European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2004:T065903.20041004 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 04 October 2004 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0659/03 | ||||||||
Anmeldenummer: | 00110354.8 | ||||||||
IPC-Klasse: | B67C 7/00 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verfahren zum Abfüllen und Verschließen von Behältern mit zweiteiligen Stopfen | ||||||||
Name des Anmelders: | KHS Maschinen- und Anlagebau Aktiengesellschaft | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.2.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Anzahl der unabhängigen Ansprüche - Knappheit (nach Änderung, bejaht) Zurückweisung zur weiteren Prüfung |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die unter der Nummer EP 1 059 260 veröffentlichte europäische Patentanmeldung Nr. 00 110 354.8 wurde mit Entscheidung vom 10. März 2003 zurückgewiesen. Die Zurückweisung erfolgte mit der Begründung, daß die Anmeldung die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ in Verbindung mit Regel 29 (2) EPÜ nicht erfülle.
II. Gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung hat die Beschwerdeführerin (Anmelderin) am 17. April 2003 unter fristgerechter Entrichtung der Beschwerdegebühr Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdebegründung ist am 7. Mai 2003 eingegangen.
III. Nach zwei Mitteilungen in denen die Beschwerdekammer in Hinblick auf Regel 29 (2) EPÜ ihre Bedenken hinsichtlich der Anzahl der unabhängigen Ansprüche äußerte, hat die Beschwerdeführerin mit der Eingabe vom 16. Juli 2004 die neuen Ansprüche 1-15 eingereicht. Sie beantragte, die Entscheidung der Prüfungsabteilung aufzuheben und ein Patent auf der Grundlage dieser Unterlagen zu erteilen.
IV. Die geltenden unabhängigen Ansprüche lauten:
"1. Verfahren zum Abfüllen und Verschließen von Behältern, vorzugsweise von Flaschen, bei denen in einer Abfülleinrichtung gefüllte Behälter mit einem kappen- artigen, auf das Mündungsende eines Behälters aufsetzbaren Verschlußelement unter Bildung eines Dichtungspreßsitzes zwischen dem Verschlußelement und dem Behälter verschlossen werden, gekennzeichnet durch folgende Verfahrensschritte:
a) nach beendeter Füllung erfolgt ein Aufschäumen der Flaschen mit minimiertem Überströmen der aufgeschäumten Flüssigkeit,
b) auf den Schaumpfropfen wird ein erster Verschlußteil unter Bildung eines Dichtsitzes auf die Flaschenmündung aufgebracht,
c) mit Abdichtung der Flaschenmündung wird ein Absprühen der mit Flüssigkeits- und/oder Schaumresten behafteten Flaschenmündung eingeleitet, worauf
d) der eigentliche Hauptverschluß unter Ausschluß seiner Sauerstoffeinbringung in die Flaschenmündung auf die Flaschenmündung aufgebracht wird."
"4. Verfahren gemäß Oberbegriff des Anspruchs 1 unter Einbeziehung des Verfahrensschrittes a) nach Anspruch 1, gekennzeichnet durch die weiteren Verfahrensschritte:
a) auf die Flaschenmündung wird eine Sprüheinrichtung aufgesetzt, mit der eine stirnseitige Abdichtung der Flasche und ein Rundumbesprühen mindestens des Verschlußbereiches erfolgt, worauf
b) mit Inertgas gefüllte Verschlüsse auf die Flaschenmündung aufgebracht werden."
V. Zur Stützung ihres Antrags hat die Beschwerdeführerin im wesentlichen vorgebracht, daß die unabhängigen Ansprüche 1 und 4. Alternativlösungen für eine bestimmte Aufgabe darstellten und somit unter den in Regel 29 (2) EPÜ erwähnten Ausnahmefall c) fielen. Diese Alternativlösungen in einem einzigen Anspruch wiederzugeben, erschien der Anmelderin nicht zweckmäßig. Die durch diese Alternativlösungen gelöste Aufgabe sei, Luft- und/oder Sauerstoffeintragungen in den Flaschenhals des zu verschließenden Behälters zu vermeiden, bzw. den Einfluß der Umgehungsluft auf den Flascheninhalt möglichst zu verhindern.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 sowie der Regel 64 EPÜ und ist somit zulässig.
2. Zulässigkeit der neuen unabhängigen Ansprüche
Die unabhängigen Ansprüche 1 und 4 entsprechen jeweils den ursprünglich eingereichten unabhängigen Ansprüchen 1 und 4. Somit geben sie keinen Anlaß zu Beanstandungen unter Artikel 123 (2) EPÜ und können als Grundlage für eine weitere Prüfung dienen.
3. Knappheit (Artikel 84 EPÜ in Verbindung mit Regel 29 (2) EPÜ)
In der Entscheidung über die Zurückweisung der Anmeldung wurde gerügt, daß die Anmeldung die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ in Verbindung mit Regel 29 (2) EPÜ nicht erfülle, weil die Ansprüche nicht knapp gefaßt seien und nicht unter die in Absatz c) von Regel 29 (2) EPÜ erwähnte Ausnahme fielen.
Regel 29 (2) EPÜ wurde durch Beschluß des Verwaltungsrat des Europäischen Patentamt mit Wirkung vom 2. Januar 2002 geändert (ABl. EPA 2002, Seite 2) und besagt, daß eine europäische Patentanmeldung nur dann mehr als einen unabhängigen Patentanspruch in der gleichen Kategorie (Erzeugnis, Verfahren, Vorrichtung oder Verwendung) enthalten darf, wenn sich der Gegenstand der Anmeldung auf einen der folgenden Sachverhalte bezieht:
a) mehrere miteinander in Beziehung stehende Erzeugnisse,
b) verschiedene Verwendungen eines Erzeugnisses oder einer Vorrichtung,
c) Alternativlösungen für eine bestimmte Aufgabe, sofern es nicht zweckmäßig ist, diese Alternativen in einem einzigen Anspruch wiederzugeben.
Im vorliegenden Fall zeigt sich, daß in der Anmeldung folgende Verfahren beschrieben sind:
- ein erstes Verfahren bestehend hauptsächlich aus den folgenden Verfahrensschritten:
a) nach beendeter Füllung erfolgt ein Aufschäumen der Flaschen mit minimiertem Überströmen der aufgeschäumten Flüssigkeit,
b) auf den Schaumpfropfen wird ein erster Verschlußteil unter Bildung eines Dichtsitzes auf die Flaschenmündung aufgebracht,
c) mit Abdichtung der Flaschenmündung wird ein Absprühen der Flaschenmündung eingeleitet,
d) der eigentliche Hauptverschluß unter Ausschluß seiner Sauerstoffeinbringung in die Flaschenmündung auf die Flaschenmündung aufgebracht wird;
- ein zweites Verfahren bestehend hauptsächlich aus den folgenden Verfahrensschritten:
a) nach beendeter Füllung erfolgt ein Aufschäumen der Flaschen mit minimiertem Überströmen der aufgeschäumten Flüssigkeit,
b) auf die Flaschenmündung wird eine Sprüheinrichtung aufgesetzt, mit der eine stirnseitige Abdichtung der Flasche und ein Rundumbesprühen der Flaschenmündung erfolgt,
c) mit Inertgas gefüllte Verschlüsse werden auf die Flaschenmündung aufgebracht.
Im ersten Verfahren wird bei der stirnseitigen Abdichtung ein erster Verschlußteil 2 des zweiteiligen Hauptverschlusses 3 bereits vor dem Besprühen eingesetzt, wogegen im zweiten Verfahren eine getrennte stirnseitige Abdichtung mit dem Aufsetzen der Sprüheinrichtung erfolgt und der mit Inertgas gefüllte Verschluß erst nach dem Rundumbesprühen aufgebracht wird. In Anbetracht dieser Unterschiede sieht die Kammer das Anliegen der Beschwerdeführerin als berechtigt, die zwei alternativen Verfahren mittels zwei unabhängiger Verfahrensansprüche unter Schutz zu stellen, wobei Anspruch 1 sich auf das erste Verfahren und Anspruch 4 auf das zweite Verfahren beziehen.
Noch zu prüfen ist nun, ob diese zwei unabhängigen Ansprüche derselben Kategorie unter die unter Punkt c) der Regel 29 (2) EPÜ aufgeführte Ausnahmesituation fallen, d. h. ob sie Alternativlösungen für die von der Beschwerdeführerin angegebene Aufgabe darstellen (Luft- und/oder Sauerstoffeintragungen in den Flaschenhals des zu verschließenden Behälters zu vermeiden, bzw. den Einfluß der Umgehungsluft auf den Flascheninhalt möglichst zu verhindern).
Beide Verfahrensansprüche verlangen, daß nach beendeter Füllung ein Aufschäumen der Flaschen mit minimiertem Überströmen der aufgeschäumten Flüssigkeit erfolgt. Aus der Beschreibung (vgl. insbesondere Spalte 3, Zeilen 5-6 und 30-33) geht hervor, daß dieses Aufschäumen mit Kohlendioxidbläschen Luft und/oder Sauerstoff aus dem Flaschenhals des zu verschließenden Behälters austreibt. Beide Verfahrensansprüche verlangen außerdem, daß das Abdichten und Aufbringen der Verschlüsse unter Ausschluß von Sauerstoffeinbringung stattfindet, bzw. mit Inertgas gefüllten Verschlüssen erfolgt. Die unabhängigen Ansprüche 1 und 4 enthalten somit alle zur Lösung der angegebenen Aufgabe erforderlichen Merkmale.
Folglich ist festzustellen, daß die unabhängigen Verfahrensansprüche 1 und 4 Alternativlösungen für eine bestimmte Aufgabe darstellen und die Bedingung c) der Regel 29 (2) EPÜ in Verbindung mit Artikel 84 EPÜ erfüllen.
4. Zurückverweisung
Da in der angefochtenen Entscheidung die Zurückweisung der Anmeldung lediglich aus Gründen von Artikel 84 EPÜ in Verbindung mit Regel 29 (2) EPÜ erfolgte und im übrigen noch keine Prüfung auf die weiteren Anforderungen des EPÜ, insbesondere Neuheit und erfinderische Tätigkeit stattgefunden hat, steht nun die weitere Prüfung der geltenden Ansprüche sowie der weiteren Unterlagen an.
In Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern macht die Kammer von dem ihr in Artikel 111 (1) EPÜ eingeräumten Ermessen Gebrauch, die Angelegenheit zur weiteren Prüfung an die Prüfungsabteilung zurückzuverweisen. Auf diese Weise verbleibt der Beschwerdeführerin bei der Prüfung der Anmeldung auf die weiteren Erfordernisse des EPÜ das Recht auf zwei Instanzen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an die erste Instanz zur weiteren Prüfung zurückgewiesen.