführen, um den Anteil des im vorliegenden Fall höherwertigeren und damit auch aufwändiger her- beziehungsweise bereitzustellenden desinfizierenden ersten Mediums auf den für das Desinfizieren minimal notwendigen Volumenanteil zu beschränken.

9.4 Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Einwandes der Beschwerdegegnerin, nach dem weder der D1 noch dem übrigen verfügbaren Stand der Technik ein konkreter Hinweis auf die durch die Merkmale g) spezifizierte Vorgehensweise zu entnehmen sei.

Der Beschwerdegegnerin ist darin zuzustimmen, dass es bezüglich der Berücksichtigung eines, spezifische Maßnahmen betreffenden, fachmännischen Handelns erforderlich sein kann, dass konkrete Anhaltspunkte hierfür gegeben sind.

Im vorliegenden Fall betreffen die Merkmale g) jedoch kein spezifisches Handeln, sondern vielmehr eine allgemein übliche Vorgehensweise, nach der ein höherwertiger Stoff, im vorliegenden Fall das desinfizierende erste Medium, nur in dem Ausmaße eingesetzt wird, in dem er, abhängig von einem konkreten Anwendungsfall, zum Erreichen einer bestimmten Wirkung, vorliegend der Desinfektion der Innenseite der Folienbeutel, erforderlich ist. Ist dieser Zweck erreicht und bedarf es erkennbar, was vorliegend der Fall ist, dieses höherwertigen Stoffes zum Erreichen eines weiteren Zweckes, vorliegend dem Vollausformen der Folienbeutel, nicht mehr, dann ist es als im Rahmen fachmännischen Handelns liegend anzusehen, einen hierfür geeignetes, günstigeres, Mittel, vorliegend das zweite Medium, in einer nicht dem Ergebnis des ersten Mittels abträglichen Form (steril/desinfiziert) einzusetzen.

Der Vollständigkeit wegen sei in diesem Zusammenhang angemerkt, dass im Übrigen der D1 insoweit ein Anhaltspunkt für einen bedarfsabhängigen Einsatz unterschiedlicher Medien zum Ausformen von Folienbeuteln zu entnehmen ist, als dort für jeweils in Betracht kommende Medien auf deren bedarfsabhängig zu erreichende unterschiedliche Wirkungen, nämlich auf sterilisierendes Gas oder ein neutrales Gas wie Stickstoff, verwiesen wird (Seite 2, Zeilen 65 – 76).

9.5 Somit vermag die Vorgehensweise nach den Merkmalen g) nicht dazu führen, dass das Verfahren nach dem Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag II auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ) beruht.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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