European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2009:T089807.20090430 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 30 April 2009 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0898/07 | ||||||||
Anmeldenummer: | 92118663.1 | ||||||||
IPC-Klasse: | H04B 1/66 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verfahren zum Decodieren von Binärsignalen | ||||||||
Name des Anmelders: | IPCom GmbH & Co. KG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Telefonaktiebolaget L M Ericsson Nokia Corporation NOKIA Italia s.p.a. NOKIA UK Limited Research In Motion Limited |
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Kammer: | 3.5.03 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: | |||||||||
Schlagwörter: | Decodieren von Binärsignalen/IPCOM | ||||||||
Orientierungssatz: |
Siehe Nr. 2 der Entscheidungsgründe |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Ein Einspruch wurde von der Einsprechenden 01 gegen das Patent Nr. 0 542 065 in seiner Gesamtheit gestützt auf die Einspruchsgründe nach Artikel 100 a) und c) EPÜ eingelegt.
II. Die Einspruchsabteilung hat in einer ersten Entscheidung festgestellt, dass der Gegenstand der erteilten unabhängigen Ansprüche 1 und 6 nicht den Erfordernissen des Artikels 123 (2) EPÜ genüge, und das Patent widerrufen.
III. Gegen diese Entscheidung legte die Patentinhaberin eine erste Beschwerde ein. Dieser Fall mit dem Aktenzeichen T 373/01 wurde von der Kammer nach Änderung der Ansprüche durch Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung und Zurückverweisung an die erste Instanz entschieden.
IV. Die Einspruchsabteilung hat in einer zweiten Entscheidung vom 15. März 2007 festgestellt, dass unter Berücksichtigung der von der Patentinhaberin im Einspruchsverfahren vorgenommenen Änderungen das Patent und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des Übereinkommens genügen. Sie entschied, dass die Erfindung so deutlich und vollständig offenbart sei, dass ein Fachmann sie ausführen könne, und dass der Gegenstand der Ansprüche 1 und 6 sowohl als neu als auch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend zu betrachten sei.
Folgende in beiden Verfahren vor der Einspruchsabteilung berücksichtigte Druckschriften sind für die nachfolgende Entscheidung von Bedeutung:
D1: GB 2 238 933 A
D2: EP 0 413 505 A.
V. Gegen diese Entscheidung legte die Einsprechende 01 (Beschwerdeführerin) mit Schreiben vom 24. Mai 2007 Beschwerde ein und entrichtete gleichzeitig die dafür vorgesehene Gebühr. Die Beschwerdebegründung wurde am 23. Juli 2007 eingereicht. Es wurde beantragt, die Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen. Hilfsweise wurde eine mündliche Verhandlung beantragt. Die Beschwerdeführerin brachte unter anderem vor, dass die Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbart sei, dass ein Fachmann sie ausführen könne und dass der beanspruchte Gegenstand gegenüber der Lehre von D1 oder D2 keine erfinderische Tätigkeit aufweise. Sie verwies ferner auf die weiteren, ebenfalls schon im Einspruchsverfahren zitierten Dokumente
D3: D. Chase: "A class of algorithms for decoding block codes with channel measurement information", IEEE Transactions on Information Theory, Jan. 1972, Vol. IT-18, No. 1, Seiten 170-182
D4: J. Hagenauer und P. Hoeher: "A Viterbi algorithm with soft-decision outputs and its applications", IEEE Global Telecommunications Conference and Exhibition, "Communications Technology for the 1990s and Beyond", Vol. 3, Dallas, USA, 27-30 November 1989, Seiten 1680-1686.
VI. Die Patentinhaberin (Beschwerdegegnerin) beantragte in einer Erwiderung vom 27. Februar 2008, die Beschwerde zurückzuweisen. Hilfsweise wurde eine mündliche Verhandlung beantragt.
VII. Mit Schreiben vom 13. Juni 2008 erklärten NOKIA Corporation (im folgenden Einsprechende 02), NOKIA Italia s.p.a. (im folgenden Einsprechende 03) und eine weitere Gesellschaft, die unter Nennung ihrer Adresse als "NOKIA Limited" bezeichnet wurde (im folgenden Einsprechende 04), dem Einspruchsverfahren als drei selbständige Einsprechende beizutreten. Die Einsprechenden 02-04 legten Dokumente zum Nachweis einer gegen sie vor dem Tribunale di Bologona erhobenen Klage wegen Verletzung des Streitpatents vor. Es wurde beantragt, das Patent in seiner Gesamtheit zu widerrufen und das Verfahren im Hinblick auf das anhängige Verletzungsverfahren zu beschleunigen. Hilfsweise wurde eine mündliche Verhandlung beantragt. Die Einsprechenden 02-04 brachten vor, dass der in den Ansprüchen 1 und 6 beanspruchte Gegenstand nicht ursprünglich offenbart sei und somit nicht den Erfordernissen des Artikels 123 (2) EPÜ genüge und dass dieser Gegenstand nicht neu sei im Hinblick auf die Lehre von D1 beziehungsweise keine erfinderische Tätigkeit gegenüber der Lehre dieses Dokuments und auch gegenüber D2 aufweise. Es wurde auch auf D3 und D4 Bezug genommen.
VIII. Mit einem am 5. August 2008 eingegangenen Schreiben erklärte Research In Motion Limited (im folgenden Einsprechende 05) ihren Beitritt und begründete ihn. Ein am 21. August 2008 eingegangenes Schreiben enthielt weitere Gründe. Die Einsprechende 05 verwies zur Zulässigkeit ihres Beitritts darauf, dass die Beschwerdegegnerin nachdrücklich die Auffassung geäußert habe, mehrere ihrer Patente - einschließlich des Streitpatents - würden durch die Einsprechende 05 verletzt, und sie wiederholt aufgefordert habe, diesbezüglich in Lizenzverhandlungen einzutreten. Daher habe die Einsprechende 05 Klage auf Feststellung der Nichtverletzung u.a. des Streitpatents vor dem Tribunale di Roma eingereicht, die der Beschwerdegegnerin am 21. Mai 2008 zugestellt worden sei. Es wurde beantragt, das Patent in seiner Gesamtheit zu widerrufen. Dieser Antrag wurde mit fehlender Neuheit, fehlender erfinderischen Tätigkeit, unzureichender Offenbarung und unzulässiger Erweiterung der beanspruchten Erfindung begründet. Hilfsweise wurde eine mündliche Verhandlung beantragt. Im Detail berief sich die Einsprechende 05 auf die Begründung der Einsprechenden 01-04 und machte zusätzliche Ausführungen über eine fehlende erfinderische Tätigkeit des Gegenstandes der Ansprüche 1 und 6 gegenüber der Lehre von D1 in Verbindung mit
D5: R.V. Cox et al.: "Robust CELP coders for noisy backgrounds and noisy channels", IEEE Acoustics, Speech, and Signal Processing, 1989, ICASSP-89, vol. 2, Seiten 739-742.
IX. In einem Bescheid vom 10. Oktober 2008 hat die Kammer ihre vorläufige Einschätzung hinsichtlich einiger Rechtsfragen mitgeteilt, die sich im Zusammenhang mit den Beitrittserklärungen ergeben.
X. Die Kammer hat die Parteien mit Bescheid vom 21. November 2008 zur mündlichen Verhandlung geladen und in einer Mitteilung nach Artikel 15 (1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern zur Sache vorläufig Stellung genommen.
XI. Mit einem Schreiben vom 29. März 2009 hat die Einsprechende 05 weitere Dokumente und Argumente zur Klärung der Zulässigkeit ihres Beitritts eingereicht. Diese Dokumente sollen unter anderem zeigen, dass die vor dem Tribunale di Roma anhängige Feststellungsklage auch das Streitpatent betrifft.
XII. Mit einem Schreiben vom 30. März 2009 hat die Beschwerdeführerin die weiteren Dokumente
D6: N. Dal Degan, F. Perosino, F. Rusina: "Communications by vocoder on a mobile satellite fading channel", IEEE International Conference on Communications 1985, 23-26 Juni 1985, Conference Record Volume 2, Chicago, USA, Seiten 771-775
D7: US 4 688 224 A
eingereicht und Argumente hinsichtlich einer fehlenden erfinderischen Tätigkeit auf der Basis dieser und der anderen, schon im Verfahren befindlichen Dokumente vorgebracht.
XIII. Mit Schreiben vom 30. März 2009 haben die Einsprechenden 02-04 ihren Antrag auf vollständigen Widerruf des Patents bestätigt und auch auf D6 und D7 hingewiesen. Die Einsprechende 04 beantragte ferner, ihre Bezeichnung in "NOKIA UK Limited" gemäß Regel 139 EPÜ zu berichtigen. Außerdem wurden Dokumente zum Nachweis der Zustellung der vor dem Tribunale di Bologna anhängigen Verletzungsklage an die Einsprechenden 03 und 04 eingereicht.
XIV. Die Beschwerdegegnerin reichte mit Schreiben vom 30. März 2009 Ansprüche gemäß Hilfsanträgen 1-4 ein und beantragte, das Patent hilfsweise auf der Grundlage dieser Ansprüche aufrecht zu erhalten. Sie beantragte ferner, die Beitritte der Einsprechenden 04 und 05 als unzulässig zu verwerfen.
XV. Die Beschwerdegegnerin reichte mit Schreiben vom 23. April 2009 geänderte Ansprüche gemäß Hilfsanträgen 1-4 ein, die die Ansprüche der bisherigen Hilfsanträge 1-3 ersetzen sollten, und brachte Argumente im Hinblick auf ihre Patentierbarkeit vor.
XVI. Die mündliche Verhandlung fand am 30. April 2009 vor der Kammer statt.
An ihrem Ende verkündete der Vorsitzende die Entscheidung der Kammer.
XVII. Der Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag ist wie folgt:
"Verfahren zur Decodierung von binären Sprachsignalen, die über einen Kanal mit einem fehlerkorrigierenden Code übertragen werden
- mit einem Kanaldecodierungsschritt, bei dem die über den Kanal empfangenen Signale in Informationsbits umgewandelt werden, die Sprachparameter repräsentieren,
- einem Sprachdecodierungsschritt, bei dem die Sprachparameter in synthetisches [sic] Sprachsignale umgewandelt werden, dadurch gekennzeichnet,
- daß bei dem Kanaldecodierungsschritt zusätzlich eine Information über die Höhe der Zuverlässigkeit der decodierten Informationsbits ermittelt wird, und
- daß bei dem Sprachdecodierungsschritt in Abhängigkeit von der Höhe der Zuverlässigkeit und einem Vergleich eines aktuellen nicht korrigierten Sprachsignals mit einem vorhergehenden korrigierten Sprachsignal eine Beeinflussung des Sprachsignals erfolgt."
Der Wortlaut des Anspruchs 6 gemäß Hauptantrag ist wie folgt:
"Vorrichtung zur Decodierung von binären Sprachsignalen, die über einen Kanal mit einem fehlerkorrigierenden Code übertragen werden
- mit einem Kanaldecoder, der die über den Kanal empfangenen Signale in Informationsbits umwandelt, die Sprachparameter repräsentieren,
- einem Sprachdecoder, der die synthetische [sic] Sprachparameter in synthetische Sprachsignale umwandelt, dadurch gekennzeichnet,
- daß der Kanaldecoder zusätzlich eine Information über die Höhe der Zuverlässigkeit der decodierten Informationsbits ermittelt, und
- daß der Sprachdecoder in Abhängigkeit von der Höhe der Zuverlässigkeit und einem Vergleich eines aktuellen nicht korrigierten Sprachsignals mit einem vorhergehenden korrigierten Sprachsignal eine Beeinflussung des Sprachsignals vornimmt."
XVIII. Aufgrund der Entscheidung der Kammer erübrigt sich eine Wiedergabe der Ansprüche der Hilfsanträge.
Entscheidungsgründe
1. Zulässigkeit der Beitritte der Einsprechenden 02-04
1.1 Die Einsprechenden 02-04 haben Dokumente vorgelegt, aus denen ersichtlich ist, dass gegen sie vor dem Tribunale di Bologna Klage wegen Verletzung mehrerer europäischer Patente einschließlich des Streitpatents von der Beschwerdegegnerin erhoben wurde. Aus den weiteren vorgelegten Dokumenten ergibt sich, dass die Klageschrift der Einsprechenden 02 nicht vor dem 13. März 2008, der Einsprechenden 03 am 20. März 2008 und der Einsprechenden 04 am 18. März 2008 zugestellt wurde. Die am 13. Juni 2008 erklärten Beitritte erfolgten somit innerhalb der 3-Monatsfrist der Regel 89 EPÜ. Ferner haben die Einsprechenden 02-04 die Beitritte ausreichend begründet und die erforderlichen Gebühren entrichtet. Ihre Beitritte erfüllen somit die Erfordernisse des Artikels 105 (1) a) und der Regel 89 EPÜ.
1.2 Die Einsprechende 04 hat die Berichtigung des ursprünglich angegebenen Firmennamens in "NOKIA UK Limited" gemäß Regel 139 EPÜ beantragt. Sie brachte vor, dass die in der Beitrittserklärung vom 13. Juni 2008 verwendete unvollständige Bezeichnung "NOKIA Limited" ausreichend war, um die tatsächliche Identität der Einsprechenden 04 feststellen zu können.
Nach feststehender Rechtsprechung der Beschwerdekammern können Fehler bei der Angabe des Einsprechenden oder Beitretenden berichtigt werden, wenn die Einspruchs- oder Beitrittsschrift eine eindeutige Identifizierbarkeit erlaubt. Dies ist hier der Fall, da die Adresse der Einsprechenden 04 vollständig und korrekt angegeben war und keine Anhaltspunkte für die Existenz einer Gesellschaft mit dem ursprünglich angegebenem Firmennamen und der gleichen Adresse bestehen. Die unvollständige Angabe ist daher zu berichtigen.
1.3 Die Beitritte der Einsprechenden 02-04 sind somit zulässig.
2. Zulässigkeit des Beitritts der Einsprechenden 05
2.1 Gemäß Artikel 105 (1) b) EPÜ kann jeder Dritte dem Einspruchsverfahren beitreten, wenn er nachweist, dass er nach einer Aufforderung des Patentinhabers, eine angebliche Patentverletzung zu unterlassen, gegen diesen Klage auf Feststellung erhoben hat, dass er das Patent nicht verletze. Aus den von der Einsprechenden 05 eingereichten Unterlagen ergibt sich, dass die Beschwerdegegnerin ihr gegenüber wiederholt die Auffassung geäußert hat, ihre Handlungen würden eine Vielzahl von Patenten der Beschwerdegegnerin einschließlich des Streitpatents verletzen, und sie unter Hinweis auf bereits gegen Dritte anhängige Verletzungsverfahren aufgefordert hat, diesbezüglich in Lizenzverhandlungen einzutreten.
2.2 Die Einsprechende 05 ist daher von der Patentinhaberin aufgefordert worden, von der behaupteten Patentverletzung mittels vertraglicher Lizenzierung Abstand zu nehmen und so ein behauptetermaßen rechtswidriges Tun (Patentverletzung) in ein rechtmäßiges (lizenzierte Benutzung) umzuwandeln. Dies erfüllt die erste Voraussetzung des Artikel 105 (1) b) EPÜ, der sich nach seinem Wortlaut nicht nur auf die Aufforderung, die Benutzung der Erfindung insgesamt zu unterlassen, erstreckt, sondern allgemein auf die Aufforderung, die behauptete Patentverletzung zu unterlassen: Auch derjenige, der nach Patentverletzung eine Lizenz nimmt, unterlässt fortan die Patentverletzung.
2.3 Die Einsprechende 05 hat ferner nachgewiesen, dass sie gegen die Beschwerdegegnerin Klage auf Feststellung der Nichtverletzung u.a. des Streitpatents vor dem Tribunale di Roma eingereicht hat und dass die Zustellung dieser Klage, die von der Beschwerdegegnerin nicht bestritten wird, nicht vor dem 21. Mai 2008 erfolgt sein kann. Die Dreimonatsfrist der Regel 89 EPÜ ist daher eingehalten worden. Unbeachtlich ist in diesem Zusammenhang, dass der Nachweis für die - von der Beschwerdegegnerin als solche nicht bestrittene - Tatsache, dass sich die Klage auch auf das Streitpatent erstreckt, erst nach Ablauf der Dreimonatsfrist erbracht wurde.
2.4 Der Beitritt der Einsprechenden 05 ist daher zulässig.
3. Einwände unter Artikel 123 (2) EPÜ gegen den
Hauptantrag:
3.1 Die Ansprüche gemäß Hauptantrag sind identisch mit
jenen, über die die Kammer bereits in ihrer ersten Entscheidung T 373/01 im vorliegenden Einspruchsverfahren zu befinden hatte und die sie als die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ erfüllend erachtet hat. Die Kammer ist an diese Feststellung gebunden (res judicata) und kann den gleichen Einwand nicht erneut prüfen, auch wenn er von einem Beitretenden erhoben wird, der zum Zeitpunkt der ersten Entscheidung noch nicht Verfahrensbeteiligter war (siehe T 694/01, ABl. EPA 2003, 250, Nr. 2.20 der Entscheidungsgründe).
4. Unvollständige Offenbarung (Artikel 100 c) EPÜ):
4.1 Der Einspruchsgrund der unvollständigen Offenbarung wurde in der Einspruchsschrift der Einsprechenden 01 nicht ursprünglich geltend gemacht. Dieser Einwand ist jedoch zumindest aufgrund dessen, dass die Einsprechende 05 ihn in ihrem Beitritt erhoben hat, Bestandteil des Verfahrens (vgl. G 1/94, ABl. EPA 1994, 787).
4.2 Nach Auffassung der Beschwerdeführerin und der Einsprechenden 05 sei der Fachmann nicht in der Lage, Informationen über die Höhe der Zuverlässigkeit der dekodierten Informationsbits abzuleiten, die sinnvoll für die weitere Verarbeitung in der beanspruchten Decodierungsvorrichtung wären. Diese Schwierigkeit werde noch vergrößert durch die Tatsache, dass Informationen faltungskodiert versandt werden können und somit zusammenhängende Informationen möglicherweise stark unterschiedliche Zuverlässigkeitshöhen besitzen würden. Ferner werde der Fachmann im Unklaren darüber gelassen, was der Steuerparameter "c" eigentlich sei und wie er verarbeitet würde, um das Sprachsignal zu beeinflussen oder das Anregungssignal zu korrigieren. Das Streitpatent enthalte keinerlei Ausführungen, wie eine Korrektur bei Zuverlässigkeitshöhen zwischen 0% und 100% durchzuführen sei. Schließlich sei die dem Patent zugrunde liegende Erfindung nicht über den gesamten beanspruchten Bereich derart offenbart, dass sie in die Praxis umsetzbar sei. Obwohl die Ansprüche eine faltungskodierte Übertragung der Informationsbits nicht ausschlössen, enthalte das Streitpatent keinerlei Angaben, wie die Höhe der Zuverlässigkeit in diesem Fall zu bestimmen sei.
4.3 Die Kammer ist aus folgenden Gründen von diesen Argumenten nicht überzeugt. Zum einen ist es eine bekannte Eigenschaft von Kanaldecodern, die wie zum Beispiel im Streitpatent (Spalte 3, Zeilen 4-10) nach dem Viterbialgorithmus arbeiten, dass sie Informationen über die Höhe der Zuverlässigkeit bereitstellen (siehe D3, Abstract). Da es sich bei den vom Kanaldecoder zu dekodierenden Daten um Daten handelt, die faltungsdekodiert sind (siehe Streitpatent, Spalte 3, Zeilen 4-10: "deinterleavt"), besteht das behauptete Problem bezüglich der Bestimmung von Zuverlässigkeitswerten bei dieser Art von Übertragungen nicht, und die Frage, wie die beanspruchte Erfindung hierauf anzuwenden sei, ist gegenstandslos. Zum anderen ist aus dem Stand der Technik bekannt, solche Informationen über die Höhe der Zuverlässigkeit sinnvoll zur weiteren Verarbeitung in Sprachdecodern zu verwenden (siehe z.B. D1, Seite 13, erster vollständiger Absatz: dort werden Informationen über die Höhe der Zuverlässigkeit aus Prüfsummen erhalten).
Hinsichtlich der Steuerparameter c ist der Beschreibung des Streitpatents zu entnehmen, dass diese Informationen über die mittlere Zuverlässigkeit der wichtigsten Sprachparameter enthalten (Spalte 3, Zeilen 23-26). Zu ihrer Bestimmung stehen die der Fehlerüberdeckungseinheit zugeführten decodierten Informationsbits i und die Information für die Zuverlässigkeit Z eines jeden Informationsbits zur Verfügung (Figur 1). Da Sprachparameter aus einem oder mehreren der Informationsbits i bestehen, würde der Fachmann eine dem Steuerparameter c entsprechende mittlere Zuverlässigkeit ohne weiteres zum Beispiel durch eine Mittelwertbildung der Zuverlässigkeitsinformation Z der involvierten Informationsbits bestimmen. Die Verarbeitung der Steuerparameter c zur Beeinflussung des Sprachsignals ist in einem Beispiel in Spalte 4, Zeilen 10-14 des Streitpatents ausgeführt. Danach werden bei einem Vergleich des Energieinhalts des synthetischen Sprachsignals mit dem synthetisierten Testsprachsignal in Abhängigkeit der Steuerparameter c mehr oder weniger große Energiesprünge zugelassen. Diese Art der Beeinflussung könnte der Fachmann zum Beispiel in hinlänglich bekannter Weise in Form einer Tabelle durchführen.
4.4 Aus obigem folgt, dass die Erfindung so deutlich und vollständig offenbart ist, dass ein Fachmann sie auf der Grundlage seines allgemeinen Fachwissens und in Kenntnis des in der Anmeldung erwähnten Standes der Technik im gesamten beanspruchten Bereich ausführen kann.
Das Patent erfüllt somit die Anforderungen des Artikels 83 EPÜ.
5. Im Beschwerdeverfahren eingereichte Dokumente D5-D7:
5.1 Das Dokument D5 wurde von der Einsprechenden 05 in ihrer Beitrittsschrift eingeführt und ist somit im Verfahren zu berücksichtigen (vgl. G 1/94, ABl. EPA 1994, 787).
5.2 Die Dokumente D6 und D7 wurden von der Beschwerdeführerin und den Einsprechenden 02-04 erst mit ihren jeweiligen Schreiben vom 30. März 2009 eingereicht. Die Beschwerdegegnerin hat jedoch einer Berücksichtigung dieser verspätet eingeführten Dokumente in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich zugestimmt. Die Kammer lässt daher in Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 114 (2) EPÜ auch diese Dokumente im Verfahren zu.
6. Hauptantrag: Neuheit und erfinderische Tätigkeit (Artikel 54 und 56 EPÜ):
6.1 Das von der Einspruchsabteilung als nächstliegender Stand der Technik betrachtete Dokument D1 zeigt (siehe Figur 4 und Seite 15, Zeilen 3-28) eine Vorrichtung zur Decodierung von binären Sprachsignalen, die über einen Kanal mit einem fehlerkorrigierenden Code übertragen werden mit einem Kanaldecoder (Viterbi decoder 27), der die über den Kanal empfangenen Signale in Informationsbits umwandelt, die Sprachparameter repräsentieren (die Tatsache, dass der Kanaldecoder 27 einen Teil der empfangenen Signale in Prüfsummenbits umwandelt, ändert nichts an dieser Feststellung), und einem Sprachdecoder (speech decoder 31), der die synthetischen Sprachparameter in synthetische Sprachsignale umwandelt.
Somit sind die Merkmale des Oberbegriffs des Anspruchs 6 aus dem Dokument D1 bekannt.
6.2 Aus dem Dokument D1 ist ferner bekannt, dass der Kanaldecoder zusätzlich eine Information über die Höhe der Zuverlässigkeit der decodierten Informationsbits ermittelt. Dies folgt aus der Tatsache, dass der Viterbi-Decoder 27 Ausgangssignale für einen CRC-Prüfsummengenerator 29 erzeugt (Seite 15, Zeilen 20-22). Wie sich ferner aus Seite 12, Zeile 3 bis Seite 13, Zeile 3 ergibt, werden für einen Datenrahmen drei Prüfsummen überprüft, die jeweils die Feststellung bestimmter Fehler bei bestimmten Nachrichtenlängen ermöglichen und entsprechend verschiedene Fehlerkorrekturmechanismen nach sich ziehen können (Seite 13, Zeile 4 bis drittletzte Zeile). Der Prüfsummengenerator erzeugt also pro Datenrahmen mehr als nur zwei verwertbare Informationen über die Zuverlässigkeit und bestimmt somit - auch bei einschränkender Auslegung dieses Anspruchsmerkmals (siehe unten, Punkt 6.15) - die Höhe der Zuverlässigkeit.
6.3 Aus dem Dokument D1 geht ferner hervor, dass der Sprachdecoder (speech decoder 31) in Abhängigkeit von den durch den Prüfsummengenerator 29 festgestellten Fehlern, die ein Maß für die Höhe der Zuverlässigkeit der Information darstellen (s. Punkt 6.2), verschiedene näher beschriebene Aktionen durchführt und dadurch eine Beeinflussung des Sprachsignals vornimmt (Seite 15, Zeilen 24-28 i. V. mit Seite 13, Zeilen 12-29).
6.4 Allerdings besteht zwischen der beanspruchten und der aus dem Dokument D1 bekannten Vorrichtung insofern ein Unterschied, als die Beeinflussung des Sprachsignals gemäß Anspruch 6 zusätzlich von einem Vergleich eines aktuellen nicht korrigierten Sprachsignals mit einem vorhergehenden korrigierten Sprachsignal abhängig ist, wobei es in D1 auch keinen Hinweis auf eine kumulativ erfolgende Beeinflussung in Abhängigkeit von der Höhe der Zuverlässigkeit gibt.
Somit wird der Gegenstand des Anspruchs 6 von der Lehre des Dokuments D1 nicht neuheitsschädlich vorweggenommen. Das gleiche gilt aus entsprechenden Erwägungen für den Gegenstand des Anspruchs 1.
6.5 Die durch das zusätzliche Merkmal gelöste Aufgabe kann darin gesehen werden, mit möglichst wenig Zusatzaufwand eine Übertragung über gestörte Kanäle dahingehend zu verbessern, dass Bitfehler noch sicherer erkannt werden (Spalte 2, Zeilen 29-35 der Patentschrift).
6.6 Diese Aufgabe ist eine für den Fachmann in diesem Gebiet übliche Aufgabenstellung. Ihre Formulierung kann keine erfinderische Tätigkeit begründen. Auch für den von D1 ausgehenden Fachmann hat sich eine solche Aufgabe gestellt, da dort eine Verbesserung bisher bekannter Verfahren dargestellt ist, die aber noch Raum für weitere Verbesserungen lässt (siehe Figuren 5 und 6 und die dazugehörige Beschreibung).
6.7 Ein Vergleich eines aktuellen nicht korrigierten Sprachsignals mit einem vorhergehenden korrigierten Sprachsignal zur Verbesserung der Übertragung durch gestörte Kanäle insbesondere in Verbindung mit der kumulativ erfolgenden Beeinflussung in Abhängigkeit von der Höhe der Zuverlässigkeit wird in D1 weder angesprochen noch durch dieses Dokument in sonstiger Weise dem Fachmann nahegelegt. Es wurde auch nicht nachgewiesen, dass eine solche Vorgehensweise Bestandteil fachüblichen Handelns ist.
Folglich ist der Gegenstand von Anspruch 6 für den allein von D1 ausgehenden Fachmann auch unter Berücksichtigung seines allgemeinen Fachwissens nicht naheliegend gewesen. Analoge Überlegungen führen zum selben Schluss hinsichtlich des Gegenstands des Anspruchs 1.
6.8 Aus der weiteren Entgegenhaltung D5 ist eine Verbesserung eines bekannten Kodierers hinsichtlich der Reduktion von durch Kanalfehler erzeugten Bitfehlern bekannt (siehe Abstract).
Abschnitt 5 dieses Dokuments befasst sich mit Fehlerschutzverfahren, die eine geringe Redundanz erforderlich machen (Abschnitt 5, Zeilen 4-6).
Ein erstes Verfahren besteht darin, ungewöhnliches Verhalten in den Kodierparametern oder in der Sprachausgabe zu untersuchen. Dazu werden Statistiken verschiedener verwendeter Parameter und Signale erstellt und im Empfänger gespeichert (Abschnitt 5, Zeilen 7-13). Die Kammer kann nicht erkennen, dass dieses Verfahren auf einem Vergleich von nicht korrigierten mit korrigierten Sprachsignalen beruht. Vielmehr werden anscheinend vorab erstellte Statistiken natürlicher Sprache im Empfänger gespeichert und die empfangenen Sprachparameter oder -signale anhand dieser Statistiken abgeglichen.
Ein zweites Verfahren besteht darin, binäre Indizes derart auf Parameterwerte abzubilden, dass ein Bitfehler eine Abbildung auf einen Parameterwert verursacht, der in der Nähe des Ursprungswerts liegt (Abschnitt 5, Zeilen 13-17). Auch dieses Verfahren verwendet keinen Vergleich von nicht korrigierten mit korrigierten Sprachsignalen.
Ferner werden in Abschnitt 5 (Seite 741, rechte Spalte, ab drittem Absatz von unten) nach Diskussion der beiden ersten Verfahren weitere mögliche Verfahren angesprochen ("The simulated annealing procedure was also used"; "other procedures that detect bit errors have to rely on statistics"; "another possbility is to study the smoothness of the LSPs" [LSPs steht für "line spectral pairs", die aus linearen Vorhersagecodes bestimmt werden]). Auch hier kann die Kammer keinen Hinweis auf einen Vergleich von nicht korrigierten mit korrigierten Sprachsignalen erkennen. Insbesondere betrifft das letztgenannte Beispiel die Glätte von aus linearen Vorhersagecodes gewonnenen Parametern. Hierbei handelt es sich offenbar um aus Sprachparametern abgeleitete Größen, nicht um Sprachparameter selbst und schon gar nicht um Sprachsignale. Die Aussage, aus der die Beschwerdeführerin und die übrigen Einsprechenden eine Äquivalenz zwischen Sprachparameter und Sprachsignale ableiten wollen (Abschnitt 5, Zeile 8 "unusual behavior of the coder parameters or the speech output", Hervorhebung durch die Kammer), bezieht sich auf das zu Beginn des Abschnitts beschriebene auf Statistiken basierende Verfahren. Eine allgemeine derartige Äquivalenz ist dem Dokument nicht zu entnehmen und kann daher auch nicht zur Bestimmung seines Offenbarungsgehalts in Bezug auf die später in Abschnitt 5 dieses Dokuments beschriebenen Verfahren zugrunde gelegt werden. Es konnte auch nicht nachgewiesen werden, dass eine solche allgemeine Äquivalenz dem Fachmann zum Prioritätszeitpunkt geläufig war.
Zusammenfassend ist dem Dokument D5 das Merkmal eines Vergleichs eines aktuellen nicht korrigierten Sprachsignals mit einem vorhergehenden korrigierten Sprachsignal und einer darauf beruhenden Beeinflussung des Sprachsignals insbesondere in Verbindung mit der kumulativ erfolgenden Beeinflussung in Abhängigkeit von der Höhe der Zuverlässigkeit somit nicht zu entnehmen.
6.9 Der Gegenstand des Anspruchs 6 war folglich für den vom Dokument D1 ausgehenden Fachmann auch nicht in Verbindung mit der Lehre von D5 naheliegend. Entsprechendes gilt für den Gegenstand des Anspruchs 1.
6.10 Aus dem weiteren Dokument D6, das als Stand der Technik in D1 gewürdigt ist (Seite 3, Zeilen 13-24), ist ein Vocoder für Satellitenkommunikation zur Verbesserung der Systemleistung bei Mehrwegausbreitung bekannt (siehe Abstract). Die in D6 beschriebene Vorrichtung weist einen Burst Error Detektor auf (Seite 772, Abschnitt III, 5. Absatz und Figur 4). Dieser betätigt im Falle eines Burst Error, bei dem es sich um einen bei Mehrwegübertragung möglichen Fehler handelt (Seite 772, Abschnitt II, 4. Absatz), einen Schalter derart, dass ein Sprachsynthesizer keine dekodierten Sprachparameter, sondern lokal durch einen Algorithmus berechnete Sprachparameter erhält (Seite 772, Abschnitt III, 5. Absatz und Figur 4). Im vorletzten Absatz der linken Spalte auf Seite 773 ist ein Beispiel zur Burst Error Detektion beschrieben, bei dem Messungen des Abstands zwischen Parametern kontinuierlich relativ zu aufeinanderfolgenden Datenrahmen durchgeführt werden. Wenn diese Abstände Schwellwerte überschreiten, wird ein Warnsignal erzeugt, das zusammen mit einer Signalqualitätsfeststellung im Burst Error Detektor ausgewertet wird.
Dieser Schritt einer Abstandsmessung von Parametern aufeinanderfolgender Sprachrahmen entspricht einem Vergleich aktueller Sprachparameter mit vorhergehenden Sprachparametern. Offensichtlich erfolgt auch eine auf diesem Vergleich beruhende Beeinflussung des Sprachsignals.
Dieser Vergleich erfolgt aber auf Sprachparameterebene und nicht, wie beansprucht, auf Sprachsignalebene. Außerdem findet er auch nicht zwischen aktuellen nicht korrigierten und vorhergehenden korrigierten Sprachparametern statt.
Somit weist die im Dokument D6 beschriebene Vorrichtung hinsichtlich des Merkmals des Vergleichs und der hiervon abhängigen Beeinflussung des Sprachsignals zumindest zwei Unterschiede gegenüber dem Gegenstand von Anspruch 6 auf und gibt auch keinen Hinweis auf eine kumulativ erfolgende Beeinflussung in Abhängigkeit von der Höhe der Zuverlässigkeit. Somit müsste der vom Dokument D1 ausgehende Fachmann, auch wenn er die Lehre von D6 für die aus D1 bekannte Vorrichtung berücksichtigen wollte, diese beiden Unterschiede aufgrund seines allgemeinen Fachwissens überwinden.
Die Beschwerdeführerin und die Einsprechenden 02 bis 05 konnten keinen Nachweis erbringen, dass der Fachmann einen Vergleich auf Sprachparameterebene und einen Vergleich auf Sprachsignalebene als äquivalent betrachten würde. Ferner wurde kein Nachweis geführt, dass es für den Fachmann aufgrund seiner allgemeinen Fachkenntnis naheliegend war, diesen Vergleich zwischen aktuellen nicht korrigierten und vorhergehenden korrigierten Sprachsignalen durchzuführen.
6.11 Der Gegenstand des Anspruchs 6 war somit für den von D1 ausgehenden Fachmann auch nicht in Verbindung mit der Lehre von D6 naheliegend. Entsprechende Erwägungen führen zum selben Schluss hinsichtlich des Gegenstands des Anspruchs 1.
6.12 Aus dem weiteren Dokument D7, auf das - wie zwischen den Parteien unstrittig ist - in D6 durch den Vermerk "Patent Pending" Bezug genommen wird, sind weitere Details des in D6 beschriebenen Vocoders bekannt. Insbesondere wird ausgeführt, dass ein Vergleich des Abstandes zwischen Parametern eines aktuellen und eines vorhergehenden Intervalls durchgeführt wird (Spalte 2, Zeilen 59-68). Dieser Vergleich und ein Signal, das für die Qualität des Empfangssignals steht, werden zur Beeinflussung der Sprachparameter und damit letztendlich des Sprachsignals verwendet (Spalte 3, Zeilen 1-27).
Somit ist auch aus dem Dokument D7 ähnlich wie aus D6 zwar ein Vergleich aktueller Sprachparameter mit vorhergehenden Sprachparametern und eine auf diesem Vergleich und auf ein Signal, das für die Qualität des Empfangssignals steht, beruhende Beeinflussung des Sprachsignals bekannt, jedoch erfolgt dieser Vergleichsschritt auf Sprachparameterebene und nicht, wie beansprucht, auf Sprachsignalebene. Außerdem findet er auch nicht zwischen aktuellen nicht korrigierten und vorhergehenden korrigierten Sprachparametern statt, und es ergibt sich aus D7 auch kein Hinweis auf eine kumulativ erfolgende Beeinflussung in Abhängigkeit von der Höhe der Zuverlässigkeit.
6.13 Da die im Dokument D7 beschriebene Vorrichtung somit ebenfalls wie die aus D6 bekannte Vorrichtung zumindest diese beiden Unterschiede hinsichtlich des Vergleichsschritts aufweist und die Beschwerdeführerin und die Einsprechenden 02 bis 05 die Kammer nicht davon überzeugen konnten, dass der Fachmann diese Unterschiede aufgrund seiner allgemeinen Fachkenntnis überwinden würde, kann der Gegenstand des Anspruchs 6 für den vom Dokument D1 ausgehenden Fachmann auch nicht in Verbindung mit der Lehre des Dokuments D7 als naheliegend angesehen werden. Das gleiche gilt für den Gegenstand des Anspruchs 1.
6.14 Es wurde auch vorgebracht, dass der Gegenstand des Anspruchs 6 von der Entgegenhaltung D7 neuheitsschädlich vorweggenommen würde oder für den von D7 ausgehenden Fachmann aufgrund seines allgemeinen Fachwissens zumindest naheliegend war.
Die Neuheit des Gegenstands des Anspruchs 6 ergibt sich schon alleine aufgrund der oben unter Punkt 6.12 erwähnten Unterschiede.
Darüber hinaus wird in der in D7 beschriebenen Vorrichtung nicht, wie beansprucht, ein fehlerkorrigierender Code verwendet (Spalte 2, Zeilen 35-38).
Ein weiterer Unterschied kann darin gesehen werden, dass das für die Qualität des Empfangssignals stehende Signal nur zwei Werte aufweist (Spalte 6, Zeilen 40-46) und somit nicht der "Höhe der Zuverlässigkeit der decodierten Informationsbits" in dem Sinne entspricht, dass diese mehr als nur zwei Werte umfasst.
6.15 Zu letzterem Punkt stellt die Kammer fest, dass eine wörtliche Interpretation des beanspruchten Merkmals "Höhe der Zuverlässigkeit der decodierten Informationsbits" in den unabhängigen Ansprüchen 1 und 6 zwar erlaubt, dass die Höhe nur zwei Werte, also zuverlässig und unzuverlässig, annimmt, eine solche wörtliche Interpretation aber aus folgenden Gründen technisch keinen Sinn macht. Gemäß Anspruch 6 und analog für das Verfahren gemäß Anspruch 1 nimmt der Sprachdecoder in Abhängigkeit von der Höhe der Zuverlässigkeit und einem Vergleich eines aktuellen nicht korrigierten Sprachsignals mit einem vorhergehenden korrigierten Sprachsignal eine Beeinflussung des Sprachsignals vor. Bei einer angenommenen Beschränkung der Höhe der Zuverlässigkeit auf lediglich zwei Werte, also zuverlässig und unzuverlässig, würde sich, ausgehend von der gestellten Aufgabe, nämlich der Verbesserung der Übertragung über gestörte Kanäle durch sicherere Erkennung von Bitfehlern (Spalte 2, Zeilen 29-33 des Streitpatents), die Situation ergeben, dass bei als unzuverlässig eingestuften Informationsbits Bitfehler nur durch einen Vergleich von korrigierten und nicht korrigierten Sprachsignalen erkannt werden können. Bei als zuverlässig eingestuften Informationsbits würde man die Sprachsignale als korrekt ansehen und in Folge dessen keine Beeinflussung des Sprachsignals auf der Basis eines Vergleichs von korrigierten und nicht korrigierten Sprachsignalen durchführen. Es wäre in diesem Fall nicht mehr möglich, mögliche Bitfehler zu erkennen, da die Sprachsignale als insgesamt korrekt eingestuft werden, wodurch sich ein Widerspruch mit der gestellten Aufgabe ergäbe. Der Fachmann würde sich daher bei der Frage der technisch sinnvollen Auslegung des Merkmals "Höhe der Zuverlässigkeit" auf die gesamte Offenbarung beziehen (T 190/99, Leitsatz). Aus Spalte 3, Zeilen 10-15 folgt, dass in dem dort besprochenen Beispiel die Zuverlässigkeit ein Maß ist, welches mit 7 Bit dargestellt wird, also weit mehr als nur zwei Werte umfasst. Aus Spalte 4, Zeilen 10-14 ergibt sich, dass in Abhängigkeit der Steuerparameter c, die ihrerseits Informationen über die mittlere Zuverlässigkeit der wichtigsten Sprachparameter enthalten, mehr oder weniger große Energiesprünge zugelassen werden. Die Zulassung von mehr oder weniger großen Energiesprüngen erfordert aber eine feinere Abstufung als bei nur zwei Werten für die Höhe der Zuverlässigkeit. Somit ergibt eine technisch sinnvolle Auslegung der Ansprüche, dass das Merkmal "Höhe der Zuverlässigkeit" mehr als nur zwei Werte umfasst.
6.16 Da wie bereits erwähnt (siehe Punkt 6.14) D7 nicht eine Größe, die der in diesem Sinne verstandenen Höhe der Zuverlässigkeit entspricht, sondern lediglich zwei mögliche Werte beschreibt, ist auch dieses Merkmal aus D7 nicht zu entnehmen.
Somit ist der Gegenstand des Anspruchs 6 neu gegenüber der Lehre von D7.
Entsprechende Erwägungen führen zum gleichen Schluss hinsichtlich des Gegenstands des Anspruchs 1.
6.17 Aus den Ausführungen unter Punkt 6.13 folgt auch, dass es für den Fachmann nicht naheliegend war, ausgehend von dem aus D7 bekannten Vergleich aktueller Sprachparameter mit vorhergehenden Sprachparametern einen Vergleichsschritt auf Sprachsignalebene zwischen aktuellen nicht korrigierten und vorhergehenden korrigierten Sprachsignalen durchzuführen.
Somit weist der Gegenstand des Anspruchs 6 schon allein aufgrund dieser Unterschiede eine erfinderische Tätigkeit für den vom Dokument D7 ausgehenden Fachmann auf. Das gleiche gilt für den Gegenstand des Anspruchs 1.
6.18 Schließlich wurde vorgebracht, dass der Gegenstand des Anspruchs 6 für den von der Entgegenhaltung D2 ausgehenden Fachmann aufgrund seines allgemeinen Fachwissens oder in Kombination mit einem der Dokumente D5, D6 oder D7 naheliegend war.
Die Entgegenhaltung D2 zeigt eine Vorrichtung zur Decodierung von binären Sprachsignalen (Figur 1, Decoder 145), die über einen Kanal (Figur 1, Channel 130) mit einem fehlerkorrigierenden Code (siehe zum Beispiel Spalte 6, Zeilen 37-52) übertragen werden. In einem Kanaldecoder (Figur 1, "Decode with GVA" 150) werden die über den Kanal empfangenen Signale in Informationsbits umgewandelt, die Sprachparameter (Spalte 4, Zeilen 27-28) repräsentieren, wobei der Kanaldecoder zusätzlich ein Flag bereitstellt, das ein Maß für die Zuverlässigkeit der decodierten Informationsbits darstellt (Spalte 4, Zeilen 16-21 und Spalte 7, Zeilen 36-38). Das Vorhandensein eines Sprachdecoders, der die Sprachparameter in synthetische Sprachsignale umwandelt, betrachtet die Kammer als implizit vorhanden, da nur so die Verwendung der beschriebenen Vorrichtung für Sprachsignale (Spalte 6, Zeilen 32-36) möglich ist.
Es ist ferner beschrieben, dass im Rahmen der Verarbeitung von Sprachinformationen ein Test für das Vorhandensein des Flags durchgeführt wird. Wenn ein Flag gefunden wird, wird der entsprechende Datenrahmen verworfen und die Sprachinformation wird durch eine Abschätzung unter Verwendung von Redundanzen erhalten (Spalte 7, Zeilen 29-33 und 36-48).
Diese Vorgehensweise hat letztendlich eine Beeinflussung des Sprachsignals in Abhängigkeit von einem Maß für die Zuverlässigkeit der decodierten Informationsbits zur Folge, wobei allerdings das Flag zwei Werte aufweist (gesetzt bzw. nicht gesetzt) und somit nicht der "Höhe der Zuverlässigkeit der decodierten Informationsbits" in dem Sinne entspricht, dass diese mehr als nur zwei Werte umfasst (siehe Punkt 6.15).
Ein Vergleich eines aktuellen nicht korrigierten Sprachsignals mit einem vorhergehenden korrigierten Sprachsignal und eine hiervon abhängige Beeinflussung des Sprachsignals werden im Dokument D2 nicht erwähnt. Der Hinweis auf die Verwendung von Redundanzen legt nach Auffassung der Kammer auch keinen solchen Vergleich nahe. Redundanzen zum Ersetzen verlorener Sprachinformationen verwenden üblicherweise statistische Auswertungen der Sprache, ähnlich wie es in D5 angesprochen wird (siehe D5, Seite 741, Abschnitt 5, Zeilen 7-13). Es wurde kein Nachweis geführt, dass der Hinweis auf die Verwendung von Redundanzen es dem Fachmann nahegelegt hätte, einen Vergleich von Sprachsignalen mit vorhergehenden Sprachsignalen durchzuführen.
Somit besteht zwischen der beanspruchten und der aus D2 bekannten Vorrichtung zumindest darin ein Unterschied, dass der Sprachdecoder in Abhängigkeit von einem Vergleich eines aktuellen nicht korrigierten Sprachsignals mit einem vorhergehenden korrigierten Sprachsignal eine Beeinflussung des Sprachsignals vornimmt, wobei es in D2 auch keinen Hinweis auf eine kumulativ erfolgende Beeinflussung in Abhängigkeit von der Höhe der Zuverlässigkeit gibt.
Da es sich hier um denselben Unterschied handelt, der sich auch im Vergleich mit der Lehre des Dokuments D1 ergibt, lassen sich die bereits dargelegten Gründe (s. Punkte 6.4 - 6.13) hinsichtlich der Neuheit und erfinderischen Tätigkeit auch auf die Lehre des Dokuments D2 übertragen.
Ferner entspricht auch das in D2 verwendete Flag nicht der beanspruchten "Höhe der Zuverlässigkeit der decodierten Informationsbits" in dem Sinne, dass dieses mehr als nur zwei Werte umfasst.
Somit ist der Gegenstand der Ansprüche 1 und 6 auch unter Berücksichtigung der Entgegenhaltung D2 in Verbindung mit allgemeinem Fachwissen oder mit der Lehre eines der Dokumente D5, D6 und D7, siehe Punkte 6.10 - 6.16, neu und erfinderisch.
7. Weitere Einwände gegen die Ansprüche 1 und 6 des Hauptantrags wurden von der Beschwerdeführerin und den Einsprechenden 02-05 nicht erhoben.
Die abhängigen Ansprüche 2-5 und 7-8 betreffen spezielle Ausführungsformen der Erfindung und erfüllen ebenfalls die Erfordernisse des EPÜ, über die die Kammer in diesem Beschwerdeverfahren zu befinden hat.
Das Patent ist somit auf der Grundlage der Ansprüche des Hauptantrags aufrechtzuerhalten.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.