T 1721/07 (CSF-1 Inhibitoren/HOFBAUER UND AHARINEJAD) of 29.3.2012

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2012:T172107.20120329
Datum der Entscheidung: 29 März 2012
Aktenzeichen: T 1721/07
Anmeldenummer: 00972422.0
IPC-Klasse: A61K 39/395
A61P 35/00
A61K 48/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verwendung von CSF-1-Inhibitoren
Name des Anmelders: Hofbauer, Reinhold
Aharinejad, Seyedhossein
Name des Einsprechenden: Novartis Vaccines and Diagnostics, Inc.
Amgen Inc.
Kammer: 3.3.04
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 84
European Patent Convention Art 123(2)
European Patent Convention Art 123(3)
European Patent Convention R 124
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 6(4)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12(2)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(1)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(2)
Schlagwörter: Hauptantrag und Hilfsanträge 2 bis 4: Zulassung in Verfahren (nein)
Hilfsantrag 1: Klarheit (nein)
Berichtigung des Protokolls (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0001/03
G 0002/03
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0715/10
T 0433/11
T 2370/16
T 1832/18
T 0658/19
T 1213/19
T 0118/20
T 0450/20
T 0608/20
T 1891/20
T 1482/21
T 1494/21
T 0870/22
T 1690/22
T 1892/23

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Patentinhaber (Beschwerdeführer) richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das europäische Patent Nr. 1 223 980 mit der Bezeichnung "Verwendung von CSF-1-Inhibitoren" zu widerrufen, das auf die als WO 01/30381 veröffentlichte europäische Patentanmeldung Nr. 00972422.0 erteilt wurde.

II. Die Ansprüche 1 bis 3 des Streitpatents lauten:

"1. Verwendung von Inhibitoren von CSF-1-Aktivität zur Herstellung eines Arzneimittels zur Behandlung von Tumorerkrankungen.

2. Verwendung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass als Inhibitor der CSF-1-Aktivität ein neutralisierender Antikörper gegen CSF-1 oder dessen Rezeptor eingesetzt wird.

3. Verwendung nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass als Inhibitor der CSF-1-Aktivität eine Antisense-Nukleinsäure gegen CSF-1 oder dessen Rezeptor eingesetzt wird."

Die Ansprüche 4 bis 8 des erteilten Streitpatents betreffen weitere bevorzugte Ausführungsformen und sind von Anspruch 1 abhängig.

III. Für diese Entscheidung ist die folgende Entgegenhaltung von Bedeutung:

D8: Rocereto et al. (2000), Gynecol. Oncol., Band 77, Nr. 3, S. 429 bis 432.

IV. Die gegen das Patent eingelegten Einsprüche wurden auf Einspruchsgründe gemäß Artikel 100 a) EPÜ in Verbindung mit Artikel 54 und 56 EPÜ sowie gemäß Artikel 100 b) EPÜ gestützt. Die Einspruchsabteilung entschied, dass der Gegenstand von Anspruch 1 des erteilten Patents unter anderem gegenüber der Entgegenhaltung D8 nicht neu war. Auch die Ansprüche der der Einspruchsabteilung vorliegenden Hilfsanträge 1 bis 4 erfüllten nicht die Erfordernisse des EPÜ. Während des Einspruchsverfahrens wurden von den Parteien 132 Entgegenhaltungen eingereicht (D1 bis D132).

V. Mit der Beschwerdebegründung vom 30. November 2007 beantragten die Beschwerdeführer, das Patent in unveränderter Form (in vollem Umfang) aufrechtzuerhalten, bzw. hilfsweise, das Patent in geänderter Form mit den Ansprüchen gemäß dem neuen Hilfsantrag 1, 2 oder 3 aufrechtzuerhalten.

Anspruch 1 des neuen Hilfsantrags 2 lautete:

"1. Verwendung von CSF-1 neutralisierenden Antikörpern oder Antisense-Nukleinsauren gegen CSF-1 zur Herstellung eines Arzneimittels zur Behandlung von soliden Tumoren."

Anspruch 1 des neuen Hilfsantrags 3 lautete:

"1. Verwendung von CSF-1 neutralisierenden Antikörpern zur Herstellung eines Arzneimittels zur Behandlung von soliden Tumoren."

VI. In ihren Beschwerdeerwiderungen vom 23. und 24. April 2008 argumentierten die Beschwerdegegnerinnen unter anderem, dass der Gegenstand von Anspruch 1 des erteilten Patents nicht neu und nicht erfinderisch sei. Die Ansprüche der neuen Hilfsanträge seien unter anderem aus formalen Gründen gemäß Artikel 84 und/oder 123 (2) EPÜ nicht zulässig. Mit der Beschwerdeerwiderung reichte die Beschwerdegegnerin I (Einsprechende 01) drei Übersetzungen ein, während die Beschwerdegegnerin II (Einsprechende 02) ihre Eingabe auf weitere 26 Entgegenhaltungen stützte.

VII. Mit Erwiderungsschreiben vom 13. Februar 2009 reichten die Beschwerdeführer einen neuen Hilfsantrag 1 ein.

Anspruch 1 des neuen Hilfsantrags 1 lautet:

"1. Verwendung von Inhibitoren von CSF-1-Aktivität zur Herstellung eines Arzneimittels zur Behandlung von soliden Tumoren, dadurch gekennzeichnet, dass die CSF-1-Aktivität selbst unterdrückt wird." (Hervorhebung durch die Kammer)

VIII. In weiteren Schreiben vom 25. Juni 2009 (Beschwerdegegnerin II) und 12. August 2009 (Beschwerdegegnerin I) hielten die Beschwerdegegnerinnen ihre Einwände aufrecht. Die Beschwerdegegnerin I reichte eine weitere Übersetzung ein.

IX. Mit Schreiben vom 17. September 2010 reichte die Beschwerdegegnerin II zwei weitere Entgegenhaltungen ein.

X. Mit Schreiben vom 5. Mai 2011 beantragten die Beschwerdeführer, eine von der Beschwerdegegnerin II mit Schreiben vom 17. September 2010 eingereichte Entgegenhaltung (D166) als verspätet zurückzuweisen.

XI. Mit Ladung vom 23. Dezember 2011 wurden die Parteien zur mündlichen Verhandlung geladen, die am 29. März 2012 stattfand. Während der mündlichen Verhandlung wurden von den Beschwerdeführern ein neuer Hauptantrag und neue Hilfsanträge 2 und 3 sowie ein Hilfsantrag 4 eingereicht.

Anspruch 1 des neuen Hauptantrags lautet:

"1. Verwendung von Inhibitoren von CSF-1-Aktivität, ausgenommen Mifepriston, zur Herstellung eines Arzneimittels zur Behandlung von Tumorerkrankungen, wobei die Tumorerkrankung ein solider Tumor ist und das Arzneimittel zur Hemmung des Wachstums von soliden Tumoren hergestellt wird." (Hervorhebung durch die Kammer)

Anspruch 1 des neuen Hilfsantrags 2 lautet:

"1. Verwendung von Inhibitoren von CSF-1-Aktivität zur Herstellung eines Arzneimittels zur Behandlung von Tumorerkrankungen, wobei als Inhibitor der CSF-1-Aktivität ein neutralisierender Antikörper gegen CSF-l, oder dessen Rezeptor, oder als Inhibitor der CSF-1-Aktivität eine Antisense—Nukleinsäure gegen CSF-l, oder dessen Rezeptor, eingesetzt wird und das Arzneimittel zur Hemmung des Wachstums von soliden Tumoren hergestellt wird."

Anspruch 1 des neuen Hilfsantrags 3 lautet:

"1. Verwendung von Inhibitoren von CSF-1-Aktivität zur Herstellung eines Arzneimittels zur Behandlung von Tumorerkrankungen, wobei als Inhibitor der CSF-1-Aktivität ein neutralisierender Antikörper gegen CSF-l oder als Inhibitor der CSF-1-Aktivität eine Antisense-Nukleinsäure gegen CSF-l eingesetzt wird und das Arzneimittel zur Hemmung des Wachstums von soliden Tumoren hergestellt wird."

Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 lautet:

"1. Verwendung von Inhibitoren von CSF-1-Aktivität zur Herstellung eines Arzneimittels zur Behandlung von Tumorerkrankungen, wobei als Inhibitor der CSF-1-Aktivität ein neutralisierender Antikörper gegen CSF-l oder [sic] eingesetzt wird und das Arzneimittel zur Hemmung des Wachstums von soliden Tumoren hergestellt wird."

XII. Die Argumente der Beschwerdeführer lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Neuer Hauptantrag

- Der neue Hauptantrag sei eine direkte Reaktion auf die Ankündigung der Kammer in der mündlichen Verhandlung, dass sie die Entgegenhaltung D8 als neuheitsschädlich für den Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents erachte.

- In Anspruch 1 sei der in Entgegenhaltung D8 veröffentlichte Gegenstand mittels eines Disclaimers ausgeklammert.

Hilfsantrag 1

- Anspruch 1 spezifiziere, "dass die CSF-1-Aktivität selbst unterdrückt wird". Daher sei speziell auf Inhibitoren von CSF-1 selbst abgestellt worden, sodass die Inhibierung des indirekten Zielproteins (des CSF-1-Rezeptors) nicht mehr beansprucht werde. Das Merkmal sei der ursprünglich eingereichten Beschreibung entnommen worden, wo auf Seite 4 im 6. Absatz deutlich beschrieben sei, dass die zwei wesentlichen "Stoßrichtungen" bei der Inhibierung von CSF-1-Aktivität die Unterdrückung der CSF-1-Aktivität selbst und die Unterdrückung der Aktivität des CSF-1-Rezeptors bildeten. Die Inhibierung des CSF-1 selbst und die Inhibierung des CSF-1-Rezeptors würden in dieser Passage auch klar unterschieden. Die Änderung beziehe sich daher auf eine dieser Stoßrichtungen. Auch die ursprünglich eingereichten Ansprüche 2 und 3 unterschieden klar die Inhibierung des CSF-1 selbst und die Inhibierung des CSF-1-Rezeptors. Demgemäß sei das Merkmal klar und entspreche somit Artikel 84 EPÜ.

- Die Tumorerkrankungen seien in Anspruch 1 weiter als "solide" Tumorerkrankungen spezifiziert ("solide Tumoren"). Die Grundlage hierfür sei in der Beschreibung auf Seite 5 im 5. Absatz der eingereichten Anmeldung zu finden.

Hilfsanträge 2 bis 4

- Die neuen Hilfsanträge 2 bis 4, die während der mündlichen Verhandlung eingereicht wurden, seien eine Reaktion auf die dort geäußerte Auffassung der Kammer, dass der Hilfsantrag 1 den Erfordernissen der Artikel 84 und 123 EPÜ nicht genüge. Diese Auffassung betreffe auch die mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsanträge 2 und 3. Die neuen Anträge umfassten drei Kombinationen des erteilten unabhängigen Anspruchs 1 mit Merkmalen aus abhängigen Ansprüchen. Somit seien die Einsprechenden nicht mit neuen oder unerwarteten Gegenständen konfrontiert worden.

XIII. Die Argumente der Beschwerdegegnerinnen lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Neuer Hauptantrag

- Der neue Hauptantrag, der erst während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer eingereicht wurde, solle nicht in das Verfahren zugelassen werden, weil er so spät vorgelegt wurde. Die Auffassung der Kammer, dass die Entgegenhaltung D8 neuheitsschädlich für den Gegenstand von Anspruch 1 des erteilten Patent sei, sei auf Argumente gestützt worden, die schon während des Einspruchsverfahrens bekannt gewesen seien, sodass dieser Antrag wesentlich früher hätte vorgelegt werden können und müssen.

Hilfsantrag 1

- Das Merkmal "dass die CSF-1-Aktivität selbst unterdrückt wird" sei unklar (Artikel 84 EPÜ) und nicht von der Beschreibung gestützt (Artikel 123 EPÜ).

- Anspruch 1 beziehe sich noch immer auf die Verwendung von Inhibitoren der CSF-1/c-fms- Interaktion (auch Antikörper) zur Behandlung von Tumoren. Damit sei die Behauptung der Beschwerdeführer, dass die Inhibierung des indirekten Zielproteins (des CSF-1-Rezeptors) nicht mehr beansprucht werde, nicht gerechtfertigt. Weder die in der Beschreibung zitierte Passage auf Seite 4 im 6. Absatz noch die ursprünglich eingereichten Ansprüche 2 und 3 könnten zur Eindeutigkeit des Merkmals beitragen.

- Die ursprünglich eingereichte Anmeldung beinhalte deswegen keine Stütze für einen Anspruch, der sich generisch auf eine Behandlung von "soliden Tumoren" beziehe (Artikel 123 (2) EPÜ). Die Anmeldung beschreibe, dass "[d]ie erfindungsgemäße Inhibierung der CSF-1-Aktivität sich besonders gut zur Hemmung oder Retardierung des Wachstums von soliden Tumoren [eigne]" (Seite 5, Zeilen 19 bis 21, Hervorhebung durch die Kammer) und dass die erfindungsgemäße Methode "besonders effizient zur Behandlung von soliden Tumoren, ausgewählt aus der Gruppe der germinalen Tumore, der epithelialen Tumore und der Adenokarzinome", sei (Seite 5, Zeilen 22 bis 25, Hervorhebung durch die Kammer). Die ursprünglich eingereichten Ansprüche 4 und 8 bezögen sich direkt auf diese Passagen der Beschreibung, nicht aber auf Anspruch 1 des Hilfsantrags 1.

- Wahrscheinlich hätten sich die Beschwerdeführer entschieden, Anspruch 1 mittels eines Wortlauts zu ändern, der nicht ursprünglich offenbart war, anstatt einen ursprünglich offenbarten Wortlaut zu verwenden, weil Letzteres wohl eine größere Beschränkung bedeuten würde. Dies müsse eine unzulässige Änderung darstellen (Artikel 123 (2) EPÜ), und der Wortlaut des Anspruchs 1 sowie der Wortlaut der ursprünglich eingereichten Ansprüche 4 und 8 hätten eine unterschiedliche Bedeutung. Die Tatsache, dass der Wortlaut des Anspruchs 1 und der Wortlaut der ursprünglich eingereichten Ansprüche 4 und 8 eine unterschiedliche Bedeutung hätten, mache Anspruch 1 unklar, und es sei insbesondere auch nicht möglich, diese Unklarheit anhand der Beschreibung zu beseitigen (Artikel 84 EPÜ).

Hilfsanträge 2 bis 4

- Die neuen Hilfsanträge 2 bis 4 sollten nicht in das Verfahren zugelassen werden. Sie seien nicht nur sehr spät eingereicht worden, sondern hätten auch früher vorgelegt werden können, weil die Argumente bezüglich der Artikel 84 und 123 EPÜ, die gegen den Hilfsantrag 1 und die früheren Hilfsanträge 2 und 3 sprechen, von der Beschwerdegegnerin I schon während des gesamten Verfahrens vorgebracht worden seien. Zudem dürfe den Beschwerdeführern nicht gestattet werden, zwei Hilfsanträge durch drei neue Anträge zu ersetzen.

XIV. Die Beschwerdeführer (Patentinhaber) beantragten die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage des neuen Hauptantrags, eingereicht in der mündlichen Verhandlung, oder des mit Schreiben vom 13. Februar 2009 eingereichten Hilfsantrags 1 oder der in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsanträge 2 bis 4.

Die Beschwerdegegnerinnen (Einsprechende 1 und 2) beantragten die Zurückweisung der Beschwerde.

XV. Mit Schreiben vom 4. Mai 2012 beantragten die Beschwerdeführer, dass das Protokoll über die mündliche Verhandlung am 29. März 2012 gemäß der in der Anlage zum Schreiben enthaltenen Fassung abgeändert werden solle. Dabei brachten sie Folgendes vor:

- Der Satz "[Der Vorsitzender] trug den wesentlichen Inhalt der Akten vor" solle gestrichen werden, weil nur die Anträge der Parteien und nicht der wesentliche Inhalt dargelegt worden seien.

- Nach dem Satz "Anschließend erhielten die Beteiligten das Wort" solle ein zusätzlicher Text von rund 30 Zeilen aufgenommen werden, in dem die Beschwerdeführer die verschiedenen Argumente der Parteien und die Schlussfolgerungen der Kammer mit eigenen Worten zusammenfassten.

- Es solle festgehalten werden, dass die Beschwerdeführer ihren Einwand, wonach die Entscheidung, ihre Hilfsanträge 2 bis 4 nicht zuzulassen, ein schwerwiegender Verfahrensmangel sei, nicht nach der Verkündung der Entscheidung der Kammer über die Zurückweisung der Beschwerde vorgebracht hätten, sondern davor.

- Die Sätze "Auf Anfrage des Vorsitzenden erklärten die Parteien, dass sie keine weiteren Anträge oder Anmerkungen vorzubringen haben" und "Sodann erklärte der Vorsitzende die sachliche Debatte für beendet" sollten gestrichen werden, weil diese Ereignisse gar nicht stattgefunden hätten. Der Satz "Nach Beratung der Kammer wurde folgende Entscheidung verkündet" solle korrigiert werden in "Die Kammer verkündete dann folgende Entscheidung".

- Daneben enthielt die von den Beschwerdeführern vorgeschlagene Fassung des Protokolls noch grammatikalische Korrekturen.

Mit Schreiben vom 24. Mai 2012 beantragte die Beschwerdegegnerin I den Antrag der Beschwerdeführer, das Protokoll über die mündliche Verhandlung am 29. März 2012 abzuändern, abzulehnen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

Neuer Hauptantrag

2. Die Parteien waren sich einig, dass der neue Hauptantrag von den Beschwerdeführern als Reaktion auf die Feststellung der Kammer vorgelegt wurde, dass die Entgegenhaltung D8 für den früheren Hauptantrag neuheitsschädlich war, hatten aber unterschiedliche Auffassungen darüber, inwieweit der Zeitpunkt der Vorlage dieses neuen Hauptantrags angemessen war. Die Kammer stimmt den Beschwerdegegnerinnen zu, dass die Feststellung bezüglich D8 eine mögliche Entwicklung war, die die Beschwerdeführer angesichts der von den Beschwerdegegnerinnen im Verfahren vorgebrachten Argumente hätte absehen können, sodass sie ihren Antrag zu einem wesentlich früheren Zeitpunkt hätten vorlegen können. Die Kammer stellt fest, dass die Beschwerdeführer neben der Beschwerdebegründung weitere umfangreiche schriftliche Vorbringen (vom 13. Februar 2009 und 5. Mai 2011) einreichten; daher kann nicht von einer mangelnden Gelegenheit die Rede sein, den Antrag früher einzureichen.

3. Dass der Antrag einen Disclaimer enthielt, um den auf der Entgegenhaltung D8 basierenden Einwand zu umgehen, bedeutet zudem, dass die Beschwerdegegnerinnen und die Kammer alle Überlegungen berücksichtigen müssten, die bei der Aufnahme von Disclaimern anfallen (siehe beispielsweise die Entscheidungen G 1/03, ABl. EPA 2004, 413 und G 2/03, ABl. EPA 2004, 448). Die Beschwerdeführer hätten dies vorhersehen und den neuen Hauptantrag in einem wesentlich früheren Stadium als weiteren Hilfsantrag vorlegen können. Der neue Hauptantrag wird folglich nicht in das Verfahren zugelassen.

Hilfsantrag 1, Anspruch 1, Artikel 84 EPÜ

4. Anspruch 1 wurde gegenüber dem erteilten Anspruch 1 dahin gehend geändert, dass hinzugefügt wurde, dass a) "die CSF-1-Aktivität selbst unterdrückt wird" und dass b) das Arzneimittel jetzt zur "Behandlung von soliden Tumoren" hergestellt wird.

5. Diese Änderungen wurden erstmals in der Beschwerdephase in das Verfahren eingeführt. Daher ist festzuhalten, dass diese zwei neuen Merkmale, die von den Beschwerdegegnerinnen in ihren Beschwerdeerwiderungen aus formalen Gründen beanstandet wurden, in dieser Form nie von der Einspruchsabteilung begutachtet worden sind.

6. Anspruch 1 bezieht sich jetzt auf "Inhibitoren von CSF-1-Aktivität" (Oberbegriff) und auf eine Unterdrückung der "CSF-1-Aktivität selbst" (kennzeichnender Teil). Die Beschwerdeführer behaupten, dass das Merkmal "dass die CSF-1-Aktivität selbst unterdrückt wird" die Inhibierung/Unterdrückung des indirekten Zielproteins - des CSF-1-Rezeptors - ausschließe, was somit nicht mehr beansprucht werde. Absatz 6 auf Seite 4 der ursprünglich eingereichten Beschreibung mache deutlich, dass die zwei wesentlichen "Stoßrichtungen" bei der Inhibierung von CSF-1-Aktivität die Unterdrückung der CSF-1-Aktivität selbst und die Unterdrückung der Aktivität des CSF-1-Rezeptors bildeten. Die Änderung beziehe sich daher auf die erste dieser Stoßrichtungen. Auch die ursprünglich eingereichten Ansprüche 2 und 3 unterschieden klar zwischen der Inhibierung des CSF-1 selbst und der Inhibierung des CSF-1-Rezeptors.

7. Die Kammer ist überzeugt, dass für den Fachmann kein eindeutiger technischer Unterschied zwischen "CSF-1-Aktivität" und "CSF-1-Aktivität selbst" besteht. Folglich müsste ein etwaiger technischer Unterschied aus der Beschreibung ableitbar sein.

8. Die für die Beurteilung der Klarheit relevante Stelle in der ursprünglich eingereichten Beschreibung befindet sich, wie von den Beschwerdeführern angeführt, auf Seite 4 in den Absätzen 6 und 7 und lautet wie folgt:

"Die zwei wesentlichen "Stoßrichtungen" bei der Inhibierung von CSF-1-Aktivität bilden dabei die Unterdrückung der CSF-1-Aktivität selbst und die Unterdrückung der Aktivität des CSF-1—Rezeptors (siehe US 5 405 772).

Erfindungsgemäß bevorzugt als Inhibitoren der CSF-1-Aktivität sind dabei neutralisierende Antikörper gegen CSF-1 oder dessen Rezeptor. Derartige neutralisierende Antikörper (…) binden CSF-1 oder den CSF-1-Rezeptor derartig, dass eine CSF-1-Aktivität unterbunden wird bzw. nicht weitergeleitet wird." (Hervorhebung durch die Kammer)

9. Nach Meinung der Kammer kann Absatz 6 nicht zur Klärung des technischen Unterschieds beitragen. In diesem Absatz wird lediglich auf "Stoßrichtungen" Bezug genommen und nicht auf klare technische Fakten, die einen relevanten technischen Unterschied darstellen könnten. Dies wird auch durch den folgenden Absatz 7 bestätigt, wo die angesprochenen Antikörper, die einerseits eine CSF-1-Aktivität unterbinden und andererseits eine CSF-1-Aktivität nicht weiterleiten, nicht einer der "Stoßrichtungen" zugeordnet werden. Auch den Verweis auf die ursprünglich eingereichten Ansprüche 2 und 3 (die identisch mit den erteilten Ansprüchen 2 und 3 sind, s. o., Abschnitt II) trägt nach Meinung der Kammer aus denselben Gründen nicht zur Beseitigung der Unklarheit bei.

10. Somit erfüllt Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 diesbezüglich die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ nicht.

11. Im Hinblick auf die obigen Schlussfolgerungen sieht die Kammer keinen Anlass, ihre in der mündlichen Verhandlung geäußerte Auffassung zu begründen, dass Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 auch gegen die Voraussetzungen des Artikels 123 EPÜ verstößt.

Hilfsanträge 2 bis 4

12. Wie den neuen Hauptantrag (siehe oben, Nr. 2) hätten die Beschwerdeführer auch diese neuen Anträge früher vorlegen können. Angesichts der Argumente der Beschwerdegegnerin I im schriftlichen Verfahren hätten die Beschwerdeführer mit der Möglichkeit rechnen können, dass die Kammer zu dem Schluss gelangen könnte, dass der Hilfsantrag 1 den Erfordernissen des Artikels 84 EPÜ und/oder auch weiteren formalen Voraussetzungen des EPÜ (Artikel 123 EPÜ) nicht genügte - was denn auch geschah. Die Beschwerdeführer hätten alle Anträge, von denen absehbar war, dass sie unter Umständen zur Ausräumung von Gegenargumenten erforderlich sein könnten, in einem wesentlich früheren Verfahrensstadium einreichen können und müssen, um es den Beschwerdegegnerinnen zu ermöglichen, das Vorbringen der Beschwerdeführer in seiner Gesamtheit zu beurteilen.

13. Wie bereits angeführt (siehe oben, Nr. 2), zeigen Zahl und Umfang der von den Beschwerdeführern im Laufe des Beschwerdeverfahrens eingereichten Schriftsätze, dass diese ausreichend Gelegenheit hatten, weitere Anträge zu einem früheren Zeitpunkt vorzulegen. Offenbar zogen es die Beschwerdeführer aber vor, abzuwarten, bis sie die Auffassung der Kammer zu den wenigen tatsächlich eingereichten Anträgen kannten, und erst dann - je nachdem, wie diese Auffassung ausfiel - Alternativen einzureichen. Wer als Beteiligter derart taktisch vorgeht, handelt unweigerlich auf eigenes Risiko; dies geht aus den Vorschriften der VOBK auch eindeutig hervor (wonach ein Beschwerdeführer beispielsweise mit seiner Beschwerdebegründung seinen vollständigen Sachvortrag einschließlich aller Anträge einreichen muss, Änderungen seines Vorbringens im Ermessen der Kammer stehen und eindringlich davon abgeraten wird, solche Änderungen nach Anberaumung der mündlichen Verhandlung oder gar - wie im vorliegenden Fall - während der mündlichen Verhandlung vorzunehmen (siehe Artikel 12 (2), 13 (1) und 13 (3) VOBK). Die Hilfsanträge 2 bis 4 werden folglich nicht in das Verfahren zugelassen.

Weitere Bemerkung

14. Im Hinblick auf die obigen Feststellungen braucht die Kammer den Antrag der Beschwerdeführer, eine von der Beschwerdegegnerin II mit Schreiben vom 17. September 2010 eingereichte Entgegenhaltung D166 als verspätet zurückzuweisen (siehe oben, Abschnitt X), nicht zu behandeln.

Antrag auf Berichtigung des Protokolls

15. Aus Regel 124 EPÜ, wonach eine Niederschrift aufgenommen wird und die Beteiligten eine Abschrift dieser Niederschrift erhalten, wie auch aus Artikel 6 (4) VOBK, wonach die Niederschrift vom Geschäftsstellenbeamten oder von einem anderen Bediensteten des Amtes angefertigt wird, den der Vorsitzende dafür bestimmt, geht eindeutig hervor, dass die Erstellung der Niederschrift über die mündliche Verhandlung (im Beschwerdeverfahren) der Kammer obliegt. Diese Aufgabe kann nicht ganz oder teilweise den Parteien oder gar nur einer der Parteien übertragen oder überlassen werden. Dies allein würde schon ausreichen, um den Antrag der Beschwerdeführer zurückzuweisen, dass die Niederschrift über die mündliche Verhandlung gemäß ihrem Vorschlag berichtigt werden solle (siehe Abschnitt XV, oben); dennoch möchte die Kammer zum Vorbringen der Beschwerdeführer Folgendes anmerken:

16. Der Satz "Er trug den wesentlichen Inhalt der Akten vor" ist bekanntermaßen eine Standardformulierung, die in Protokolle über mündliche Verhandlungen vor Beschwerdekammern häufig verwendet wird. Wie viel "Inhalt der Akten" zu Beginn der Verhandlung tatsächlich vorgetragen wird, ist unterschiedlich. Nach der bestehenden Praxis dieser Kammer werden die Nummer der Beschwerde, die Verfahrenssprache, Nummer und Titel des Patents, die angefochtene Entscheidung, die Parteien und ihre Vertreter sowie ihre Anträge genannt; dies ist im vorliegenden Fall auch geschehen.

17. Die von den Beschwerdeführern beantragte Ergänzung spiegelt ganz offensichtlich - und durchaus nachvollziehbar - ihre Sicht der mündlichen Verhandlung wider und ist eine Zusammenfassung der von ihnen für relevant erachteten Argumente. Wie bereits angeführt, kann es einer Partei aber nicht gestattet werden, über den Inhalt der Niederschrift zu entscheiden oder darauf Einfluss zu nehmen. In der Praxis wird eine Zusammenfassung der in der mündlichen Verhandlung vorgebrachten Argumente, wie sie die Beschwerdeführer in die Niederschrift über die mündliche Verhandlung aufnehmen lassen möchten, in der Regel nicht in der Niederschrift festgehalten, sondern (wenn auch etwas anderen Inhalts) - zusammen mit dem schriftlichen Vorbringen - in der schriftlichen Entscheidung. Dies ist im vorliegenden Fall auch geschehen (siehe Abschnitte XII und XIII, oben).

18. Das dritte und das vierte Vorbringen der Beschwerdeführer deckten sich nicht mit der Erinnerung der Kammer. Die Kammer hat die Ereignisse in ihrer Niederschrift zeitgleich festgehalten und sieht keinen Grund, warum sie diese Niederschrift über einen Monat später dahin gehend ändern sollte, dass sie auf Wunsch einer Partei einen anderen Ablauf der Ereignisse enthält als zum Zeitpunkt ihrer Abfassung.

19. Auch wenn die Korrektur grammatikalischer Fehler nicht umstritten sein dürfte, sieht die Kammer schließlich keine Notwendigkeit, eine Niederschrift zu korrigieren, sofern die Fehler nicht dazu führen, dass die Niederschrift falsch ist; dies scheint hier aber nicht der Fall zu sein.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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