T 0623/05 () of 18.12.2006

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2006:T062305.20061218
Datum der Entscheidung: 18 Dezember 2006
Aktenzeichen: T 0623/05
Anmeldenummer: 02017736.6
IPC-Klasse: A61B 6/08
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: System zur Patientenpositionierung für die Strahlentherapie/Radiochirurgie basierend auf magnetischem Tracking eines Implantats
Name des Anmelders: BrainLAB AG
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.2.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 52(4)
Schlagwörter: Chirurgisches Verfahren (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0001/04
T 0019/86
T 0290/86
T 0820/92
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung des EPA vom 25. Januar 2005, mit der die europäische Patentanmeldung 02 017 736.6 zurückgewiesen wurde.

Die Prüfungsabteilung war der Auffassung, dass der Gegenstand der ursprünglich eingereichten Ansprüche 1 bis 15 ein Verfahren zur Positionierung eines Patienten bzw. zur Zielvolumenerfassung in der Strahlentherapie/Radiochirurgie betreffe, bei dem mindestens ein Implantat in der Umgebung des Behandlungsziels in einen Patienten eingebracht werden müsse und das Verfahren deshalb ein Verfahren zur chirurgischen Behandlung des menschlichen Körpers sei, das von der Patentierbarkeit nach Artikel 52 (4) EPÜ ausgeschlossen ist.

II. Die Beschwerdeführerin (Patentanmelderin) hat gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung die am 18. Februar 2005 eingegangene Beschwerde eingelegt und die Beschwerdegebühr am selben Tag entrichtet. Die Beschwerdebegründung wurde am 20. April 2005 eingereicht.

Die Beschwerdeführerin beantragt, die angegriffene Entscheidung aufzuheben und die Angelegenheit an die erste Instanz zurückzuverweisen, um das Prüfungsverfahren auf der Grundlage der mit dem Telefax vom 13. November 2006 eingereichten Ansprüche 1 bis 14 fortzusetzen.

III. Die unabhängigen Ansprüche 1 und 13 lauten wie folgt:

"1. Verfahren zur Positionierung eines Patienten bzw. zur Zielvolumenerfassung in der Strahlentherapie/Radiochirurgie, bei dem mindestens ein Implantat in der Umgebung des Behandlungsziels positionell referenziert bzw. registriert wird, wobei mindestens ein Implantat mittels eines elektromagnetischen Feldes induktiv angeregt wird, und wobei die Abstrahlung mindestens eines Implantats erfasst und zur Positions- bzw. Orientierungsbestimmung des Implantats verwendet wird, um hieraus die aktuelle Position des Zielvolumens zu bestimmen.

13. Verfahren zur atemabhängigen Aufnahme diagnostischer 2- oder 3D Bilddatensätze, bei dem mindestens ein Implantat mittels eines elektromagnetischen Feldes induktiv angeregt wird, und wobei die Abstrahlung mindestens eines Implantats erfasst und zur Positions- bzw. Orientierungsbestimmung des Implantats verwendet wird, um dadurch eine Bilddatenaufnahme in Abhängigkeit von der Implantatposition bzw. -orientierung durchzuführen."

Ansprüche 2 bis 12 und 14 sind abhängige Ansprüche.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Artikel 123 (2) EPÜ

2.1 Ansprüche 2, 3 und 13 (vormals 14) sind durch das Streichen des Merkmals geändert worden, wonach das Implantat in der Nähe des zu bestrahlenden Gebietes eingebracht wird.

Die Erfindung gemäß Anspruch 1 betrifft ein Verfahren zur exakten Positionierung eines Patienten in der Strahlentherapie bzw. Radiochirurgie, bei dem mindestens ein Implantat in der Umgebung des Behandlungsziels positionell referenziert bzw. registriert wird. Das Einbringen des Implantats erfolgt vor diesem Verfahren und ist kein Schritt dieses Verfahrens. Das das Einbringen des Implantats betreffende Merkmal kann daher aus den Ansprüchen 2 und 3 gestrichen werden.

Anspruch 13 betrifft ein Verfahren zur atemabhängigen Aufnahme diagnostischer 2- oder 3D Bilddatensätze, bei dem mindestens ein Implantat angeregt wird, und wobei die Abstrahlung des Implantats erfasst und zur Positions- bzw. Orientierungsbestimmung des Implantats verwendet wird, um dadurch eine Bilddatenaufnahme in Abhängigkeit von der Implantatposition bzw. ­orientierung durchzuführen.

Auch hier erfolgt das Einbringen des Implantats vor dem Verfahren zur atemabhängigen Aufnahme der Bilddatensätze und stellt keinen Schritt dieses Verfahrens dar. Das das Einbringen des Implantats betreffende Merkmal kann daher ebenso aus dem Anspruch 13 gestrichen werden.

2.2 Ferner sind aus den Ansprüchen 2-4 die Schritte, die als therapeutische Schritte erachten werden könnten, gestrichen worden. Diese Schritte sind keine für die Lösung der gegebenen technischen Aufgabe notwendigen Schritte und können daher ebenfalls aus den Ansprüchen gestrichen werden.

3. Verfahren nach Artikel 52 (4) EPÜ

3.1 Nach Artikel 52 (4) EPÜ gelten Verfahren zur chirurgischen oder therapeutischen Behandlung des menschlichen oder tierischen Körpers und Diagnostizierverfahren, die am menschlichen oder tierischen Körper vorgenommen werden, nicht als gewerblich anwendbare Erfindungen und sind daher nicht patentfähig. Nach der Rechtsprechung der Beschwerdekammern ist Artikel 52 (4) EPÜ, wie jede Ausnahmeregelung, eng auszulegen.

Unter einer therapeutischen oder chirurgischen Behandlung ist eine Behandlung zu verstehen, die zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit dient (siehe z.B. T 19/86, ABl. EPA 1989, 24; T 290/86, ABl. EPA 1992, 414; T 820/92, ABl. EPA 1995, 113).

3.2 Anspruch 1 betrifft ein Verfahren zur Positionierung eines Patienten bzw. zur Zielvolumenerfassung in der Strahlentherapie/Radiochirurgie, das selbst nicht zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit dient, sondern lediglich dazu, einen Patienten für einen späteren strahlentherapeutischen oder radiochirurgischen Eingriff genau zu positionieren.

Selbst wenn dieser spätere Eingriff ein therapeutisches oder chirurgisches Verfahren darstellen sollte, kann daraus nicht gefolgert werden, dass auch ein Verfahren, das in irgendeiner Weise damit in Zusammenhang steht, im vorliegenden Fall durch die Positionierung des Patienten, ebenfalls einen therapeutischen oder chirurgischen Charakter erlangt. Eine solche Annahme würde zu einer unzulässigen Ausweitung der Ausnahmebestimmungen gemäß Artikel 52 (4) EPÜ führen und wäre direkt gegen die Maßgabe einer engen Auslegung dieses Artikels gerichtet.

Ebenso würde die Annahme, dass das Einbringen eines Implantats implizit ein Teil des beanspruchten Verfahrens ist, gegen diese Maßgabe verstoßen. Dies gilt umso mehr, als vorangehend (siehe Abschnitt 2 weiter oben) dargelegt wurde, dass dieses Einbringen dem beanspruchten Verfahren vorausgeht und keinen Schritt dieses Verfahrens darstellt.

Aus diesen Gründen betrifft Anspruch 1 weder ein chirurgisches noch ein therapeutisches Verfahren das gemäß Artikel 52 (4) EPÜ vom Patentschutz ausgeschlossen ist.

3.3 Anspruch 13 betrifft ein Verfahren zur atemabhängigen Aufnahme diagnostischer 2- oder 3D Bilddatensätze.

Schon aus diesem Wortlaut ist zu entnehmen, dass auch dieses Verfahren nicht zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit dient, sondern lediglich zur Beschaffung von Datensätzen für eine spätere Behandlung.

Was das Einbringen des Implantats betrifft, gelten die gleichen Überlegungen wie für Anspruch 1. D.h., es kann nicht angenommen werden, dass das Einbringen des Implantats implizit ein Teil des beanspruchten Verfahrens ist.

3.4 Folglich betrifft auch der Anspruch 13 kein chirurgisches oder therapeutisches Verfahren, das nach Artikel 52 (4) EPÜ vom Patentschutz ausgeschlossen ist.

3.5 Nach G 1/04 ist der Gegenstand eines Anspruchs als ein am menschlichen oder tierischen Körper vorgenommenes Diagnostizierverfahren anzusehen, das unter das Patentierungsverbot des Artikels 52 (4) EPÜ fällt, wenn der Anspruch die Diagnose zu Heilzwecken im strengen Sinne, also die deduktive human- oder veterinärmedizinische Entscheidungsphase als rein geistige Tätigkeit sowie die vorausgehenden Schritte, die für das Stellen dieser Diagnose konstitutiv sind, umfasst.

Da die Ansprüche 1 und 13 keines dieser Merkmale enthält, betreffen sie auch kein Diagnoseverfahren im Sinne von Artikel 52 (4) EPÜ.

3.6 Auch die abhängigen Ansprüche 2 bis 12 und 14 enthalten keine Merkmale, die dazu führen könnten, dass die darin beanspruchten Verfahren nach Artikel 52 (4) EPÜ nicht patentierbar sind.

4. Nachdem die Entscheidung der ersten Instanz ausschließlich auf Artikel 52 (4) EPÜ gestützt war, hält es die Kammer bei der dargestellten Sachlage für angemessen, die Angelegenheit gemäß Artikel 111 (1) EPÜ zur weiteren Prüfung an die erste Instanz zurückzuverweisen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Anordnung, das Prüfungsverfahren auf der Grundlage der mit Telefax vom 13. November 2006 eingereichten Ansprüche 1 bis 14 fortzusetzen.

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