T 0507/06 (Selbstreinigende Oberfläche/BARTHLOTT) of 3.3.2009

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2009:T050706.20090303
Datum der Entscheidung: 03 März 2009
Aktenzeichen: T 0507/06
Anmeldenummer: 00920513.9
IPC-Klasse: C09D 5/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zur Herstellung von selbstreinigenden, ablösbaren Oberflächen
Name des Anmelders: Barthlott, Wilhelm, et al
Name des Einsprechenden: BASF SE
Kammer: 3.3.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 100(a)
European Patent Convention 1973 Art 111(1)
European Patent Convention 1973 Art 84
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(1)
Schlagwörter: Hauptantrag und Hilfsanträge II und III: Klarheit (nein) - bedingt durch Änderungen nach Erteilung
Hilfsanträge I und IIIb: Neuheit (nein) - teilweise im Hinblick auf ein von der Kammer eingeführtes Dokument
Hilfsanträge 3c und 3d (nicht zugelassen)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0002/88
T 0023/86
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Sowohl die Patentinhaber als auch die Einsprechende haben Beschwerde eingelegt gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, zur Post gegeben am 06. Februar 2006, das gemäß dem Hilfsantrag II in der mündlichen Verhandlung vom 11. November 2005 geänderte europäische Patent Nr. 1 171 529 genüge den Erfordernissen des EPÜ.

II. Der Einspruch war gestützt auf Gründe gemäß Artikel 100 (b) EPÜ (mangelnde Offenbarung) und 100 (a) EPÜ (mangelnde Neuheit und mangelnde erfinderische Tätigkeit).

III. Während des Einspruchsverfahrens wurden unter anderem die folgenden Dokumente zitiert:

(E1) US-A-3 354 022

(E2) JP-A-07 197 017.

IV. Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, Gründe gemäß Artikel 100 (b) EPÜ stünden der Aufrechterhaltung auf der Basis des Hauptantrags entgegen; der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags I sei nicht neu im Hinblick auf Dokument (E1) oder Dokument (E2); der Gegenstand des Anspruchs 2 des Hilfsantrags I sei nicht neu im Hinblick auf die Beispiele 8 und 11 des Dokuments (E1) und sei nicht ausreichend offenbart (Artikel 100 (b) EPÜ).

V. Die Ansprüche 1 und 9 des in der angefochtenen Entscheidung zurückgewiesenen Hauptantrages lauteten wie folgt:

"1. Verfahren zur Herstellung von selbstreinigenden Oberflächen, die Erhebungen und Vertiefungen aufweisen, wobei der Abstand zwischen den Erhebungen im Bereich von 0,1 bis 200 mym und die Höhe der Erhebungen im Bereich von 0,1 bis 100 mym liegt, indem eine Lösung, Dispersion oder Emulsion, die ein hydrophobes Material enthält, das beim Verdampfen des Lösungsmittels selbstorganisierend eine selbstreinigende Oberfläche bildet, aufgetragen und anschließend getrocknet wird, wobei das aufgetragene Material mit Detergenzien ablösbar ist."

"9. Verwendung eines Gegenstands mit einer Oberfläche, die Erhebungen und Vertiefungen aufweist, wobei der Abstand zwischen den Erhebungen im Bereich von 0,1 bis 200 mym und die Höhe der Erhebungen im Bereich von

0,1 bis 100 mym liegt, wobei zumindest die Erhebungen hydrophob sind und die Erhebungen aus Festteilchen bestehen und die Oberfläche mit einem hydrophobem Material überzogen ist, zur Selbstreinigung."

VI. Die Kammer hat mit ihrem Bescheid vom 19. September 2008 das folgende Dokument in das Verfahren eingeführt:

(E7) W. Barthlott und C. Neinhuis, Biologie in unserer Zeit, 28. Jahrgang 1998, Nr. 5, 314-321.

Sie hat zur Diskussion gestellt ob der Gegenstand der Ansprüche 9 und 10 des Hauptantrags und der entsprechenden Ansprüche des Hilfsanträge neu sei gegenüber der Offenbarung dieses Dokuments.

VII. Im Beschwerdeverfahren beantragten die Patentinhaber, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent aufrechtzuerhalten auf

- der Basis der Ansprüche des Hauptantrags oder der Ansprüche der Hilfsanträge II oder III, alle eingereicht wurden mit dem Telefax vom 14. Juni 2006;

oder

- der Ansprüche einer der Hilfsanträge I oder IIIb,

eingereicht während der mündlichen Verhandlung am 03. März 2009.

Die Hilfsanträge IV bis VII, jeweils eingereicht mit dem Telefax vom 03. Februar 2009, nahmen sie in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer zurück.

Die Einsprechende beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen. Ihren Antrag, die Beschwerde der Patentinhaberin als unzulässig zu verwerfen oder zurückzuweisen, nahm sie in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer zurück.

VIII. Der im Beschwerdeverfahren gestellte Hauptantrag umfasst 11 Ansprüche, die sich nur dadurch von denen des in der angefochtenen Entscheidung zurückgewiesenen Hauptantrags unterscheiden, dass der Anspruch 9 folgenden Wortlaut hat (vergleiche oben unter Punkt V):

"9. Verwendung eines Gegenstands mit einer Oberfläche, die Erhebungen und Vertiefungen aufweist, wobei der Abstand zwischen den Erhebungen im Bereich von 0,1 bis 200 mym und die Höhe der Erhebungen im Bereich von

0,1 bis 100 mym liegt, wobei zumindest die Erhebungen hydrophob sind und die Erhebungen aus Festteilchen bestehen und die Oberfläche mit einem hydrophobem Material überzogen ist, und wobei die Oberfläche mit Detergenzlösung ablösbar ist, zur Selbstreinigung."

Der Wortlaut dieses Anspruchs ist identisch mit dem des Anspruchs 1 des Hilfsantrags III und unterscheidet sich von dem des Anspruchs 7 des Hilfsantrags II dadurch, dass in letzterem das hydrophobe Material durch den Einschub ", ausgewählt aus Wachsen oder wachsartigen Substanzen" erläutert ist.

IX. Der im Beschwerdeverfahren gestellte Hilfsantrag I unterscheidet sich nur dadurch vom in der angefochtenen Entscheidung zurückgewiesenen Hauptantrag, dass der Anspruch 9 folgenden Wortlaut hat (vergleiche oben unter Punkt V):

"9. Verwendung eines Gegenstands mit einer Oberfläche, die Erhebungen und Vertiefungen aufweist, wobei der Abstand zwischen den Erhebungen im Bereich von 0,1 bis 200 mym und die Höhe der Erhebungen im Bereich von

0,1 bis 100 mym liegt, wobei zumindest die Erhebungen hydrophob sind und die Erhebungen aus Festteilchen bestehen und die Oberfläche mit einem hydrophobem Material überzogen ist, und wobei die Oberfläche mit Detergenzlösung ablösbar ist, zur Selbstreinigung von kontaminierenden Partikeln durch bewegtes Wasser."

Der Wortlaut dieses Anspruchs ist identisch mit dem des Anspruchs 1 des Hilfsantrags IIIb.

X. Die Patentinhaber hielten die Änderungen im Anspruch 9 des Hauptantrags für zulässig gemäß Artikel 123(2) EPÜ. Das Merkmal, dass die Oberflächen mit Detergenzlösung ablösbar sind, sei unter anderem auf Seite 3 im dritten Absatz der Anmeldung in ihrer ursprünglichen Fassung offenbart. Das im Anspruch 9 des Hilfsantrags I und im Anspruch 1 des Hilfsantrags IIIb hinzugefügte Merkmal "von kontaminierenden Partikeln durch bewegtes Wasser" sei im Beispiel 1 offenbart.

Anspruch 9 des Hauptantrags sei klar. Dessen Formulierung "Verwendung eines Gegenstandes ... zur Selbstreinigung." stelle, analog zur zweiten medizinischen Indikation, die sinnfällige Herrichtung des Gegenstands für den genannten Zweck unter Schutz.

Bei den vorliegenden Verfahrensansprüchen sei der Verwendungszweck als technisches Merkmal anzusehen, das in Analogie zur Entscheidung G 02/88 die Neuheit gegenüber der Offenbarung des Dokuments (E1) begründe. Auch offenbare dieses Dokument in den Beispiele 7 und 8 des Dokuments (E1) nicht die Höhe der Erhebungen, sondern nur die Durchmesser der Wachsteilchen. Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags IIIb sei neu gegenüber der Offenbarung des Dokuments (E7), da die dort geschilderten Versuche keine Auskunft über die Abstände und Höhen der Erhebungen auf den erzielten Oberflächen geben.

Sie regten an, die Sache an die erste Instanz zur weiteren Prüfung zurückzuverweisen, falls die Kammer an der Einführung des Dokuments (E7) festhielte.

XI. Die Einsprechende bemängelte, das Merkmal, dass die "Oberflächen" mit Detergenzlösung ablösbar seien, sei nicht in Kombination mit den übrigen Merkmalen des Anspruchs 9 des Hauptantrags ursprünglich offenbart. Ferner sei die Erläuterung des Begriffs "Selbstreinigung" im Anspruch 9 des Hilfsantrags I und im Anspruch 1 des Hilfsantrags IIIb durch den Zusatz "von kontaminierenden Partikeln durch bewegtes Wasser" nur im Zusammenhang mit den im Beispiel 1 festgelegten Bedingungen offenbart.

Sie hielt den Anspruch 9 des Hauptantrags aufgrund der Formulierung "Verwendung eines Gegenstandes ... zur Selbstreinigung." für unklar.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags I sei nicht neu gegenüber der Offenbarung des Dokuments (E1), insbesondere im Hinblick auf dessen Beispiele 7, 8 und 11. Ferner sei der Gegenstand der Ansprüche 1 und 2 des Hilfsantrags IIIb nicht neu gegenüber der Offenbarung des Dokuments (E7).

XII. Die Kammer ließ die während der mündlichen Verhandlung vom 03. März 2009 eingereichten Hilfsanträge 3c und 3d nicht zum Verfahren zu.

XIII. Am Ende der mündlichen Verhandlung wurde die Entscheidung der Kammer verkündet.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerden sind zulässig.

2. Artikel 123 EPÜ

2.1 Das Merkmal des Anspruchs 9 des Hauptantrags "und wobei die Oberfläche mit Detergenzlösung ablösbar ist" ist in der ursprünglich eingereichten Fassung der Anmeldung auf Seite 3 im dritten Absatz offenbart, wo es heißt:

"Aufgabe der vorliegenden Erfindung war es, ein Verfahren zur Herstellung von selbstreinigenden Oberflächen zu entwickeln, wobei diese mit Detergenzlösungen ablösbar sind."

Dieses in der Aufgabenstellung formulierte Merkmal ist im direkten Zusammenhang mit den in den ursprünglich eingereichten Ansprüchen definierten Lösungen dieser Aufgabe zu sehen, also auch mit dem ursprünglichen Anspruch 8.

2.2 Das Merkmal "von kontaminierenden Partikeln durch bewegtes Wasser." im Anspruch 9 des Hilfsantrags I und im Anspruch 1 des Hilfsantrags IIIb ist in der ursprünglichen Fassung des Beispiels 1 der Anmeldung offenbart, wo es heißt: "Von derartigen Oberflächen werden kontaminierende Partikel durch bewegtes Wasser abgewaschen, wobei ... .". Durch die Wortwahl "Von derartigen Oberflächen ..." ist klar, dass sich dieses Merkmal nicht auf die bestimmten Bedingungen des Beispiels 1 beschränkt, sondern ganz allgemein die zu erzielenden "selbstreinigenden" Oberflächen kennzeichnet.

2.3 Die Kammer hat sich vergewissert, dass auch alle anderen Änderungen in den Ansprüchen des Hauptantrags und der Hilfsanträge I, II, III und IIIb gemäß Artikel 123(2) EPÜ zulässig sind.

2.4 Die Ansprüche dieser Anträge unterscheiden sich von denen der erteilten Fassung, dass im Hauptantrag Anspruch 9 nicht mehr auf einen Gegenstand sondern auf dessen Verwendung gerichtet ist und die Ansprüche der Hilfsanträge I, II, III und IIIb durch weitere Merkmale eingeschränkt sind.

2.5 Folglich sind die Änderungen gemäß Artikel 123(2) und (3) EPÜ zulässig.

3. Hauptantrag und Hilfsanträge II und III

Klarheit der Ansprüche gemäß Artikel 84 EPÜ

Ob ein Patentanspruch klar ist, muss im Einspruchs- und Einspruchsbeschwerdeverfahren geprüft werden, falls Änderungen an den erteilten Ansprüchen vorgenommen wurden. Unklare Ansprüche sind zu beanstanden, falls die mangelnde Klarheit durch diese Änderungen bedingt ist (siehe T 0023/86, ABl. EPA 1987, 316, Punkt 2 der Entscheidungsgründe).

Anspruch 9 des Hauptantrags, Anspruch 7 des Hilfsantrags II und Anspruch 1 des Hilfsantrags III enthalten jeweils die folgende Formulierung:

"Verwendung eines Gegenstands ... zur Selbstreinigung." (siehe oben unter Punkt VIII), während in der erteilten Fassung des Anspruchs 9 der Gegenstand als solches beansprucht wurde (siehe oben unter Punkt 2.4).

Es ist daher vorab zu prüfen, ob die so formulierten Verwendungsansprüche klar sind (Artikel 84 EPÜ).

Verwendungsansprüche sind Ansprüche für Tätigkeiten, die der Erzielung einer "Wirkung" dienen (siehe G 02/88, ABl. EPA 1990, 93, zweiter Absatz unter Punkt 5 und letzter Absatz unter Punkt 5.1 der Entscheidungsgründe). Ist ein Anspruch auf die Verwendung eines Gegenstands für einen bestimmten Zweck gerichtet, so besteht die Tätigkeit darin, den Gegenstand mit einem anderen in Wechselwirkung treten zu lassen, um den genannten Zweck zu erzielen. Der der oben zitierten Entscheidung G 02/88 zugrunde liegenden Fall betraf die Verwendung eines Stoffes als reibungsverringerndem Zusatz in einem Schmiermittel. Zur Erzielung der reibungsvermindernden Wirkung musste also das Schmiermittel mit dem zu schmierenden Werkstück in Kontakt gebracht werden.

Im Gegensatz hierzu ist aus dem vorliegenden Anspruchswortlaut "Verwendung eines Gegenstands zur Selbstreinigung", nicht erkennbar, worin die Tätigkeit ("Verwendung"), welche diese Wirkung ("Selbstreinigung") hervorruft, denn nun bestehen soll; oder ist der Anspruch gar so zu verstehen, dass die Reinigung selbsttätig bewirkt wird, ohne dass eine Tätigkeit im Sinne von G 02/88, notwendig wäre, so dass diese Wirkung eigentlich eine Eigenschaft des Gegenstands wäre.

Die derart formulierten Ansprüche 9 des Hauptantrags, 7 des Hilfsantrags II und 1 des Hilfsantrags III sind damit unklar im Sinne des Artikels 84 EPÜ.

Folglich sind diese Anträge nicht gewährbar.

4. Hilfsantrag I / Neuheit hinsichtlich Dokument (E1)

4.1 Der Anspruch 1 des Hilfsantrags I ist wortgleich mit dem oben unter Punkt V zitierten Anspruch 1 (siehe oben unter Punkt IX).

4.2 Dokument (E1) beschreibt im Beispiel 7 das Aufsprühen einer Dispersion eines Fluorkohlenwasserstoffwachses auf eine Glasplatte. Alle Bestandteile der Dispersion mit Ausnahme des Harzes sind flüchtig (siehe Spalte 12, Zeilen 34-35). Daher bildet sich nach dem Verdampfen der flüchtigen Bestandteile eine Beschichtung. Diese enthält außen Wachsteilchen mit einem Durchmesser von 5 bis 80 mym, welche jeweils 20 bis 160 mym voneinander entfernt sind. Für das Wachs wird ein Molekulargewicht von etwa 2000 angegeben; es ist also so niedermolekular, dass es ohne weiteres mittels einer Detergenzlösung ablösbar ist.

4.3 Streitig zwischen den Parteien war es, ob Dokument (E1) auch die Höhe der Erhebungen innerhalb des im Anspruch 1 des Hilfsantrags I angegebenen Bereichs von 0,1 bis 100 mym offenbart (siehe oben unter Punkt X und Punkt XI, jeweils im dritten Ansatz).

Die Patentinhaber haben zu Recht darauf hingewiesen, dass der angegebene Durchmesser der Wachsteilchen nicht mit der Höhe der Erhebungen in der Oberfläche gleichzusetzen ist, weil diese Teilchen teilweise in der Beschichtung versunken sind. Nur soweit sie aus der Beschichtung ragen, bilden sie die Rauheit der Oberfläche. Die Höhe der Erhebungen kann somit den Durchmesser der Wachsteilchen (also für das Beispiel 7 aus (E1) 5 bis 80 mym) nicht übersteigen.

Ferner wird die Wasserabstoßung der im Beispiel 7 des Dokuments (E1) erhaltenen Oberfläche im Vergleich mit einer entsprechenden glatten Oberfläche bestimmt ("smooth, flat surface"). Letztere ist definiert als eine Oberfläche, deren Erhebungen kleiner sind als 0,5 mym (siehe Spalte 2, Zeilen 22-24: "By a smooth surface is meant a surface having high portions not greater than about 0.5 micron in height."). Umgekehrt kann daraus geschlossen werden, dass die Höhe der Erhebungen der im Beispiel 7 erzeugten Oberfläche mindestens 0,5 mym beträgt.

Somit ergibt sich, dass die gewünschte, im Beispiel 7 erzeugte raue Oberfläche Erhebungen aufweist, die eine Höhe von mindestens 0,5 mym aufweisen und niedriger sind als der Durchmesser der Wachsteilchen, nämlich kleiner als 5 bis 80 mym. Das bedeutet, dass die Höhe der Erhebungen in der im Beispiel 7 des Dokuments (E1) geschaffenen Oberfläche innerhalb des im Anspruch 1 des Hilfsantrags I angegebenen Bereich von 0,1 bis 100 mym liegen muss.

4.4 Somit offenbart das Dokument (E1) im Beispiel 7 ein Verfahren, das alle im vorliegenden Anspruchs 1 aufgeführten Schritte umfasst.

4.5 Die Kammer kann sich nicht der Auffassung der Patentinhaber anschließen, dass das Merkmal "zur Herstellung von selbstreinigenden Oberflächen" gemäß der oben zitierten Entscheidung G 02/88 dem Gegenstand des Anspruchs 1 Neuheit zu verleihen vermag. Die Entscheidung G 02/88 betrifft ausschließlich Verwendungsansprüche; sie bejaht die Neuheit des Gegenstands solcher Ansprüche, sofern der Verwendungszweck auf einer neuen technischen Wirkung beruht (siehe Teil iii der Entscheidungsformel). Der vorliegende Anspruch 1 ist jedoch auf ein Herstellungsverfahren gerichtet. Sein Zweck ist erfüllt, sobald das gewünschte Produkt erhalten wird. Im Stand der Technik nicht beschriebene Eigenschaften des Produkts gehören nicht zum Zweck des Herstellungsanspruchs. Sie können seinem Gegenstand keine Neuheit verleihen, sofern das gemäß dem im Stand der Technik beschriebenen Verfahren hergestellte Produkt diese Eigenschaften tatsächlich, wenn auch bisher unerkannt, aufweist.

Dass die gemäß Beispiel 7 des Dokuments (E1) hergestellte Oberfläche tatsächlich selbstreinigend ist, wurde von den Parteien nicht bestritten. Dies mag sich auch daraus ergeben, dass diese Oberfläche die im Anspruch 1 definierte hydrophobe Oberflächenstruktur besitzt, die gemäß Absatz [0009] des Streitpatents eine selbstreinigende Wirkung hervorruft.

4.6 Aus diesen Gründen ist der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags I nicht neu gegenüber der Offenbarung des Dokuments (E1). Daher ist auch dieser Antrag nicht gewährbar.

5. Dokument (E7)

Dokument (E7) nennt als Autoren die Inhaber und Erfinder des Streitpatents und wurde im Jahr vor dem Prioritätsdatum des Streitpatents veröffentlicht.

Mehr als fünf Monate vor der mündlichen Verhandlung wies die Kammer in einem Bescheid auf die ihrer Ansicht nach relevanten Stellen des Dokuments und die Ansprüche hin, deren Gegenstand möglicherweise durch diese Offenbarung neuheitsschädlich vorweggenommen sein könnte.

Unter diesen Umständen hatten die Patentinhaber genügend Gelegenheit, sich auf die Erörterung der Neuheit des Gegenstands der Ansprüche im Lichte dieses Dokuments während der mündlichen Verhandlung vorzubereiten. Somit konnte die Kammer von ihrem Ermessensspielraum gemäß Artikel 111 (1) EPÜ insofern Gebrauch machen, dass sie sich entschloss, in der Sache zu entscheiden und nicht den Fall an die erste Instanz zurückzuverweisen.

6. Hilfsantrag IIIb / Neuheit gegenüber Dokument (E7)

6.1 Der Wortlaut des Anspruchs 1 dieses Hilfsantrags ist oben unter Punkt IX angegeben.

6.2 Dokument (E7) beschreibt die Selbstreinigungsfähigkeit mikrostrukurierter Oberflächen (siehe Titel). Solche selbstreinigenden Oberflächen kann man künstlich erzeugen, u. a. indem man

- einen Glasobjektträger über eine Kerzenflamme hält, wobei sich auf dem Glas Ruß und Paraffinwachs niederschlagen, oder

- auf eine Oberfläche eine Mischung aus geschmolzenem Wachs und feinem Staub in geeignetem Mischungsverhältnis dünn mit dem Pinsel aufträgt. (siehe Das Kapitel "Versuch 4: Nachbau einfacher Oberflächen" auf den Seiten 319 und 320).

6.3 Die Patentinhaber haben bezweifelt, dass diese künstlich hergestellten Oberflächen Erhebungen im Bereich der im Anspruch 1 angegebenen Höhen und Abständen aufweisen (siehe oben unter Punkt X, dritter Absatz).

6.4 Jedoch erwähnt das Dokument (E7) auch, der selbstreinigende Effekt beruhe "... auf einer hydrophoben, aufgerauhten Oberfläche, wobei der Abstand der Strukturen etwa 5-50 mym betragen sollte und ihre Höhe 5-20 mym.". Dieses Zitat befindet sich ebenfalls im Kapitel "Versuch 4: Nachbau einfacher Oberflächen" und zwar im Unterkapitel "Prinzip", das der Beschreibung der Durchführung dieser Versuche unmittelbar vorangeht (siehe Seite 319, zweiter Absatz der rechten Spalte). Folglich bezieht er sich auf die in diesen Versuchen künstlich geschaffenen Oberflächen. Also offenbart das Dokument (E7), dass die im "Versuch 4" geschaffenen künstlichen Oberflächen Erhebungen im Abstand von 5-50 mym mit einer Höhe von 5-20 mym aufweisen. Diese Abmessungen liegen innerhalb der im Anspruch 1 des Hilfsantrags IIIb definierten Bereiche. Somit offenbaren die "Versuche 4" des Dokuments (E7) alle Merkmale dieses Anspruchs, so dass dessen Gegenstand nicht mehr neu ist.

7. Hilfsanträge 3c und 3d

7.1 Gemäß Artikel 13 (1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern steht es "... im Ermessen der Kammern, Änderungen des Vorbringens eines Beteiligten nach Einreichung der Beschwerdebegründung oder Erwiderung zuzulassen und zu berücksichtigen. Bei der Ausübung des Ermessens werden insbesondere die Komplexität des neuen Vorbringens, der Stand des Verfahrens und die gebotene Verfahrensökonomie berücksichtigt."

7.2 Anspruch 1 des Hilfsantrags 3c ist wortgleich mit Anspruch 9 des Hilfsantrags IIIb. Daher hätte Hilfsantrag 3c aus den oben unter Punkt 6 genannten Gründen nicht als gewährbar erachtet werden können; er wurde deshalb nicht zum Verfahren zugelassen.

7.3 Anspruch 1 des Hilfsantrags 3d unterscheidet sich vom Anspruch 1 des Hilfsantrags 3c durch den Zusatz ", wobei der Gegenstand ausgewählt wird aus der Gruppe bestehend aus lichtdurchlässiger Verglasung von Gebäuden, Fahrzeugen und Sonnenkollektoren, Hausfassaden, Dächern, Denkmälern, Zelten, Autos, Zügen und Flugzeugen". Dieses zusätzliche Merkmal stammt aus der Beschreibung (siehe den zweiten und dritten Absatz auf Seite 5 der Beschreibung in ihrer ursprünglich eingereichten Fassung).

Es war nicht unmittelbar erkennbar, dass dieses zusätzliche Merkmal - eigentlich nur eine Angabe der wichtigsten Anwendungsgebiete des Anspruchsgegenstands - diesem Neuheit verleihen könnte. Überdies hatte die Einsprechende nicht mit derart geänderten Ansprüchen rechnen können, so dass es zweifelhaft war, ob ihr deren Diskussion während der laufenden mündlichen Verhandlung zumutbar gewesen wäre. Daher war auch der Hilfsantrag 3d nicht zum Verfahren zuzulassen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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