T 0883/03 (Extrakt aus Tanacetum parthenium/SCHAPER & BRÜMMER GMBH & CO … of 7.9.2005

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2005:T088303.20050907
Datum der Entscheidung: 07 September 2005
Aktenzeichen: T 0883/03
Anmeldenummer: 93100522.7
IPC-Klasse: A61K 35/78
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Pharmazeutisch wirksame Zusammensetzung aus Tanacetum parthenium sowie Verfahren zu deren Extraktion und mit der pharmazeutisch wirksamen Zusammensetzung hergestelltes Arzneimittel
Name des Anmelders: SCHAPER & BRÜMMER GMBH & CO. KG
Name des Einsprechenden: Müller Extract Company GmbH
Kammer: 3.3.04
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 83
European Patent Convention 1973 Art 84
European Patent Convention 1973 Art 87
Schlagwörter: Zulässigkeit der Beschwerde (ja)
Klarheit (ja)
Ausführbarkeit der Lehre (ja)
Priorität (ja)
Neuheit (ja)
Erfinderische Tätigkeit (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0330/92
T 0097/98
T 0814/98
T 0460/99
T 0715/01
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Das europäische Patent Nr. 0 553 658 mit der Bezeichnung "Pharmazeutisch wirksame Zusammensetzung aus Tanacetum parthenium sowie Verfahren zu deren Extraktion und mit der pharmazeutisch wirksamen Zusammensetzung hergestelltes Arzneimittel" wurde auf Grundlage der europäischen Patentanmeldung Nr. 93 100 522.7 (Anmeldetag: 15. Januar 1993) erteilt, die die Priorität der am 31. Januar 1992 eingereichten Anmeldung DE 4202657 beansprucht hatte.

II. Gegen dieses Patent wurde von der Müller Extract Company GmbH Einspruch eingelegt. Die Einsprechende beantragte seinen Widerruf wegen mangelnder Patentfähigkeit (Artikel 100 (a) EPÜ) sowie mangelnder Ausführbarkeit (Artikel 100 (b) EPÜ).

III. In der mit dem Datum vom 5. Juni 2003 schriftlich begründeten Zwischenentscheidung stellte die Einspruchsabteilung fest, dass das Patent unter Berücksichtigung der im Einspruchsverfahren vorgenommenen Änderungen den Erfordernissen des EPÜ genüge. Die der angefochtenen Zwischenentscheidung zugrundeliegenden Patentansprüche 1 bis 10 (Hilfsantrag) entsprachen den erteilten Ansprüchen 8 bis 15, 17 und 18. Die unabhängigen Ansprüche 1 und 9 dieser geänderten Fassung lauten wie folgt:

"1. Verfahren zur Extraktion einer pharmazeutisch wirksamen Zusammensetzung aus feingemahlenem Tanacetum parthenium, dadurch gekennzeichnet, dass die Extraktion mit CO2 im überkritischen Zustand bei einer Temperatur von 32º bis 60ºC und einem Druck von 150 bis 350 bar durchgeführt wird."

"9. Arzneimittel, enthaltend die nach dem Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 8 gewonnene pharmazeutisch wirksame Zusammensetzung, die in einem pharmazeutisch verträglichen Öl gelöst oder suspendiert ist."

Die abhängigen Ansprüche 2 bis 8 und 10 enthielten Merkmale bevorzugter Ausführungsformen des Verfahrens des Anspruchs 1 bzw. des Arzneimittels des Anspruchs 9.

IV. Am 18. August 2003 legte der Vertreter der Einsprechenden (Beschwerdeführerin) in ihrem Namen (Müller Extract Company GmbH) Beschwerde gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung ein und entrichtete die Beschwerdegebühr. Am 15. Oktober 2003 reichte er eine Beschwerdebegründung ein. In ihr wurde die Müller Extract Company GmbH & Co. KG im Rubrum als Beschwerdeführerin genannt. Die gleiche Bezeichnung wurde in den Kopfzeilen der Seiten 2 bis 23 der Beschwerdebegründung sowie bereits in der Kopfzeile der Seite 2 der Beschwerdeschrift verwandt.

Die Beschwerdekammer wies die Parteien auf die unterschiedlichen verwendeten Bezeichnungen der Beschwerdeführerin hin. Die Beschwerdeführerin erklärte mit Schreiben vom 7. Januar 2004, dass die Angaben im Rubrum der Beschwerdebegründungsschrift und in den genannten Kopfzeilen der Schriftsätze irrtümlich erfolgt sei und dass auch die Beschwerdebegründung im Namen der Müller Extract Company GmbH eingelegt worden sei. Sie beantragte eine Korrektur der falschen Bezeichnungen gemäß Regel 88 EPÜ.

Die Beschwerdegegnerin erwiderte auf die Beschwerdebegründung.

V. Auf die folgenden Druckschriften wird in der vorliegenden Entscheidung Bezug genommen:

Dl Stahl E. et al., "Verdichtete Gase zur Extraktion und Raffination", Springer-Verlag Berlin, Seiten 46-62 (1986);

D3 Stahl E. et al., Perfumer & Flavorist, Bd. 10, Seiten 29-37 (April/Mai 1985);

D4 Brunner G. et al., Chem.-Ing.-Tech., Bd. 53, Seiten 529-542 (1981);

D5 Smith R. M. et al., Journal of Chromatography, Bd. 627, Seiten 255-261 (1992);

D7 EP-A-0 065 106;

D10 "Versuch der Nacharbeitung von Beispiel 1 der EP 0553658 B1" eingereicht mit Schreiben vom 12. Februar 1999 (Beschwerdeführerin);

D15 EP-A-0 098 041.

VI. Eine mündliche Verhandlung fand am 7. September 2005 statt.

VII. Die von der Beschwerdeführerin vorgetragenen Argumente lassen sich, soweit sie für die vorliegende Entscheidung relevant sind, wie folgt zusammenfassen:

Zulässigkeit der Beschwerde

- Da es sich bei der falschen Bezeichnung der Beschwerdeführerin in der Beschwerdebegründung um eine nach Regel 88 EPÜ korrigierbare Unrichtigkeit handelte, sei die Beschwerde fristgerecht begründet und somit zulässig.

Klarheit (Artikel 84 EPÜ)

- Die Formulierung "Verfahren zur Extraktion einer ...Zusammensetzung aus...Tanacetum" (Hervorhebungen hinzugefügt) sei unverständlich, da die Extraktion aus einem Tanacetum-Material grundsätzlich zu einem Extrakt und nicht zu einer Zusammensetzung führe.

Offenbarung der Erfindung (Artikel 83 EPÜ)

- Das Streitpatent offenbare keine Abscheidebedingungen (d.h. keine definierten Druck- und Temperaturbedingungen), unter denen das gewünschte Sesquiterpen-Lacton Parthenolid von der Vielzahl anderer gelöster Komponenten und von mitextrahiertem Wasser abgetrennt werden solle.

- Aus dem Stand der Technik (siehe z.B. Entgegenhaltung D1, Seite 47, Abbildungen 13a-d) seien eine Reihe von Abscheideprinzipien und Abscheidebedingungen (z.B. Extraktentmischung durch Druckänderung, Temperaturänderung, Adsorption, Beimischung) bekannt, die zu Extrakten mit unterschiedlichen Eigenschaften führen. Aus Entgegenhaltung D3, betreffend die Trennung von ätherischen Ölen und aus Entgegenhaltung D4 (siehe Tabelle auf Seiten 537 und 539) ergebe sich, dass die Abscheidebedingungen nicht beliebig gewählt werden können.

- Ähnliches ergebe sich aus den von der Beschwerdeführerin durchgeführten Versuchen zur Nacharbeitbarkeit der Beispiele 1 und 2 des Streitpatents (siehe Versuchsbericht D10), die zu einer Extraktausbeute von nur ca. 16,6% bzw. 15,3% (Parthenolidausbeute: 8% bzw. 7%) der in der Patentschrift angegebenen Ausbeute gemäß Beispiel 1 bzw. Beispiel 2 führen. Dies zeige deutlich, dass die gewählten Abscheidebedingungen (1 bar, 20ºC) einen entscheidenden Einfluss auf die Ausbeute haben.

Priorität

- Der im Anspruch 1 enthaltene Temperaturbereich von 32ºC bis 60ºC sei von der Prioritätsanmeldung DE 42 02 657 (siehe Anspruch 4: "320 bis 60ºC") nicht gedeckt. Die beanspruchte Priorität für den Gegenstand des Anspruchs 1 könne somit nicht wirksam in Anspruch genommen werden.

Neuheit

- Angesichts des Prioritätsverlusts gehöre die im Prioritätsintervall veröffentlichte Entgegenhaltung D5 zum vollen Stand der Technik nach Artikel 54(2) EPÜ. Entgegenhaltung D5 beschreibe die Extraktion des Sesquiterpen-Lactons Parthenolid aus feingemahlenem Tanacetum parthenium mit CO2 im überkritischen Zustand bei einer Temperatur von 45ºC und einem Druck von 250 bar.

Erfinderische Tätigkeit

- Gemäß der Seite 2, Zeilen 22 und 23 des Streitpatentes bestehe die dem vorliegenden Streitpatent zugrunde liegende Aufgabe in der Herstellung einer pharmazeutischen Zusammensetzung aus Tanacetum parthenium mit einer höheren Stabilität.

- Entgegenhaltung D7 offenbare ein Verfahren zur Herstellung von konzentrierten Pflanzenextrakten mittels überkritischem CO2 (siehe Seite 7, Zeilen 1 bis 7). Weiterhin lehre Entgegenhaltung D7, dass man durch eine Extraktion mit CO2 bei überkritischem Druck und überkritischer Temperatur einen Pflanzenextrakt erhalte, welcher eine stark verbesserte Stabilität aufweise, nahezu unbegrenzt haltbar und darüber hinaus keimfrei sei (siehe Zusammenfassung).

- Für den Durchschnittsfachmann habe es nahegelegen, im Hinblick auf die Lehre der Entgegenhaltung D7 die Vorteile der Extraktion mit überkritischem CO2 gegenüber den bekannten Hexanextrakten auch auf die Extraktion von pharmazeutisch relevanten Inhaltsstoffen auszudehnen.

VIII. Die von der Beschwerdegegnerin vorgetragenen Argumente lassen sich, soweit sie für die vorliegende Entscheidung relevant sind, wie folgt zusammenfassen:

Zulässigkeit der Beschwerde

- Die Beschwerde sei unzulässig, da die Beschwerdebegründung von einer anderen Rechtsperson als der Beschwerdeführerin, nämlich von der nicht am Verfahren beteiligten Müller Extract Company GmbH & Co. KG eingereicht worden sei.

Klarheit (Artikel 84 EPÜ)

- Der einleitende Teil des Anspruchs 1 richte sich auf ein Verfahren zur Extraktion eines Wirkstoffes aus einem Pflanzenmaterial. Somit sei der Anspruch 1 verständlich.

Offenbarung der Erfindung (Artikel 83 EPÜ)

- Das Verfahren des Anspruchs 1 beziehe sich nicht auf die Trennung von einzelnen lipophilen Komponenten aus Tanacetum parthenium, sondern auf eine Vollextraktion. Deswegen entstünden die von der Beschwerdeführerin dargelegten, mit der Teilextraktion verbundenen Probleme gar nicht.

- Die von der Beschwerdeführerin eingereichten Vergleichsversuche D10 seien nicht erfindungsgemäß durchgeführt worden, da keine mehrstufige Extraktion durchgeführt werde. Sie seien deshalb kein Beweis, dass die Lehre der Beispiele 1 und 2 nicht ausführbar sei.

Priorität

- Der im Prioritätsdokument erwähnte Temperaturbereich von "320 bis 60ºC" stelle einen offensichtlichen Schreibfehler dar ("0" statt "º"), der der Bundesdruckerei beim Drucken der Offenlegungsschrift unterlaufen sei. Dagegen beweise das eingereichte Prioritätsdokument, dass die ursprünglichen Anmeldungsunterlagen diesbezüglich korrekt seien (siehe Seite 2, Zeilen 20 und 21 und Anspruch 4).

Neuheit

- Entgegenhaltung D5 stelle keinen Stand der Technik nach Artikel 54 (2) EPÜ dar.

Erfinderische Tätigkeit

- Der nächstliegende Stand der Technik sei die in der Beschreibungseinleitung der Patentschrift erwähnte EP 0 098 041 Al (Entgegenhaltung D15), nach der bekannt sei, die Extraktion aus Tanacetum parthenium mit einem nichtpolaren organischen Lösungsmittel vorzunehmen.

- Die Entgegenhaltung D7 offenbare die Herstellung von konzentrierten Extrakten von Küchenkräutern mittels überkritischem CO2. Dabei werde ein Extrakt erreicht, der den typischen Geruch und Geschmack der Ausgangsmaterialien aufweise und der keimfrei und nahezu unbegrenzt haltbar sei.

- Hieraus könne der Fachmann keinen konkreten Hinweis entnehmen, dass es lohnend sein könne, das aufwändige Extraktionsverfahren mit überkritischem CO2 bei Tanacetum parthenium anzuwenden, um eine höhere chemische Stabilität des Extraktes zu erzielen.

- Gemäß den im Erteilungsverfahren vorgelegten Unterlagen weise der mit überkritischem CO2 gewonnene Extrakt in unerwarteter Weise gegenüber mit nichtpolaren Lösungsmitteln gewonnenen Extrakten eine stark unterschiedliche Zusammensetzung auf, wie sich aus den vorgelegten Chromatogrammen ergebe und in der Patentschrift auf Seite 2, Zeilen 32 bis 39 erläutert worden sei. Dieser Extrakt zeige überlegene pharmakologische Eigenschaften, was in der Patentschrift auf Seite 3, Zeilen 33 bis 35 erwähnt worden sei.

IX. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 0 553 658.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Zulässigkeit der Beschwerde

1. Im erstinstanzlichen Einspruchsverfahren war die Müller Extract Company GmbH als Einsprechende beteiligt. Die Beschwerde wurde ebenfalls im Namen der Müller Extract Company GmbH eingelegt. Demgegenüber wird in der Beschwerdebegründung die Müller Extract Company GmbH & Co. KG als Beschwerdeführerin genannt. Die gleiche Bezeichnung findet sich zudem in den Kopfzeilen der Seiten 2 bis 23 der Beschwerdebegründung sowie in der Kopfzeile der Seite 2 der Beschwerdeschrift.

2. In der Rechtsprechung der Beschwerdekammern ist es anerkannt, dass eine unrichtige Bezeichnung eines Beschwerdeführers in der Beschwerdeschrift oder in der Beschwerdebegründungsschrift berichtigungsfähig ist nach Regel 65 (2) EPÜ (vgl. T 97/98, ABl. EPA 2002, 183, Nr. 1.3 der Entscheidungsgründe; T 715/01 vom 24. September 2002, Nr. 1-11 der Entscheidungsgründe) oder nach Regel 88 EPÜ (vgl. T 814/98 vom 8. November 2000, Nr. 1 der Entscheidungsgründe; T 460/99 vom 30. August 2001, Nr. 1 der Entscheidungsgründe). Voraussetzung hierfür ist, dass die wirkliche Absicht darin bestand, die Beschwerdeschrift bzw. die Beschwerdebegründungsschrift im Namen der Person einzulegen, die gemäß dem Berichtigungsantrag an die Stelle der ursprünglich genannten treten soll.

3. Eine solche Absicht seitens des Vertreters der Beschwerdeführerin hat im vorliegenden Fall nach Überzeugung der Beschwerdekammer bestanden: Die in der Beschwerdebegründung genannte juristische Person war - im Unterschied zur Beschwerdeführerin - keine Verfahrensbeteiligte. Es ist davon auszugehen, dass ein zugelassener Vertreter normalerweise beabsichtigt, eine fristgebundene Verfahrenshandlung wie die Einreichung der Beschwerdebegründung im Namen des Verfahrensbeteiligten, der bislang von ihm in dem Verfahren vertreten worden ist, einzureichen. Anhaltspunkte, die im Einzelfall hiergegen sprechen könnten, wie etwa eine geltend gemachte Rechtsnachfolge in der Beteiligtenstellung, sind vorliegend nicht ersichtlich. Diese Schlussfolgerung wird durch die ausdrückliche Erklärung des Vertreters der Beschwerdeführerin untermauert, wonach die Angaben auf einen Irrtum zurückzuführen sind. Die beantragte Berichtigung der Bezeichnung der fälschlicherweise in der Beschwerdebegründung als Beschwerdeführerin genannten juristischen Person in die Bezeichnung der tatsächlichen Beschwerdeführerin ist daher zu gestatten. Somit ist die Beschwerde fristgerecht begründet worden und zulässig.

Klarheit (Artikel 84 EPÜ)

4. Die Beschwerdeführerin ist der Meinung, dass die Formulierung "Verfahren zur Extraktion einer ...Zusammensetzung aus...Tanacetum" (Hervorhebungen hinzugefügt) unverständlich sei, da die Extraktion aus einem Pflanzenmaterial grundsätzlich zu einem Extrakt und nicht zu einer Zusammensetzung führe.

In diesem Zusammenhang ist zunächst darauf hinzuweisen, dass mangelnde Klarheit keinen Einspruchsgrund unter Artikel 100 EPÜ darstellt und Anspruch 1 wörtlich mit dem erteilten Anspruch 8 übereinstimmt. Darüber hinaus ist die Kammer überzeugt, dass für den Fachmann klar ist, was beansprucht ist, unabhängig davon, ob man das Ergebnis des Verfahrens gemäß Anspruch 1 "Extrakt" oder "Zusammensetzung" nennt. Daher ist der Gegenstand, für den Schutz beansprucht wird, deutlich genug für den Fachmann formuliert worden, um ihn vom Stand der Technik abzugrenzen.

Offenbarung der Erfindung (Artikel 83 EPÜ)

5. Die Beschwerdeführerin argumentiert, das Streitpatent offenbare keine definierten Druck- and Temperaturbedingungen (d.h. die Abscheidebedingungen), unter denen das Sesquiterpen-Lacton Parthenolid von der Vielzahl anderer gelöster Komponenten abgetrennt werden soll.

6. Zwar können die Abscheidebedingungen nicht beliebig gewählt werden, wenn es um die Trennung einzelner lipophiler Komponenten voneinander innerhalb des flüssigen überkritischen CO2 (Teilextraktion) geht, z.B. bei der Trennung von ätherischen Ölen (siehe Entgegenhaltung D3, Seiten 34 bis 35 unter "Fractionation of Essential Oils").

7. Das Verfahren des Anspruchs 1 bezieht sich jedoch nicht auf eine Trennung von einzelnen lipophilen Komponenten aus Tanacetum parthenium, sondern auf eine Vollextraktion, wobei durch den Extraktionsvorgang mit dem lipophilen überkritischen CO2 eine Anreicherung lipophiler Substanzen gegenüber polaren (z.B. wässrigen) Pflanzeninhaltsstoffen vorgenommen wird. In dem erfindungsgemäßen Gesamtextrakt befinden sich somit neben Parthenolid und parthenolidähnlichen Verbindungen noch weitere gelöste lipophile Komponenten wie Fette, Öle und Wachse (siehe die Patentschrift auf Seite 3, Zeile 28: "fettartige Konsistenz" und Seite 4, 3. Absatz der Eingabe der Beschwerdegegnerin im Erteilungsverfahren vom 19. Dezember 1995, samt dem beigefügten "Chromatogramm II").

8. Bei dieser Vollextraktion genügt es zur Gewinnung der extrahierten Bestandteile (Gesamtextrakt), dass der zur Erzeugung des überkritischen Zustands des CO2 eingestellte hohe Druck und/oder die hohe Temperatur aufgehoben werden, z.B. durch Absenken des Druckes auf unterkritische Werte. Dabei nimmt die Lösungskapazität des CO2 (bis zur Null) ab und alle gelösten Stoffe entmischen sich gleichzeitig (siehe Entgegenhaltung D1, Seite 47, Zeilen 6 bis 7). Es ergibt sich somit, dass die von der Beschwerdeführerin dargelegten, mit der Teilextraktion verbundenen Probleme nicht auftreten.

9. Nach Auffassung der Beschwerdeführerin stellen die Versuche zur Nacharbeitbarkeit der Beispiele 1 und 2 des Streitpatents (D10) einen weiteren Beweis dar, dass die gewählten Abscheidebedingungen (1 bar, 20ºC) einen entscheidenden Einfluss auf die Ausbeute (nur 16,6% bzw. 15,3% (Parthenolidausbeute: 8% bzw. 7%) der in der Patentschrift angegebenen Ausbeute gemäß Beispiel 1 bzw. Beispiel 2) haben.

10. Es ist jedoch zu beachten, dass die Patentschrift (siehe Seite 2, Zeilen 52 bis 54) eine erschöpfende Extraktion vorschreibt, indem das CO2 in überkritischem Zustand zyklisch über die zerkleinerten Pflanzen geleitet wird. Es ist ferner im Beispiel 1 angegeben, dass sich dieser Vorgang zyklisch über einen Zeitraum von 3 Stunden bei 350 bar und 60ºC wiederholt (Beispiel 2: 200 bar und 40ºC), bis die Droge erschöpfend extrahiert ist.

11. Nach Auffassung der Kammer bedeutet eine zyklische erschöpfende Extraktion, dass in jedem Zyklus (siehe z.B. Entgegenhaltung D1, Seite 46, "Präparative Extraktion" bis Seite 47, Zeile 9 und Entgegenhaltung D7, Seite 9, Zeilen 1 bis 9):

a) das in einem Druckbehälter enthaltene Ausgangsmaterial von dem überkritischen CO2 unter Extraktionsbedingungen durchströmt wird, wobei die extrahierbaren Inhaltsstoffe gelöst werden,

b) das extraktbeladene CO2 in dem Abscheidungsbehälter entspannt wird, wobei die Lösungskapazität des CO2 abnimmt und die gelösten Stoffe sich entmischen,

c) das regenerierte CO2 erneut auf den Extraktionsdruck verdichtet und in den Probenbehälter zurückgeführt wird,

bis die Inhaltsstoffe erschöpfend extrahiert sind.

12. Bei den von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Vergleichsversuchen handelt es sich nicht um eine zyklische erschöpfende Extraktion, da das überkritische CO2 bei konstanter Temperatur und konstantem Druck umgepumpt wurde (Siehe Versuche D10, Seite 1, Zeilen 17 bis 20), ohne Entspannung des überkritischen CO2 und ohne ständiges Abziehen des Extraktes davon. Es ist dem Fachmann jedoch bekannt, dass die von der Beschwerdeführerin gewählten Bedingungen zu einer raschen Sättigung des überkritischen CO2 führen, wodurch das CO2 nicht mehr in der Lage ist, weitere extrahierbare Inhaltsstoffe aufzunehmen. Die Versuche D10 sind deshalb kein überzeugender Beweis, dass die Lehre der Beispiele 1 und 2 nicht ausführbar ist.

Priorität

13. Die Beschwerdeführerin trägt vor, dass der im Anspruch 1 enthaltene Temperaturbereich von 32ºC bis 60ºC durch die Prioritätsanmeldung nicht gedeckt sei, da das Prioritätsdokument DE 42 02 657 von einem Temperaturbereich von "320 bis 60ºC" spreche.

14. Das eingereichte Prioritätsdokument enthält an allen Stellen (siehe Seite 3, Zeilen 20 und 21 und Anspruch 4) die korrekte Temperaturangabe von "zwischen 32º und 60ºC". Ferner deutet die Tatsache, dass die ursprünglichen Anmeldungsunterlagen diesbezüglich korrekt waren, darauf hin, dass der in der Offenlegungsschrift erwähnte Temperaturbereich von "320 bis 60ºC" einen offensichtlichen Schreibfehler ("0" statt "º") der Bundesdruckerei beim Drucken darstellt. Die Kammer gelangt somit zu dem Schluss, dass die beanspruchte Priorität für den Gegenstand des Anspruchs 1 wirksam in Anspruch genommen ist.

Neuheit

15. Da der Prioritätsanspruch wirksam ist, ist die im Prioritätszeitraum veröffentlichte Entgegenhaltung D5 bei der Beurteilung der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit nicht zu berücksichtigen.

Erfinderische Tätigkeit

16. Den nächstliegenden Stand der Technik bildet in der Regel ein Dokument, welches einen Gegenstand offenbart, der zum gleichen Zweck oder mit dem selben Ziel entwickelt wurde wie die beanspruchte Erfindung und die wichtigsten technischen Merkmale mit ihr gemein hat (vgl. Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA, 4. Aufl., Seite 118). Wie sich aus der Patentschrift (Seite 2, Zeilen 5 bis 7) ergibt, ist es das Ziel der beanspruchten Erfindung, ein Verfahren zu entwickeln, das zu einer Zusammensetzung aus Tanacetum parthenium führt.

17. Die in der Beschreibungseinleitung (siehe Seite 2, Zeilen 8 bis 13) der Patentschrift erwähnte Entgegenhaltung D15 betrifft die Extraktion des Sesquiterpen-Lactons Parthenolid aus Tanacetum parthenium mit nichtpolaren organischen Lösungsmitteln (z.B. Leichtpetroleum, Hexan oder Chloroform). Die in der Entgegenhaltung D15 offenbarte Lehre verfolgt somit die gleiche Zielsetzung wie die beanspruchte Erfindung und hat ferner mit ihr das technische Merkmal gemeinsam, dass sich überkritisches CO2 ebenfalls als nichtpolares Lösungsmittel verhält (siehe z.B. die Entgegenhaltung D3, auf Seite 36: "As low molecular lipophilic substances with high vapour pressure, the essential oils are well soluble in dense carbon dioxide." (Hervorhebungen hinzugefügt). Die Kammer geht somit von Dokument D15 als nächstliegendem Stand der Technik aus.

18. Somit besteht die objektive Aufgabe, die durch das beanspruchte Verfahren gelöst wurde, darin, ein Verfahren bereitzustellen zur Gewinnung einer Zusammensetzung aus Tanacetum parthenium, die bessere chemische/pharmakologische Eigenschaften aufweist.

19. Das beanspruchte Verfahren löst diese Aufgabe dadurch, dass die Extraktion mit CO2 im überkritischen Zustand statt mit nichtpolaren organischen Lösungsmitteln durchgeführt wird. Die technischen Wirkungen, die durch diese Maßnahme erzielt werden, sind die Anwesenheit des Sesquiterpen-Lactons Parthenolid und der parthenolidähnlichen Verbindungen in dem Extrakt als mengenmäßig dominierenden Inhaltsstoffen und die besseren chemischen/pharmakologischen Eigenschaften, d.h. die überlegenen antientzündlichen und antispasmolytischen Eigenschaften sowie schließlich die bessere chemische Stabilität der sich im Sesquiterpen-Lacton-Molekül befindlichen exozyklischen Methylengruppe und des Epoxidrings (siehe Seite 2, Zeilen 1 bis 2, 22 bis 30, 32 bis 39 und Seite 3, Zeilen 33 bis 35). Diese überlegenen technischen Wirkungen ergeben sich ebenfalls aus den mit Eingabe vom 19. Dezember 1995 im Erteilungsverfahren vorgelegten Chromatogrammen und Testversuchen.

20. Die Beschwerdeführerin hat die Auffassung vertreten, dass es für den Durchschnittsfachmann nahegelegen habe, die Lehren der Entgegenhaltungen D15 und D7 zu kombinieren und ein Verfahren zu entwickeln, das zu unbegrenzt haltbaren Extrakten führe.

21. Entgegenhaltung D7 beschreibt zwar ein Verfahren zur Herstellung von Extrakten aus Küchenkräutern mittels überkritischem CO2 und lehrt, dass diese Extrakte aus frischen Pflanzen den "typischen Geruch und Geschmack" der Ausgangsmaterialien besitzen und "nahezu unbegrenzt haltbar sind" (siehe Entgegenhaltung D7, Seite 9, Zeile 33 bis Seite 10, Zeile 2).

22. In diesem Zusammenhang ist jedoch zu beachten, dass, auch wenn der Fachmann aufgrund der Entgegenhaltung D7 annehmen könnte, dass sich ein aromatischer Extrakt aus Tanacetum parthenium als "unbegrenzt haltbar" vom Standpunkt des "Geruchs und Geschmacks" erweisen würde, dieses Dokument dem Fachmann nicht die Schlussfolgerung der im obigen Punkt 19 hervorgehobenen technischen Wirkungen nahelegt, z.B. das Vorhandensein des Sesquiterpen-Lactons Parthenolid und der parthenolidähnlichen Verbindungen als mengenmäßig dominierenden Inhaltsstoffen und die chemische Stabilität dieser labilen Moleküle, geschweige denn die besseren pharmakologischen Eigenschaften des Extraktes.

23. Es ist daher nach Überzeugung der Kammer kein Grund ersichtlich, der den Fachmann zu einer Kombination der Entgegenhaltungen D15 und D7 veranlasst hätte. Die in Anspruch 1 definierte technische Lehre ergibt sich somit nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik.

24. Dieses Ergebnis wird des weiteren dadurch untermauert, dass die Entgegenhaltung D7, die sich auf Extraktion mittels überkritischem CO2 bezieht, im Jahre 1982, d.h. etwa 10 Jahre vor dem Prioritätstag des angefochtenen Patentes veröffentlicht wurde. Diese Lehre, die zum kennzeichnenden Merkmal des Anspruchs 1 hätte führen können, war somit bereits über eine lange Zeit im Stand der Technik enthalten. Trotzdem ist die Fachwelt in dieser langen Zeit gegenüber dieser Kenntnis "blind" gewesen. Dies stellt im konkreten Fall ein weiteres Indiz für die erfinderische Tätigkeit der im Anspruch 1 vorgeschlagenen Lösung dar (siehe Entscheidung T 330/92 vom 10. Februar 1994).

25. Der geltende Patentanspruch 1 beruht somit auf einer erfinderischen Tätigkeit. Das Gleiche gilt für die abhängigen Anspruche 2 bis 8, die Merkmale bevorzugter Ausführungsformen der Erfindung nach Anspruch 1 enthalten. Die erfinderische Tätigkeit der auf ein Arzneimittel gerichteten Ansprüche 9 und 10 wird durch dieselben Gründen getragen, weil das so hergestellte Arzneimittel überraschende und mit anderen Extraktionsverfahren nicht erzielbare pharmakologische Eigenschaften aufweist. Demgemäß sind auch die Ansprüche 9 und 10 rechtsbeständig.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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