T 0460/99 () of 30.8.2001

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2001:T046099.20010830
Datum der Entscheidung: 30 August 2001
Aktenzeichen: T 0460/99
Anmeldenummer: 94117841.0
IPC-Klasse: C08K 7/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Kautschukchemikalienzubereitung
Name des Anmelders: RHEIN-CHEMIE REINAU GmbH
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.3.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 84
European Patent Convention 1973 Art 107
European Patent Convention 1973 Art 108
European Patent Convention 1973 Art 123(2)
European Patent Convention 1973 R 88
Schlagwörter: Berichtigung des Namens der Beschwerdeführerin (stattgegeben)
Neuheit (bejaht)
Erfinderische Tätigkeit - Aufgabe und Lösung (verneint)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
J 0018/93
J 0017/96
J 0031/96
T 0814/98
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0015/01
T 0715/01
T 1091/02
T 0883/03
T 1421/05
T 0848/08

Sachverhalt und Anträge

I. Die am 11. November 1994 unter Beanspruchung der Priorität einer deutschen Voranmeldung (4 339 984) vom 24. November 1993 eingereichte europäische Patentanmeldung Nr. 94 117 841.0 mit der Veröffentlichungsnummer 0 654 498 und dem Titel "Kautschukchemikalienzubereitung" wurde von der Prüfungsabteilung mit Entscheidung vom 11. Dezember 1998 zurückgewiesen. Die Zurückweisung erfolgte auf der Grundlage eines mit Schreiben vom 21. September 1998 eingereichten Anspruchssatzes mit drei Ansprüchen folgenden Wortlauts:

"1. Kautschukchemikalienzubereitung bestehend aus Kautschukchemikalien in feinverteilter Form aus der Gruppe bestehend aus Beschleuniger, Vernetzungsmittel, Stabilisatoren und Alterungsschutzmittel und einer Trägerflüssigkeit aus der Gruppe bestehend aus synthetischen Weichmachern, worin die Kautschukchemikalienteilchen einen mittleren Durchmesser (Gewichtsmittel d50) von 2 µm bis 20 µm, vorzugsweise <10 µm, besitzen und eine Teilchendurchmesserverteilung entsprechend d10-d90 < = 20 µm, vorzugsweise <10 µm, aufweisen.

2. Verfahren zur Herstellung der Kautschukchemikalienzubereitungen gemäß Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß man die Kautschukchemikalien gegebenenfalls vorzerkleinert und dann mit der Trägerflüssigkeit mischt, so daß die Anpastung keine Teilchen >50 µm enthält, und die Mischung in einer Perlmühle vermahlt.

3. Verfahren nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, daß die Anpastung keine Teilchen >30 µm enthält."

II. Als Grund für die Zurückweisung nannte die angefochtene Entscheidung fehlende Neuheit des Gegenstandes von Anspruch 1 gegenüber der Lehre der Druckschrift

D1: US-A-3 923 712.

i) D1 offenbare Mischungen aus Kautschukchemikalien, nämlich den Vernetzern Magnesium- und Zinkoxid (Spalte 1, Zeilen 66 bis 68), mit einer Trägerflüssigkeit. Gemäß den Beispielen der Druckschrift, sowie Spalte 5, ab Zeile 27 sei diese Trägerflüssigkeit unter anderem synthetischer Natur. Zur Herstellung der Mischungen würden die Komponenten mittels einer Kolloidmühle unter intensiver Vermahlung vermischt (Spalte 8, Zeile 55). Die Größe der eingesetzten Teilchen befände sich im anspruchsgemäßen Bereich (z. B. 10 µm; Spalte 4, Zeilen 43 bis 50).

Die Argumentation der Anmelderin, einen Unterschied zwischen den anspruchsgemäßen "Kautschukchemikalien" (im folgenden kurz: KC) und denen in D1 zu machen, wurde als nicht zielführend bezeichnet, da Anspruch 1 nicht nur die in den eigenen Beispielen verwendeten, sondern auch die in D1 eingesetzten Verbindungen umfasse. Da Anspruch 1 keine verfahrensspezifischen Merkmale enthalte und nicht glaubhaft gemacht worden sei, daß die im Anspruch definierten Produktparameter eindeutig bestimmte Verfahrensweisen ausschlössen, seien Argumente über Unterschiede im Verfahren der Anmeldung und dem von D1 nicht überzeugend.

D1 lehre zudem, daß solche Zubereitungen gegenüber einem direkten Einsatz der KC Vorteile erbrächten.

ii) In der Entscheidung wurde auch auf eine negative Stellungnahme der Prüfungsabteilung zur erfinderischen Tätigkeit in einem Vorbescheid hingewiesen. Diese Position wurde hinsichtlich Anspruch 2 aufrechterhalten.

III. Am 10. Februar 1999 legte die Firma Bayer AG gegen diese Entscheidung unter gleichzeitiger Entrichtung der vorgeschriebenen Gebühr Beschwerde ein. Mit Schriftsatz vom 25. März 1999, eingegangen am 26. März 1999, wurde vom zugelassenen Vertreter der Anmelderin (Rhein-Chemie Rheinau GmbH), Dr. Steiling, erneut Beschwerde erhoben und erklärt, daß diese Beschwerde nachgereicht werde, da die erste Beschwerde "versehentlich mit Briefkopf und Adresse der Bayer AG" eingelegt worden sei. Auf die bereits durch die Bayer AG erfolgte Gebührenzahlung wurde Bezug genommen.

Schließlich verwies die Firma Bayer AG in einem Schriftsatz vom 23. Juni 1999 unter Hinweis auf Regel 88 EPÜ auf die Berichtigung des Beschwerdeschriftsatzes und die Tatsache, daß die Rhein-Chemie Rheinau GmbH eine 100 %-ige Tochterfirma der Bayer AG sei.

Am 7. April 1999 erfolgte die Beschwerdebegründung unter Ersatz des oben wiedergegebenen Anspruchssatzes durch neue Ansprüche 1 bis 3. Der gleichzeitig gestellte Antrag lautete auf Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Erteilung eines Patents auf Grundlage der neuen Ansprüche. Hilfsweise wurde eine mündliche Verhandlung beantragt.

Zur Stützung ihrer Beschwerde hat die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf früheres Vorbringen im wesentlichen vorgetragen, KC-Teilchen könnten nur dann gut mit den Kautschuken gemischt und die Agglomeration der Teilchen in Kautschukmischungen nur dann verhindert werden, wenn die KC in KC-Zubereitungen einen bestimmten mittleren Durchmesser und eine sehr enge Teilchengrößenverteilung besäßen. Dies werde in den Beispielen durch die Auswertung von Stippentests verdeutlicht.

Zudem enthalte die Pastendispersion von D1 neben Magnesium- und Zinkoxid und einer nichtwäßrigen Trägerflüssigkeit ein oberflächenaktives Mittel. Die Oxide sollten in einem möglichst feinverteilten Zustand vorliegen, wobei deren Teilchengröße so gering bzw. so fein wie möglich sein solle (etwa 0,02 bis etwa 2 µm, bei einer Tolerierbarkeit bis etwa 10 µm). Eine Teilchengrößenverteilung werde nirgends erwähnt.

Eine besonders feine Form der Teilchen führe jedoch, wie in der Beschreibungseinleitung dargelegt, zu Agglomerationsproblemen und folglich zu Stippen. Die in D1 als bevorzugt offenbarten Teilchengrößen reichten praktisch bis zu Stäuben, deren Durchmesser unter 2 µm lägen.

IV. In einem Bescheid vom 24. November 2000 und erneut in der Anlage zur Ladung vom 11. Mai 2001 wurden eine Reihe von Einwänden unter Artikel 84 EPÜ sowie Bedenken gegen die vorgetragenen Argumente und vorliegenden Beweise für die Patentfähigkeit, insbesondere die erfinderische Tätigkeit, erhoben und der Beschwerdeführerin Gelegenheit zu weiterem Sachvortrag und zur Klarstellung ihrer Eingaben gegeben. So wurde die Bedeutung des Begriffs "Kautschukchemikalien" und dessen Abgrenzung gegenüber oberflächenaktiven Mitteln hinterfragt. Auch die Aussagekraft der Beispiele im Hinblick auf die in den Ansprüchen definierten Parameter wurde in Frage gestellt und die Notwendigkeit einer Angabe der Meßmethode für die Bestimmung der Teilchengrößenverteilung in den Ansprüchen genannt.

V. Mit Schreiben vom 12. März 2001 und 23. Juli 2001 legte die Beschwerdeführerin zwei Versionen neuer Tabellen sowie in der letztgenannten Eingabe auch Teilchengrößendiagramme der gemahlenen Proben gemäß den Beispielen 1, 2 und 4 vor. Damit sollten die Daten der ursprünglichen Beispiele durch weitere Angaben zu den Parametern der Ansprüche ergänzt werden, um den durch die Beschwerdeführerin anerkannten Mangel fehlender eindeutiger Interpretationsmöglichkeit der Beispiele zu beseitigen. Auch wurden weitere Angaben zur Meßmethode der Teilchengrößen gemacht. Zur Frage der Neuheit wurde dargelegt, daß D1 keinerlei Hinweise auf eine spezielle Teilchendurchmesserverteilung enthalte, und geltend gemacht, daß auf Grund der anmeldungsgemäßen Teilchengrößenverteilung Vulkanisate hergestellt werden könnten, deren physikalische Eigenschaften gegenüber solchen mit nicht gleichmäßiger Verteilung wesentlich verbessert seien.

Die Beschwerdeführerin erkannte an, daß oberflächenaktive Substanzen von den KC umfaßt werden könnten, allerdings im Unterschied zu D1, wo sie Agglomeratbildung verhindern sollten, nicht erforderlich seien.

Mit dem Schreiben vom 23. Juli 2001 wurde außerdem eine neue Version von Anspruch 1 eingereicht und beantragt, die Erteilung eines Patents in Aussicht zu stellen. Gleichzeitig zog sie den Antrag auf mündliche Verhandlung zurück.

VI. Nach einem Telefax des Berichterstatters am 14. August 2001, in dem die Verletzung der Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ durch den neuen Anspruch 1 gerügt und die Aufrechterhaltung des Termins für die mündliche Verhandlung mitgeteilt wurde, modifizierte die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 14. August 2001 den Wortlaut des Anspruchssatzes erneut, teilte mit, daß sie nicht an der mündlichen Verhandlung teilnehmen werde und beantragte Entscheidung nach Aktenlage.

Die letzte Fassung des Anspruchssatzes lautet:

"1. Kautschukchemikalienzubereitung bestehend aus Kautschukchemikalien in feinverteilter Form und einer Trägerflüssigkeit, worin die Kautschukchemikalienteilchen einen mittleren Durchmesser (Gewichtsmittel d50) von 2 µm - 20 µm besitzen und eine Teilchendurchmesserverteilung entsprechend d10-d90 < = 20. µm aufweisen, wobei d50 der Teilchendurchmesser ist, innerhalb dessen die Durchmesser von jeweils 50 Gew.-% der Teilchen liegen; d10 der Durchmesser ist, oberhalb dessen 10 Gew.-% und unterhalb dessen 90 Gew.-% der Teilchen liegen und d90 der Durchmesser ist, oberhalb dessen 90 Gew.-% und unterhalb dessen 10 Gew.-% der Teilchen liegen und wobei d10-d90 die Differenz dieser beiden Werte darstellt und ein Maß für die Verteilungsbreite ist.

2. Verfahren zur Herstellung der Kautschukchemikalienzubereitungen gemäß Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß man die Kautschukchemikalien gegebenenfalls vorzerkleinert, dann mit der Trägerflüssigkeit mischt, so daß die Anpastung keine Teilchen >50 µm enthält, und anschließend die Mischung vermahlt, mit der Maßgabe, daß der in Anspruch 1 angegebene mittlere Teilchendurchmesser und die angegebene Teilchendurchmesserverteilung resultiert."

VII. Die mündliche Verhandlung fand am 30. August 2001 in Abwesenheit der Beschwerdeführerin statt.

VIII. Gemäß ihrem schriftlichen Vortrag beantragte die Beschwerdeführerin, die Zurückweisungsentscheidung aufzuheben und ein Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen: Ansprüche 1 und 2, eingereicht am 14. August 2001, hilfsweise nur Anspruch 1 vom 14. August 2001.

Entscheidungsgründe

1. Zulässigkeit der Beschwerde

Gemäß Artikel 107 Satz 1 EPÜ steht die Beschwerde denjenigen zu, die an dem Verfahren beteiligt waren, das zu der Entscheidung geführt hat, soweit sie durch die Entscheidung beschwert sind.

Die Anmelderin Rhein-Chemie Rheinau GmbH ist die einzige am erstinstanzlichen Verfahren beteiligte und durch die ergangene Entscheidung beschwerte Partei, so daß nur ihr das Beschwerderecht zustand. Die von der Bayer AG fristgemäß unter Zahlung der Beschwerdegebühr erhobene Beschwerde ist somit im Grunde unzulässig. Dies gilt gleichermaßen für die zweite Beschwerde vom 26. März 1999, weil deren Einlegung außerhalb der Zweimonatsfrist gemäß Artikel 108 Satz 1 EPÜ erfolgt ist.

Die zweite Beschwerde ist aber als Berichtigungsantrag gemäß Regel 88 Satz 1 EPÜ auszulegen, worauf auch die Bayer AG in einem weiteren Schriftsatz vom 23. Juni 1999 ausdrücklich Bezug genommen hat.

Gemäß Regel 88 Satz 1 EPÜ können sprachliche Fehler, Schreibfehler und Unrichtigkeiten in den beim Europäischen Patentamt eingereichten Unterlagen auf Antrag berichtigt werden. Erforderlich ist hierfür nach der Rechtsprechung, daß genügend Beweise zur Stützung des Berichtigungsantrags vorliegen (J 18/93, ABl. EPA 1997, 326; J 17/96 vom 3. Dezember 1996, J 31/96 vom 25. November 1997 und T 814/98 vom 8. November 2000).

Im vorliegenden Fall war die Zustelladresse der Anmelderin bzw. die ihres bestellten Vertreters während des gesamten Prüfungsverfahren die der Patentabteilung der Bayer AG ("c/o Bayer AG, Konzernbereich RP, Patente Konzern, 51368 Leverkusen", später "Bayer AG, KB-RP, Patente und Lizenzen, 51368 Leverkusen"). Der erste Beschwerdeschriftsatz ist von dieser Abteilung der Bayer AG eingereicht worden und identifiziert die angefochtene Entscheidung durch die Anmeldenummer und das Datum der Entscheidung.

Es ist somit nachvollziehbar, wenn der Vertreter der Anmelderin vorbringt, den Beschwerdeschriftsatz versehentlich auf einem Blatt mit Briefkopf und Adresse der Bayer AG abgesetzt zu haben.

Die Kammer ist auf Grundlage dieser Fakten zu dem Schluß gekommen, daß im Rahmen dieses Prüfungsbeschwerdeverfahrens die Möglichkeiten eines Mißbrauchs der Bestimmungen der Regel 88 EPÜ zu vernachlässigen sind, so daß höhere Anforderungen als die von der Anmelderin abgegebenen Erklärungen für die Berichtigung nicht gerechtfertigt erscheinen.

Die Berichtigung erfolgt immer rückwirkend, d. h., im vorliegenden Fall wirkt die Berichtigung auf die erste fristgemäß eingelegte Beschwerde zurück, und der Umstand, daß die Beschwerdegebühr nicht von der Anmelderin entrichtet wurde, ist unbeachtlich, da gemäß Rechtsauskunft 6/91 rev. (ABl. EPA 1991, 573) Gebühren von jedermann wirksam entrichtet werden können.

Die Beschwerde ist daher zulässig.

2. Anspruchswortlaut

2.1. Anspruch 1 basiert auf der ursprünglichen Fassung des Anspruchs mit einer Ergänzung, die nicht wörtlich von Seite 2, Zeilen 3 bis 8 der Beschreibung übernommen wurde und in der vorliegenden Form, die im folgenden unter Punkt 2.2 wiedergegeben wird, die Bedingungen des Artikel 123 (2) EPÜ nicht erfüllt. Die Passage der Beschreibung lautet: "Mit d50 ist der Teilchendurchmesser gemeint oberhalb dessen und unterhalb dessen die Durchmesser von jeweils 50 Gew.-% der Teilchen liegen".

Anspruch 2 basiert auf einer Kombination der ursprünglichen Ansprüche 2 und 4 sowie Seite 2, Zeilen 20. bis 23.

2.2. Außerdem ist die vorliegende Fassung von Anspruch 1, die das Ergebnis wiederholter Einwände unter Artikel 84 EPÜ durch die Kammer darstellt, wegen der nunmehrigen Formulierung der oben angesprochenen Passage im Anspruch weiterhin nicht klar. Sie lautet nun: "wobei d50 der Teilchendurchmesser ist, innerhalb dessen die Durchmesser von jeweils 50 Gew.-% der Teilchen liegen".

2.3. Darüber hinaus werden die mittlere Teilchengröße (Teilchendurchmesser) und die Teilchengrößenverteilung der KC durch Parameter definiert, wie sie bei Feststoffen in diskreter Teilchenform im Prinzip beispielsweise durch eine Siebanalyse ermittelt werden können. Dabei spielen die Meßmethode und die eingesetzten Geräte (Siebgrößen, gemessener Siebrückstand bzw. Siebdurchgang) eine entscheidende Rolle für die resultierenden Meßwerte.

Gemäß den Überschriften in den Beispielen wurden diese Parameter durch eine optische Auswertung mit Mikroskop bestimmt. Anspruch 1 enthält keine entsprechende Klarstellung.

2.4. Anspruch 1 erfüllt folglich weder die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ noch die des Artikels 84 EPÜ.

2.5. Auch wenn die Beschwerde bereits wegen dieser Mängel der Erfolg versagt bleiben muß, hat die Kammer auch die Frage der Patentfähigkeit unter Artikel 52 (1) EPÜ untersucht, da diese Einwände bei Anwesenheit der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung möglicherweise hätten behoben werden können.

3. Stand der Technik

D1 beschreibt pastöse Metalloxid-Dispersionen und deren Verwendung als Härtungs- oder Vulkanisationsmittel für halogenhaltige Polymere wie Neopren. Die Dispersion enthält neben Magnesiumoxid und Zinkoxid mit jeweils einer mittleren Teilchengröße bis etwa 10 µm eine nichtwäßrige Trägerflüssigkeit und eine öllösliche oder öldispergierbare oberflächenaktive Substanz (Anspruch 1). Damit werden befriedigende Ergebnisse erhalten. Ansonsten sollten die Feststoffe so fein wie möglich sein. Schließlich wird ein bevorzugter Teilchengrößenbereich mit 0,02 bis 2 µm angegeben. Dazu wird die Mischung aus den Komponenten durch eine Kolloidmühle behandelt (Spalte 4, Zeilen 45 bis 55).

Durch den Einsatz einer solchen Dispersion sollen die ernsten Probleme vermieden werden, die bei der Zugabe solcher Stoffe als trockenes Pulver zum Polymer auftreten: Verkleben und Anbacken an Mühlenwalzen und Banbury-Rotoren, Scorching (vorzeitige Vernetzung und Verbrennen des synthetischen Kautschuks), Staubprobleme, beschränkte Mischbarkeit mit dem und ungleichmäßige Verteilung im Polymer (Spalte 1 bis Spalte 3, Zeile 61).

Als Trägerflüssigkeiten kommen Mineral- und Pflanzenöle ebenso in Frage wie Alkohole, Ester, Harze und Polymere. Unter anderem werden Ester wie Dibutyl- und Dioctylphthalate, also bekannte Weichmacher, namentlich genannt (Spalte 5, Zeilen 27 bis 38). Ester (z. B. Dioctylphthalat) werden neben festen Carbonsäuren (z. B. Salicylsäure) auch als Beispiele für geeignete oberflächenaktive Verbindungen aufgezählt (Spalte 6, Zeile 46 bis Spalte 7, Zeile 43).

4. Neuheit

Wie von der Beschwerdeführerin in ihrer Eingabe vom 23. Juli 2001 konzediert, können von Seiten der chemischen Konstitution der Zubereitungen keine Unterschiede zwischen der bekannten und der nun beanspruchten Zubereitung festgestellt werden. Nach der Erklärung im ersten Absatz der vorliegenden Beschreibung umfassen die KC eine lange Reihe von Zusatzmitteln, darunter Vulkanisationsmittel und -beschleuniger, Weichmacher und "ähnliche Zuschläge". Gemäß den zusammen mit dieser Eingabe eingereichten Kopien aus dem "Handbuch für die Gummiindustrie", 2. Auflage, Bayer AG, Redaktionsschluß 1991, Teil D, Seiten 353/354 zählen zu Kautschukchemikalien auch Zink- und Magnesiumoxide, Weichmacher sowie oberflächenaktive Stoffe.

Die Tatsache, daß eine Komponente nicht zwingend, sondern nur fakultativ enthalten sein kann, ist für die notwendige Beurteilung der Frage einer Überschneidung der Offenbarung unbeachtlich.

Der Beschwerdeführerin ist aber zuzustimmen, daß eine spezielle Teilchengrößenverteilung in D1 nicht offenbart wird. Der Gegenstand von Anspruch 1 ist daher neu (Artikel 54 EPÜ).

Da die Beschwerdeführerin nicht nur die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, sondern die Erteilung beantragt und die Prüfungsabteilung auch bereits eine, wenn auch vorläufige Meinung zur erfinderischen Tätigkeit geäußert hat (angefochtene Entscheidung, Punkte 2, 4.4 und 5), bleibt auch die erfinderische Tätigkeit noch zu untersuchen.

5. Erfinderische Tätigkeit

5.1. Die Anmeldung betrifft eine Kautschukchemikalienzubereitung.

5.2. Eine solche Zubereitung ist bereits aus D1 bekannt. Wie bereits zur Neuheit festgestellt, lassen sich die Zubereitungen gemäß der Anmeldung hinsichtlich ihrer Komponenten nicht von denen gemäß D1 unterscheiden.

5.3. Da die vorliegende Anspruchsfassung auch keinerlei Mengenbegrenzungen enthält, können als einzig mögliche Unterscheidungskriterien gegenüber der Druckschrift nur die Teilchengröße der KC und ihre Teilchengrößenverteilung in Betracht kommen.

5.4. Hinsichtlich der im Vergleich zum Zusatz der KC als Feststoffe, z. B. als Pulver, zu lösenden Aufgaben werden in der Beschreibungseinleitung der Anmeldung dieselben Probleme genannt wie in der Beschreibungseinleitung von D1 ("Background of the invention"). Allerdings werden auf Seite 1, Zeilen 19 bis 22 als Gründe für noch nicht zufriedenstellende Ergebnisse mit bekannten KC-Zubereitungen eine zu große Bandbreite der Durchmesser der KC-Teilchen, die von 1 mm bis zu Staubanteilen unter 2 µm beziffert werden, und ihre Agglomeration genannt.

5.5. Demgemäß könnte als zu lösende technische Aufgabe in der Verbesserung der Verteilbarkeit der KC im Polymer angesehen werden.

Zunächst ist daher zu beurteilen, ob diese Aufgabe durch den beanspruchten Gegenstand gelöst wird. Dies kann nur gestützt auf die Beispiele der Anmeldung bzw. die ergänzenden nachgereichten Informationen untersucht werden.

5.5.1. Gemäß Anspruch 1 müssen die KC mittlere Teilchengrößen und eine Teilchengrößenverteilung besitzen, die durch die d10-, d50- und d90-Werte bzw. durch die Differenz d10-d90 (jeweils bezogen auf die Gewichtsverteilung der Proben) gekennzeichnet sind. Keiner dieser Parameter ist in den ursprünglich eingereichten Beispielen angegeben. Die Beispiele als solche können die Lösung der obigen Aufgabe daher nicht glaubhaft belegen, zumal zudem keinerlei Vergleichsdaten zum nächstliegenden Stand der Technik D1 vorliegen, sondern nur gröbere nichtvermahlene Zubereitungen als Vergleich herangezogen wurden.

5.5.2. Nach Aufforderung hat die Beschwerdeführerin mit den Schreiben vom 12. März und 23. Juli 2001 ergänzende Informationen zu den Beispielen vorgelegt, die die fehlenden Meßwerte gemäß Anspruch 1 nachliefern sollten.

5.5.3. Der Vergleich der für jeweils dieselben Beispiele der Anmeldung vorgelegten Umrechnungsdaten zeigt allerdings, daß die verschiedenen zusätzlichen Angaben nicht als eindeutig bezeichnet werden können, sondern beträchtliche Abweichungen aufweisen (Angaben in µm):

FORMEL (Tabelle)

In der Tabelle sind lediglich die vorgelegten Werte für die gemahlenen Zubereitungen wiedergegeben. Bei den Ausgangs-KC bzw. den in einer Vorstufe lediglich mit einem Dissolver bereiteten Dispersionen treten teilweise noch weit größere Diskrepanzen auf. Auch ein Vergleich einzelner umgerechneter Werte der Fraktionsanalyse zeigt Unterschiede von mehr als 1 %.

Darüber hinaus wurde in der Eingabe vom 23. Juli 2001 mitgeteilt, daß die Überprüfung der in Beispiel 3 angegebenen Werte ergeben habe, daß diese nicht mit den beanspruchten Werten übereinstimmten und das Beispiel als erfindungsgemäßes Beispiel daher entfalle.

5.5.4. Es sind folglich Unstimmigkeiten in den Daten festzustellen, die bezweifeln lassen, daß es sich zum einen um einfache Umrechnungen der ursprünglichen Angaben handelt oder daß die optische Auswertung im Mikroskop zum anderen eine für eine verläßliche und aussagekräftige Beurteilung der Teilchengrößen und ihrer Verteilung geeignete Methode darstellt.

5.5.5. Außerdem läßt sich wegen fehlender Daten zum nächstliegenden Stand der Technik, D1, nicht beurteilen, ob oder daß demgegenüber die oben genannte technische Aufgabe tatsächlich gelöst wird.

5.5.6. Folglich kann die technische Aufgabe lediglich in der Bereitstellung einer alternativen Zubereitung zu D1 gesehen werden.

5.6. Es bleibt daher zu entscheiden, ob sich diese Lösung in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt.

5.7. Wie bereits unter Punkt 3 gezeigt, verlangt D1 eine Größenordnung der Teilchen von bis etwa 10 µm, d. h., der dortige Bereich der Durchmesser überschneidet sich deutlich mit dem Bereich der mittleren Teilchengröße von 2. bis 20 µm in Anspruch 1.

5.7.1. Die Beschwerdeführerin hat geltend gemacht, daß das weitere in Anspruch 1 definierte Merkmal, die Teilchengrößenverteilung, eine wesentlichen Bedeutung auf den Erfolg der Erfindung ausübe. Dieses weitere Merkmal sei in D1 aber nicht angesprochen. Vielmehr umfasse die dortige Zubereitung auch Staubanteile von unter 2 µm.

5.7.2. Dieses Argument kann die Kammer nicht gelten lassen, da die Teilchengrößenverteilung, wie oben gezeigt, nicht in einer Art und Weise definiert ist, die eine verläßliche Abgrenzung darstellt und geeignet wäre, das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit zu belegen. Wie die von der Beschwerdeführerin nachgereichten Daten zu den Beispielen, die erstmals überhaupt einen Bezug zwischen den Merkmalen des Anspruchs d10, d50, d90 und d10-d90 einerseits und den experimentellen Daten gemäß ursprünglicher Offenbarung andererseits herstellen, überdies belegen, ist die optische Auswertung im Mikroskop offensichtlich nicht eindeutig. Darüber hinaus wird hierdurch das geltend gemachte Vorhandensein von Staubanteilen in D1 von unter 2 µm auch nicht ausgeschlossen, was durch die vorgelegten errechneten Werte (siehe beispielsweise die Angabe zu Beispiel 4: 6. %) und die eingereichten Diagramme belegt wird.

5.7.3. Auch das Argument in der Eingabe vom 11. Mai 1998, die in D1 eingesetzte Mühle eigne sich nicht für die Herstellung der anmeldungsgemäßen Zubereitung, kann nicht überzeugen. Die KC in Anspruch 1 umfassen, wie oben angesprochen, eine breite Palette verschiedenster organischer und anorganischer Substanzen, die unterschiedliche Schmelzpunkte, Härten, Sprödigkeiten und Bruchenergien aufweisen. Es liegt aber innerhalb des allgemeinen Fachwissens des Fachmanns, dementsprechend die geeignetste Mühle aus den bekannten Formen solcher Vorrichtungen auszuwählen.

5.7.4. Außerdem fehlt es den gegen D1 vorgebrachten Argumenten an jeglicher Stütze durch experimentelle Daten, die eine Unterscheidung der Zubereitungen auf Grund von Unterschieden in der Zusammensetzung und auf Grund anderer Eigenschaften durch einen direkten Vergleich des Anmeldungsgegenstandes mit diesem nächstliegenden Stand der Technik ermöglichten.

5.7.5. Die Offenbarung sowohl in D1 wie auch im vorliegenden Fall zeigt lediglich eine Verbesserung gegenüber dem direkten Einbringen der KC in Kautschuke. Damit kann aber, wie von der Prüfungsabteilung bereits festgestellt wurde, keine erfinderische Tätigkeit gegenüber D1 begründet werden.

5.8. Anspruch 1 weist folglich nicht die erforderliche erfinderische Tätigkeit auf (Artikel 56 EPÜ).

5.9. Da über einen Antrag nur als Ganzes entschieden werden kann, erübrigen sich Untersuchungen zu Anspruch 2.

6. Bei dieser Sachlage können daher weder der Hauptantrag, beruhend auf den Ansprüchen 1 und 2, noch der lediglich Anspruch 1 umfassende Hilfsantrag zum Erfolg führen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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