European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2011:T009510.20110802 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 02 August 2011 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0095/10 | ||||||||
Anmeldenummer: | 02021072.0 | ||||||||
IPC-Klasse: | F02M 63/02 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Kraftstoff-Einspritzsystem | ||||||||
Name des Anmelders: | Deutz Aktiengesellschaft | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Robert Bosch GmbH Daimler AG Daf Trucks N.V. |
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Kammer: | 3.2.04 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Unzureichende Beschwerdebegründung (ja) Wesentlicher Verfahrensfehler (nein) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Gegenstand dieser Entscheidung ist die am 15. Januar 2010 durch die Patentinhaberin Deutz AG eingelegte Beschwerde gegen die schriftliche Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 27. November 2009, mit der das europäische Patent Nr. 1 298 316 widerrufen wurde.
II. Die Patentinhaberin hat in der oben genannten Beschwerdeschrift die Beschwerde wie folgt begründet :
"Die Einspruchsabteilung hat die diesseitigen Äußerungen zur Neuheit und zur erfinderischen Tätigkeit vom 15.07.2009 weder berücksichtigt noch in Erwägung gezogen, sie hat somit gegen den verfassungsmäßigen Anspruch auf rechtliches Gehör verstoßen.
Demgemäß ist die Beschwerde zulässig und begründet."
III. Gegen das oben genannte europäische Patent waren drei Einsprüche eingereicht worden, nämlich von der Robert Bosch GmbH (Einsprechende 01), der Daimler AG (Einsprechende 02) und der DAF Trucks N.V. (Einsprechende 03).
Die Einsprechende 01 hatte ihren Einspruch auf fehlende erfinderische Tätigkeit aufgrund dreier Dokumente gestützt, die Einsprechende 02 hatte für das Fehlen der erfinderischen Tätigkeit zwei Dokumente bzw. das einschlägige Fachwissen angeführt, die Einsprechende 03 hatte fehlende Neuheit und fehlende erfinderische Tätigkeit vorgebracht.
IV. In ihrer Entscheidung widerrief die Einspruchsabteilung das Patent und begründete dabei sehr sorgfältig und detailliert, warum sie dessen Gegenstand weder für neu (im Hinblick auf D12) noch für erfinderisch (D8O1 und D3; D8O1 und D5; D8O1 und D9; D8O2 und D3; D12 und D8O1 oder D12 und D8O2) hielt.
V. Auf einen Hinweis der Kammer, daß die Beschwerde vermutlich mangels Begründung als unzulässig verworfen werde, hatte sich die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 31. März 2011 dahingehend geäußert, daß eine solch kurze Begründung auch in der Entscheidung T 574/91 als ausreichend angesehen worden sei.
VI. Die Kammer hatte daraufhin in ihrem Ladungszusatz ihre vorläufige Meinung zum Ausdruck gebracht, daß die Beschwerde nicht hinreichend begründet worden sei, dass keine Anhaltspunkte dafür vorlägen, daß die Einspruchsabteilung die Einwände der Beschwerdeführerin nicht zur Kenntnis genommen habe, und daß schließlich der angezogenen Entscheidung T 574/91 ein anderer Sachverhalt zu Grunde gelegen habe und sich auf den gegenwärtigen Fall nicht übertragen lasse.
VII. In der mündlichen Verhandlung am 2. August 2011 kam insbesondere die Argumentation der Einsprechenden 02 im Hinblick auf die fehlende erfinderische Tätigkeit, das Schreiben der Patentinhaberin vom 15. Juli 2009 und der Teil der Entscheidungsbegründung der Einspruchsabteilung zur Sprache, der sich mit dieser Argumentation auseinandersetzte. Zu der von ihr herangezogenen Entscheidung T 574/91 wollte sich die Beschwerdeführerin nicht weiter äußern. Am Ende der mündlichen Verhandlung verkündete die Beschwerdekammer ihre Entscheidung, daß die Beschwerde als unzulässig verworfen werde.
Entscheidungsgründe
1. Eine Beschwerdebegründung ist nur dann eine solche, wenn sie sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzt und nicht lediglich auf Vorbringen im Einspruchsverfahren verweist (ständige Rechtsprechung der Beschwerdekammern, z. B. T 220/83 (Abl. EPA 1986, 249 und T 213/85, Abl. 1987, 482)). Hierfür gibt es drei Gründe:
- Zum einen ist das Beschwerdeverfahren keine Fortsetzung des Einspruchsverfahrens, sondern ein von diesem getrenntes Verfahren, in dem alles, was an Tatsachen, Beweismitteln und Argumenten für wesentlich erachtet wird, notfalls erneut vorzutragen ist. Auf die unabhängige Rechtsnatur des Beschwerdeverfahrens hat die Große Beschwerdekammer in ihren Entscheidungen G 10/91 (Abl. EPA 1993, 420), G 9/92 und G 4/93 (beide in Abl. EPA 1994, 875) hingewiesen.
- Zweitens setzt eine Beschwerdebegründung voraus, daß sich der Beschwerdeführer mit der angegriffenen Entscheidung auseinandersetzt. Ebenso wie das Europäische Patentamt den Parteien dadurch rechtliches Gehör (Art. 114 EPÜ) schenken muss, daß es das Vorbringen von Parteien nicht nur zur Kenntnis nimmt, sondern sich auch damit erkennbar auseinandersetzt, verlangt der mit der Beschwerde beantragte Rechtsdialog zwischen Beschwerdekammer, Beschwerdeführer und Beschwerdegegnern, daß sich der Beschwerdeführer jedenfalls mit den Argumenten der angegriffenen Entscheidung auseinandersetzt, die er für unzutreffend hält.
- Drittens nun ist eine solche Auseinandersetzung auch deshalb erforderlich, weil sonst weder Beschwerdekammer noch Beschwerdegegner erkennen können, aus welchem Grund die angefochtene Entscheidung denn für falsch erachtet wird. Dieses Wissen ist aber die Grundlage dafür, daß die Beschwerdegegner den Argumenten der Beschwerdeführerin entgegentreten können und die Beschwerdekammer in die Lage versetzt wird, eine Sachentscheidung zu fällen.
2. In vorliegendem Fall heißt es in der Beschwerdeschrift vom 10. Dezember 2009 (eingegangen am 15. Januar 2010) wie folgt:
"Die Einspruchsabteilung hat die diesseitigen Äußerungen zur Neuheit und zur erfinderischen Tätigkeit vom 15.07.2009 weder berücksichtigt noch in Erwägung gezogen, sie hat somit gegen den verfassungsmäßigen Anspruch auf rechtliches Gehör verstoßen. Demgemäß ist die Beschwerde zulässig und begründet."
3. Die Entscheidung T 574/91 hat eine Beschwerdebegründung als ausreichend angesehen, die lediglich den Hinweis enthielt, die Einspruchsabteilung habe "den Kern der Sache verfehlt". Diese Entscheidung läßt sich auf den vorliegenden Fall nicht übertragen. Zum einen geht aus dem Sachverhalt der angezogenen Entscheidung hervor, daß der beschwerdeführende Patentinhaber zusammen mit der Beschwerdebegründung einen neuen Antragssatz vorgelegt hat, was nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern bereits an und für sich ausreichend ist, um die Beschwerde zu begründen (z. B. Entscheidung T 934/02). Zum anderen scheint der Entscheidung T 574/91 ein Sachverhalt zugrunde zu liegen, bei dem die Einspruchsabteilung die fehlende erfinderische Tätigkeit auf nur einen einzigen Grund gestützt hat und es insoweit weder für die Beschwerdekammer noch für die Beschwerdegegner einen besonderen Aufwand bedeutete, zu ermitteln, wogegen sich der Beschwerdeführer mit seiner Beschwerde wandte. Vorliegend hat die Einspruchsabteilung indessen sehr sorgfältig und detailliert begründet, warum das Europäische Patent weder neu (im Hinblick auf D12) noch erfinderisch (D8O1 und D3; D8O1 und D5; D8O1 und D9; D8O2 und D3; D12 und D8O1 oder D12 und D8O2) ist. Der Beschwerde hätte vorliegend also nur abgeholfen werden können, wenn keines der herangezogenen Dokumente für sich allein oder in einer der oben genannten Kombinationen zum Widerruf des Patentes hätte führen können. Die Beschwerdeführerin hätte sich also, wie in der Entscheidung T 213/85 (Abl. 1987, 482) ausgeführt, mit all diesen die angegriffene Entscheidung tragenden Gründen auseinandersetzen müssen.
4. Daß diese von den Beschwerdekammern in ständiger Rechtsprechung angelegten Anforderungen an die Begründungspflicht "das unabdingbare Schutzniveau in den Instanzen des Europäischen Patentamt generell und offenkundig nicht gewährleistet", wie die Beschwerdeführerin in ihrem Schreiben vom 31. März 2011 vorbringt, vermag die Kammer dabei nicht zu erkennen.
5. Die obigen Anforderungen an eine Beschwerdebegründung hat die Beschwerdeführerin allerdings dann nicht zu erfüllen, wenn die Entscheidung der Einspruchsabteilung ihrerseits nicht auf die durch die Beschwerdeführerin im Einspruchsverfahren vorgebrachten Tatsachen und Argumente eingeht (was bereits an und für sich einen wesentlichen Verfahrensfehler darstellte) und sich die Beschwerdeführerin aus diesem Grunde überhaupt nicht veranlaßt und in der Lage sehen konnte, ihre im Einspruchsverfahren vorgebrachten Argumente und Tatsachen im Lichte der Entscheidung der Einspruchsabteilung neu zu formulieren und zu begründen. Eben dies hat die Beschwerdeführerin hier vorgebracht, indem sie in der Beschwerdeschrift moniert, die Einspruchsabteilung habe ihre in dem Schriftsatz vom 15. Juli 2009 vorgebrachten Äußerungen zur Neuheit und zur erfinderischen Tätigkeit weder berücksichtigt noch in Erwägung gezogen.
In ihrem Schriftsatz vom 15. Juli 2009 nimmt die Patentinhaberin zu den drei Einsprüchen Stellung. Zu den durch den Einsprechenden O2 vorgebrachten Tatsachen und Argumenten heißt es beispielsweise:
"D8 (DE 19 746 563 A) offenbart keine ungeregelte Hochdruckpumpe. Weiter offenbart D8 auch keine Steuervorrichtung. Ebenfalls nicht offenbart in D8 wird eine Hochdruckleitung mit einer Hochdruckspeichervorrichtung.
Des Weiteren wird auch die Verbindung eines Steuerventils mit einem Einspritzventil in Spalte 3, Zeilen 39 bis 36 nicht offenbart."
Die Einspruchsabteilung ihrerseits analysiert die durch die Einsprechenden angeführten Dokumente präzise. Bei der Auseinandersetzung mit der eben genannten Druckschrift D8 erläutert die Einspruchsabteilung knapp, aber deutlich, wo und warum es die von der Patentinhaberin angesprochenen Merkmale (Hochdruckpumpe; Steuervorrichtung; Hochdruckleitung mit Hochdruckspeichervorrichtung; Verbindung eines Steuerventils mit einem Einspritzventil) in D8 als offenbart ansieht. Die Entscheidung der Einspruchsabteilung bezieht sich dabei entweder auf die Stellen in der Patentbeschreibung oder in den Zeichnungen. Aus Sicht der Kammer kann deshalb keine Rede davon sein, daß die Einspruchsabteilung bei ihrer Entscheidungsfindung die ohnedies äußerst knappen und allgemein gehaltenen Äußerungen der Patentinhaberin in deren Schriftsatz vom 15. Juli 2009 weder berücksichtigt noch in Erwägung gezogen hätte.
6. Die Einspruchsabteilung hat sich in ihrer Entscheidung mit jedem der von den Einsprechenden herangezogenen Dokumente beschäftigt und diese gewürdigt. Aufgrund dieser Würdigung hat sie das Europäische Patent weder für neu noch erfinderisch gehalten. Eine Beschwerdebegründung hätte deshalb vorausgesetzt, daß sich die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) mit der Analyse der Einspruchsabteilung beschäftigt und jede der von dieser angezogenen Argumentationslinien zu widerlegen versucht hätte. Die Beschwerdeführerin hat dies allerdings für keine einzige dieser Argumentationslinien unternommen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird als unzulässig verworfen.