T 0871/02 (Wiedereinsetzung/SVEDALA) of 9.10.2003

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2003:T087102.20031009
Datum der Entscheidung: 09 October 2003
Aktenzeichen: T 0871/02
Anmeldenummer: 97113308.7
IPC-Klasse: B07B 1/42
B06B 1/16
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished | Unpublished v2
Bezeichnung der Anmeldung: Schwingungsantrieb für eine Siebmaschine
Name des Anmelders: SVEDALA GfA Aufbereitungsmaschinen GmbH & Co. KG
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 108
European Patent Convention 1973 Art 122
European Patent Convention 1973 R 78
European Patent Convention 1973 R 83
Schlagwörter: Fristenüberwachungssystem
Alle gebotene Sorgfalt (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
J 0005/80
J 0016/82
J 0026/92
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die am 1. August 1997 unter Beanspruchung der Priorität der deutschen Patentanmeldung DE 19631849 vom 7. August 1996 eingereichte europäische Patentanmeldung wurde mit Entscheidung der Prüfungsabteilung vom 22. April 2002 wegen mangelnder Neuheit im Hinblick auf die Entgegenhaltung US-A- 3. 226 989 (D1) zurückgewiesen.

II. Am 9. August 2002 ist unter gleichzeitiger Entrichtung der Beschwerdegebühr Beschwerde gegen die Zurückweisungsentscheidung erhoben und diese gleichzeitig begründet worden. Am gleichen Tag ist die Wiedereinsetzung in die Beschwerdefrist beantragt, der Antrag begründet und die Wiedereinsetzungsgebühr entrichtet worden.

III. Die Patentanmelderin - Beschwerdeführerin im folgenden - hat angegeben, daß bei ihren zugelassenen Vertretern in Bezug auf eingehende Post das Datum des Posteingangs mit einem Posteingangsstempel auf der ersten Seite der Postsendung festgehalten werde. Zusätzlich würden bereits bei Posteingang alle kanzleiinternen und amtlichen Fristen berechnet und in dafür vorgesehene Felder des Posteingangsstempels eingetragen. Soweit eine weitere amtliche Frist zu beachten sei, werde diese getrennt von der ersten amtlichen Frist ebenfalls auf der ersten Seite des Posteingangs notiert.

Im vorliegenden Fall sei somit auf der ersten Seite der Zurückweisungsentscheidung im Posteingangsstempel als Eingang der 23. April 2002 festgehalten worden sowie die Wiedervorlagedaten 7. Mai und 22. Juni und der 2. Juli 2002 als Ablaufdatum der Beschwerdefrist. Außerhalb des Posteingangsstempels sei das Ende der zweiten amtlichen Frist, der Beschwerdebegründungsfrist, der 2. September 2002 und als Wiedervorlage zur Abfassung der Beschwerdebegründung der 2. August 2002 notiert worden.

Gemäß der Büroorganisation in der Kanzlei der zugelassenen Vertreter der Beschwerdeführerin sei für diese Vornotierung der Fristen auf den Posteingängen die Sekretärin, Frau Suzan Kurtel, zuständig. Anschließend an die Vornotierung werde die Post zur weiteren Bearbeitung an das zuständige Sekretariat des jeweiligen mit der Sache in der Kanzlei befaßten zugelassenen Vertreters weitergeleitet, wo die vornotierten Fristen nochmals berechnet, mit den auf dem Posteingang notierten Fristen verglichen und in einen Fristenkalender eingetragen würden. Zuständig sei in diesem Fall die Patentanwaltsfachangestellte Sabine Hasche gewesen, die zunächst die Richtigkeit der vornotierten Fristen überprüft, aber aus Versehen nur die Beschwerdebegründungsfrist mit der diese betreffenden Wiedervorlagefrist, nicht jedoch die Beschwerdefrist und die beiden dazugehörigen Wiedervorlagefristen in den Fristenkalender eingetragen habe. Das Versehen sei am 2. August 2002 bei Wiedervorlage der Akte zur Erstellung der Beschwerdebegründung bemerkt worden.

In der beigefügten eidesstattlichen Versicherung gibt Frau Hasche an, daß sie seit 1. Juli 1999 in der Kanzlei der zugelassenen Vertreter der Beschwerdeführerin als Patentanwaltsfachangestellte beschäftigt sei und bisher die zu ihrem Tätigkeitsfeld gehörenden Arbeiten ohne Beanstandung erfüllt habe. Warum sie in diesem Fall die ihr wohlbekannte Beschwerdefrist nicht in gewohnter Weise in den Fristenkalender eingetragen habe, könne sie sich nicht erklären.

Der mit der Angelegenheit befaßte zugelassene Vertreter hat ebenfalls eine eidesstattliche Erklärung vorgelegt, in der er versichert, die für die Fristennotierung zuständigen Mitarbeiter regelmäßig auf die genaue Einhaltung der kanzleiinternen Arbeitsanweisung hinzuweisen. Da bei beiden Angestellten hinsichtlich Berufspraxis und Zuverlässigkeit kein Zweifel über ihre Qualifikation für die ihnen übertragenen Tätigkeiten bestanden hätten, habe er vollstes Vertrauen gehabt, daß auch in diesem Fall die Beschwerdefrist im Fristenkalender eingetragen werde, zumal er durch stichprobenartige Überwachung der im Büro angestellten Hilfskräfte eine gleichmäßige Arbeitsqualität sicherstelle.

Neben den eidesstattlichen Versicherungen wurde auch die erste Seite der Zurückweisungsentscheidung mit den fünf vornotierten Fristen in Kopie vorgelegt.

IV. Auf entsprechende Nachfrage der Kammer zu der Organisation des Fristenüberwachungssystems in der Kanzlei der Vertreter der Beschwerdeführerin hat der für die Angelegenheit zuständige Vertreter erläutert, daß in der Kanzlei im Frühjahr 2002 das von der australischen Firma Maxim Technology Pty Ltd. erstellte Schutzrechtsverwaltungsprogramm InProTech eingeführt worden sei, das Fristen durch Eingabe des Datums des sie auslösenden Bescheids sowie von dessen tatsächlichem Eingang selbständig generiere. Für den vorliegenden Fall seien auch alle fünf Fristen im Kontrollsystem vorhanden gewesen und für die Wiedervorlage am 22. Juni 2002 sei am 21. Juni 2002 der Reminder erzeugt worden, ebenso für den 2. Juli 2002, den Ablauf der Beschwerdefrist. Frau Hasche habe jedoch aus unerklärlichen Gründen die Beschwerdefrist mit der Beschwerdebegründungsfrist verwechselt und die Beschwerdefrist auf den Remindern gestrichen, da sie offenbar dem übergangsweise noch verwendeten handschriftlichen Kalender, in dem, wie gesagt, die Eintragung der Beschwerdefrist unterlassen worden sei, mehr vertraut habe, als dem Systemausdruck des Computers. Eine Kopie des die Wiedervorlagen vom 21. bis 23. Juni 2002 betreffenden Reminders, auf dem die sich auf den vorliegenden Fall beziehende Beschwerdefrist gestrichen war, wurde vorgelegt.

Entscheidungsgründe

1. Gemäß Artikel 108, Satz 1 EPÜ ist die Beschwerde innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der Entscheidung schriftlich beim Europäischen Patentamt einzulegen.

2. Im vorliegenden Fall ist die Frist zur Einreichung der Beschwerde am 2. Juli 2002 abgelaufen (Regel 78 (2), 83 (1), (2), (4) EPÜ). Die Einlegung der Beschwerde am 9. August 2002 ist somit außerhalb der Frist erfolgt.

3. Ob die Beschwerde dennoch als rechtzeitig eingegangen gilt, hängt davon ab, ob dem Wiedereinsetzungsantrag der Beschwerdeführerin in die Frist zur Einreichung der Beschwerde stattzugeben ist.

4. Artikel 122 (2), Satz 1 EPÜ schreibt vor, daß der Wiedereinsetzungsantrag innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall des Hindernisses für die Einhaltung der Frist schriftlich einzureichen ist.

Die Beschwerdeführerin hat angegeben, daß das Hindernis am 2. August 2002 weggefallen sei, als ihr Vertreter die Akte zur Erstellung der Beschwerdebegründung wieder vorgelegt bekommen habe.

Somit ist die Zweimonatsfrist mit der Stellung des Wiedereinsetzungsantrags am 9. August 2002 gewahrt.

5. Artikel 122 (2), Satz 2 EPÜ ist ebenfalls erfüllt, da die versäumte Handlung, die Einlegung der Beschwerde zum selben Zeitpunkt nachgeholt wurde.

6. Der Antrag ist somit nach Artikel 122 (2) und (3) EPÜ zulässig.

7. Nach Artikel 122 (1) EPÜ wird nur dann wieder in den vorigen Stand eingesetzt, wenn die Fristversäumnis trotz Beachtung aller nach den Umständen gebotenen Sorgfalt eingetreten ist.

8. Wie die Beschwerdeführerin dargelegt hat, beruht die Fristversäumnis auf einem Versehen der Patentanwaltsfachangestellten, was diese eidesstattlich bestätigt hat. Das Fehlverhalten einer Hilfsperson wird dem zugelassenen Vertreter dann nicht angelastet, wenn dieser nachweisen kann, daß er für die in Rede stehende Tätigkeit eine entsprechend qualifizierte Person ausgewählt, sie mit ihren Aufgaben vertraut gemacht und die Ausführung ihrer Arbeiten in vernünftigem Umfang überwacht hat (J 0005/80, ABl. EPA 1981, 343).

9. Hinsichtlich der ausreichenden Qualifizierung der Hilfsperson besteht zu Zweifeln kein Anlaß. Denn Frau Hasche ist ausgebildete Patentanwaltsfachangestellte und hat ihre Kenntnisse durch eine Prüfung beweisen müssen. Zu den Aufgaben der Patentfachangestellten gehört die selbständige Berechnung, Notierung und Überwachung von Fristen. Hinzu kommt eine mehrjährige Berufspraxis, welche die Qualifizierung untermauert.

Aufgrund der Versicherung des zuständigen Vertreters kann auch davon ausgegangen werde, daß die Hilfspersonen in der Kanzlei der Vertreter der Beschwerdeführerin in vernünftigem Rahmen überwacht werden.

10. An die Sorgfaltspflicht von Hilfspersonen, die mit Routinearbeiten betraut sind, wozu auch das Notieren von Fristen gehört, werden nicht die gleichen strengen Anforderungen gestellt, wie an die des Vertreters (vgl. J 0016/82, ABl. EPA 1983, 262; J 0026/92).

Im vorliegenden Fall ist der Patentanwaltsfachangestellten, Frau Hasche wohl zweimal ein Fehler unterlaufen. Zunächst hat sie von den von Frau Kurtel korrekt vornotierten fünf Fristen nur zwei Fristen, die Beschwerdebegründungsfrist und die dazugehörige Wiedervorlagefrist in den Fristenkalender übertragen. Des weiteren hat sie den Reminder zur Beschwerdefrist, der von dem unabhängig von der Fristenüberwachung durch Frau Hasche in der Kanzlei arbeitenden Computerüberwachungssystem erstellt worden war, nicht anhand der Akte überprüft, sondern die dort ausgedruckte und als solche kenntlich gemachte Beschwerdefrist ohne weiteres gestrichen, wohl weil diese Frist nicht in ihrem Fristenkalender vermerkt war.

Während der erste Fehler als Versehen bzw. Unachtsamkeit einzustufen ist, die problemlos auf Grund des computergesteuerten Fristenüberwachungssystems mithilfe des Reminders hätte aufgefangen und behoben werden können, handelt es sich bei dem zweiten Fehler um ein "blackout", das rational nicht nachvollziehbar ist, und wogegen ein zusätzlich vorgesehenes Kontrollsystem nur bedingt hilft, wenn dieselbe Person, die für die Fehler verantwortlich ist, auch das Gegenkontrollsystem auswertet.

11. Die Kammer erkennt allerdings an, daß die zugelassenen Vertreter der Beschwerdeführerin sich um eine mehrfache Absicherung ihres Fristenüberwachungssystems bemüht haben, so daß die hier miteinander zusammenhängenden Fehler noch, wenn auch mit Bedenken, als einmaliges Versehen in einem ansonsten gut funktionierenden Fristenüberwachungssystem einzustufen sind, zumal, wie der zuständige Vertreter angegeben hat, täglich zwischen 200 und 300 Grunddaten in das System eingegeben würden und der Patentfachangestellten, Frau Hasche bisher keine Fristversäumnis unterlaufen sei.

12. Die Voraussetzung von Artikel 122 (1) EPÜ sind somit erfüllt, und die Beschwerdeführerin ist in die Beschwerdefrist wieder einzusetzen mit der Folge, daß die Beschwerde als eingelegt gilt.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerdeführerin wird wieder in die Beschwerdefrist eingesetzt.

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