T 1154/02 () of 5.10.2004

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2004:T115402.20041005
Datum der Entscheidung: 05 October 2004
Aktenzeichen: T 1154/02
Anmeldenummer: 95111549.2
IPC-Klasse: B29C 47/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
Download und weitere Informationen:
Text der Entscheidung in DE (PDF, 28 KB)
Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Für die Aufnahme definierter Beanspruchungen bestimmter, stranggepreßter Profilstab aus thermoplastischem Kunststoff
Name des Anmelders: Technoform Caprano + Brunnhofer oHG
Name des Einsprechenden: Ensinger GmbH
Kammer: 3.2.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 83
Schlagwörter: Ausführbarkeit, ja
Erfinderische Tätigkeit, nein
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0581/04

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das Streitpatent widerrufen worden ist, Beschwerde eingelegt.

Im Einspruchsverfahren war das gesamte Patent im Hinblick auf Artikel 100 a) EPÜ, in Verbindung mit Artikel 56 EPÜ, und Artikel 100 b) EPÜ angegriffen worden. Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, daß der in Artikel 100 a) EPÜ genannte Einspruchsgrund der mangelnden erfinderischen Tätigkeit der Aufrechterhaltung des Patents entgegenstehe.

II. Am 5. Oktober 2004 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.

III. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in erteilter Fassung.

Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.

IV. Im Beschwerdeverfahren wurden insbesondere die folgenden Entgegenhaltungen erwähnt:

D1: FR-A-2 335 773

D2: DE-A-3 801 574

D5: Gutachtliche Stellungnahme von Prof. Dr.-Ing. H. G. Fritz, 15. August 2002

D8: Kunststoffmaschinenführer, Carl Hanser Verlag München Wien 1992, Seiten 335 bis 336

V. Anspruch 1 wie erteilt lautet wie folgt:

"1. Für die Aufnahme definierter Beanspruchungen bestimmter, stranggepreßter Profilstab (1) aus thermoplastischem Kunststoff, dessen Profilquerschnitt quer zur Profilstablängsachse unter dem Einfluß der Beanspruchungen mechanische Hochspannungsbereiche (2) und Niederspannungsbereiche (3) ausbildet, und der eine beim Strangpressen eingebrachte Langfaserbewehrung aus Fasern (5) besitzt, die eine Länge im Bereich von 3 bis 20. mm und einen Elastizitätsmodul von zumindest 60.000 N/mm2 aufweisen, wobei der Anteil der Langfaserbewehrung in dem thermoplastischen Kunststoff 30 bis 70 Masse % beträgt, dadurch gekennzeichnet, daß in dem Hochspannungsbereich (2) oder in den Hochspannungsbereichen (2) des Profilquerschnitts die Fasern (5) der Faserbewehrung hauptsächlich in Längsrichtung des Profilstabes (1) orientiert sind, daß die Fasern (5) eine Orientierung aufweisen, die ausgedrückt durch den Wärmedehnungsquotienten aus der Wärmedehnung des Profilstabs (1) in Längsrichtung im Zähler und der Wärmedehnung des Profilstabs (1) in Querrichtung im Nenner, kleiner als 0,2 ist und daß durch Anwendung des Kühldüsenextrusionsverfahrens massemäßig eine ausreichend gleichmäßige Verteilung der Fasern (5) im Profilquerschnitt fixiert ist."

VI. Die Beschwerdeführerin hat im schriftlichen und im mündlichen Verfahren im wesentlichen folgendes vorgetragen:

Der Gegenstand des Streitpatents sei ausführbar. Der Begriff "Masse %" beziehe sich auf die Gesamtmasse (siehe Streitpatent, Spalte 5, Zeilen 15 bis 17). Der Fachmann sei in der Lage, ein zum Beispiel aus den Entgegenhaltungen D2 und D8 bekanntes Kühldüsenextrusionsverfahren anzuwenden. Es sei möglich, einen Faseranteil von bis zu 70 Masse % zu erreichen. Wie die Messung des Wärmedehnungsquotients erfolge, werde in Spalte 3, Zeilen 39 bis 55 des Streitpatents beschrieben.

Die Entgegenhaltung D1 stelle den nächstliegenden Stand der Technik dar. Die zu lösende Aufgabe sei in Spalte 1, Zeilen 50 bis 56 des Streitpatents dargelegt. Die in Anspruch 1 beanspruchte Lösung dieser Aufgabe sei nicht durch den Stand der Technik nahegelegt.

In dem aus der Entgegenhaltung D1 bekannten Extrusionswerkzeug sei die Ausrichtung der Fasern in Längsrichtung nicht einheitlich genug, um einen Wärmedehnungsquotient kleiner als 0,2 zu erreichen. Durch die in dieser Entgegenhaltung offenbarte, geringere Ausrichtung könne ein Wärmedehnungsquotient von 0,25 bis 0,5 erreicht werden.

Die Kühldüsenextrusion sei zwar als solche bekannt, sie werde jedoch nur bei Kurzfasern enthaltenden Kunststoffen angewendet.

Die in Anspruch 1 des Streitpatents beanspruchte Erfindung beruhe auf einer Kombination der folgenden Faktoren: a) Anwendung von Langfasern, b) Längsorientierung der Fasern und c) Kühldüsenextrusion. Es gebe keinen Hinweis im Stand der Technik, eine solche Kombination anzuwenden.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruhe daher auf einer erfinderischen Tätigkeit.

VII. Die Beschwerdegegnerin hat im schriftlichen und mündlichen Verfahren im wesentlichen folgendes vorgetragen:

Der Gegenstand des Streitpatents sei nicht ausführbar. Es sei nicht klar, ob sich der Begriff "Masse %" auf die Gesamtmasse oder lediglich die Masse des Kunststoffes beziehe. Der Ausdruck "Kühldüsenextrusionsverfahren" sei für den Fachmann nicht klar. Es sei nicht möglich, für sämtliche im Streitpatent erwähnte Faserarten einen Anteil von bis 70 Masse % zu erreichen. Es sei nicht klar, wie der Hochspannungsbereich abgegrenzt sei und wie der Wärmedehnungsquotient gemessen werde.

Die Entgegenhaltung D1 sei der nächstliegende Stand der Technik. Sie offenbare die Anwendung von Langfasern und deren Orientierung gegenüber der Längsrichtung des Profils in einem Winkelbereich von 5 bis 10°. Bei einer Abweichung von 10° sei der Wärmedehnungsquotient deutlich unter 0,2.

Der einzige Unterschied gegenüber dem aus der Entgegenhaltung D1 bekannten Verfahren sei die Anwendung des Kühldüsenextrusionsverfahrens. Dies sei jedoch eine übliche Maßnahme, um enge Toleranzen und genaue Konturen zu realisieren (siehe Entgegenhaltung D8).

Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruhe daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Entscheidungsgründe

1. Ausführbarkeit

1.1. Gemäß Spalte 5, Zeilen 15 bis 17 der Beschreibung des Streitpatents liegt der Anteil der Langfaserbewehrung in dem Profilstab im Bereich von 30 bis 70 Masse %. Es ist daher klar, daß der Begriff "Masse %" sich auf die Gesamtmasse bezieht.

1.2. Das Kühldüsenextrusionsverfahren ist zum Beispiel aus der Entgegenhaltung D2 bekannt. Der Begriff wird ferner in der Entgegenhaltung D5 unter Punkt 4.3 erläutert. Der Fachmann ist in der Lage, ein solches Verfahren anzuwenden, um den Profilstab des Anspruchs 1 des Streitpatents herzustellen.

1.3. Es gibt keinen Grund zu zweifeln, daß mit einem Faseranteil von 70 Masse % eine ausreichend gleichmäßige Verteilung der Fasern erzielt werden kann. Der Fachmann ist nach Auffassung der Kammer durchaus in der Lage, eine geeignete Faserart und einen geeigneten thermoplastischen Kunststoff zu wählen, um einen entsprechend hohen Faseranteil zu erreichen.

1.4. Es wird in Spalte 3, Zeilen 39 bis 55 des Streitpatents beschrieben, wie der Wärmedehnungsquotient gemessen wird. Die Beschwerdegegnerin hat Versuche durchgeführt (Stellungnahme vom 9. Oktober 2003, Punkt 5), bei denen Wärmedehnungsquotienten deutlich kleiner als 0,2 gemessen wurden. Anspruch 1 verlangt, daß in bestimmten Bereichen ("Hochspannungsbereichen") des Profilquerschnitts die Fasern der Faserbewehrung hauptsächlich in Längsrichtung des Profilstabes orientiert sind, wobei der Wärmedehnungsquotient kleiner als 0,2 ist. Der Fachmann ist imstande, eine solche Orientierung entweder in einem Teil des Profils oder über das ganze Profil zu erreichen.

Die Offenbarung des Streitpatents ist daher ausreichend, um die beanspruchte Erfindung auszuführen.

2. Erfinderische Tätigkeit

2.1. Die Entgegenhaltung D1 stellt den nächstliegenden Stand der Technik dar. Die Kammer ist der Auffassung, daß aus dieser Entgegenhaltung ein Profilstab mit allen Merkmalen des ersten Teils des Anspruchs 1 bekannt ist. Dies wurde von den Beteiligten auch nicht bestritten.

Die Beschwerdeführerin behauptet jedoch, daß mit dem aus der Entgegenhaltung D1 bekannten Verfahren eine einheitliche Ausrichtung der Fasern in Längsrichtung nicht möglich sei.

Bei dem in der Figur 2 der Entgegenhaltung D1 gezeigten Extrudierwerkzeug wird der Extrusionsschlitz 6 von einem drehbaren Innenteil 15 und einem drehbaren Außenteil 20 gebildet. Innenteil 15 und Außenteil 20 werden in entgegengesetzte Richtungen gedreht. Diese Drehungen führen zu einem Flußbild, das außen in einer Umfangsrichtung und innen in der entgegengesetzten Umfangsrichtung von der Längsrichtung abweicht.

Aus Anspruch 6 der Entgegenhaltung D1 geht hervor, daß der Winkel zwischen den Fasern und der Längsrichtung des Rohres sich im Inneren der Rohrwand derart kontinuierlich ändert, daß die Fasern an der Außenwand des Rohrs die Fasern an der Innenwand des Rohres kreuzen. Laut Anspruch 1 dieser Entgegenhaltung ist der Winkel zwischen den Fasern und der Längsrichtung des Rohres wenigstens 5 bis 10°, vorzugsweise 45 bis 90°. Daß der Bereich zwischen 45 und 90° als bevorzugt beansprucht wird, ändert jedoch nichts an der Tatsache, daß dort ein Winkel zwischen den Fasern und der Längsrichtung des Rohres von wenigstens 5 bis 10° offenbart ist.

In der Entgegenhaltung D1 ist mithin ein Rohr offenbart, in dem die Fasern an der Innen- und an der Außenwand des Rohres unter einem Winkel von bis zu 10° und die Fasern im Bereich zwischen der Außen- und der Innenoberfläche des Rohres unter einem Winkel von weniger als 10° zur Längsrichtung des Rohres ausgerichtet sind.

In den von der Beschwerdegegnerin durchgeführten Versuchen wird nachgewiesen, daß in einem Profil mit einer Langfaserbewehrung, in der die Fasern unter einem Winkel von 10° gegenüber der Längsrichtung des Profils ausgerichtet sind, der Wärmedehnungsquotient deutlich kleiner als 0,2 ist (siehe Stellungnahme der Beschwerdegegnerin vom 9. Oktober 2003). Dies steht auch im Einklang mit der im Streitpatent in Spalte 3, Zeilen 39 bis 55 enthaltenen Erläuterungen.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich daher von der Offenbarung der Entgegenhaltung D1 lediglich dadurch, daß, anstelle eines konventionellen Extrusionsverfahrens, ein Kühldüsenextrusionsverfahren Anwendung findet.

2.2. Ausgehend von der Entgegenhaltung D1 kann die Aufgabe der Erfindung darin gesehen werden, zur Herstellung des den Profilstabs ein geeignetes Verfahren zu wählen, dessen Erzeugnis enge Toleranzen und genaue Konturen aufweist.

2.3. Gemäß Entgegenhaltung D8, Seite 336, erster Absatz, können durch das Kühldüsenverfahren Profile mit engen Toleranzen und genauen Konturen hergestellt werden. Es bedarf daher keiner erfinderischen Tätigkeit, das Kühldüsenverfahren in dem aus der Entgegenhaltung D1 bekannten Verfahren anzuwenden, um einen Profilstab gemäß Anspruch 1 des Streitpatents herzustellen.

Es gibt keinen Grund zu bezweifeln, daß das Kühldüsenextrusionsverfahren auch bei der Verwendung von Langfasern anwendbar ist. Das Verfahren behandelt und beeinflußt die Oberfläche des extrudierten Kunststoffs. Die Entscheidung, ein Kühldüsenextrusionsverfahren anzuwenden, ist daher im wesentlichen unabhängig von der Art des verwendeten Füllmaterials.

2.4. Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Quick Navigation