European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2006:T013304.20060426 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 26 April 2006 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0133/04 | ||||||||
Anmeldenummer: | 89120169.1 | ||||||||
IPC-Klasse: | C08G 63/08 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Kontinuierliches Verfahren zur Herstellung von resorbierbaren Polyestern und deren Verwendung | ||||||||
Name des Anmelders: | Boehringer Ingelheim Pharma GmbH & Co.KG, et al | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Solvay (Société Anonyme) Fortum Oil and Gas Oy |
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Kammer: | 3.3.03 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Änderungen - Erweiterung - bejaht | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Erteilung des europäischen Patents Nr. 0 372 221 auf die europäische Anmeldung Nr. 89120169.1 angemeldet am 31. Oktober 1989 unter Beanspruchung der Priorität vom 1. November 1988 der deutschen Voranmeldung DE 383 70 84 und am 13. Juni 1990 veröffentlicht wurde am 19. Januar 2000 (Patentblatt 2000/03) auf der Basis von 5 Ansprüchen bekannt gemacht. Patentinhaberinnen sind die Firmen Boehringer Ingelheim Pharma KG und Boehringer Ingelheim International GmbH.
Anspruch 1 hatte folgenden Wortlaut:
"1. Verfahren zur Herstellung resorbierbarer Polyester aus der Gruppe,
Poly(L-lactid), Poly(D,L-lactid)
Poly(meso-lactid), Poly(glycolid)
Poly(trimethylencarbonat)
Poly(epsilon-caprolacton)
Poly(L-lactid-co-D,L-lactid)
Poly(L-lactid-co-meso-lactid)
Poly(L-lactid-co-glycolid)
Poly(L-lactid-co-trimethylencarbonat)
Poly(L-lactid-co-epsilon-caprolacton)
Poly(D,L-lactid-co-meso-lactid)
Poly(D,L-lactid-co-glycolid)
Poly(D,L-lactid-co-trimethylencarbonat)
Poly(D,L-lactid-co-epsilon-caprolacton)
Poly(meso-lactid-co-glycolid)
Poly(meso-lactid-co-trimethylencarbonat)
Poly(meso-lactid-co-epsilon-caprolacton)
Poly(glycolid-co-trimethylencarbonat)
Poly(glycolid-co-epsilon-caprolacton)
dadurch gekennzeichnet, dass das Polymerisations-Verfahren kontinuierlich in einem Doppelschneckenextruder, der mit temperierbaren Heizsegmenten versehen ist, unter Zwangsförderung durchgeführt wird, wobei die Menge an eingesetztem Katalysator 0,06 g auf 100 g eingesetzte Monomere nicht überschreitet."
Ansprüche 2-5 waren abhängige Ansprüche und betrafen bevorzugte Ausführungsformen des Verfahrens nach Anspruch 1.
II. Gegen die Erteilung des Patents wurden am 19. Oktober 2000 zwei Einsprüche eingelegt.
Eingesprochen haben die Firmen Solvay SA sowie Fortum Oil and Gas Oy.
Die Einsprechende Solvay machte die Einspruchsgründe der mangelnden Neuheit und mangelnden erfinderischen Tätigkeit gemäß Artikel 100(a) EPÜ sowie den Grund, dass der Gegenstand des Patents über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus gehe gemäß Artikel 100(c) EPÜ geltend.
Die Einsprechende Fortum Oil and Gas Oy stützte ihren Einspruch auf die Gründe der mangelnden erfinderischen Tätigkeit gemäß Artikel 100(a) EPÜ, mangelnden Offenbarung gemäß Artikel 100(b) EPÜ sowie den Grund, dass der Gegenstand des Patents über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehe gemäß Artikel 100(c) EPÜ.
Unter anderem wurde das Dokument:
E1: FR-A-1 330 721
von den Einsprechenden zitiert.
III. Mit der am 12. Dezember 2003 mündlich verkündeten und am 13. Januar 2004 zur Post gegebenen Entscheidung widerrief die Einspruchsabteilung das Patent. Der Entscheidung lag ein Haupt- sowie 13 Hilfsanträge zugrunde.
Anspruch 1 des Hauptantrags hatte folgenden Wortlaut:
"1. Polymerisationsverfahren zur Herstellung resorbierbarer Polyester aus der Gruppe
Poly(L-lactid) mit einer inhärenten Viskosität zwischen 1 und 10 dl/g,
Poly(D,L-lactid) mit einer inhärenten Viskosität zwischen 0,1 und 4,0 dl/g,
Poly(meso-lactid) mit einer inhärenten Viskosität zwischen 0,1 und 4,0 dl/g,
Poly(glycolid) mit einer inhärenten Viskosität zwischen 1,0 und 1,6 dl/g,
Poly(L-lactid-co-D,L-lactid) mit einem Monomerenverhältnis zwischen 99:1 und
1:99, bevorzugt zwischen 99:1 und 50:50,
Poly(L-lactid-co-meso-lactid) mit einem Monomerenverhältnis zwischen 99:1 und
1:99, bevorzugt zwischen 99:1 und 50:50,
Poly(L-lactid-co-glycolid) mit einem Monomerenverhältnis zwischen 99:1 und 50:50, sowie zwischen 20:80 und 1:99,
Poly(D,L-lactid-co-glycolid) mit einer inhärenten Viskosität zwischen 0,1 und 2,0 dl/g und einem Monomerenverhältnis zwischen 99:1 und 45:55,
Poly(g1yco1id-co-trimethylencarbonat) mit einer inhärenten Viskosität zwischen 0,5 und 3,0 dl/g
dadurch gekennzeichnet dass die entsprechenden Monomerteilchen zusammen mit einem Polymerisationskatalysator ausgewählt aus der Gruppe Zinnoctoat und Zinnsalze, insbesondere SnCl2 x 2H2O oder Zinn(II)-di-2-ethylhexanoat, homogen gemischt werden und in einem Doppelschneckenextruder, der mit temperierbaren Heizsegmenten versehen ist, unter kontinuierlicher Zwangsförderung polymerisiert werden, wobei die Menge an Polymerisationskatalysator bis zur 0,06 g auf 100 g Monomer beträgt."
Ansprüche 2-4 waren abhängige Ansprüche und betrafen bevorzugte Ausführungsformen des Verfahrens gemäß Anspruch 1. Der neu während des Einspruchsverfahrens hinzugekommene Anspruch 5 betraf die Verwendung eines resorbierbaren Polymeres, hergestellt nach dem Verfahren gemäß einem der Ansprüche 1-4 zur Herstellung von chirurgischen Gegenständen oder pharmazeutischen Wirkstoffträgern.
Der 1. Hilfsantrag unterschied sich von dem Hauptantrag dadurch, dass die Menge des Polymerisationskatalysators auf einem Bereich zwischen 0,0057 g auf 100 g Monomer und 0,06 g auf 100 g Monomer eingeschränkt war.
Anspruch 1 des 2. Hilfsantrags unterschied sich vom Hauptantrag dadurch, dass die generelle Obergrenze von 0,06 g Polymerisationskatalysator auf 100 g Monomer ersetzt wurde durch Obergrenzen von 0,06 g Zinn(II)-di-2-ethylhexanoat auf 100 g Monomer, bzw. 0,02 g SnCl2 x H2O auf 100 g Monomer oder 0,01 g SnCl2 x H2O auf 100 g Monomer für jeweils andere Polymertypen.
Der Anspruch 1 des 3. Hilfsantrags wurde gegenüber Anspruch 1 des 2. Hilfsantrags bezüglich der Gruppe von Polymeren und Polymerisationskatalysatoren beschränkt, ebenfalls mit verschiedenen Obergrenzen der Polymerisationskatalysatormenge pro Polymertyp.
Der Anspruch 1 des 4. Hilfsantrags wurde auf die Herstellung von Poly(lactid) bzw. Poly(lactid-co-glycolid) mit Zinn(II)-di-2-ethylhexanoat als Polymerisationskatalysator in einer Menge von bis zu 0,06 g Polymerisationskatalysator auf 100 g Monomer beschränkt.
Die Hilfsanträge 5 bis 9 betrafen Verwendungsansprüche von Polymeren, erhältlich durch Verfahren wie definiert in dem Hauptantrag und den Hilfsanträgen 1-4.
Anspruch 1 des 10. Hilfsantrags richtete sich auf die Herstellung von Polymeren, welche in den Beispielen erwähnt sind, unter Verwendung von Polymerisationskatalysatoren, welche in den Beispielen eingesetzt sind, mit der Ober- respektive Untergrenze gemäß Anspruch 1 des 1. Hilfsantrags.
Hilfsantrag 11 betraf die Herstellung von Poly(lactid) bzw. Poly(lactid-co-glycolid) mit Zinn(II)-di-2-ethylhexanoat oder SnCl2 x H2O als Polymerisationskatalysator in einer Menge zwischen 0,01 und 0,06 g Katalysator auf 100 g Monomer.
Der jeweilige Anspruch 1 der 12. und 13. Hilfsanträge betraf die Verwendung von Polymeren erhältlich mit den Verfahren gemäß dem 10. bzw. 11. Hilfsanträgen.
a) Gemäß der Entscheidung genügte der Hauptantrag den Erfordernissen des Artikels 123 (2) EPÜ nicht, weil das Merkmal "wobei die Menge an Polymerisations katalysator bis zu 0,06 g auf 100 g Monomer beträgt" nicht eindeutig den ursprünglichen Unterlagen entnommen werden konnte. Auch wurde in der Entscheidung festgestellt, dass die Beschreibung keine Angabe hinsichtlich den Bereichen oder Einzelwerten der Verfahrensparameter Katalysatorkonzentration, Verweilzeit, Temperatur, Anzahl der Temperatursegmente im Extruder enthalte. Im Stand der Technik, bei dem ebenfalls vor allem Zinnkatalysator zur Herstellung von biologisch abbaubaren Polymeren eingesetzt wurden, wurde ebenfalls keine Obergrenze für den Katalysatorgehalt erwähnt. Die Beispiele würden punktuelle Untersuchungen darstellen, worin mehrere Faktoren variiert wurden. Die Tatsache, dass die Beispiele 3 bis 5 (Katalysatorgehalt von 0,06 g/100 g Monomer) mit moderaten Durchsätzen von 120 bzw. 400 g/Std durchgeführt wurden, würde darauf hindeuten, dass eine Anhebung sowohl des Katalysatorgehalts also auch des Durchsatzes möglich wäre. Die Anmeldung würde demnach nicht unwiderruflich und zweifelsfrei offenbaren, dass die Obergrenze des Katalysatorgehalts bei einem Wert von 0,06 g Katalysator auf 100 g Monomer liegen müsse. Auch wenn es möglich wäre, einen Wert aus den Beispielen als obere Grenze eines Bereiches in den Anspruch aufzunehmen - was die Einspruchsabteilung verneinte - wäre die anspruchsgemäße Obergrenze aus einem anderen Grund nicht zulässig. Anspruch 1 des Hauptantrags umfasst mehrere Polymere, deren Herstellung in den Beispielen nicht offenbart wird, sowie eine Vielzahl von Zinnsalzen mit unbekannter katalytischer Aktivität. Die Ausdehnung der Lehre hinsichtlich der Katalysatormenge der Beispiele 3-5, die die (Co)Polymerisation von Lactid mit Zinnoctoat als Katalysator offenbaren, auf den vollen Umfang des Anspruchs 1 würde eine unzulässige Erweiterung bedeuten.
b) Auch die Ober- bzw. Untergrenzen des Katalysatorgehalts gemäß den Ansprüchen der Hilfsanträge wären aus analogen Gründen nicht in der ursprünglich eingereichten Anmeldung offenbart worden.
c) Folglich wurde das Patent widerrufen.
IV. Gegen diese Entscheidung wurde am 5. Januar 2004 unter gleichzeitiger Entrichtung der vorgeschriebenen Gebühr von der Patentinhaberin Beschwerde eingelegt.
V. Die Beschwerdebegründung ging am 12. Mai 2004 ein.
Die Beschwerdeführerin legte einen Hauptantrag und sechs Hilfsanträge vor.
a) Der Hauptantrag entsprach dem oben zitierten Hauptantrag, der die Grundlage der Entscheidung der Einspruchsabteilung darstellte. Die 1. bis 5. Hilfsanträge entsprachen den angegebenen 1. bis 4. resp. dem 11. Hilfsantrag, der die Grundlage der Entscheidung der Einspruchsabteilung darstellten. Der 6. Hilfsantrag entsprach dem dritten Hilfsantrag mit dem Unterschied, dass die Katalysatormengen als Punktwerte, nicht als Wertbereiche angegeben wurden. So hatte Anspruch 1 dieses Antrages folgenden Wortlaut: "1. Polymerisationsverfahren zur Herstellung resorbierbarer Polyester aus der Gruppe, Poly(glycolid) mit einer inhärenten Viskosität zwischen 1,0 und 1,6 dl/g, Poly(L-lactid) mit einer inhärenten Viskosität zwischen 1 und 10 dl/g, Poly(D,L-lactid) mit einer inhärenten Viskosität zwischen 0,1 und 4,0 dl/g, Poly(D,L-lactid-co-glycolid) mit einer inhärenten Viskosität zwischen 0,1 und 2,0 dl/g und einem Monomerenverhältnis zwischen 99:1 und 45:55, Poly(glycolid-co-trimethylencarbonat) mit einer inhärenten Viskosität zwischen 0,5 und 3,0 dl/g, dadurch gekennzeichnet, dass die entsprechenden Monomerteilchen zusammen mit einem Polymerisationskatalysator ausgewählt aus der Gruppe Zinn(II)-di-2-ethylhexanoat oder SnCl2 x 2H2O homogen gemischt werden und in einem Doppelschneckenextruder, der mit temperierbaren Heizsegmenten versehen ist, unter kontinuierlicher Zwangsförderung polymerisiert werden, wobei für die Herstellung von Poly(L-lactid), Poly(D,L-lactid) oder Poly(D,L-lactid-co-glycolid) als Katalysator Zinn(II)-di-2-ethylhexanoat in einer Menge von 0,06 g auf 100 g Monomer verwendet wird, für die Herstellung von Poly(glycolid) als Katalysator SnCl2 x 2H2O in einer Menge von 0,01 oder 0,02 g auf 100 g Monomer verwendet wird und für die Herstellung von Poly(glycolid-co-trimethylencarbonat) als Katalysator SnCl2 x 2H2O in einer Menge von 0,015 oder 0,006 g auf 100 g Monomer verwendet wird."
Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Verfahren an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen, um der Frage der erfinderischen Tätigkeit weiter nachzugehen.
b) Die Beschwerdeführerin trug vor, dass es sich bei der Erfindung um ein katalysiertes Verfahren handelte, wobei als Katalysatoren Zinnsalze oder Zinnoctoat als gleichberechtigte bevorzugte Katalysatoren eingesetzt werden. Es gäbe keine Differenzierung zwischen diesen beiden Katalysatoren. Die Anwesenheit des Katalysators werde gegenüber allen anderen verfahrensrelevanten Merkmalen hervorgehoben. Der Parameter Katalysatorkonzentration sei ferner an bestimmte Viskositätswerte des Produkts geknüpft, wodurch sich die weitere Wertung der Bedeutung der anderen Reaktionsparameter erübrige. Die Patentanmeldung weise auf die Bedeutung der Katalysatorkonzentration hin. Auf Seite 4, Zeile 26 der Anmeldung werde angegeben, dass die inhärente Viskosität der erhaltenen Produkte über die Katalysatorkonzentration gesteuert werden könne. Hierdurch werde eine eindeutige Verknüpfung zwischen dem gezielten Einstellen der inhärenten Viskosität und der Menge an verwendetem Katalysator offenbart. Diese Verknüpfung zwischen inhärenter Viskosität und Katalysatorgehalt finde sich in den Ansprüchen aller Anträge wieder. Auch aus dem allgemeinen Fachwissen, wie durch E1 belegt, wisse der Fachmann von der Bedeutung des Katalysatorgehalts für verschiedene reaktionsrelevante Parameter. Hieraus ergebe sich jedoch zwangsläufig die Frage der Quantität. Der Fachmann würde diese Frage durch Heranziehen der Beispiele klären. Gemäß der Erfindung seien die zwei beispielhaft verwendeten Katalysatorsysteme gleichberechtigt und somit austauschbar. Aus den Beispielen würde der Fachmann erkennen, dass die Katalysatormenge von geringen Mengen bis zu einem Wert von 0,06 g auf 100 g Monomer betrage, woraus der Fachmann entnehmen würde, dass das erfindungsgemäße Verfahren mit einer oberen Grenze an Katalysator gehalt von 0,06 g Katalysator auf 100 g Monomer durchführbar sei.
Es wurde zur Stützung dieses Vorbringens auf die Entscheidungen T 343/90 (26. Mai 1992, nicht im ABl. EPA veröffentlicht) und T 2/81 (ABl. EPA 1982, 394) verwiesen.
VI. Mit Schreiben vom 12. Februar 2004 und 23. September 2004 beantragte die Einsprechende Fortum Oil and Gas Oy, die Beschwerde zurückzuweisen.
a) Es wurde bestritten, dass ein Katalysator zwingend erforderlich sei, da die Definition der Ansprüche die Abwesenheit eines Katalysators nicht ausschließe. Auch aus der Beschreibung (angegeben als S. 4 Z. 44-46, richtigerweise Z. 54-56) der Patentschrift gehe hervor, dass bevorzugt katalysatorfreie Polymere eingesetzt werden. Da das Patent keine Methode zum Entfernen des Katalysators offenbaren würde, bedeute dies, dass die Anwesenheit eines Katalysators nicht zwingend sei.
b) Es wurde bestritten, dass die zwei Katalysatoren Sn-Octoat und Sn-Salze frei austauschbar seien. Die allgemeine Beschreibung enthalte keine Angaben darüber, welcher der Katalysatoren bevorzugt seien oder hinsichtlich der einzusetzenden Menge der Katalysatoren. Aus den Beispielen gehe hervor, dass die Art sowie Menge des Katalysators von dem herzustellenden Polymer abhänge.
c) Eine eindeutige Korrelation zwischen einzusetzender Katalysatormenge und inhärenter Viskosität ist dem Patent nicht zu entnehmen. Viele Parameter wie Temperatur, Verweilzeit und Temperaturführung beeinflussen die inhärente Viskosität.
d) Auch aus den Beispielen lässt sich keine eindeutige verallgemeinbare Korrelation erkennen. Ferner lassen die Beispiele den Schluss nicht zu, dass eine Konzentration von 0,06 Gew-% oder jede andere in den Beispielen definierten Menge einen Grenzwert darstelle. Gemäß Beispiel 4 wird unter Einsatz von 0,06 g Sn Octoat als Katalysator ein Polymer hergestellt. Die inhärente Viskosität des erhaltenen Polymers beträgt 1,2 dl/g, und liege somit in der Mitte des anspruchsgemäß definierten inhärenten Viskositätsbereiches von 0,1-4,0 dl/g. Folglich würde der Fachmann erkennen, dass Polymere mit einer inhärenten Viskosität innerhalb des anspruchsgemäßen Bereiches durch Modifizierung (vergrößern bzw. verkleinern) der Menge an Katalysator unterhalb/oberhalb der Menge von 0,06 Gew-% erhalten werden könnten.
e) Dieser Einwand wurde ebenfalls im Hinblick auf die Hilfsanträge 1-5 erhoben.
f) Hinsichtlich Hilfsantrag 6 wurde bestritten, dass es zulässig sei, die spezifischen Mengen der Katalysatoren aus dem Kontext der Beispiele herauszulösen. Ferner wurde darauf hingewiesen, dass bestimmte Werte im Hilfsantrag 6 gegenüber den Beispielen abgerundet worden seien mit dem Ergebnis, dass der Gegenstand des Anspruchs nicht durch die ursprüngliche Offenbarung gedeckt sei.
VII. Mit Schreiben der Kammer vom 27. Januar 2006 erging eine Ladung zur mündlichen Verhandlung.
VIII. Mit Schreiben vom 15. März 2006 legte die Beschwerdeführerin zwei weitere Hilfsanträge (7. und 8. Hilfsantrag) vor.
Die jeweiligen Ansprüche 1 der 7. und 8. Hilfsanträge hatten folgenden Wortlaut:
Hilfsantrag 7:
" 1. Polymerisationsverfahren zur Herstellung des resorbierbaren Polyesters
Poly(D,L-lactid-co-glycolid) mit einer inhärenten Viskosität zwischen 0,1 und 2,0 dl/g und einem Monomerenverhältnis zwischen 99:1 und 45:55,
dadurch gekennzeichnet, dass die entsprechenden Monomerteilchen zusammen mit dem Polymerisationskatalysator Zinn(II)-di-2-ethylhexanoat homogen gemischt werden und in einem Doppelschneckenextruder, der mit temperierbaren Heizsegmenten versehen ist, unter kontinuierlicher Zwangsförderung polymerisiert werden, wobei Katalysatormengen von mehr als 0,06 g auf 100 g eingesetzte Monomere ausgenommen sind."
Hilfsantrag 8:
"1. Polymerisationsverfahren zur Herstellung des resorbierbaren Polyesters
Poly(D,L-lactid-co-glycolid) mit einer inhärenten Viskosität zwischen 0,1 und 2,0 dl/g und einem Monomerenverhältnis zwischen 99:1 und 45:55,
dadurch gekennzeichnet, dass die entsprechenden Monomerteilchen zusammen mit dem Polymerisationskatalysator Zinn(II)-di-2-ethylhexanoat homogen in einer Menge von 0,467 g auf 781 g eingesetzte Monomere gemischt werden und in einem Doppelschneckenextruder, der mit temperierbaren Heizsegmenten versehen ist, unter kontinuierlicher Zwangsförderung polymerisiert werden."
Die 7. und 8. Hilfsanträge enthielten abhängige Ansprüche, die jedoch für die vorliegende Entscheidung nicht relevant sind. Im Gegensatz zu den oben erwähnten Anträgen enthielten diese Anträge keine auf Verwendung gerichteten Ansprüche.
Argumente für die Zulässigkeit dieser Anträge wurden vorgebracht. Es wurde auf die Entscheidung G 1/03 (Abl. EPA 2004, 413) bezüglich der Zulässigkeit des in Anspruch 1 des 7. Hilfsantrags eingeführten Disclaimers hingewiesen.
Ferner wurden Argumente zur Stützung der erfinderischen Tätigkeit im Hinblick auf alle Anträge vorgetragen. In diesem Zusammenhang, verwies die Beschwerdeführerin erneut auf das Dokument E1.
Ferner wurde auf ein noch nicht im Verfahren zitiertes Dokument hingewiesen:
E12: DD 36499. E12 war eine zur E1 korrespondierende Anmeldung.
IX. Mit Schreiben vom 24. März 2006 teilte die Beschwerdegegnerin Solvay (ehemals Einsprechende I) mit, dass sie an der mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen werde. Es wurde beantragt, gemäß Artikel 114 (2) EPÜ keine weiteren substantiellen Änderungen zuzulassen. Für den Fall, dass solche Änderungen zugelassen werden sollten, beantragte die Beschwerdegegnerin, an einer weiteren mündlichen Verhandlung teilnehmen zu dürfen.
X. Eine mündliche Verhandlung fand am 26. April 2006 statt.
a) Hinsichtlich der Zulässigkeit von E12:
i) Die Beschwerdeführerin trug vor, E12 sei bereits im Prüfungsverfahren zitiert worden und sollte daher im jetzigen Beschwerdeverfahren zugelassen werden. Die Katalysatormenge wurde während des Prüfungsverfahrens in den Anspruch aufgenommen. Aus den Dokumenten E1 und E12 würde der Fachmann erkennen, dass der Katalysator in einer Menge von etwa 0,05 % bzw. zwischen 0,1 und 2,0 % jeweils bezogen auf das Monomer vorhanden sein müsste. Aus E12 gehe hervor, dass die Katalysatormenge in einem bestimmten Bereich liegen müsse.
ii) Die Beschwerdegegnerin beantragte, E12 nicht zuzulassen, da verspätet vorgebracht. Auf jeden Fall gehe aus E1 hervor, dass beispielhaft eine Menge von 0,5 Gew-% Katalysator verwendet sein könne. Dies sei jedoch nicht zwingend - auch niedrigere Mengen seien einsetzbar. Die Angabe von E12 könne diese Information nicht widerlegen.
iii) Die Kammer teilte den Parteien ihre Entscheidung mit, E12 zum Verfahren nicht zuzulassen.
b) Hinsichtlich der Katalysatormenge:
i) Die Beschwerdeführerin trug vor, aus den Beispielen gehe hervor, dass die Katalysatormenge ein erfindungswesentliches Merkmal sei. Ein Katalysator sei zwingend notwendig und das Patent enthalte keine Angaben, man könne auf die Anwesenheit eines Katalysators verzichten. Der einsetzbare Bereich gehe aus den Beispielen hervor. Insbesondere aus Seite 4 der ursprünglichen Anmeldung gingen die Parameter hervor, die einzustellen seien. Gemäß Seite 4 Zeile 26 der Anmeldung werde die inhärente Viskosität über die Katalysatorkonzentration gesteuert. Die einsetzbaren Katalysatoren seien auf Seite 3, Zeile 43 offenbart. Ferner gehe aus der Anmeldung bzw. dem Patent hervor, dass die Katalysatoren gleichwertig seien. Die Katalysatormenge sei das entscheidende Parameter hinsichtlich der inhärenten Viskosität. Beispiele 1-5 zeigten Katalysatormengen im Bereich von 0,0053 bis 0,06 g/100 g Monomer. Dies stelle einen kontinuierlichen Bereich bis 0,06 g/100 g dar. Es wurde auf G 1/93 (ABl. EPA 1994, 541) hingewiesen. Hieraus gehe hervor, dass die Aufnahme eines Merkmals aus der Beschreibung zulässig sei, wenn dies zu keiner Auswahl führe, was hier der Fall sei. Ferner wurde zur Stützung der Zulässigkeit dieses Merkmals erneut auf T 343/90, sowie auf T 699/99 (19. Januar 2005, nicht im ABl. EPA veröffentlicht), T 17/86 (ABl. EPA 1989, 297 und 415) und T 583/93 (ABl. EPA 1996, 496) hingewiesen.
ii) Die Beschwerdegegnerin erwiderte, dass die allgemeine Beschreibung keine Angaben zur Katalysatormenge, zur Ober- bzw. Untergrenze dieses Merkmals oder zu einen Bereich dieses Merkmals enthalte. Ferner sei dies nur eines von vielen Faktoren, die die Viskosität beeinflussten. Die Beispiele seien punktuelle Offenbarungen und nicht verallgemeinbar, da sie jeweils die Interaktion vieler Parameter veranschaulichten. Ferner zeigten die Beispiele inhärente Viskositäten in der Mitte des anspruchsgemäß definierten Bereiches, woraus sich herleiten lasse, dass Abweichungen der Katalysatormenge sowohl nach oben wie auch nach unten möglich seien. Aus der Beschreibung gehe nicht hervor, die Katalysatoren seien gleichwertig. Vielmehr gehe aus den Beispielen hervor, dass die Katalysatoren in unterschiedlichen Mengen eingesetzt würden. Im Hinblick auf Hilfsantrag 6 wurde vorgetragen, es sei nicht möglich, den Wert von 0,06 g/100 g Monomer aus dem Kontext der Beispiele herauszulösen. Die Beschwerdegegnerin erhob ferner Einwände gemäß Artikel 123 (3) EPÜ sowie Regel 57(a) EPÜ im Hinblick auf die gegenüber dem erteilten Patent neu aufgenommenen Verwendungsansprüche (Hauptantrag, 1.-6. Hilfsanträge).
c) Im Anschluss an die obige Diskussion erklärte sich die Beschwerdeführerin bereit, durch Änderungen bzw. Streichungen die Einwände bezüglich dem Hilfsantrag 6 (vgl. VI.f oben) sowie den Verwendungsansprüchen Rechnung zu tragen. Ferner legte die Beschwerdeführerin zwei weitere Hilfsanträge (9. und 10. Hilfsantrag) vor. Anspruch 1 des Hilfsantrags 9 hatte folgenden Wortlaut: "1. Polymerisationsverfahren zur Herstellung des resorbierbaren Polyesters Poly(D,L-lactid-co-glycolid) mit einer inhärenten Viskosität zwischen 0,1 und 2,0 dl/g und einem Monomerenverhältnis zwischen 99:1 und 45:55, dadurch gekennzeichnet, dass die entsprechenden Monomere zusammen mit dem Polymerisationskatalysator Zinn(II)-di-2-ethylhexanoat homogen in einer Menge von bis zu 0,06 g auf 100 g Monomere gemischt werden und in einem Doppelschneckenextruder, der mit temperierbaren Heizsegmenten versehen ist, unter kontinuierlicher Zwangsförderung polymerisiert werden und der Doppelschneckenestruder folgende Heizsegmente aufweist: einen Eintrag als erstes Temperatursegment in Form einer Kühlvorrichtung zur Verhinderung des vorzeitigen Aufschmelzens des Reaktionsgemisches oder zur Verhinderung einer vorzeitigen Polymerisation, nachfolgende Heizsegmente zum Aufschmelzen des Reaktionsgemisches und zur Durchführung der Polymerisation, und einen Austrag mit einer Temperatureinstellung, die so eingestellt ist, das das Polymer noch formbar ist und die Drehzahl des Extruders liegt über die gesamte Polymerisationszeit zwischen 5 Umdrehungen pro Minute und 25 Umdrehungen pro Minute." Anspruch 1 des 10. Hilfsantrags unterschied sich von Anspruch 1 des 9. Hilfsantrags dadurch, dass die Menge an Katalysator 0,467 g auf 781 g eingesetzten Monomers betrug. Die abhängigen Ansprüche dieser Anträge sind für die vorliegende Entscheidung nicht relevant. Diese Anträge enthielten keine auf Verwendung gerichteten Ansprüche. Die Beschwerdegegnerin beantragte, sowohl die mit Schreiben vom 15. März eingereichten Hilfsanträge 7 und 8 als auch die während der Verhandlung vorgelegten Hilfsanträge 9 und 10 nicht zuzulassen, da sie verspätet vorgebracht seien. Die Beschwerdegegnerin war der Auffassung, die Hilfsanträge 7 bis 10 würden immer noch eine unzulässige (Teil)Verallgemeinerung der Offenbarung des Beispiels darstellen.
XI. Die Schlussanträge der Parteien waren:
Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung an die erste Instanz auf der Basis des Hauptantrages oder einer der Hilfsanträge 1-10 mit der Maßgabe, die erfinderische Tätigkeit zu prüfen.
Die Beschwerdegegnerin I (Einsprechende 2) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.
Die Anträge der Beschwerdegegnerin II (Einsprechender 1) sind Absatz IX (oben) zu entnehmen.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde entspricht den Erfordernissen der Artikel 106 bis 108 EPÜ und der Regel 64 EPÜ und ist daher zulässig.
2. Zulässigkeit der Hilfsanträge 7 bis 10.
Die 7., 8., 9. und 10. Hilfsanträge wurden nach Einreichung der Beschwerdebegründung und nach Anberaumung der mündlichen Verhandlung vorgelegt. Die 9. und 10. Hilfsanträge wurden sogar erst während der mündlichen Verhandlung eingereicht.
Gemäß Artikel 10a(2) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammer hat die Beschwerdebegründung den vollständigen Sachvortrag zu enthalten. Hierzu gehören unter anderem die Anträge. Ferner steht es gemäß Artikel 10b(1) der Verfahrensordnung im Ermessen der Kammer, Änderungen des Vorbringens eines Beteiligten nach Einreichung der Beschwerdebegründung zuzulassen. Hierbei ist die Komplexität des neuen Vorbringens, der Stand des Verfahrens und die gebotene Verfahrensökonomie zu berücksichtigen.
2.1 Gemäß der angefochtenen Entscheidung wurde das Patent aufgrund von Artikel 100(c)/123(2) EPÜ widerrufen, weil der ursprünglichen Anmeldung keine Angaben hinsichtlich einer Obergrenze des Katalysatorgehalts zu entnehmen seien (vgl. III oben). Die Entscheidung befasste sich demzufolge mit der Frage, inwiefern eine Obergrenze des Katalysatorgehalts der ursprünglichen Anmeldung zu entnehmen sei und insbesondere mit der Frage, ob es zulässig sei, aus einem Wert aus den Beispielen eine Obergrenze in dem Anspruch zu definieren.
2.2 Während des Beschwerdeverfahrens wurden keine neuen Einwände erhoben, folglich gab es keine offensichtliche Notwendigkeit, nach Eingang der Beschwerdebegründung neue Anträge einzureichen. Ferner konnte die Beschwerdeführerin nicht glaubhaft machen, warum die 7. bis 10. Hilfsanträge als Alternative gegenüber den sieben Anträgen (ein Haupt- sowie sechs Hilfsanträge), die bereits im Verfahren waren, notwendig seien. Es ist insbesondere von der Beschwerdeführerin nicht glaubhaft gemacht worden, dass die verspätet eingereichten Anträge geeignet seien, den Entscheidungsgründen in einer Art und Weise besser Rechnung zu tragen, als die mit der Beschwerdebegründung eingereichten Anträge (vgl. T 50/98, nicht veröffentlicht im ABl. EPA, 13. Juni 2002, Absatz 1.3 der Entscheidungsgründe).
2.3 Unter diesen Umständen würde die Zulassung dieser Anträge der gebotenen Verfahrensökonomie widersprechen.
2.4 Die verspätet vorgebrachten 7., 8., 9., und 10. Hilfsanträge werden deshalb nicht zugelassen (Artikel 10a(2) VOBK).
3. Zulässigkeit von E12
E12 wurde erstmals während des Beschwerdeverfahrens in einem Schreiben vom 15. März 2006 zitiert (vgl. VIII oben).
E12 sollte belegen, dass die Katalysatormenge in einem bestimmten Bereich liegen solle (vgl. X.a.i oben). E12 ist jedoch Stand der Technik und keine mit der dem Streitpatent zugrunde liegenden Anmeldung verwandte Anmeldung oder Patent.
Folglich kann E12 keinen Beitrag zur Bestimmung der Zulässigkeit von Modifikationen der Anspruchsumfang des vorliegenden Patents gemäß Artikel 123 (2) EPÜ leisten.
Aus diesem Grund ist E12 für die Entscheidungsfindung nicht relevant und wurde deshalb nicht zugelassen.
Artikel 100(c) und 123 (2) EPÜ
4. Hauptantrag
4.1 Laut angefochtener Entscheidung genügte der Hauptantrag nicht den Erfordernissen des Artikels 123 (2) EPÜ, insbesondere weil die Anwesenheit des Merkmals "wobei die Menge an Polymerisationskatalysator bis zu 0,06 g auf 100 g Monomer beträgt" nicht eindeutig den ursprünglichen Unterlagen entnommen werden konnte (Begründung II).
Von der in der angefochtenen Entscheidung angegebenen detaillierten Analyse des Inhalts und der Aufgabe der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung sieht die Kammer keinen Grund abzuweichen.
Insbesondere die Feststellung, dass die Beschreibung keine Angaben hinsichtlich Bereiche der Verfahrensparameter Katalysatorkonzentration, Verweilzeit, Temperatur, Anzahl der Temperatursegmente im Extruder, und keine bevorzugten Einzelwerte dieser Parameter nannte (Begründung III), sowie der Befund, dass die Beispiele, die im wesentlichen punktuelle Untersuchungen darstellten, worin mehrere Faktoren variiert wurden nur erkennen ließen, dass noch Spielraum für eine Anhebung von sowohl Katalysatorgehalt als auch Durchsatz bestehe, und zwar oberhalb der in den Beispielen 3, 4 und 5 angegebenen Menge von 0,06 g Katalysator auf 100 g Monomer (Begründung IV), scheinen der Kammer einleuchtend und korrekt.
Auch die Feststellung, dass sich eine Obergrenze des Katalysatorgehalts weder aus der Aufgabe noch den angegebenen Vorteilen der Anmeldung ableiten lässt, und die Meinung, dass die Patentanmeldung und das Streitpatent dem Fachmann nicht unwiderruflich und zweifelsfrei offenbaren, dass die Obergrenze des Katalysatorgehalts bei einem Wert von 0,06 g Katalysator auf 100 g Monomer liegen muss, werden von der Kammer vollends geteilt.
4.2 Das Argument der Beschwerdeführerin in der Beschwerdebegründung, dass
- die Anwesenheit eines Katalysators ein wesentliches Merkmal des beanspruchten Verfahrens sei;
- daher der Hinweis in der Anmeldung auf Seite 4, Zeile 26, dass die physikalischen Eigenschaften der inhärenten Viskosität in den Produkten, die durch das erfindungsgemäße Verfahren hergestellt werden sollen, über die Katalysatorkonzentration gesteuert werden könne, eine eindeutige Verknüpfung zwischen dem gezielten Einstellen einer bestimmten inhärenten Viskosität in den Produkten und der Menge an verwendeten Katalysator im Herstellverfahren offenbare;
- so dass der Fachmann in Anbetracht der Beispiele 1 bis 9 der Anmeldung erkennen würde, dass die Katalysatorkonzentration von 0,06 g/100 g Monomeren eine Obergrenze darstelle, und zwar unabhängig von der Art der zu verwendenden Katalysatoren und des herzustellenden Produkts
scheint nicht prinzipiell über das hinaus zu gehen, was schon vor der Einspruchsabteilung von der Beschwerdeführerin geltend gemacht worden ist, und in der angefochtenen Entscheidung ebenfalls in Anbetracht des gleichen Informationsgehalts der Anmeldung einschließlich deren Beispiele nicht zum Erfolg führte.
Insbesondere wird die Bedeutung der Katalysatorkonzentration für die Erzielung der angestrebten Produkteigenschaften - vor allem der inhärenten Viskosität - eben nicht gegenüber allen anderen Parametern hervorgehoben. Die von der Beschwerdeführerin zitierten Passage auf Seite 4, Zeile 26 der Anmeldung sagt nur, dass die inhärente Viskosität beispielsweise über die Katalysatorkonzentration gesteuert werden kann (Hervorhebung durch die Kammer). Ganz im Gegenteil ist es nach dem vorhergehenden Satz der Anmeldung auf Seite 4, Zeilen 21 bis 25 klar, dass "Verfahrensvariable, welche erfindungsgemäß so einzustellen sind, dass die Polymere mit den bezüglich inhärenter Viskosität, Kristallinität, Löslichkeit oder Zusammensetzungen gewünschten Eigenschaften entstehen, sind Mischungsverhältnisse der Monomeren, Katalysatorkonzentration, Verweilzeit (Schneckendrehzahl, Extruderlänge), Temperatur in den einzelnen Zonen, Abkühlgeschwindigkeit.", dass die Katalysatormenge vielmehr in der Beschreibung als einer von mehreren Parametern dargestellt ist, die die Eigenschaften des Produkts in gegenseitiger Abhängigkeit beeinflussen.
Daher ist es klar, dass die von der Beschwerdeführerin behauptete spezielle Verknüpfung zwischen der inhärenten Viskosität des Produkts einerseits und der verwendeten Menge des Katalysators andererseits nicht durch die ursprüngliche Offenbarung gestützt ist.
4.3 Das Argument in der Beschwerdebegründung,
- Sn-Octoat und Sn-Salze, insbes. SnCl2 stellten bevorzugte Katalysatoren dar, die gleichberechtigt und daher frei austauschbar waren, auch hinsichtlich der zu verwendenden Mengen, ist ebenfalls nicht durch Tatsachen gestützt, wie aus einer detaillierten Analyse der Beispiele hervorgeht:
i) Bei der Herstellung von Polyglycolid Polymeren ohne Lactid (Beispiele 1, 2, 6-9) wird als Katalysator SnCl2 x 2H2O bevorzugt, der in vier unterschiedlichen Mengen zwischen 0,0057 und 0,02 Gew-% eingesetzt wird.
ii) Bei der Herstellung von Lactid enthaltenden Polymeren (Beispiele 3-5) wird Sn-Octoat bevorzugt, der in einer Menge von 0,06 Gew-% - also Faktor 3-10 höher als SnCl2 x 2H2O - eingesetzt wird.
Diese Analyse der Beispiele zeigt, dass die zwei Katalysatoren nicht als gleichwertig offenbart sind. Vielmehr unterscheidet sich die Art wie auch Menge des einzusetzenden Katalysators als Funktion des herzustellenden Polymers.
4.4 Das weitere, während der mündlichen Verhandlung vorgebrachte Argument der Beschwerdeführerin, dass aus G 1/93 hervorgehe, dass die Aufnahme eines Merkmals aus der Beschreibung dann zulässig sei, wenn dies zu keiner Auswahl führe, bzw. wenn das Merkmal keinen technischen Beitrag zur Definition der Erfindung leiste, ist aus folgenden Gründen nicht überzeugend:
- das Merkmal des Katalysators und daher seine Menge ist von der Beschwerdeführerin konsequent als verfahrenswesentlich dargestellt worden; daher ist es nicht nachvollziehbar, dass gerade dieses Merkmal keinen technischen Beitrag zum beanspruchten Gegenstand leisten solle;
- die angegebene Obergrenze dieser Menge ist nachweislich hinzugefügt worden, um die Anwesenheit einer erfinderischen Tätigkeit gegenüber D1 zu belegen (Brief vom 15. Februar 1996); da eine solche Einschränkung des beanspruchten Gegenstands selbstverständlich auf die Definition einer bevorzugten bzw. technisch überlegeneren Ausführungsform der Erfindung zielt, ist es widersprüchlich davon auszugehen, dass gerade dieses Merkmal weder eine Auswahl darstellt noch keinen technischen Beitrag zur Definition der Erfindung leistet.
- Ganz im Gegenteil ist es offensichtlich, dass die Katalysatormenge ein Merkmal ist, das untrennbar ist von dem Kern des beanspruchten Gegenstands, und daher nicht unter die in G 1/93 angesprochenen Ausnahme fällt.
4.5 Die weiteren von der Beschwerdeführerin im Laufe des Beschwerdeverfahrens zitierten Entscheidungen (vgl. Absätze V.b und X.b.i oben) sind ebenfalls nicht geeignet, die Zulässigkeit dieses Merkmals gemäß Artikel 123 (2) EPÜ zu begründen.
4.5.1 T 2/81 betrifft die Zulässigkeit der Kombination von Endpunkten bereits in der Anmeldung offenbarter (Teil)Bereiche, um neue Bereiche zu definieren. Da die ursprüngliche Anmeldung keine Bereiche für die Katalysatorkonzentration offenbarte ist diese Entscheidung im vorliegenden Fall nicht relevant.
4.5.2 Die Entscheidungen T 343/90 und T 699/99 betreffen, wie die wegweisende Entscheidung T 201/83 (ABl. EPA 1984, 481) eine Situation, bei dem aus den Beispielen hervorgeht, dass ein Merkmal gegenüber allen anderen hervorgehoben wird, wodurch die Eigenschaften bzw. Wirkung der beispielsgemäßen Ausführungsform als ganzes durch dieses Merkmal auf außergewöhnliche Weise und in erheblichem Ausmaß bestimmt werden.
Gemäß T 17/86 geht, obwohl zwei technische Merkmale in der Anmeldung in Verbindung offenbart wurden, aus der Lehre der ursprünglichen Anmeldung hervor, dass eines der Merkmale allein ausreichte, um den angestrebten technischen Effekt zu erzielen.
Da im vorliegenden Fall in der ursprünglichen Anmeldung nicht offenbart war, dass der Katalysatorgehalt unabhängig von allen anderen Parametern zu dem angestrebten technischen Effekt führe (vgl. 4.2 oben) betrifft keine dieser Entscheidungen die Situation wie im vorliegenden Fall. Sie sind somit nicht relevant.
4.5.3 T 583/93 betrifft die Zulässigkeit der Aufnahme eines ursprünglich nicht als wesentlich offenbarten Merkmals in den Anspruch, jedoch unter den Voraussetzungen, dass die ursprüngliche Anmeldung eine ausreichende Basis für die vorgenommene Einschränkung enthält und, dass die entstehende Merkmalskombination im Einklang mit der Lehre der ursprünglichen Anmeldung steht. Diese Entscheidung ist in vorliegendem Fall jedoch aus den folgenden Gründen nicht anwendbar:
Erstens, wie in der angefochtenen Entscheidung erklärt, enthält die ursprüngliche Anmeldung keine ausreichende Basis für diese Einschränkung (vgl. 4.1 oben). Zweitens ist die Katalysatorkonzentration in der dem Streitpatent zugrundeliegenden Anmeldung nur als einer von mehreren - in gegenseitiger Abhängigkeit - einzustellenden Parametern offenbart (vgl. 4.2 oben).
4.6 Folglich entspricht Anspruch 1 des Hauptantrags nicht den Erfordernissen des Artikels 123 (2) EPÜ.
5. Hilfsantrag 1
Gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags I (siehe V.a und III oben) werden die zulässigen Obergrenzen der Katalysatormengen gemäß den einzusetzenden Katalysatoren differenziert.
Wie oben erläutert, ist der ursprünglichen Anmeldung keine Offenbarung der jeweiligen einzusetzenden Obergrenzen der zwei Katalysatoren zu entnehmen.
Folglich entspricht Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags den Erfordernissen des Artikels 123 (2) EPÜ nicht.
6. Hilfsantrag 2
Gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 wird genauer zwischen den herzustellenden Polymeren und den jeweils einzusetzenden Katalysatoren und Obergrenze der jeweils einzusetzenden Mengen an Katalysator differenziert (vgl. V.a und III oben).
Auch dieser Gegenstand ist der ursprünglichen Anmeldung nicht zu entnehmen, wie oben erklärt.
Folglich entspricht Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrags den Erfordernissen des Artikel 123 (2) EPÜ nicht.
7. Hilfsantrag 3
Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 3 wurde gegenüber Hilfsantrag 2 im Hinblick auf die herzustellenden Polymere eingeschränkt (vgl. V.a und III oben).
Wie im Falle des Hilfsantrags 2 ausgeführt, ist auch dieser Gegenstand der ursprünglichen Anmeldung nicht zu entnehmen.
Folglich entspricht Anspruch 1 des dritten Hilfsantrags den Erfordernissen des Artikels 123 (2) EPÜ nicht.
8. Hilfsantrag 4
Der Gegenstand des Anspruchs 1 des 4. Hilfsantrags wurde gegenüber Anspruch 1 des 3. Hilfsantrags in Hinblick auf die herzustellenden Polymere weiter eingeschränkt. Ferner wurde nur einer der Katalysatoren, und zwar in einer Menge bis 0,06 g/100 g Monomer definiert (vgl. V.a und III oben).
Da, wie oben erklärt, eine Obergrenze der Katalysatormenge der ursprünglichen Anmeldung nicht zu entnehmen ist, entspricht Anspruch 1 des vierten Hilfsantrags den Erfordernissen des Artikels 123 (2) EPÜ nicht.
9. Hilfsantrag 5
Hilfsantrag 5 betrifft ein Verfahren zur Herstellung von Polyester aus vier Gruppen unter Einsatz von einer von zwei Katalysatoren in einer Menge zwischen 0,01 und 0,06g auf 100g Monomer (vgl. V.a und III oben).
Da, wie oben erklärt, der ursprünglichen Anmeldung nicht zu entnehmen ist, dass die in den Beispielen eingesetzten Katalysatormengen Grenzwerte (unteren oder oberen) darstellen, ist deren Aufnahme als Grenzwerte in den Anspruch nicht zulässig. Es ist ferner so, dass die Werte die als Unter- bzw. Obergrenze aufgenommen wurden, in Bezug auf unterschiedliche Katalysatoren und unterschiedliche Polymere offenbart werden, womit es unabhängig von den bereits oben dargelegten Gründen der ursprünglichen Anmeldung nicht zu entnehmen ist, dass diese Werte zu einen Bereich kombiniert werden können.
Folglich entspricht Anspruch 1 des fünften Hilfsantrags den Erfordernissen des Artikels 123 (2) EPÜ nicht.
10. Hilfsantrag 6
Anspruch 1 des Hilfsantrag 6 definiert die einzusetzenden Katalysatormengen als Punktwerte, nicht mehr als Bereiche (vgl. V.a oben).
Hierdurch wurden die Katalysatormengen aus den Beispielen "herausgelöst" ohne jedoch die anderen Merkmale der Beispiele in den Anspruch aufzunehmen. Diese "Herauslösung" ist wegen der gegenseitigen Abhängigkeit der Reaktionsparameter (vgl. 4.2 oben) nicht zulässig. Anspruch 1 des sechsten Hilfsantrags entspricht demzufolge den Erfordernissen des Artikels 123 (2) EPÜ nicht.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.