European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2012:T152509.20120523 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 23 Mai 2012 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1525/09 | ||||||||
Anmeldenummer: | 04029547.9 | ||||||||
IPC-Klasse: | B60R 21/16 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Seitenaufprall-Rückhaltevorrichtung | ||||||||
Name des Anmelders: | TRW Automotive GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Takata-Petri AG | ||||||||
Kammer: | 3.2.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Ausreichende Offenbarung (ja) Erfinderische Tätigkeit (Hauptantrag, Hilfsantrag 3 und 4: nein, Hilfsantrag 5: ja) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat am 21. Juli 2009 gegen die am 12. Mai 2009 zur Post gegebene Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das europäische Patent EP 1 568 544 in geändertem Umfang aufrechterhalten wurde, Beschwerde eingelegt und gleichzeitig die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung ist am 21. September 2009 eingegangen.
II. Der Einspruch war auf die Einspruchsgründe nach Artikel 100 a) EPÜ 1973 (mangelnde Neuheit und erfinderische Tätigkeit) sowie Artikel 100 b) und c) EPÜ 1973 gestützt.
Als Stand der Technik hat die Einspruchsabteilung unter anderem folgendes Dokument berücksichtigt:
D3: EP 1 044 855 B1.
Die Beschwerdegegnerin legte als Beleg für das Fachwissen des Fachmanns mit der Beschwerdeerwiderung die Anlagen A1 bis A6 vor und reichte mit Schreiben vom 18. April 2012 die Anlagen A7 und A8 nach:
A1: DE 197 26 795 A1
A2: Artikel "H-point" aus Wikipedia
A3: FMVSS 202 (US Dept. of Transportation)
A4: Federal Register (US Dept. of Transportation)
A5: GeNius Newsletter
A6: DE 20 2006 017 996 U1
A7: International Standard ISO 6549
A8: H-Punkt-Gliederpuppe gemäß SAE J826
Die Beschwerdeführerin reichte mit Schreiben vom 20. April 2012 den in A3 erwähnten Standard ein:
A3a: SAE-Standard J826
III. Am 23. Mai 2012 wurde vor der Beschwerdekammer mündlich verhandelt.
Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde, hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang auf der Grundlage eines der Hilfsanträge 3 oder 4, eingereicht mit Schreiben vom 18. April 2012, oder auf der Grundlage des Hilfsantrags 5, eingereicht während der mündlichen Verhandlung.
IV. Anspruch 1 des Patents in der aufrechterhaltenen Fassung lautet wie folgt (die Merkmalsgliederung a) bis h) wurde durch die Kammer eingefügt in Anlehnung an die von der Beschwerdeführerin gewählte Merkmalsgliederung):
"Seitenaufprall-Rückhaltevorrichtung zum Schutz eines auf einem Fahrzeugsitz (10) sitzenden Insassen (20a; 20b) in einem Kraftfahrzeug,
a) mit einem Gassack (14),
b) der sich zwischen einer Seitenstruktur (12) des Fahrzeugs und dem Insassen (20a; 20b) entfaltet,
c) wobei der Gassack (14) eine erste Abströmöffnung (24) aufweist,
d) die in einem dem Insassen (20a; 20b) zugewandten Bereich des Gassacks (14) angeordnet ist und
e) deren vertikale Position in einem Bereich (26) liegt, der sich bezogen auf das Hüftgelenk (27) des Insassen (20a; 20b) zwischen einer Höhe (h1) von 400 mm und einer Höhe (h2) von 550 mm erstreckt, so daß die erste Abströmöffnung (24) vom Oberkörper eines kleinen Insassen (20a) nicht abgedeckt wird, aber von einem großen Insassen (20b) verdeckt wird,
dadurch gekennzeichnet,
g) daß sich der Gassack (18) aus dem Fahrzeugsitz (10) heraus entfaltet,
h) daß der Gassack (14) eine zweite Abströmöffnung (22) aufweist, die in einem dem Insassen (20a; 20b) nicht zugewandten Bereich des unteren Abschnitts (18) des Gasssacks (14) angeordnet ist, und
f) daß mittels der Abströmöffnungen (22, 24) durch das Abströmen von Gas der Gassackinnendruck in Abhängigkeit von der Größe des Insassen (20a; 20b) gesteuert wird."
Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 wurde im Vergleich zu Anspruch 1 gemäß Hauptantrag am Ende um folgendes Merkmal ergänzt:
"wobei aus der zweiten Abströmöffnung (22) unabhängig von der Größe des Insassen (20a; 20b) immer Gas abströmen kann."
Die Änderungen in Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4 gegenüber Anspruch 1 gemäß Hauptantrag betreffen die Merkmale h) und f) (Streichungen sind kenntlich gemacht, Hinzufügungen durch Fettdruck hervorgehoben):
h) daß der Gassack (14) eine zweite Abströmöffnung (22) aufweist, die in einem dem Insassen (20a; 20b) nicht zugewandten Bereich des unteren Abschnitts (18) des Gasssacks (14) angeordnet ist, [deleted: und ]
f) daß mittels der Abströmöffnungen (22, 24) durch das Abströmen von Gas der Gassackinnendruck in Abhängigkeit von der Größe des Insassen (20a; 20b) gesteuert wird, und
daß an der ersten Abströmöffnung (24) eine Einrichtung zum Ablenken des abströmenden Gases vorgesehen ist, die ein auf der Außenseite des Gassacks (14) über der ersten Abströmöffnung (24) angeordnetes Gewebestück (28) umfaßt."
Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 5 unterscheidet sich von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4 im Wesentlichen durch Hinzufügen eines weiteren Merkmals am Ende sowie eine Anpassung der zweiteiligen Form. Damit lautet Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 5 wie folgt: (Streichungen gegenüber Anspruch 1 gemäß Hauptantrag sind kenntlich gemacht, ebenso Hinzufügungen durch Fettdruck):
"Seitenaufprall-Rückhaltevorrichtung zum Schutz eines auf einem Fahrzeugsitz (10) sitzenden Insassen (20a; 20b) in einem Kraftfahrzeug,
a) mit einem Gassack (14),
b) der sich zwischen einer Seitenstruktur (12) des Fahrzeugs und dem Insassen (20a; 20b) entfaltet,
c) wobei der Gassack (14) eine erste Abströmöffnung (24) aufweist,
d) die in einem dem Insassen (20a; 20b) zugewandten Bereich des Gassacks (14) angeordnet ist und
e) deren vertikale Position in einem Bereich (26) liegt, der sich bezogen auf das Hüftgelenk (27) des Insassen (20a; 20b) zwischen einer Höhe (h1) von 400 mm und einer Höhe (h2) von 550 mm erstreckt, so daß die erste Abströmöffnung (24) vom Oberkörper eines kleinen Insassen (20a) nicht abgedeckt wird, aber von einem großen Insassen (20b) verdeckt wird,
[deleted: dadurch gekennzeichnet, ]
g) [deleted: daß ]wobei sich der Gassack (18) aus dem Fahrzeugsitz (10) heraus entfaltet,
h) [deleted: daß ]wobei der Gassack (14) eine zweite Abströmöffnung (22) aufweist, die in einem dem Insassen (20a; 20b) nicht zugewandten Bereich [deleted: des unteren Abschnitts (18) ]des Gasssacks (14) angeordnet ist, [deleted: und ]
f) [deleted: daß ]wobei mittels der Abströmöffnungen (22, 24) durch das Abströmen von Gas der Gassackinnendruck in Abhängigkeit von der Größe des Insassen (20a; 20b) gesteuert wird, und
wobei an der ersten Abströmöffnung (24) eine Einrichtung zum Ablenken des abströmenden Gases vorgesehen ist, die ein auf der Außenseite des Gassacks (14) über der ersten Abströmöffnung (24) angeordnetes Gewebestück (28) umfaßt,
dadurch gekennzeichnet,
daß die zweite Abströmöffnung (22) in einem dem Insassen (20a; 20b) nicht zugewandten Bereich des unteren Abschnitts (18) des Gassacks (14) angeordnet ist, und
daß das Gewebestück (28) einen direkt über der ersten Abströmöffnung (24) liegenden ersten Gewebeabschnitt (30) mit einer der ersten Abströmöffnung (24) entsprechenden Öffnung (32) und einen die erste Abströmöffnung (24) und die im ersten Gewebeabschnitt (30) gebildete Öffnung (32) abdeckenden zweiten Gewebeabschnitt (34) aufweist, wobei der zweite Gewebeabschnitt (34) so am ersten Gewebeabschnitt (30) befestigt ist, daß das durch die erste Abströmöffnung (24) austretende Gas nur zu einer dem Insassen (20a; 20b) abgewandten Seite entweichen kann."
V. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Anspruch 1 gemäß Hauptantrag enthalte in Merkmal e) eine Bezugnahme auf einen nicht zum beanspruchten Gegenstand gehörenden Fremdkörper ("Hüftgelenk des Insassen") mittels einer konkreten, hochgenauen Maßangabe. Da die tatsächliche Lage des Hüftgelenks eines Fahrzeuginsassen unter anderem von dessen Gewicht, Konstitution und Sitzposition abhänge und keinerlei Grundlage für die genannte Höhenangabe ("zwischen 400 mm und 550 mm") liefern könne, sei das genannte Anspruchsmerkmal bei einem wortlautgemäßen Verständnis vollkommen unbestimmt. Da zudem auch die Einstellung des Fahrzeugsitzes (beispielsweise Höhen- und Neigungseinstellung des Sitzkissens sowie Neigung der Rückenlehne) den vertikalen Abstand zwischen Hüftgelenk und erster Abströmöffnung des Gassacks beeinflusse, sei es für den Fachmann auch unter Berücksichtigung des Gesamtinhaltes der Patentschrift nicht feststellbar, unter welchen Bedingungen die beanspruchte technische Lehre verwirklicht sei oder nicht und ob er sich überhaupt im Schutzbereich der Erfindung bewege.
Im Gegensatz zu den Ausführungen der Einspruchsabteilung beziehe sich der Gegenstand des Anspruchs 1 allgemein auf eine Seitenaufprall-Rückhaltevorrichtung und speziell auf den Gassack dieser Vorrichtung als solchen, wobei dessen Konstruktion und Auslegung unabhängig vom Nutzer des Fahrzeugs sei, d. h. die Höhe der ersten Abströmöffnung müsse für beliebige und nicht nur für bestimmte Insassen festgelegt sein. Der Gegenstand des Anspruchs 1 müsse im Streitpatent so beschrieben sein, dass anhand einer Seitenaufprall-Vorrichtung als solcher eindeutig feststellbar sein müsse, ob diese das Merkmal e) erfülle oder nicht. Durch Bezugnahme auf die Lage des Hüftgelenks des Insassen werde aber kein eindeutiger Bezugspunkt für die Höhenangaben aus Merkmal e) festgelegt. In Hinblick auf die Angabe der vertikalen Position der ersten Abströmöffnung am Gassack sei der Gegenstand des Anspruchs 1 also nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann die zugehörige technische Lehre ausführen könne, und damit nicht nacharbeitbar. Es fehle ein nachvollziehbares Kriterium dafür, wann die Abströmöffnung eines Gassackes die Positionsangabe aus Merkmal e) erfülle und wann nicht.
Die Patentinhaberin versuche das Problem der mangelnden Offenbarung dadurch zu umgehen, dass anstelle des Hüftgelenkes des Insassen der sogenannte "H-Punkt" als Bezugsgröße gelten solle. Der Fachmann würde jedoch bei der Auslegung des Anspruchs 1 den Begriff "Hüftgelenk", der sich eindeutig auf den im Anspruch erwähnten Insassen beziehe, nicht durch den Begriff "H-Punkt" ersetzen, der eine anhand von Normen definierte Eigenschaft von Kraftfahrzeugen sei. Dies ergebe sich unmittelbar aus den von der Patentinhaberin selbst vorgelegten Anlagen A1 bis A5, insbesondere aus dem in A3 erwähnten und von der Beschwerdeführerin als Anlage A3a vorgelegten SAE-Standard J826, wonach der H-Punkt nicht die Lage des Hüftgelenks eines auf dem Fahrzeugsitz befindlichen Insassen wiedergebe. Auch sei gemäß Anlage A2 der H-Punkt keine Eigenschaft des Fahrzeugsitzes, sondern könne wahlweise auf den Fahrzeugboden oder die Straßenebene bezogen werden. Deshalb werde in Anlage A5 zwischen dem H-Punkt eines Dummys und einem Referenzpunkt im Sitz unterschieden. Im Übrigen werde im Streitpatent selbst nur auf das Hüftgelenk eines Insassen als Bezugspunkt abgestellt (siehe insbesondere Absätze [0007] und [0015]) und der Begriff "H-Punkt" nie verwendet, und auch im erstinstanzlichen Verfahren sei die Frage des H-Punktes nie aufgeworfen worden.
Selbst wenn der Fachmann einen Bezug zwischen dem Hüftgelenk des Insassen und dem sogenannten H-Punkt herzustellen versuche, so bliebe offen, welcher H-Punkt bzw. welche externe Bezugsgröße für den H-Punkt gemeint sei. Das in Anspruch 1 genannte Hüftgelenk könne also nicht mit einem genau definierten Punkt als eindeutige Bezugsgröße für die vertikale Position der ersten Abströmöffnung identifiziert werden.
Der in Anspruch 1 als externes Element genannte Fahrzeugsitz gehöre nach dem Anspruchswortlaut - ebenso wie die in nahezu identischer Formulierung in Anspruch 1 genannte Seitenstruktur des Kraftfahrzeuges und der zu schützende Insasse - nicht zur beanspruchten Seitenaufprall-Rückhaltevorrichtung, sondern diene der Beschreibung der Funktion und damit indirekt der Ausgestaltung des Gassacks; der Gassack müsse geeignet sein, sich aus einem Fahrzeugsitz und zwischen einer Seitenstruktur des Fahrzeugs und dem Insassen zu entfalten.
Wie von der Einspruchsabteilung ausgeführt seien die Merkmale a) bis g) aus D3 bekannt. Der Gegenstand von Anspruch 1 unterscheide sich von D3 nur durch die zweite Abströmöffnung gemäß Merkmal h), welche auch im Falle eines die erste Abströmöffnung abdeckenden großen Insassen das Abströmen von Gas aus dem Gassack ermögliche. Diese anspruchsgemäße Maßnahme gehöre zum allgemeinen Fachwissen und könne keine erfinderische Tätigkeit begründen. Es gehöre zum Grundprinzip bei der Auslegung eines Gassack einer Rückhaltevorrichtung, dass er bereits kurze Zeit nach dem Aufblasen das zur Befüllung verwendete Gas wieder entweichen lasse, so dass der Fachmann eine derartige Abströmöffnung implizit mitlese und damit eine zweite Abströmöffnung in einem dem zu schützenden Insassen nicht zugewandten Bereich. Die Anordnung der zweiten Abströmöffnung im unteren Abschnitt des Gassacks sei zudem eine Wahl zwischen den beiden einfachen Alternativen, die Abströmöffnung entweder in einem oberen oder in einem unteren Abschnitt des Gassacks anzuordnen, was keine erfinderische Tätigkeit begründen könne. Die von der Patentinhaberin angeführten besonderen Wirkungen der zweiten Abströmöffnung ergäben sich bereits unmittelbar durch das Vorsehen einer permanent offenen zweiten Abströmöffnung am Gassack.
Entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin seien die Merkmale d) und e) aus D3 bekannt, denn D3 offenbare einen Gassack mit ersten Abströmöffnungen im Sinne des Anspruchs 1 des Streitpatents. Ein Gassack sei ein von einer Gassackhülle begrenzter und im Crash-Fall mit Gas befüllbarer Raum, und diese Kriterien erfülle der "inner airbag body 34" aus D3. Eine Abströmöffnung im Sinne des Streitpatents sei eine Öffnung, durch die Gas aus dem Gassack ausströmen könne, wobei patentgemäß (vgl. Absatz [0018]) umfasst sein solle, dass das austretende Gas zunächst in einem Gasleitbereich geführt werde. Dies sei in D3 gezeigt, wo Gas durch Abströmöffnungen 40 ("vent holes") aus dem Gassack 34 in den Gasleitbereich 48 gelange.
Die Übertragung des in D3 gezeigten Gassacks auf einen Seitengassack mit Abströmöffnungen im Schulterbereich sei problemlos möglich, da der Gassack eine Vielzahl von "vent holes 40" aufweise. Diese Abströmöffnungen seien überall und auch seitlich am Gassack angeordnet, so dass auch bei Verwendung als Seitengassack die Größe des Insassen bestimme, welche Abströmöffnung abgedeckt werde.
Das zusätzliche Merkmal in Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 sei redundant zu Merkmal h) und bewirke keine Abgrenzung gegenüber D3.
Die Hilfsanträge 4 und 5 seien nicht zuzulassen, da sie auf eine Einrichtung zum Ablenken des abströmenden Gases und damit auf einen neuen Aspekt der Erfindung gerichtet seien, der in der erstinstanzlichen Entscheidung und auch in der Beschwerdebegründung keine Rolle gespielt habe. Zumindest hätten diese Hilfsanträge früher im Verfahren gestellt werden müssen.
Der äußere Gassack 32 aus D3 sei an der Außenseite des inneren Gassacks 34 über den Abströmöffnungen 40 angeordnet, was konstruktiv und funktionell identisch in Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 beansprucht sei.
VI. Das Vorbringen der Beschwerdegegnerin kann wie folgt zusammengefasst werden:
Das die vertikale Position der ersten Abströmöffnung angebende Merkmal e) sei in Kombination mit der Entfaltung des Gassacks aus dem Fahrzeugsitz gemäß Merkmal g) zu betrachten, wodurch eine eindeutige, nacharbeitbare Lehre vermittelt werde. Gemäß der Lehre der Erfindung komme es auf die Interaktion des Insassen mit der Abströmöffnung an. Daher sei die Position der Abströmöffnung relativ zum Insassen anzugeben und als geeigneter Bezugspunkt bewusst das Hüftgelenk des Insassen gewählt worden. Ein solcher Bezug auf einen "anderen Gegenstand" (den nicht zur beanspruchten Seitenaufprall-Rückhaltevorrichtung gehörenden Insassen) sei zulässig, wenn eine Beziehung hinsichtlich der Verwendung bestehe, was vorliegend gegeben sei, und der Fachmann ohne große Mühe die sich ergebenden Einschränkungen des Schutzbereiches herleiten könne (vgl. T 455/92). Die Angabe "bezogen auf das Hüftgelenk des Insassen" verstehe der Fachmann (der die in der Anmeldung enthaltenen Informationen durch sein allgemeines Fachwissen vervollständigen könne, siehe T 206/83 oder T 212/88) dabei als Bezugnahme auf den eindeutig festgelegten H-Punkt des entsprechenden Fahrzeugsitzes. Denn er wisse, dass die Entwicklung von Rückhaltevorrichtungen ausschließlich unter Verwendung standardisierter Dummys erfolge, deren relative vertikale Hüftposition im Fahrzeug durch den nach ISO 6549 mittels eines normierten Verfahrens zu bestimmenden H-Punkt - eine auf den jeweiligen Fahrzeugsitz bezogene Positionsangabe - vorgegeben sei, wie durch die Anlagen A1 bis A5 sowie A7 bzw. A8 belegt werde. Die Lage des H-Punktes sei als auf den Fahrzeugsitz bezogene Größe vom Gewicht oder von der Konstitution des Insassen unabhängig und auch unabhängig von der Einstellung des Sitzes, stelle also eine feste Bezugsgröße dar, was auch in der Patentschrift (Absatz [0015] und Figur 5) für die vertikale Position des Hüftgelenks eines Insassen zum Ausdruck komme. Der Einspruchsabteilung werde insoweit zugestimmt, dass die Angabe über die Höhe der Airbagausströmung das Ergebnis einer Messung mit standardisierten kleinen und großen Insassen sei. Die Merkmale e) und g) des Anspruchs 1 wiesen den Fachmann daher genau an, wo er die erste Abströmöffnung anzubringen habe, wodurch eine eindeutige, nacharbeitbare Lehre vermittelt werde.
Selbst für den Fall, dass die auf das Hüftgelenk des Insassen bezogene Angabe des Höhenbereichs für die erste Abströmöffnung nicht mit dem normierten H-Punkt gleichgesetzt und als unbestimmtes Merkmal oder relative Eigenschaft angesehen werde, sei dies zulässig, wenn die Bedeutung dieses Merkmals aus dem Anspruch selbst verständlich sei und der Fachmann in der Lage sei, die Parameter im Einzelfall ohne übermäßigen Aufwand nachzuprüfen (vgl. T 88/87). Dies sei vorliegend gegeben, da der auf das Hüftgelenk bezogene Höhenbereich für die Abdeckung der ersten Abströmöffnung nur durch große Insassen von Bedeutung sei und die Höhenangaben für jeden Insassen und jede Sitzeinstellung einfach nachgemessen werden könne.
D3 sei als Ausgangspunkt zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ungeeignet, da D3 größtenteils einen Frontgassack beschreibe und ein Seitengassack nur am Rande erwähnt sei. Der Fachmann würde deshalb von einem Stand der Technik mit einem Seitengassack ausgehen.
Insbesondere die in Figur 1 in D3 gezeigte symmetrische Gestaltung des Gassacks sei bei einem Seitengassack unsinnig, da sich der Gassack aus der Sitzlehne bezüglich der Fahrzeuglängsrichtung nur nach vorne entfalten solle.
Wenn man von D3 ausgehe, müsse der Gassack als Kombination von "inner airbag body 34" und "outer airbag body 32" aufgefasst werden, da er nur als Ganzes funktioniere, was in D3 im Gegensatz zum Streitpatent auch eine Unterscheidung zwischen Abströmöffnungen und Überströmöffnungen nötig mache. Das primär eine Rückhaltevorrichtung mit Frontgassack betreffende Dokument D3 offenbare dabei weder Merkmal h) noch die Merkmale d), e) und f). Eine Abströmöffnung im Sinne des Patents und nach allgemeinem Verständnis des Fachmanns (siehe auch Anlage A6) sei eine Gassacköffnung, durch die Gas aus dem Gassack herausströmen könne, was der Fachmann beim Merkmal c) des Anspruchs 1 mitlese. Davon abzugrenzen sei eine Überströmöffnung, die ein Überströmen eines bestimmten Gasvolumens von einem Teil des Gassacks in einen anderen Teil desselben Gassacks ermögliche. Der Frontgassack 18 der in D3 gezeigten Rückhaltevorrichtung sei gebildet aus dem inneren Gassackkörper 34 mit Überströmöffnungen 40 und dem äußeren Gassackkörper 32 mit Abströmöffnungen 46, wobei durch die Überströmöffnungen kein Gas aus dem Gassack austreten könne. Der innere Gassackkörper 34 könne dabei nicht isoliert betrachtet und ohne Berücksichtigung der Gesamtkonstruktion mit dem Gassack der beanspruchten Vorrichtung verglichen werden. Der Fachmann würde deshalb die "vent holes 40" in D3 nicht als Abströmöffnungen ansehen. Da nach der Lehre von D3 keine Abdeckung der den Abströmöffnungen entsprechenden "vent holes 46" durch Insassen vorgesehen sei, offenbare D3 nicht die Merkmale d), e) und f). Außerdem sei unbestimmt, wie bei der in D3 angesprochenen Verwendung als Seitengassackvorrichtung mit einem in einem Fahrzeugsitz angeordneten Gassack die Überströmöffnungen 40 und die Abströmöffnungen 46 relativ zum Insassen angeordnet seien. D3 enthalte keine Hinweise, wie der Gassack im entfalteten Zustand ausgerichtet sei, so dass auch Merkmal h) nicht aus D3 bekannt sei. D3 enthalte keinerlei Anregung zur Platzierung der ersten Abströmöffnung 46 in Bezug auf einen kleinen bzw. großen Insassen und auch keinen Hinweis zur Anordnung einer zweiten Abströmöffnung im unteren Abschnitt des Gassacks. Deshalb beruhe der Gegenstand von Anspruch 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Außerdem bereite es dem Fachmann große konstruktive Schwierigkeiten, das im Ausführungsbeispiel für einen Frontgassack in D3 gezeigte Prinzip auf eine Seitengassack zu übertragen. Der Fachmann müsse ausgehend von D3 weitergehende Überlegungen und Versuche anstellen, um den in Figur 1 gezeigten Gassack so umzugestalten, dass dieser als Seitengassack tauglich sei. Dies gelte insbesondere in Hinblick auf die in D3 gezeigten Fangbänder ("straps 5"), welche eine Abdeckung der Abströmöffnungen 46 durch den inneren Gassackkörper 34 verhinderten.
Auch wenn man Merkmal h) als einziges unterscheidendes Merkmal gegenüber D3 ansehe, sei der Gegenstand von Anspruch 1 durch den im Einspruchsverfahren angeführten Stand der Technik nicht nahegelegt, insbesondere keine Anordnung der zweiten Abströmöffnung in dem unteren Abschnitt des Gassacks. Entscheidend sei der Zweck der erfindungsgemäß angeordneten zweiten Abströmöffnung, die - im Zusammenhang mit Merkmal f) betrachtet - zur Einstellung des Gassackinnendrucks auch und speziell für große Insassen bei einem Seitenaufprall diene.
Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 stelle klar, dass aus der zweiten Abströmöffnung unabhängig von der Größe des Insassen immer Gas abströmen könne. Aus D3 gehe nicht explizit hervor, dass "vent holes 40" immer frei seien, was auch für große Insassen eine Dämpfung bewirke.
Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4 ziele auf die vorteilhafte Ablenkeinrichtung zum Ablenken des abströmenden Gases an der ersten Abströmöffnung, welche in Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 5 genauer spezifiziert werde. Die zusätzlichen Merkmale seien erteilten abhängigen Ansprüchen entnommen und bereits im Einspruchsverfahren mit den Hilfsanträgen 2 und 3 vorgelegt worden, führten also keinen neuen Sachverhalt in das Verfahren ein. Mit der Beschwerdeerwiderung sei nur auf die Beschwerdebegründung der Beschwerdeführerin reagiert worden, aber in Reaktion auf die Ladung zur mündlichen Verhandlung sollte auch noch später die Einreichung von Hilfsanträgen gestattet sein.
Die in Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 definierte Ablenkeinrichtung sei nicht als Teil des Gassacks sondern als von außen angebrachter bzw. befestigter Aufsatz zu verstehen und unabhängig vom Gassack zu entwickeln. Dafür gebe es im Stand der Technik kein Vorbild, insbesondere da D3 kein separates Gewebestück zeige, sondern einen Kanal zum Ablenken der Gase, der durch einen Teil des Gassacks - und zwar den Mantel des äußeren Gassackkörpers - gebildet und zusammen mit dem Gassack hergestellt werde.
Für den in Anspruch 1 des Hilfsantrags 5 definierten Aufbau der Ablenkeinrichtung fehle im Stand der Technik jede Anregung für den Fachmann.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Ausreichende Offenbarung (Artikel 100 b) EPÜ 1973)
2.1 Der von der Beschwerdeführerin vorgebrachte Einwand der mangelnden Offenbarung bezieht sich auf die in Merkmal e) des Anspruchs 1 der vorliegenden Anträge definierte vertikale Position der ersten Abströmöffnung, die in einem Bereich liegt, der "sich bezogen auf das Hüftgelenk (27) des Insassen (20a; 20b) zwischen einer Höhe (h1) von 400 mm und einer Höhe (h2) von 550 mm erstreckt". Unstrittig liegt damit ein Fremdbezug auf das Hüftgelenk eines nicht zum beanspruchten Gegenstand gehörenden Insassen vor. Es wird auch zugestanden, dass die vertikale Position der ersten Abströmöffnung bei entfaltetem Gassack bezogen auf das Hüftgelenk des Insassen vom konkreten Insassen sowie der Einstellung des Fahrzeugsitzes abhängt und damit eine gewisse Unschärfe aufweist. Zu beachten ist allerdings, dass Merkmal e) des Anspruchs 1 nicht allein einen Höhenbereich für die vertikale Position der ersten Abströmöffnung durch auf das Hüftgelenk bezogene Maßangaben definiert, sondern nachfolgend das damit erreichte Ergebnis beschreibt, dass "die erste Abströmöffnung (24) vom Oberkörper eines kleinen Insassen (20a) nicht abgedeckt wird, aber von einem großen Insassen (20b) verdeckt wird". Damit wird zusätzlich - neben dem auf das Hüftgelenk bezogenen Höhenbereich - ein zweiter Bereich für die vertikale Position der ersten Abströmöffnung über das zu erreichende Ergebnis definiert, welches für große und kleine Insassen unterschiedlich ausfallen soll. Dieser über relative Begriffe ("kleinen/großen Insassen") beschriebene zweite Bereich ist ebenfalls in unscharfer Weise definiert. Wie zusätzlich aus den beiden Merkmalen b) und g) hervorgeht, gilt diese Positionsangabe für einen Gassack, der sich aus dem Fahrzeugsitz heraus zwischen einer Seitenstruktur des Fahrzeugs und dem Insassen entfaltet.
Merkmal e) als Ganzes betrachtet fordert also für einen entfalteten Gassack, dass (i) die vertikale Position der ersten Abströmöffnung sich bezogen auf das Hüftgelenk des Insassen in dem Höhenbereich zwischen 400 und 550 mm befindet und (ii) die erste Abströmöffnung im Ergebnis (ausgedrückt durch "so dass") nur vom Oberkörper eines großen Insassen (und nicht eines kleinen Insassen) verdeckt wird. Dies entspricht einer UND-Verknüpfung zweier unscharf definierter geometrischer Bereiche, d.h. die Schnittmenge beider Bereiche bestimmt die mit diesem Merkmal geforderte Beschränkung des Schutzbereiches. Es würde auf eine Unvereinbarkeit und damit auf mangelnde Ausführbarkeit hinweisen, wenn eine Überlappung der beiden Bereiche nicht möglich wäre. Dies wurde aber von der Beschwerdeführerin nicht geltend gemacht und widerspräche auch der Offenbarung des Streitpatents selbst, da dort in Figur 5 sowie in Figur 4a und 4b ein schraffierter Bereich 26 dargestellt ist, der sich wie vorstehend argumentiert als Schnittmenge eines auf das Hüftgelenk bezogenen Höhenbereiches und eines Bereichs des Oberkörpers eines großen Insassen, der den Oberkörper eines kleinen Insassen überragt, ergibt.
2.2 Wie von der Beschwerdegegnerin ausgeführt, ist Merkmal e) in Kombination mit Merkmal g) zu betrachten, wonach sich der Gassack aus dem Fahrzeugsitz entfaltet. Dem ist zuzustimmen, da die vertikale Position der ersten Abströmöffnung des Gassacks in sinnvoller Weise nur für den Gassack im entfalteten Zustand angegeben werden kann. Die vertikale Position der ersten Abströmöffnung hängt dabei entscheidend davon ab, von welcher Stelle des Fahrzeugsitzes sich der Gassack heraus entfaltet, da erst mit einem solchen Bezugspunkt zum Fahrzeugsitz auch der Bezug zu einem auf dem Fahrzeugsitz sitzenden Insassen hergestellt werden kann. Merkmal g) verlangt also zumindest implizit, dass der beanspruchte Gassack derart in einem Fahrzeugsitz anzubringen ist, dass sich die in Merkmal e) definierte vertikale Position der ersten Abströmöffnung nach Entfaltung des Gassacks einstellt. Ob der Fahrzeugsitz deshalb zwingend als Teil der beanspruchten Seitenaufprall-Rückhaltevorrichtung aufzufassen ist oder ob Merkmal g) nur Bezug nimmt auf einen externen Fahrzeugsitz und das Zusammenwirken mit diesem Fahrzeugsitz beschreibt, ist keine Frage der Ausführbarkeit sondern der Klarheit des so erteilten Anspruchsmerkmals und deshalb vorliegend nicht zu prüfen, da mangelnde Klarheit keinen Einspruchsgrund darstellt. Es ist aber festzustellen, dass der in Anspruch 1 beanspruchte Gegenstand nicht wie behauptet eine Seitenaufprall-Rückhaltevorrichtung bzw. einen Gassack "als solchen" losgelöst von jeglichem Bezug zum Fahrzeugsitz beschreibt.
2.3 Laut Rechtsprechung der Beschwerdekammern ist die Frage, ob eine Erfindung ausreichend offenbart ist, anhand des Gesamtinhaltes des Patents unter Berücksichtigung des allgemeinen Fachwissens bzw. Könnens des Fachmannes zu prüfen. Dabei ist ein Herumexperimentieren in gewissen Grenzen vertretbar (siehe T 226/85, ABl. EPA 1988, 336, Punkt 8 der Entscheidungsgründe). Wie der Streitpatentschrift zu entnehmen ist (siehe Figuren 2a, 2b), entfaltet sich der Gassack seitlich aus der Sitzlehne des Fahrzeugsitzes heraus, wobei der Schulterbereich für kleine Insassen unterhalb der Oberkante der Sitzlehne angenommen wird. Der gemäß Merkmal e) beanspruchte Bereich der vertikalen Position der ersten Abströmöffnung (siehe Figur 5: Bereich 26, der sich - wie weiter oben ausgeführt - als Schnittmenge des durch die Größenangabe des Insassen definierten Bereichs der vertikalen Position der ersten Abströmöffnung mit dem auf das Hüftgelenk des Insassen bezogenen Höhenbereich ergibt) liegt bei entfaltetem Gassack im Bereich der Oberkante der Sitzlehne (siehe Figuren 4a, 4b), da in diesem Bereich die erste Abströmöffnung 24 von der Schulter eines großen Insassen abdeckt wird (siehe dazu Figuren 2a, 2b). Die Zeichnungen im Streitpatent vermitteln dem Fachmann also die Lehre, den Gassack so im Fahrzeugsitz anzuordnen, dass sich die erste Abströmöffnung bei entfaltetem Gassack im Bereich der Oberkante der Sitzlehne befindet. Nach Ansicht der Kammer ist damit die Erfindung für den Fachmann ohne unzumutbaren Aufwand nachzuarbeiten, da er mit einfachen Routineversuchen die Geometrie des Gassacks sowie dessen Anordnung am Fahrzeugsitz aufeinander abstimmen kann, so dass sich eine vertikale Position der ersten Abströmöffnung im Bereich der Oberkante der Sitzlehne einstellt und damit das gemäß Merkmal e) geforderte Ergebnis für große Insassen erreicht wird. Dem Fachmann ist damit im Streitpatent ein Weg zur Ausführung der Erfindung insbesondere in Hinblick auf Merkmal e) und den darin definierten Bereich für die vertikale Position der ersten Abströmöffnung aufgezeichnet.
2.4 Die Beschwerdeführerin argumentierte, dass bei einem wortlautgemäßen Verständnis das Anspruchsmerkmal e), insbesondere da die Lage des Hüftgelenks des Insassen keinen eindeutigen Bezugspunkt für die Höhenangaben darstelle, vollkommen unbestimmt sei und der Fachmann nicht feststellen könne, unter welchen Bedingungen die beanspruchte Lehre verwirklicht sei oder nicht und ob er sich im verbotenen Schutzbereich bewege.
Nach Ansicht der Kammer ist Merkmal e) jedoch keineswegs unbestimmt, da wie bereits weiter oben ausgeführt zwei Höhenbereiche für die vertikale Position der ersten Abströmöffnung definiert und miteinander verknüpft werden: ein auf die vertikale Position des Hüftgelenks des Insassen bezogener Höhenbereich mit einer Breite von 150 mm ("zwischen 400 mm und 550 mm") sowie ein über das zu erreichende Ergebnis definierter Bereich ("vom Oberkörper eines kleinen Insassen nicht abgedeckt wird, aber von einem großen Insassen"). Unbestimmt ist allenfalls der in Merkmal e) genannte Bezugspunkt "Hüftgelenk des Insassen", da er abhängig vom konkreten Insassen oder der Sitzeinstellung variiert und damit keinen eindeutigen Bezugspunkt für die Höhenangaben in Merkmal e) festlegt. Die Kammer folgt in diesem Punkt der Auffassung der Beschwerdeführerin, dass der Fachmann die Bezugnahme auf das Hüftgelenk des Insassen in Anspruch 1 nicht als Bezugnahme auf einen eindeutig festgelegten H-Punkt versteht, insbesondere da der Begriff "H-Punkt" im Streitpatent selbst (siehe insbesondere Absätze [0007] und [0015]) nie verwendet wird. Es muss deshalb nicht weiter darauf eingegangen werden, ob der H-Punkt einen eindeutig festgelegten Referenzpunkt des Fahrzeugsitzes darstellt oder nicht. Dies bedeutet in Konsequenz aber nur, dass die vermeintlich exakte Angabe eines Höhenbereiches von 150 mm bezogen auf die nicht eindeutig definierte vertikale Position "Hüftgelenk des Insassen" einen resultierenden Höhenbereich - und zwar bezogen auf einen festen Bezugspunkt im Fahrzeugsitz - für die Lage der ersten Abströmöffnung ergibt, der in seiner Breite gegenüber der in Merkmal e) aufgeführten Breite von 150 mm aufgeweitet ist. Die Verwendung eines nicht eindeutig definierten Bezugspunkts in den Ansprüchen stellt dabei nach Ansicht der Kammer ein Problem unter Artikel 84 EPÜ 1973 dar, das vorliegend nicht zu prüfen ist (vgl. T 600/07, nicht im ABl. EPA veröffentlicht, Punkt 2.2.2 der Entscheidungsgründe). Dies führt dazu, dass die Grenzen des auf diesen nicht eindeutig definierten Bezugspunkt angegebenen Höhenbereichs weit auszulegen sind, so dass die in Anspruch 1 in Merkmal e) als Schnittmenge zweier Höhenbereiche definierte vertikale Position der ersten Abströmöffnung letztlich nur durch die in diesem Merkmal geforderte Abdeckung der ersten Abströmöffnung durch große Insassen (und nicht durch kleine Insassen) limitiert wird. Dies ist im Folgenden bei Prüfung der Neuheit und erfinderischen Tätigkeit zu berücksichtigen.
Zwar ist die Lage der ersten Abströmöffnung damit letztlich nur durch Bezugnahme auf eine mittels relativer Parameter ("groß/klein") beschriebene Größenangabe des auf dem Fahrzeugsitz sitzenden Insassen definiert. Dies kann aber nach Ansicht der Kammer akzeptiert werden, solange der Fachmann die Bedeutung dieser relativen Begriffe im vorgegebenen Kontext verstehen kann (siehe T 860/95, nicht im ABl. EPA veröffentlicht, Punkt 4 der Entscheidungsgründe). Wie bereits ausgeführt lehrt das Streitpatent, dass die Schulter eines großen Insassen im Bereich der Oberkante der Sitzlehne eines Fahrzeugsitzes liegt. Mit diesem Wissen kann der Fachmann im Rahmen von Routineversuchen den Gassack so auslegen, dass nach Entfaltung des Gassacks aus dem Fahrzeugsitz heraus wie in Merkmal e) gefordert die erste Abströmöffnung nur durch einen großen Insassen verdeckt wird. Die Definition des Gegenstands von Anspruch 1 über relative Begriffe steht der Ausführbarkeit der Erfindung also nicht entgegen.
2.5 Der Beschwerdeführerin wird darin gefolgt, dass der anspruchsgemäße Gassack nicht angepasst an einen bestimmten Insassen bzw. für eine konkrete Person auszulegen ist. Vielmehr definiert Merkmal e) die Anordnung der ersten Abströmöffnung des aus dem Fahrzeugsitz entfalteten Gassacks angelehnt an eine Klassifizierung der Insassen in große und kleine Insassen. Die Grenzen des Schutzbereiches sind bei einer solchen Definition über relative Begriffe naturgemäß nicht exakt bestimmt. Die von der Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang vorgebrachte Argumentation, dass der Fachmann nicht wissen könne, ob er sich im verbotenen Schutzbereich bewege, ist aber allenfalls eine Frage, ob die Patentansprüche diejenige Deutlichkeit aufweisen, die erforderlich ist, um Artikel 84 EPÜ 1973 zu genügen (siehe T 600/07, dito). Da Anspruch 1 gemäß Hauptantrag auf einer bloßen Kombination des Wortlauts der erteilten Ansprüche 1, 2 und 3 beruht und somit keine sachliche Änderung beinhaltet, kann Anspruch 1 hinsichtlich der Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ 1973 von der Kammer nicht überprüft werden (siehe T 381/02, nicht im ABl. EPA veröffentlicht, Punkt 2 der Entscheidungsgründe). Dies gilt ebenso für Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 bis 5 mit dem darin enthaltenen Merkmal e).
3. Hauptantrag - erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ 1973)
3.1 Die Kammer sieht das Dokument D3 als nächstliegenden Stand der Technik an und kann sich der Auffassung der Beschwerdegegnerin nicht anschließen, dass D3 als Ausgangspunkt zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ungeeignet sei. Laut Rechtsprechung der Beschwerdekammern sind die Kriterien zur Wahl des erfolgversprechendsten Ausgangspunktes insbesondere die Ähnlichkeit der technischen Aufgabe oder ein mit dem gleichen Ziel entwickelter Gegenstand. Dies trifft im Falle des Dokumentes D3 zu, denn der in D3 beschriebene Gassack soll - entsprechend der im Streitpatent formulierten Aufgabe - eine Anpassung an die Konstitution des Fahrzeuginsassen erlauben. Auch wenn sich die in D3 beschriebene Ausführungsform vorrangig auf einen Frontgassack bezieht, wird in der Beschreibung ausdrücklich die Verwendung für andere Typen von Gassäcken, z. B. auch für eine Seitenaufprall-Rückhaltevorrichtung wie im vorliegenden Streitpatent, angesprochen. Die symmetrische Gestaltung des in den Figuren in D3 gezeigten Gassacks steht dem nicht entgegen, da für die Verwendung als Seitengassack in D3 eine Entfaltung entlang der Fahrzeugtür angenommen wird (siehe Absatz [0039]) und der Gassack gemäß Figur 1 auch Abströmöffnungen im seitlichen Bereich aufweist, die eine Abdeckung durch den Oberkörper eines Insassen ermöglichen.
3.2 D3 zeigt eine Seitenaufprall-Rückhaltevorrichtung zum Schutz eines auf einem Fahrzeugsitz sitzenden Insassen in einem Kraftfahrzeug mit einem Gassack, der sich zwischen einer Seitenstruktur des Fahrzeugs und dem Insassen entfaltet (siehe Absatz [0039], wonach der in den Figuren 1 bis 4 gezeigte Front-Airbag auch als in einem Fahrzeugsitz untergebrachter Seitenairbag eingesetzt werden kann). Da der Gassack in Anspruch 1 nicht näher definiert wird, entspricht der in D3 als "inner air bag body 34" bezeichnete innere Gassackkörper dem beanspruchten Gassack. Dieser weist eine erste Abströmöffnung auf (eines der in den Figuren 1 oder 2 gezeigten "vent holes 40"), die entsprechend Merkmal d) in einem dem Insassen zugewandten Bereich des Gassacks angeordnet ist (siehe Figur 1 und 2, wobei dies implizit auch bei der Verwendung als Seitenairbag gilt). Wie bereits weiter oben (siehe Punkt 2) ausgeführt, wird die in Merkmal e) des Anspruchs 1 definierte vertikale Position der ersten Abströmöffnung aufgrund der variablen Position des Hüftgelenks des Insassen nur dadurch festgelegt, dass im Ergebnis die erste Abströmöffnung vom Oberkörper eines kleinen Insassen nicht abgedeckt wird, aber von einem großen Insassen verdeckt wird. Der in D3 beschriebene Gassack zeichnet sich dadurch aus, dass einige "vent holes 40" des inneren Gassackkörpers 34 vom Oberkörper eines großen Insassen verdeckt werden (siehe Figuren 3a und 3b sowie die Funktions beschreibung in den Absätzen [0032] bis [0034], was auch bei der angesprochenen Verwendung als Seitengassack gelten muss), so dass D3 auch eine erste Abströmöffnung gemäß Merkmal e) offenbart. Unstreitig zeigt D3 auch die Entfaltung des Gassacks aus dem Fahrzeugsitz sowie eine zweite Abströmöffnung des inneren Gassackkörpers 34, da dieser mehrere "vent holes 40" aufweist. Wie in D3 beschrieben (siehe Absätze [0032] bis [0034]) wird abhängig von der Größe des Insassen mittels der Abströmöffnungen ("vent holes 40") das Abströmen von Gas aus dem inneren Gassackkörper 34 in Abhängigkeit von der Größe des Insassen gesteuert, denn der Überdeckungsgrad des inneren Gassackkörpers 34 mit dem Körper des Insassen bestimmt die Anzahl der abgedeckten "vent holes 40" und damit die Menge des abströmenden Gases, womit die auf den Insassen durch den Gassack ausgeübte Kraft und also der Gassackinnendruck gesteuert wird (Merkmal f)).
3.3 In D3 wird nicht explizit gezeigt, dass die zweite Abströmöffnung gemäß Merkmal h) in einem dem Insassen nicht zugewandten Bereich des unteren Abschnitts des Gassacks angeordnet ist. Unter einem "nicht zugewandten Bereich" sind bei einer engen Auslegung dieses Begriffs die Bereiche des Gassacks zu verstehen, die seitlich oder oberhalb bzw. unterhalb oder gegenüberliegend von der Aufprallzone des Insassen auf den Gassack liegen. Damit wird bewirkt, dass unabhängig von der Größe des Insassen immer Gas aus dem Gassack abströmen kann.
Die zu lösende objektive Aufgabe kann also darin gesehen werden, die zweite Abströmöffnung derart anzuordnen, dass Gas unabhängig von der Größe des Insassen immer abströmen kann.
3.4 Die mit Merkmal h) definierte Anordnung der zweiten Abströmöffnung kann nach Auffassung der Kammer keine erfinderische Tätigkeit begründen: Zum einen ist es für den Fachmann bei der gestellten Aufgabe naheliegend, die zweite Abströmöffnung in einem dem Insassen nicht zugewandten Bereich des Gassacks anzuordnen, da nur so das Austreten von Gas aus dem Gassack auch nach dem Aufprall eines Insassen gewährleistet werden kann. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Fachmann dieses Merkmal wie von der Beschwerdeführerin behauptet bereits implizit in D3 mitliest oder nicht. Zum anderen stellt es eine naheliegende Auswahl aus zwei möglichen Alternativen dar, die zweite Abströmöffnung dabei im unteren (und nicht im oberen) Abschnitt des Gassacks anzuordnen.
3.5 Da die in Anspruch 1 gegebene Definition eines Gassacks offen lässt, ob noch weitere Elemente mit diesem Gassack verbunden sind, kann der Ansicht der Beschwerdegegnerin nicht gefolgt werden, dass der in D3 gezeigte innere Gassackkörper 34 nicht isoliert als Gassack im beanspruchten Sinne betrachtet werden kann. Dies gilt umso mehr, als auch das Streitpatent selbst in den abhängigen Ansprüchen auf der Außenseite des Gassacks ein Gewebestück zum Ablenken des abströmenden Gases definiert, welches in seiner Funktion dem äußeren Gassackkörper 32 aus D3 entspricht. Betrachtet man nur den inneren Gassackkörper 34 aus D3, so macht eine Unterscheidung zwischen Abströmöffnungen und Überströmöffnungen keinen Sinn und lässt sich im Übrigen auch nicht aus D3 heraus begründen, da in D3 sowohl die Öffnungen 40 im inneren Gassackkörper 34 als auch die Öffnungen 46 im äußeren Gassackkörper 32 gleichermaßen als "vent holes" bezeichnet werden. Die "vent holes 40" des inneren Gassackkörpers 34 in D3 sind also als Abströmöffnungen aufzufassen, wobei es eine erste Abströmöffnung gibt, die - wie bereits weiter oben ausgeführt - in einem dem Insassen zugewandten Bereich des Gassacks angeordnet ist und nur vom Oberkörper eines großen Insassen abgedeckt wird, so dass in Abhängigkeit von der Größe des Insassen der Gassackinnendruck gesteuert werden kann. Somit sind - wie bereits weiter oben unter Punkt 3.2 ausgeführt - die sich auf die erste Abströmöffnung beziehenden Merkmale d), e) und f) aus D3 bekannt.
3.6 Die Kammer kann nicht erkennen, warum die in D3 angesprochene Übertragung des in den Figuren gezeigten Frontgassacks auf einen Seitengassack Schwierigkeiten bereiten soll. Der Fachmann wird bei der in D3 angesprochenen Variante eines Seitengassacks, der sich aus dem Fahrzeugsitz heraus entlang der Innenseite der Fahrzeugtür entfaltet (siehe Absatz [0039]: "to unfold along an vehicle-interior side portion of the side door"), mitlesen, dass sich der in den Figuren 1 und 2 gezeigte Gassack aus der Sitzlehne heraus in Fahrzeugrichtung nach vorne entfaltet. Eine Entfaltung seitlich aus dem Fahrzeugsitz heraus in Richtung der Fahrzeugtür würde keinen Sinn machen und ist bereits durch die Formulierung in Absatz [0039] ausgeschlossen, und die auf die Interaktion mit dem Oberkörper eines Insassen abzielende Wirkung erfordert eine Anbringung im Bereich des Oberkörpers und damit eine Entfaltung aus der Sitzlehne heraus in horizontaler Richtung.
Der innere Gassackkörper 34 enthält Abströmöffnungen bzw. "vent holes 40" in großer Zahl, und zwar gemäß Figur 1 in Bezug auf die Entfaltungsrichtung des Gassacks gesehen auch in seitlichen Bereichen des Gassacks, so dass auch bei der beschriebenen Verwendung als Seitengassack eine Abdeckung von Abströmöffnungen durch einen Insassen erfolgt. Wie insbesondere der Beschreibung der Figuren 3a und 3b zu entnehmen ist, bestimmt die Größe des den Gassack abdeckenden Oberkörpers des Insassen die Anzahl der abgedeckten "vent holes 40", so dass von einer Verteilung dieser Abströmöffnungen in vertikaler Richtung auch in den seitlichen Bereichen des Gassacks auszugehen ist. Damit zeigt D3 auch in der Variante als Seitengassack unter den "vent holes 40" eine erste Abströmöffnung, die wie beansprucht nur vom Oberkörper eines großen Insassen verdeckt wird.
Auch die in D3 gezeigten Fangbänder ("straps 50") stehen einer Übertragung des für einen Frontgassack gezeigten Prinzips auf einen Seitengassack nicht im Wege wie von der Beschwerdegegnerin ausgeführt, da sie bei einer Entfaltung des Gassacks aus dem Fahrzeugsitz heraus nach vorne die Entfaltung des Gassacks nicht behindern.
3.7 Die Kammer gelangt damit zu dem Schluss, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag gegenüber der Lehre von Dokument D3 und dem Fachwissen des Fachmanns nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (Artikel 56 EPÜ 1973).
4. Hilfsantrag 3
4.1 Zulässigkeit
Die zusätzliche Einschränkung in Anspruch 1 ist dem Absatz [0016] der Beschreibung wörtlich entnommen, um die zweite Abströmöffnung näher zu spezifizieren, und erfüllt die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ sowie des Artikels 84 EPÜ 1973. Auch seitens der Beschwerdeführerin wurde die Zulässigkeit nicht bestritten.
4.2 Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ 1973)
Das zusätzliche Merkmal von Anspruch 1 charakterisiert die zweite Abströmöffnung dadurch, dass unabhängig von der Größe des Insassen immer Gas aus der zweiten Abströmöffnung abströmen kann. Damit wird über die Wirkung der zweiten Abströmöffnung eine Vorgabe zu ihrer Anordnung am Gassack gemacht. Letztlich ist damit nur gefordert, dass die zweite Abströmöffnung immer frei liegen muss und keine Abdeckung durch Insassen erfolgen darf.
Die Kammer kann keine zusätzliche Einschränkung durch die vorgenommene Änderung gegenüber dem Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags erkennen. Die nun in Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 geforderte Wirkung der zweiten Abströmöffnung wird bereits mit Merkmal h) erzielt, wonach die zweite Abströmöffnung in einem dem Insassen nicht zugewandten Bereich des Gassacks angeordnet ist. Im Streitpatent selbst wird in Zusammenhang mit Merkmal h) ausgeführt (siehe Absatz [0008]), dass die zweite Abströmöffnung in jedem Fall frei liegt, d. h. es wird dadurch immer ein Abströmen von Gas ermöglicht.
Die Beschwerdegegnerin führte an, dass aus D3 nicht explizit hervorgehe, dass Abströmöffnungen 40 immer frei seien, was auch für große Insassen eine Dämpfung bewirke. Dies wurde aber bei Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag auch nicht vorausgesetzt. Vielmehr wurde argumentiert (siehe weiter oben Punkt 3.4), dass das in D3 nicht gezeigte Merkmal h) keinen erfinderischen Beitrag leisten kann, was in gleicher Weise auch für das zusätzliche Merkmal des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 3 gilt, welches keine Einschränkung gegenüber Merkmal h) bietet.
Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 beruht daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
5. Hilfsanträge 4 und 5
5.1 Zulassung im Verfahren
Die Kammer sieht keine Veranlassung, wie von der Beschwerdeführerin beantragt, den mit Schreiben vom 18. April 2012 eingereichten Hilfsantrag 4 sowie den während der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsantrag 5, der im Wesentlichen dem ebenfalls am 18. April 2012 eingereichten Hilfsantrag 5 entspricht, nicht in das Verfahren zuzulassen. Zum einen verfolgt die Beschwerdegegnerin damit in konvergierender Weise eine Einschränkung des Gegenstands von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3, und zwar beruhend auf Merkmalen aus erteilten abhängigen Ansprüchen. Diese Merkmale waren im Einspruchsverfahren bereits in Hilfsanträgen enthalten, die wegen Gewährbarkeit eines höherrangigen Hilfsantrags nicht weiter verfolgt wurden. Der Patentinhaberin und Beschwerdegegnerin kann also nicht angelastet werden, dass die betreffenden Merkmale bzw. Aspekte der Erfindung in der erstinstanzlichen Entscheidung und der Beschwerdebegründung keine Rolle gespielt haben. Zum anderen wird die Einreichung der Hilfsanträge als Reaktion auf die in der Ladung zur mündlichen Verhandlung geäußerte vorläufige Meinung der Kammer angesehen (wonach sowohl die Offenbarung als auch die erfinderische Tätigkeit fraglich erschienen) und nicht als verspätetes Vorbringen gewertet.
5.2 Zulässigkeit
Die zusätzlichen Merkmale in dem Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 bzw. 5 gehen zurück auf Merkmale der erteilten Ansprüche 4 bis 6 und sind damit im Sinne von Artikel 123 (2) EPÜ ursprünglich offenbart, was auch seitens der Beschwerdeführerin zugestanden wurde.
5.3 Hilfsantrag 4 - erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ 1973)
Anspruch 1 spezifiziert zusätzlich eine Einrichtung zum Ablenken des abströmenden Gases, welche in Form eines Gewebestücks auf der Außenseite des Gassacks über der ersten Abströmöffnung angeordnet ist. Wie bereits zum Hauptantrag ausgeführt entspricht der innere Gassackkörper 34 mit "vent holes 40" aus D3 dem beanspruchten Gassack, der eine erste Abströmöffnung aufweist. Die Funktion des äußeren Gassackkörpers 32 in D3 besteht darin, das aus der ersten Abströmöffnung entweichende Gas zu einer Öffnung 46 zu leiten, durch welche das Gas ins Freie entweichen kann. Wie in D3 beschrieben, ist der äußere Gassackkörper mit dem aus Gewebematerial bestehenden inneren Gassackkörper vernäht (siehe Absatz [0024]) und auf der Außenseite des inneren Gassacks über den "vent holes 40" (siehe Figur 1) angeordnet, also über der ersten Abströmöffnung. Auch wenn in D3 nicht explizit angegeben, so ist es doch zumindest naheliegend für den Fachmann, auch für den äußeren Gassackkörper ein Gewebematerial zu wählen, um ihn mit dem inneren Gassackkörper vernähen zu können. Damit kann die Kammer in den zusätzlichen Merkmalen von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4 keinen erfinderischen Beitrag gegenüber der Lehre von D3 erkennen.
Da Anspruch 1 nur ein über der ersten Abströmöffnung "angeordnetes" Gewebestück definiert und nicht - wie von der Beschwerdegegnerin vorgetragen - einen von außen angebrachten bzw. befestigten Aufsatz, kann der in D3 gezeigte äußere Gassackkörper 32 als Ablenkeinrichtung im beanspruchten Sinne verstanden werden. Es wird zwar zugestanden, dass der innere Gassackkörper 34 aus D3 (siehe Figur 1) an seinem äußeren Rand mit dem äußeren Gassackkörper 32 vernäht ist, jedoch kann wie bereits ausgeführt aufgrund des Wortlauts von Anspruch 1 der in D3 gezeigte innere Gassackkörper 34 als Gassack im beanspruchten Sinne betrachtet werden. Der den Kanal 48 bildende Teil des äußeren Gassackkörpers 32 entspricht dabei als separates Teil dem beanspruchten Gewebestück, welches über der ersten Abströmöffnung des den anspruchsgemäßen Gassack bildenden inneren Gassackkörpers angeordnet ist.
Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 beruht daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ 1973).
5.4 Hilfsantrag 5 - erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ 1973)
Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 5 definiert detailliert den Aufbau der Einrichtung zum Ablenken des abströmenden Gases. Im vorliegenden Stand der Technik findet sich keine Anregung, einen Aufbau mit einem ersten und einem zweiten Gewebeabschnitt vorzusehen, wobei der erste Gewebeabschnitt mit einer der ersten Abströmöffnung entsprechenden Öffnung versehen ist und der zweite Gewebeabschnitt beide Öffnungen abdeckt. Auch seitens der Beschwerdeführerin wurden diesbezüglich keine weiteren Argumente vorgetragen.
Somit erfüllt der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 5 die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ 1973.
6. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 5 mit dem abhängigen Anspruch 2 und der daran angepassten Beschreibung und den Zeichnungen wie erteilt bilden daher eine geeignete Grundlage für die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent mit folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:
- Ansprüche 1 und 2 gemäß Hilfsantrag 5, eingereicht während der mündlichen Verhandlung;
- Beschreibung, Spalten 1 bis 4 mit Einschubseite 2a, eingereicht in der mündlichen Verhandlung;
- Figuren 1 bis 6c wie erteilt.