T 1411/07 (Verfahren zur Herstellung von Vinylestern aus Butenoligomeren/EVONIK … of 29.6.2010

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2010:T141107.20100629
Datum der Entscheidung: 29 Juni 2010
Aktenzeichen: T 1411/07
Anmeldenummer: 00103784.5
IPC-Klasse: C07C 67/465
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zur Herstellung von Vinylestern aus Butenoligomeren
Name des Anmelders: Evonik Oxeno GmbH
Name des Einsprechenden: Hexion Specialty Chemicals Research Belgium S.A.
Kammer: 3.3.10
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 111(1)
European Patent Convention R 111(2)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 11
European Patent Convention 1973 R 68(2)
Schlagwörter: Entscheidungsbegründung (nein)
Zulässigkeit des Einspruchs nicht begründet - wesentlicher Verfahrensmangel (ja)
Zurückverweisung an erste Instanz
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0278/00
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0189/12
T 2146/19
T 0689/21

Sachverhalt und Anträge

I. Die am 14. August 2007 eingegangene Beschwerde des Beschwerdeführers (Einsprechender) richtet sich gegen die am 21. Juni 2007 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit welcher der Einspruch zurückgewiesen wurde.

II. Im Verfahren vor der Einspruchsabteilung war das Patent im gesamten Umfang wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit angegriffen, die Zulässigkeit des Einspruchs jedoch vom Beschwerdegegner (Patentinhaber) bestritten worden.

III. Die angefochtene Entscheidung enthielt in Punkt 1.) der Entscheidungsgründe hinsichtlich der Zulässigkeit des Einspruchs lediglich die Feststellung: "Der Einspruch erfüllt die Erfordernisse der Artikel 99(1) und 100 EPÜ [1973] sowie Regel 55 EPÜ [1973] und wird daher als zulässig erachtet".

IV. Der Beschwerdegegner rügte in seiner Erwiderung auf die Beschwerdebegründung einen Begründungsmangel und führte aus, dass trotz seines umfangreichen Sachvortrages zur Frage der Zulässigkeit des Einspruchs die angefochtene Entscheidung keine Begründung enthalte, weshalb die Einspruchsabteilung zu der Feststellung gekommen sei, dass der Einspruch zulässig sei. Die Prüfung des Einspruchs hinsichtlich seiner Zulässigkeit, insbesondere hinsichtlich der Erfordernisse der Regel 55(c) EPÜ 1973, sei jedoch eine Grundvoraussetzung dafür, dass die Sachargumente hinsichtlich Neuheit und erfinderischer Tätigkeit geprüft werden könnten. Daher stelle die Nichtbegründung der in der angefochtenen Entscheidung positiv festgestellten Zulässigkeit des Einspruchs einen Begründungsmangel und somit einen wesentlichen Verfahrensmangel dar, der im Zuge des Beschwerdeverfahrens auch von einer nicht durch die angefochtene Entscheidung beschwerten Partei weiterverfolgt werden könne. Seine schriftlich gestellten Anträge auf Kostenverteilung, sowie seinen Antrag auf eine Entscheidung in der Sache zog er in der mündlichen Verhandlung am 29. Juni 2010 vor der Kammer zurück.

V. Der Beschwerdeführer machte im Hinblick auf den vom Beschwerdegegner gerügten Begründungsmangel, sowie zur Zulässigkeit des Einspruchs keine Ausführungen, reichte aber mit Schriftsatz vom 8. Januar 2009 Druckschriften

(16) EP-A-1 029 939 und

(17) DE-A-2 339 947

ein. Er teilte mit Schriftsatz vom 26. Mai 2010 mit, dass er an der mündlichen Verhandlung vor der Kammer nicht teilnehmen werde.

VI. In einer Anlage zur Ladung gemäß Artikel 15(1) VOBK vom 18. Juni 2010 teilte die Kammer den Beteiligten mit, dass sie in Ausübung ihres Ermessens beabsichtige, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und den Fall zur Prüfung der Zulässigkeit des Einspruchs an die Erstinstanz zurückzuverweisen (Artikel 111(1), Satz 2, 2. Alternative EPÜ).

VII. Der Beschwerdeführer beantragte schriftlich die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 1 033 360.

Der Beschwerdegegner beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Zurückverweisung an die erste Instanz zur Prüfung der Zulässigkeit des Einspruchs.

VIII. Am Ende der mündlichen Verhandlung, die in Abwesenheit des Beschwerdeführers abgehalten wurde, wurde die Entscheidung der Kammer verkündet.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

Begründungsmangel

2. Mit seiner Antwort auf die Beschwerdebegründung rügte der Beschwerdegegner im Schriftsatz vom 20. Dezember 2007 einen Begründungsmangel in der angefochtenen Entscheidung, da diese keine Begründung enthalte, weshalb der vom Beschwerdegegner im Einspruchsverfahren als unzulässig gerügte Einspruch für zulässig erachtet wurde.

3. Gemäß der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern muss eine beschwerdefähige Entscheidung nach Maßgabe von Regel 111 (2) EPÜ (Regel 68 (2) EPÜ 1973) in einer logischen Gedankenführung die Erwägungen aufzeigen, welche die getroffene Feststellung rechtfertigen. Ferner sind die aus den Tatsachen und Beweismitteln gezogenen Schlussfolgerungen klar darzulegen. Deshalb müssen in der Entscheidung alle relevanten Tatsachen und Beweismittel wie auch alle maßgeblichen Erwägungen bezüglich der rechtlichen und faktischen Umstände des Falls ausführlich gewürdigt werden (siehe T 278/00, ABl. 2003, 546, Punkte 2 bis 5 der Entscheidungsgründe).

4. Das Erfordernis der Entscheidungsbegründung zielt darauf ab, den Parteien, sowie im Falle eines Beschwerdeverfahrens auch der Beschwerdekammer, die Möglichkeit zur Nachprüfung dahingehend zu geben, ob die getroffene Entscheidung im Hinblick auf die maßgeblichen Erwägungen, Tatsachen und Beweismittel gerechtfertigt ist oder nicht. Wenn also wie im vorliegenden Fall über die Zulässigkeit des Einspruchs entschieden wird, müssen die logische Gedankenführung, sowie die maßgeblichen Erwägungen hinsichtlich der faktischen und rechtlichen Umstände des Falls angegeben werden, auf die sich die getroffene Entscheidung stützt, dass der Einspruch zulässig sei.

5. Im vorliegenden Fall war im Einspruchsverfahren bereits als Antwort auf die Einspruchsschrift, nämlich mit Schriftsatz vom 28. Dezember 2004, die Zulässigkeit des Einspruchs bestritten worden. Der Beschwerdegegner hatte damals ausführlich vorgetragen, dass der Einspruch nicht substantiiert sei, da die Einspruchsschrift nicht den Erfordernissen der damals geltenden Regel 55 c) EPÜ 1973 genüge. Nachdem in einem Bescheid vom 11. August 2008 seitens der Einspruchsabteilung lediglich festgestellt wurde, dass der Einspruch als zulässig erachtet werde, wiederholte der Beschwerdegegner in seinem Schriftsatz vom 8. Dezember 2006 seinen Einwand gegen die Zulässigkeit des Einspruchs und machte hierzu weitere detaillierte Ausführungen. Daher war die erhobene Rüge, nämlich dass der Einspruch nicht zulässig sei, eindeutig für die Einspruchsabteilung als solche erkennbar. In der angefochtenen Entscheidung wurde indessen lediglich festgestellt, dass der Einspruch zulässig sei (siehe Punkt III supra), ohne jedoch anzugeben, welche Erwägungen in Bezug auf den Sachvortrag des Beschwerdegegners, sowie in Bezug auf die rechtlichen und faktischen Umstände des Falls, die Einspruchsabteilung zu dieser Entscheidung geführt haben.

6. Das Fehlen jeglichen Hinweises auf jene Erwägungen von Seiten der Einspruchsabteilung hinsichtlich der faktischen und rechtlichen Umstände des Falls, sowie das gänzliche Fehlen einer logischen Gedankenführung, lassen daher sowohl die Parteien, als auch die Kammer im Unklaren darüber, welche Überlegungen die Einspruchsabteilung zu der Schlussfolgerung geführt haben, den Einspruch als ausreichend substantiiert anzusehen. Daher ist die Kammer der Auffassung, dass die angefochtene Entscheidung keine Begründung im Sinne der damals geltenden Regel 68 (2) EPÜ 1973 (Regel 111 (2) EPÜ) aufweist.

7. Die Zulässigkeit des Einspruchs ist jedoch vorgreiflich zu einer Entscheidung in der Sache, da im Falle einer Unzulässigkeit kein Verfahren in der Sache eröffnet wird und über die Patentfähigkeit des Streitgegenstandes nicht zu entscheiden ist. Daher stellt die fehlende Begründung einer vorgreiflichen Entscheidung einen wesentlichen Verfahrensmangel dar.

8. Die sich im Falle eines wesentlichen Verfahrensmangels ergebende Rechtsfolge wird in Artikel 11 VOBK dahingehend geregelt, dass die Kammer in Ausübung ihres Ermessens im Regelfall die Angelegenheit an die erste Instanz zurückverweist, es sei denn, dass besondere Gründe gegen die Zurückverweisung sprechen. Da hier der wesentliche Verfahrensmangel in einer fehlenden Begründung liegt, handelt es sich um einen üblichen Regelfall. Der Beschwerdegegner hat die im schriftlichen Verfahren vorgebrachten Gründe, welche gegen eine Zurückverweisung sprächen, um vom Regelfall abzuweichen, in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer zurückgenommen, ebenso wie seinen früheren Antrag, den Fall nicht an die erste Instanz zurückzuverweisen (Punkt VII. supra).

9. Da somit keine besonderen Gründe erkennbar sind, die gegen eine Zurückweisung an die erste Instanz sprechen, ist es angezeigt, den Fall zur weiteren Entscheidung an die erste Instanz gemäß Artikel 111 (1), Satz 2, 2. Alternative EPÜ, sowie gemäß Artikel 11 VOBK, zurückzuverweisen, um beiden Parteien die Möglichkeit zu geben, die Frage der Zulässigkeit des Einspruchs gegebenenfalls in zwei Instanzen klären zu lassen.

10. Nach der Prüfung der Zulässigkeit des Einspruchs obliegt es der ersten Instanz, sofern der Einspruch zulässig wäre, auch über die neu eingereichten Druckschriften (16) und (17) zu befinden.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zur weiteren Entscheidung zurückverwiesen.

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