T 1659/07 (TFO-Betrieb/IPCOM) of 21.1.2010

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2010:T165907.20100121
Datum der Entscheidung: 21 Januar 2010
Aktenzeichen: T 1659/07
Anmeldenummer: 96934415.9
IPC-Klasse: H04Q 7/22
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zum Übertragen von Daten, insbesondere von GSM-Daten
Name des Anmelders: IPCom GmbH & Co. KG
Name des Einsprechenden: Nokia Corporation
Research In Motion Limited
Kammer: 3.5.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54(3)
European Patent Convention Art 56
European Patent Convention Art 83
European Patent Convention Art 84
European Patent Convention Art 100(b)
European Patent Convention 1973 Art 108
European Patent Convention 1973 Art 158(1)
European Patent Convention 1973 R 64
European Patent Convention 1973 R 65
Schlagwörter: Zulässigkeit der Beschwerden (bejaht)
Beitritt aufgrund Feststellungsklage - zulässig
Verspätet vorgebrachte Beweismittel - nicht zugelassen
Verspätet eingereichte Anträge - zugelassen
Neuheit (bejaht)
Erfinderische Tätigkeit (bejaht)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0010/91
G 0001/94
G 0001/99
T 0656/07
T 0898/07
Anführungen in anderen Entscheidungen:
G 0003/14
T 1855/07
T 0317/20

Sachverhalt und Anträge

I. Das europäische Patent Nr. 0 864 237 wurde auf die am 7. September 1996 als internationale Anmeldung eingereichte europäische Patentanmeldung Nr. 96934415.9 erteilt. Das Patent beansprucht die deutsche Priorität DE 19544367 vom 29. November 1995.

II. Gegen dieses Patent legte die Einsprechende 01, gestützt auf die Einspruchsgründe mangelnder Neuheit (Artikel 100 a) und 54 (3) EPÜ) sowie mangelnder Offenbarung (Artikel 100 b) EPÜ), Einspruch ein und beantragte den Widerruf des Patents.

III. In der am 1. August 2007 zur Post gegebenen Zwischen ent scheidung entschied die Einspruchsabteilung, das Patent in der Fassung eines Hilfsantrags 1 genüge den Erforder nissen des Europäischen Patentübereinkommens, der Gegenstand des erteilten Patents gehe jedoch über die ursprüngliche Offenbarung hinaus (Artikel 123 (2) EPÜ).

IV. Die Patentinhaberin legte gegen diese Entscheidung Beschwerde ein und beantragte, die Zwischenentscheidung aufzuheben und das Patent in unveränderter Form aufrecht zu erhalten. Zusammen mit der am 3. Dezember 2007 eingegangenen Beschwerde begründung wurden elf Fassungen von geänderten Ansprüchen 1 als elf Hilfsanträge eingereicht, und es wurde ferner beantragt, das Patent hilfsweise auf der Grundlage eines dieser Hilfsanträge aufrecht zu erhalten.

V. Auch die Einsprechende 01 legte gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung Beschwerde ein und beantragte, die Zwischenentscheidung aufzuheben. In der am 11. Dezember 2007 eingegangenen Beschwerdebegründung der Einsprechenden 01 wurde beantragt, das Patent zu widerrufen.

VI. Am 1. August 2008 erklärte die Einsprechende 02 ihren Beitritt zu dem Einspruchsverfahren.

VII. In einer am 19. Januar 2009 ergangenen Mitteilung legte die Kammer ihre vorläufige Meinung u.a. hinsichtlich der Erweiterung des Gegenstands des Patents, der aus reichenden Offenbarung, der Neuheit und der Klarheit dar.

VIII. Im Laufe des weiteren schriftlichen Verfahrens änderte die Patentinhaberin zweimal die Hilfsanträge.

IX. Die Einsprechende 01 reichte am 8. und am 15. Januar 2010 weitere Schriftsätze in Vorbereitung zur mündlichen Verhandlung ein.

X. Die mündliche Verhandlung vor der Kammer fand am 21. Januar 2010 statt.

Während der Verhandlung ersetzte die Patentinhaberin alle im schriftlichen Verfahren gestellten Anträge durch neu eingereichte Ansprüche gemäß einem Haupt- sowie zweier Hilfsanträge.

Die Patentinhaberin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in geänderter Fassung auf der Grundlage der Ansprüche 1 bis 16 des Hauptantrags, hilfsweise auf der Grundlage der Ansprüche 1 bis 16 des Hilfsantrags 1 oder auf der Grundlage der Ansprüche 1 bis 14 des Hilfsantrags 2, aufrecht zu erhalten.

Die Einsprechenden 01 und 02 beantragten, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

XI. Anspruch 1 des Hauptantrags lautet:

"Verfahren zum Übertragen von Daten, insbesondere von GSM-Daten, zwischen einem rufenden und einem gerufenen Teilnehmer (Tl1, Tl2) eines Mobilfunknetzes, wobei für das Übertragen ein vorgegebenes Rahmenformat verwendet wird mit folgenden Maßnahmen: Der Datenstrom zwischen Umcodiereinrichtungen (TCE1, TCE2), die den Teilnehmern (Tl1, Tl2) zugeordnet sind, wird unterteilt in einen ersten Datenstrom mit Sprachabtastwerten zur Übertragung und in einen zweiten Datenstrom mit Signalparametern zur Sprachdaten rekonstruktion, wobei die so unterteilten Datenströme während einer Verbindungsaufbauphase gleichzeitig übertragen werden, wobei zu einem Verbindungsaufbau zwischen den Teilnehmern (Tl1, Tl2) anstelle der Signalparameter für eine vorgegebene Zeitdauer eine Kennungsinformation (TRAU*) gesendet wird."

XII. Die Einsprechende 01 trug während der mündlichen Verhandlung vor, die Anträge der Patent inhaberin seien verspätet eingereicht worden und daher nicht zuzulassen. Weiterhin seien die Ansprüche nicht klar, und der beanspruchte Gegenstand sei nicht patentfähig, da er weder neu sei noch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Die Einsprechende 01 stützte ihr Vorbringen auf die folgenden Druckschriften:

D1: WO 96/32823 A1

D2: ETSI-GSM Technical Specification GSM 08.60 "Inband Control of Remote Transcoders and Rate Adaptors", Version 3.3.1, Februar 1992.

D5: WO 95/24789 A2

D6: ETSI-Dokument T127/95 "Proposal for a tandem free operation (TFO) of speech codecs in MS to MS calls using inband signalling"

D7: Tagesordnung des ETSI/SMG2-SEG-Meeting in Tampere am 27. - 29. November 1995

D8: Bericht über das ETSI/SMG2-SEG-Meeting #4 in Tampere am 27. - 29. November 1995

D9: Liste der Dokumente des ETSI/SMG2-SEG-Meeting #4 in Tampere

D10: Teilnehmerliste des ETSI/SMG2-SEG-Meeting #4 in Tampere

D11: EP 0332345 A2

XIII. Am Ende der Verhandlung verkündete der Vorsitzende die Entscheidung der Kammer.

Entscheidungsgründe

1. Zulässigkeit der Beschwerden

1.1 Die Beschwerde der Patentinhaberin

Die Einsprechende 01 hat in ihrem schriftlichen Vorbringen die Zulässigkeit der Beschwerde der Patent in haberin in Frage gestellt, da in der Beschwerde schrift die Angaben des Namens und der Anschrift nicht der Regel 64 a) EPÜ 1973 genügten. Die Patentinhaberin hat nach einer Aufforderung gemäß Regel 65 (2) EPÜ 1973 durch die Beschwerdekammer mit Eingabe vom 29. Juli 2009 ihren Namen und ihre Anschrift explizit genannt und damit diesen Zulässigkeits einwand fristgemäß ausgeräumt. Weitere Zulässigkeitsmängel sind nicht ersichtlich.

1.2 Die Beschwerde der Einsprechenden 01

Die Patentinhaberin hat ihrerseits in einer am 29. Juli 2009 eingegangenen Eingabe die Zulässigkeit der Beschwerde der Ein sprechenden mit der Begründung in Frage gestellt, es sei objektiv nicht möglich, den Umfang dieser Beschwerde zu bestimmen, da die Aufhebung der Entscheidung "in vollem Umfang" beantragt worden sei, obwohl auch die Patentinhaberin durch die ange fochtene Entscheidung beschwert sei. Es ist jedoch offensichtlich, dass der Antrag der Einsprechenden 01 auf den vollständigen Widerruf des Patents abzielte. Somit erfüllt die Beschwerde der Einsprechenden 01 das Erfordernis der Regel 64 b) EPÜ 1973 und ist daher zulässig.

1.3 Sowohl die Beschwerde der Patentinhaberin als auch die der Einsprechenden 01 entspricht den Bestimmungen der Artikel 106 bis 108 und der Regel 64 EPÜ 1973; beide Beschwerden sind daher zulässig.

2. Zulässigkeit des Beitritts der Einsprechenden 02

2.1 Die Patentinhaberin stellte die Zulässigkeit des Beitritts der Einsprechenden 02 in Frage, da ihrer Ansicht nach weder eine Beitrittsberechtigung vorliegt noch der Beitritt hinreichend begründet worden ist.

2.2 Die Berechtigung zum Beitritt durch einen Dritten, der gemäß Artikel 105 (1) b) EPÜ gegen den Patentinhaber Klage auf Feststellung erhoben hat, dass er das Patent nicht verletze, nachdem der Patentinhaber ihm gegenüber wiederholt erklärt hat, seine Handlungen würden eine Vielzahl von Patenten des Patentinhabers, ein schließ lich des Streitpatents, verletzen und ihn unter Hinweis auf bereits gegen Dritte anhängige Verletzungs ver fahren aufgefordert hat, diesbezüglich in Lizenz verhandlungen einzutreten, ist bereits in der Entscheidung T 898/07 (vgl. Punkt 2 der Entscheidungsgründe) bejaht worden. Da der Sachverhalt im vorliegenden Fall der gleiche ist wie in der Beschwerdesache T 898/07, sieht die Kammer keine Veranlassung, bei der Beurteilung der Beitritts berechtigung von der Entscheidung T 898/07 abzuweichen.

2.3 Der Beitritt ist auch hinreichend substantiiert. Entgegen der Patentinhaberin, die einen Verweis auf eine bestehende Beschwerdebegründung oder einen Einspruchs schriftsatz nicht als Tatsachenvortrag betrachtet, kommt die Kammer zu dem Schluss, dass die Einsprechende 02 mit dem Verweis auf die Einspruchs schrift sowie die Beschwerde begründung der Einsprechenden 01 dem Substantiierungserfordernis der Regel 89 (2) i.V. mit Regel 76 (2) c) EPÜ Genüge getan hat. Zweck dieses Erfordernisses ist es sicherzustellen, dass das Vorbringen des Beitretenden objektiv verständlich ist, d.h. dass der Standpunkt des Beitretenden in der Beitrittsschrift so deutlich dargelegt wird, dass sowohl der Patentinhaber als auch die Einspruchsabteilung bzw. die Beschwerdekammer wissen, auf welche Gründe sich der Beitritt stützt. Diesem Zweck wird auch eine Bezugnahme auf das bereits in der Akte befindliche Vorbringen eines anderen Einsprechenden gerecht. Ein Beitretender muss daher in seiner Beitrittschrift weder dieses Vorbringen im Einzelnen wiederholen noch das Patent mit neuen eigenständigen Gründen oder Tatsachen angreifen.

2.4 Der Beitritt der Einsprechenden 02 ist daher zulässig.

3. Zulassung der von der Patentinhaberin während der mündlichen Verhandlung eingereichten Anträge

Die Einsprechenden beantragen, die während der münd li chen Verhandlung eingereichten Anträge der Patentinhaberin als verspätet nicht zuzulassen. Sie berufen sich dabei auf die Entscheidung G 1/99 der Großen Beschwerdekammer. Gemäß dieser Entscheidung liege der Hauptzweck des Beschwerde verfahrens in der Überprüfung der erstinstanz lichen Entscheidung. Dieser Hauptzweck lasse Änderungen des Patentbegehrens in einem sehr späten Verfahrensstadium nicht zu, was sich auch in den Artikeln 12 und 13 VerfOBK widerspiegele.

Gemäß Artikel 13 (1) VerfOBK steht es im Ermessen der Kammer, Änderungen des Vorbringens eines Beteiligten nach Einreichung seiner Beschwerdebegründung oder Erwiderung zuzulassen und zu berücksichtigen. Änderungen des Vorbringens können nur zugelassen werden, wenn die Komplexität der Änderungen das Zumutbare nicht übersteigt. Artikel 13(3) VerfOBK verbietet sogar die Zulassung von Änderungen des Vorbringens nach Anberaumung der mündlichen Ver handlung, wenn sie Fragen aufwerfen, deren Behandlung der Kammer oder den anderen Beteiligten ohne Verlegung der mündlichen Verhandlung nicht zuzumuten ist.

Anspruch 1 des Hauptantrags umfasst die Merkmale der erteilten Ansprüche 1 und 6, wobei der Ausdruck "während einer Handover- oder einer Fehlerphase" im erteilten Anspruch 1 und das Wort "insbesondere" im erteilten Anspruch 6 gestrichen wurden. Gegenüber den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 1 und 6 unter scheidet sich der Anspruch 1 des Hauptantrags durch die Hinzufügung "eines Mobilfunknetzes", die Ersetzung des Worts "Nutzdatenrekonstruktion" durch "Sprachdatenre konstruktion" und die Streichung der im ursprünglichen Anspruch 1 enthaltenen "und/oder"-Alter native. Eine Diskussion des Anspruchs 1 des Hauptantrags in der mündlichen Verhandlung hinsichtlich der vorgebrachten Einspruchs gründe war sowohl der Kammer als auch den Einsprechenden zumutbar, denn die Einsprechende 01 hat sich bereits zu Beginn des Einspruchsverfahrens zu den Merkmalen der erteilten Ansprüche 1 und 6 geäußert (vgl. die Punkte 2.2.6 und 3.2 der Einspruchsschrift).

Der neu eingereichte Hauptantrag trägt weiterhin zur Verfahrensökonomie bei: Durch die Streichung der weiteren Möglichkeiten "während einer Handover- oder einer Fehlerphase" wurde diesbezüglichen bisherigen Einwänden hinsichtlich der Erweiterung des Anmeldungs gegen stands die Grundlage entzogen, und da Anspruch 1 lediglich Merkmalskombinationen aus Ansprüchen in der erteilten Fassung enthält, ergeben sich auch keine durchgreifenden Einwände hinsichtlich der Klarheit (s. unten, Punkt 5).

Die Kammer hat daher in Ausübung ihres Ermessen den während der mündlichen Verhandlung eingereichten Hauptantrag in das Verfahren zugelassen.

4. Zulässigkeit von D6

Die Einsprechende 01 hat vier Arbeitstage vor der mündlichen Verhandlung die Dokumente D6 bis D10 eingereicht. Sie argumentiert, das Dokument D6 sei prima facie relevant im Hinblick auf die bestehenden Anträge. Weiterhin sei durch die Dokumente D7 bis D10 hinreichend belegt, dass D6 als Dokument TD 127/95 auf der Tagung der "ETSI SMG Speech Expert Group" in Tampere, Finnland, am 27. bis 29. November 1995 vor dem Prioritätstag des Patents der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sei. Die Patentinhaberin hat die Vorveröffentlichung bestritten und beantragt, das Dokument D6 nicht in das Verfahren zuzulassen.

Das - nicht bestrittene - Prioritätsdatum des Patents fällt auf den dritten und letzten Tag der Tagung. Deswegen sind die genauen Umstände, unter denen D6 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde, zu untersuchen. Insbesondere muss mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erwiesen sein, dass D6 bereits am ersten oder zweiten, jedoch nicht erst am dritten Tag der Tagung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist.

Die Kammer hält die Behauptung der Einsprechenden 01, D6 sei bereits mit der Registrierung gemäß Punkt 3 der Tagesordnung (vgl. D8, "Registration and allocation of documents") an die Teilnehmer verteilt worden, nicht als hinreichend erwiesen. Nach Einschätzung der Kammer besteht bei Tagungen von ETSI-Arbeitsgruppen durchaus die Möglichkeit, dass ein Dokument zu einem bestimmten Thema im voraus angekündigt und registriert wird, jedoch erst bei der Behandlung des entsprechenden Tagesordnungs punkts an die Teilnehmer verteilt wird. Das Dokument TD 127/95 wurde ausweislich der Tagesordnung als zehnter ("TCH/HS matters") von 16 Punkten behandelt. Eine genaue zeitliche Angabe, wann welcher Tagesord nungs punkt behandelt wurde, liegt nicht vor. Es ist anhand der von der Einsprechenden 01 vorgelegten Unterlagen nicht mit hinreichender Sicherheit auszuschließen, dass der Punkt 10 der Tagesordnung erst am dritten Tag der Tagung behandelt wurde und D6 erst zu diesem Zeitpunkt und somit am Prioritätstag des Patents an die Tagungsteilnehmer verteilt wurde.

Während der mündlichen Verhandlung hat sich die Einsprechende 01 auf schriftliche Notizen zweier Teilnehmer der Tagung berufen und deren Vorlage als Beweismittel angeboten. Es wäre jedoch nicht mit dem Gebot einer fairen Verfahrensführung und dem Recht der Patentinhaberin auf rechtliches Gehör zu vereinbaren, ein so spät vorgebrachtes Beweismittel zu berücksichtigen, ohne der Patentinhaberin die Möglichkeit einer genauen Prüfung und der Vorlage von Gegenbeweisen einzuräumen. Die Zulassung dieses Beweismittels hätte verhindert, dass die Sache am Ende der mündlichen Verhandlung entscheidungsreif war. Gemäß Artikel 13 (3) VerfOBK ist das angebotene Beweismittel daher nicht zu berücksichtigen.

Da eine Vorveröffentlichung des Dokuments D6 somit nicht ausreichend nachgewiesen ist, kann es von der Kammer nicht als zum Stand der Technik gehörend betrachtet werden. Es wird daher als verspätet eingereichtes Dokument nicht in das Verfahren zugelassen.

5. Hauptantrag - Klarheit (Artikel 84 EPÜ)

Die Einsprechenden machten geltend, die Ansprüche des Hauptantrags seien aufgrund der vorgenommenen Zusammen fassung der Merkmale der erteilten Ansprüche 1 und 6 unklar geworden. Die Unklarheit trete erst durch Zusammen fassung der beiden Ansprüche zutage, denn durch diese Änderung sei der Schwerpunkt des beanspruchten Gegenstands verändert worden. Daher liege dieselbe Situation wie in der Beschwerdesache T 656/07 vor.

Die Kammer stimmt mit den Einsprechenden insoweit überein, dass die erteilten Ansprüche erhebliche Klar heits mängel aufweisen, die, wie unter den Punkten 6 und 7 noch genauer ausgeführt wird, ein sachgerechtes Verständnis des beanspruchten Gegenstands erheblich erschweren. Nach Ansicht der Kammer hätten in der der Erteilung vorausgehenden Sachprüfung diese Klarheits mängel beanstandet werden müssen, und die Prüfungs abteilung hätte darauf bestehen müssen, dass der Gegenstand, für den Schutz begehrt wird, präzise bestimmt ist.

Die Kammer kann jedoch nicht erkennen, dass aufgrund der Zusammenfassung der Merkmale der erteilten Ansprüche 1 und 6 und der damit einhergehenden Verschiebung des "Fokusses" der beanspruchten Erfindung ein neuer Klarheitsmangel entstünde. Die Einsprechenden haben den vermeintlich neu auftretenden Klarheitsmangel auch nicht konkret spezifiziert.

Die Zusammen fassung von Ansprüchen bei ansonsten unveränderter Terminologie eröffnet im Einspruchs verfahren grundsätzlich nicht die Möglichkeit, bereits in den erteilten Ansprüchen bestehende Klarheitsmängel unter Artikel 84 EPÜ anzugreifen. Nach Auffassung der Kammer betrifft die von den Einsprechenden zitierte Entscheidung T 656/07 vom 6. Mai 2009 einen nicht verallgemeinerungsfähigen Sonderfall. Ein Klarheits mangel in den erteilten Ansprüchen ist als solcher kein Widerrufsgrund. Vielmehr ist ein unklarer Anspruch auszulegen, und die geltend gemachten Einspruchsgründe sind auf der Grundlage der Auslegung zu beurteilen.

6. Gegenstand des Anspruchs 1

Das Patent betrifft die Signalisierung zwischen zwei Transcodern in einem Telefonnetz während eines Telefongesprächs zwischen zwei Mobiltelefonen. Transcoder sind notwendig, um Sprachdaten zwischen der bei Mobiltelefonen verwendeten komprimierenden Sprachkodierung mit der im Patent genannten typischen Datenrate von 16kbit/s und der im Festnetz üblichen PCM-Kodierung mit einer Datenrate von 64kbit/s umzuwandeln. Zur Übertragung zwischen dem Mobiltelefon und dem ihm zugeordneten Transcoder werden die komprimierten Sprachdaten als sogenannte "TRAU-Rahmen" formatiert. Der Aufbau der TRAU-Rahmen ist allgemein bekannt, vgl. D2. Unter tandemfreiem oder "TFO-Betrieb" wird bei einer Telefonverbindung zwischen Mobiltelefonen der Betriebsmodus bezeichnet, bei dem die komprimierten Sprachdaten transparent, also ohne Umwandlung in die im Festnetz übliche Codierung, durch das Telefonnetz gereicht werden. Das Patent offenbart ein Verfahren, bei dem jeder an einem Telefongespräch beteiligte TFO-fähige Transcoder feststellen kann, ob der jeweils andere Transcoder ebenfalls TFO-fähig ist. Hierzu werden von dem TFO-fähigen Transcoder die niedrigst wertigen 2 Bits jedes PCM-Datenworts im abge henden PCM-Sprachdatenstrom durch TRAU-Rahmen ersetzt. In einen TRAU-Rahmen wird eine Kennungsinformation als Nutzdaten eingefügt. Falls der gegenüberliegende Transcoder TFO-fähig ist, erkennt er anhand der Kennungsinformation, dass der sendende Transcoder ebenfalls TFO-fähig ist. Diese Art der Signalisierung, bei der niedrigstwertige Bits eines Sprachsignals durch eine Kennungsinformation ersetzt werden, ist aus dem Stand der Technik bekannt (vgl. unten, Punkt 9.2).

Die im Patent beschriebene Signalisierung ist insofern unvollständig, als der Erhalt einer Kennungsinformation nicht bestätigt wird. Vielmehr vertraut jeder TFO-fähige Transcoder darauf, dass er von dem gegenüberliegenden Transcoder, falls dieser TFO-fähig ist, innerhalb einer bestimmten Zeit auf jeden Fall eine Kennungsinformation erhält. Umgekehrt erkennt ein TFO-fähiger Transcoder, der innerhalb einer vorbestimmten Synchroni sa tions zeit dauer kein Kennungssignal erhält, dass der gegen über lie gende Transcoder nicht TFO-fähig ist. Folglich besteht für den TFO-fähigen Transcoder bis zum Eintreffen einer Kennungs infor mation von dem gegenüber liegenden Trans coder bzw. bis zum Ablauf der Synchronisa tionszeit dauer Unsicherheit darüber, ob der gegenüber liegende Trans coder TFO-fähig ist oder nicht.

Das Patent sieht vor, dass der TFO-fähige Transcoder während der Phase der Unsicherheit zusammen mit den höherwertigen Bits der 64kbit/s PCM-Sprachdaten TRAU-Rahmen mit komprimierten Sprachdaten überträgt. Dadurch wird eine Störung während der Phase der Unsicherheit vermieden, denn dem gegenüberliegenden Trans coder stehen unabhängig davon, ob er TFO-fähig ist, verarbeitbare Sprachdaten während der Ver bin dungs aufbauphase zur Verfügung.

Nach dem Verständnis der Kammer ist mit der in Anspruch 1 genannten "Verbindungs aufbau phase" die oben beschriebene Phase der Unsicherheit gemeint.

Die gleichzeitige Übertragung von komprimierten und unkomprimierten Sprachdaten ist nach dieser Verbindungs aufbauphase nicht mehr notwendig: Ist der gegenüber liegende Transcoder nicht TFO-fähig, stoppt der TFO-fähige Transcoder die Einfügung von TRAU-Rahmen, und es werden nur PCM-Sprachdaten zwischen den Transcodern ausgetauscht; ist der gegenüberliegende Transcoder als TFO-fähig erkannt, besteht keine Notwendigkeit mehr zur Übertragung von PCM-Sprachdaten. Anspruch 10 des Hauptantrags beansprucht den Spezialfall, dass nach Übergang in den tandemfreien Übertragungsmode anstelle von Sprachdaten ein Ruhemuster (IDLE) übertragen werden kann. Ansonsten gehört es nicht zum Gegenstand des Patents, in welcher Form die Sprachdaten nach der Verbindungsaufbauphase übertragen werden.

Die in den vorangegangenen Absätzen beschriebene technische Lehre des Patents findet ihren Ausdruck in den technischen Merkmalen des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag, wonach zu einem Verbindungsaufbau die eigene TFO-Fähigkeit eines Transcoders durch eine Kennung signalisiert wird, die für eine vorgegebene Zeitdauer anstelle von Signalparametern in den TRAU-Rahmen übertragen wird, und dass während der Phase der Unsicherheit, also der Verbindungsaufbauphase, unkomprimierte und komprimierte Sprachdaten gleichzeitig übertragen werden.

7. Ausreichende Offenbarung

7.1 Anspruch 1 des Hauptantrags

Wie unter Punkt 6 dargelegt, stellen die Merkmale des Anspruchs 1 eine technische Lösung für die in Absatz [0005] des Patents implizite Aufgabe dar, Störungen durch die Transcoder während der Verbindungs aufbauphase gering zu halten. Nach Auffassung der Kammer offenbaren die Absätze [0010] bis [0019] dem Fachmann die dem Anspruch 1 zugrunde liegende Erfindung so deutlich und vollständig, dass er in der Lage ist, die Erfindung auszuführen.

Die Einsprechende 01 hat vorgetragen, die Begriffe "anstelle der Signalparameter" und "für eine vorgegebene Zeitdauer" seien so unverständlich, dass der Fachmann die technische Lehre des Anspruchs 1 nicht umsetzen könne.

Die Kammer teilt die Auffassung der Einsprechenden 01 insoweit, als die Bedeutung dieser Begriffe für sich genommen nicht klar ist. Jedoch ist der Fachmann in der Lage, durch Auslegung unter Zuhilfenahme der Beschrei bung den Sinn dieser Begriffe zu ermitteln, so dass der in Anspruch 1 beanspruchte Gegenstand aus reichend offenbart ist. Der Begriff "anstelle der Signalpara meter" ist unter Berücksichtigung des Absatzes [0015] des Patents so zu verstehen, dass die Kennungs information in diejenigen Teile des TRAU-Rahmens eingefügt ist, die normalerweise komprimierte Sprachdaten enthalten. Der weitere Begriff "für eine vorgegebene Zeitdauer" drückt nach Ansicht der Kammer lediglich aus, dass die Kennung einerseits so lange bzw. so oft übertragen werden muss, dass sie unter normalen Betriebs bedingungen von dem gegen über liegenden Transcoder mit hinreichender Sicherheit erkannt wird, dass andererseits nach Ablauf der Synchroni sations dauer keine Kennung mehr übertragen wird.

Daher kommt die Kammer zu dem Schluss, dass die in Anspruch 1 des Hauptantrags beanspruchte Erfindung so deutlich und vollständig offenbart ist, dass ein Fachmann sie ausführen kann.

7.2 Anspruch 13

Die Einsprechende 01 hat ferner vorgetragen, der Gegenstand des Anspruchs 13 sei nicht hinreichend offenbart, da er im Widerspruch zu den Absätzen [0013] und [0014] der Patentschrift stehe. Gemäß den beiden Absätzen der Beschreibung müsse die Triggerbedingung so gewählt werden, dass sie einem bestimmtem Verhalten der Vermittlungs einrichtung genüge. Gemäß Anspruch 13 hingegen führe das abgeleitete Triggersignal zu einem bestimmten Verhalten der Vermittlungsein richtung. Somit sei in Anspruch 13 Ursache und Wirkung gegenüber den genannten Absätzen vertauscht.

Obwohl die beiden Absätze der Beschreibung als auch der Anspruch 13 sprachlich schwer verständlich sind, versteht die Kammer aus dem Wortlaut, dass die drei in Anspruch 13 genannten Schritte, die eine Vermittlungseinrichtung während des Aufbaus einer Verbindung ausführt, bei der Wahl des Triggersignals berücksichtigt werden müssen, so dass trotz einer in beide Richtungen zu verschiedenen Zeitpunkten erfolgten Durchschaltung die TFO-Signalisierung durch das Triggersignal korrekt eingeleitet wird.

7.3 Der in Artikel 100 b) EPÜ genannte Einspruchsgrund steht daher der Aufrechterhaltung des Patents gemäß dem Hauptantrag nicht entgegen.

8. Neuheit

8.1 Die Offenbarung von D1

Die internationale Patentanmeldung D1 beansprucht die Priorität der finnischen Anmeldung FI 951807 vom 13. April 1995, deren Gültigkeit nicht angezweifelt wurde, trat als europäische Patentanmeldung Nr. 96910043.7 in die regionale Phase und wurde unter der Nr. 0 820 685 für 18 benannte Vertragsstaaten, die alle im angegriffenen Patent benannten Vertragsstaaten beinhalten, erteilt. D1 ist daher Stand der Technik gemäß Artikel 54 (3) EPÜ i.V. mit Artikel 158 (1) EPÜ 1973.

D1 betrifft wie das angegriffene Patent den TFO-Betrieb zwischen Transcodern bei einer Telefonverbindung zwischen zwei Mobiltelefonen. Ein Transcoder TRCU1 (Figur 1) codiert die von einem Mobiltelefon erhaltenen TRAU-Rahmen mit komprimierten Sprachparametern ständig in PCM-Daten um und sendet diese PCM-Daten an die Vermittlungsstelle MSC. Der Transcoder TRCU1 fügt die von der Basisstation BSC1 erhaltenen TRAU-Rahmen in die beiden niedrigstwertigen Bits des in Richtung MSC1 abgehenden PCM-Sprachdatenstroms ein und überträgt so gleichzeitig komprimierte und unkomprimierte Sprachdaten. In der auf der Seite 19, Zeilen 22 bis 35 beschriebenen Alternative werden die komprimierten Sprachdaten während der gesamten Verbindung zusammen mit den PCM-Sprachdaten übertragen. Dies impliziert eine gleichzeitige Über tragung auch während des Verbindungsaufbaus.

Der von der MSC1 PCM-Sprachdaten empfangende Transcoder TCRU2 sucht in den beiden niedrigst wertigen Bits fortlaufend nach dem Synchronisa tions muster von TRAU-Rahmen (Seite 24, Zeilen 28-35). Wenn kein Synchroni sations muster gefunden wird, codiert der Transcoder die empfangenen PCM-Sprach daten als komprimierte Sprachdaten und leitet diese, in TRAU-Rahmen gepackt, an die Basisstation BSC2 weiter (Seite 25, Zeilen 23-33). Falls der Transcoder auf das Synchronisationsmuster von TRAU-Rahmen synchronisieren kann, werden die TRAU-Rahmen von den von der MSC1 erhaltenen PCM-Sprachdaten abgetrennt und an die Basisstation BSC2 weiter geleitet (Seite 25, Zeile 35 bis Seite 26, Zeile 13); der Transcoder TCU2 befindet sich dann im TFO-Betrieb.

8.2 Anspruch 1 des Hauptantrags: Neuheit gegenüber D1 (Artikel 54 (3) EPÜ)

Das Verfahren gemäß dem Anspruch 1 des Hauptantrags unterscheidet sich von der in D1 offenbarten Lehre dadurch, dass anstelle der Signalparameter für eine vorgegebene Zeitdauer eine Kennungsinformation gesendet wird. Eine eigene, anstelle von Signalparametern übertragene Kennungs information ist in D1 nicht vorgesehen, in D1 wird zur Signali sierung der TFO-Fähigkeit lediglich das Synchronisations muster von TRAU-Rahmen verwendet.

Die Kammer teilt nicht die Auffassung der Einsprechen den, dass das Synchronisationsmuster eines TRAU-Rahmens als Signalparameter aufgefasst werden kann. Gemäß dem Dokument D2, in welchem die Struktur von TRAU-Rahmen festgelegt ist (vgl. Punkt 4.8), besteht das Synchroni sa tionsmuster aus den beiden ersten Oktetten sowie dem jeweils ersten Bit jeder weiteren Gruppe von zwei Oktetten. Diese Teile des TRAU-Rahmens stehen nicht zur Übertragung von Signalparametern zur Verfügung und können folglich auch nicht durch eine Kennungs information ersetzt werden.

Das Patent beschreibt zwar in Absatz [0017] eine TFO-Signalisierung mittels der Synchronisationsinformation der TRAU-Rahmen. Diese Alternative ist jedoch wegen des Merkmals "anstelle der Signalparameter" in Anspruch 1 ausdrücklich ausgeschlossen und gehört daher nicht zur patentierten Erfindung.

Die Kammer kommt somit zu dem Ergebnis, dass das Verfahren gemäß Anspruch 1 neu gegenüber der internationalen Anmeldung D1 ist (Artikel 54 (3) EPÜ i.V. mit Artikel 158 (1) EPÜ 1973).

9. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)

9.1 Prüfungsbefugnis der Beschwerdekammer

Die Einsprechende 01 hatte in der Einspruchsschrift lediglich mangelnde Neuheit (Artikel 54 EPÜ) sowie mangelnde Offenbarung (Artikel 100 b) EPÜ) als Einspruchsgründe angegeben und nur diese Gründe substantiiert. Erst mit der Beschwerdeschrift wurde als weiterer Einspruchsgrund mangelnde erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ) aufgeführt.

Gemäß der Rechtsprechung der Großen Beschwerdekammer dürfen neue Einspruchsgründe im Beschwerdeverfahren nur mit dem Einverständnis des Patentinhabers geprüft werden (G 10/91, ABl. EPA 1993, 420, 3. Leitsatz). Diese Beschrän kung kommt im vorliegenden Fall jedoch durch den im Beschwerdeverfahren erfolgten Beitritt der Einsprechenden 02 nicht zum Tragen, da diese befugt ist, alle Einspruchsgründe geltend zu machen, auch wenn diese noch nicht von der Einspruchsabteilung geprüft worden sind (s. G 1/94, ABl. EPA 1994, 787). Die Einsprechende 02 hat ihren Beitritt auch auf den Grund mangelnder erfinderischer Tätigkeit gestützt. Dass dies lediglich durch Bezugnahme auf die Argumente und Tatsachen, die von der Einsprechenden 01 in ihrer Beschwerdeschrift vorgebracht worden sind, geschah, erachtet die Kammer für unerheblich (vgl. oben, Punkt 2.3).

Die Kammer ist daher befugt und verpflichtet, auch ohne Einverständnis des Patentinhaberin den Einspruchsgrund mangelnder erfinderischer Tätigkeit zu prüfen.

9.2 Erfinderische Tätigkeit gegenüber D11

Das Dokument D11 (EP 0 332 345 A) wurde bereits im Recherchenbericht der Anmeldung, aus der das angegriffene Patent hervor gegangen ist, zitiert und kurz vor der mündlichen Verhandlung von der Einsprechenden 01 wieder erwähnt. D11 beschreibt die Signalisierung zwischen Transcodern (134, 135 in Figur 1) zum Aufbau eines TFO-Betriebs (vgl. Spalte 5, Zeilen 54 bis 57: "the 16 kbps subband encoded speech generated by codec 131 passes all the way to codec 136 without intermediate speech processing"). Zur gegenseitigen Wahrnehmung ersetzt jeder Transcoder 134, 135 das niedrigstwertige Bit eines PCM-codierten Sprachsignals durch einen Signalisierungskanal (Spalte 7, Zeilen 29 bis 45). Es ist aus D11 bereits bekannt (Spalte 8, Zeilen 25 bis 29), dass der TFO-Betrieb aufgenommen werden kann, sobald ein Transcoder den anderen als TFO-fähig erkannt hat; zugleich wird jedoch darauf hingewiesen, dass Störungen zu erwarten sind, falls beide Transcoder sich gegenseitig zu unterschiedlichen Zeitpunkten erkennen (Spalte 8, Zeilen 29 bis 40). Zur Vermeidung dieser Störungen erfolgt in D11 die Signalisierung in zwei Stufen mit zwei verschiedenen Synchroni sations mustern: Jeder TFO-fähige Transcoder teilt dem gegenüberliegenden Transcoder seine Anwesenheit zunächst in Form wiederholter TFO-Anfragen im Signalisierungs kanal ("Pattern I", SQ1G in Figur 4 und 5) mit. Nach dem Empfang von M TFO-Anfragen geht der Transcoder in eine Wartestellung (Zustand 404 in Figur 4, 504 in Figur 5), in der er abgehende und ankommende unkomprimierte Sprachabtastwerte zunächst noch codiert bzw. decodiert. In der Wartestellung ist der Transcoder bereit, empfangsmäßig in den TFO-Betrieb zu wechseln, sobald eine TFO-Bestätigung erhalten wird, ("Pattern II", 505 in Figur 5). Sendemäßig geht der Transcoder in den TFO-Betrieb, nachdem er entweder N (N>M) weitere TFO-Anfragen oder eine TFO-Bestätigung erhalten hat (405 in Figur 4). Aufgrund dieser zweistufigen Signalisierung mit Anfrage und Bestätigung ist sichergestellt, dass jeder Transcoder nur dann mit der Übertragung von Signalparametern, d.h. komprimierten Sprachdaten, beginnt, wenn er mit Sicherheit davon ausgehen kann, dass der gegenüber liegende Transcoder zum TFO-Betrieb bereit ist. Nach Ansicht der Kammer ähnelt die in D11 offenbarte Prozedur der in der Abschnitt 7 der GSM-Empfehlung 04.53 (Draft Version 1.0.1 vom Februar 1998) festgelegten Prozedur zum TFO-Betrieb.

Das Verfahren gemäß dem Anspruch 1 unterscheidet sich von D11 dadurch, dass (a) die Kennungsinformation anstelle der Signalparameter gesendet wird und dass (b) während der Verbindungsaufbauphase (unkomprimierte) Sprachabtastwerte und (komprimierte) Signalparameter gleichzeitig übertragen werden. Im Gegensatz dazu wird in D11 die Kennungs infor mation neben den Signal parametern in einem eigenen Subband gesendet (vgl. die untere Signaldarstellung in Figur 3 von D11), und es werden zu einem Zeitpunkt entweder nur (unkomprimierte) Sprachabtastwerte oder (komprimierte) Signalparameter gesendet.

Die Merkmale des beanspruchten Verfahrens ermöglichen eine einfache, bereits in Spalte 8, Zeilen 25-29 von D11 diskutierte TFO-Signali sierung lediglich durch die Mitteilung der Anwesenheit und vermeiden gleich zeitig das in der nachfolgenden Passage von D11 geschilderte Problem einer Signal störung, wenn das den TFO-Betrieb signalisierende Synchronisa tions muster von jedem der beiden Transcoder zu unterschied lichen Zeiten detektiert wird. Ausgehend von D11 stellt sich daher die objektive technische Aufgabe, zu der in D11 beschriebenen TFO-Signalisierung eine einfache Alternative zu finden, wobei das zusätzliche Problem einer Signalstörung vermieden werden muss.

Gelöst wird diese Aufgabe durch die gleichzeitige Übertragung von (unkomprimierten) Sprachabtastwerten und (komprimierten) Signalparametern während der Verbindungsaufbauphase. Infolge dieser gleichzeitigen Übertragung kann jeder Transcoder zu einer beliebigen Zeit innerhalb der Verbindungsaufbauphase und unabhängig von dem gegenüberliegenden Transcoder in den TFO-Betrieb übergehen, ohne dass es zu einer Signalstörung kommt.

Entgegen der Auffassung der Ein sprechenden liegt es nicht im Rahmen normalen fach män nischen Handelns, komprimierte und unkomprimierte Sprach daten entweder gleichzeitig oder alternativ zu übertragen. In D11 besteht kein Anlass für eine gleich zeitige Übertragung, da die Art der übertragenen Sprachdaten eindeutig durch das TFO-Signalisierungs protokoll bestimmt ist. Hingegen ist bei dem beanspruchten Verfahren die gleichzeitige Übertragung von komprimierten und unkomprimierten Sprachdaten ursächlich dafür, dass Signalstörungen bei zeitlich gegeneinander versetztem Umschalten der Transcoder in den TFO-Betrieb vermieden werden.

Durch den übrigen verfügbaren Stand der Technik wird nicht nahegelegt, unkomprimierte und komprimierte Sprachdaten während der Verbindungsaufbauphase gleichzeitig zu übertragen.

Daher ist das beanspruchte Verfahren durch den verfügbaren Stand der Technik nicht nahegelegt und gilt als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend (Artikel 56 EPÜ).

10. Weitere Einwände

Die Einsprechenden haben im schriftlichen Verfahren die weiteren Einwände fehlender Neuheit gegenüber dem Dokument D2 sowie fehlender erfinderischer Tätigkeit in Bezug auf D5 erhoben (Punkte 8.3.2 und 8.4 der Beschwerde begründung der Einsprechenden 01). Diese Einwände beruhen auf einer Auslegung des Anspruchswort lauts, wonach als erster Datenstrom die in einem TRAU-Rahmen vorhandenen Sprach daten und als zweiter Datenstrom die Kontrollbits ange sehen werden. Demnach müssten die Kontrolldaten eines TRAU-Rahmens einen eigenständigen Datenstrom mit Signal parametern zur Sprachdatenreduktion bilden. Eine solche Auslegung des Anspruchswortlauts entbehrt jeglicher technischer Grundlage und ist daher nicht sachgerecht.

Außer in der Beschwerdebegründung der Einsprechenden 01 haben die Einsprechenden im weiteren Verfahren zu den auf D2 und D5 gestützten Einwänden keine Ausführungen mehr gemacht. Im Übrigen sind die Dokumente D2 und D5 nicht relevanter als D1 oder D11, so dass die Kammer keine Veranlassung sieht, Neuheit und erfinderische Tätigkeit des beanspruchten Gegenstands in Bezug auf D2 und D5 in Zweifel zu ziehen.

11. Die Kammer kommt zu dem Ergebnis, dass keiner der in Artikel 100 EPÜ genannten Einspruchsgründe der Aufrechterhaltung des Streitpatents im Umfang der Ansprüche 1 bis 16 des Hauptantrags entgegensteht.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent mit folgenden Unterlagen aufrecht zu erhalten: Ansprüche: 1 bis 16 des in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hauptantrags Beschreibung: wie erteilt Zeichnungen: wie erteilt

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