T 0808/01 () of 11.5.2004

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2004:T080801.20040511
Datum der Entscheidung: 11 Mai 2004
Aktenzeichen: T 0808/01
Anmeldenummer: 96905676.1
IPC-Klasse: B60T 17/00
B60T 17/02
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Druckluft-Versorgungseinrichtung für Fahrzeug-Druckluftanlagen sowie Verfahren zum Steuern der Druckluft- Versorgunseinrichtung
Name des Anmelders: KNORR-BREMSE Systeme für Nutzfahrzeuge GmbH
Name des Einsprechenden: Haldex Brake Products GmbH
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 108 Sent 3
Schlagwörter: Zulässigkeit einer Beschwerde, die sich auf neue Entgegenhaltungen stützt (ja) - Reaktion auf die Begründung der angefochtenen Entscheidung
Erfinderische Tätigkeit (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0899/13
T 1114/19

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdegegnerin ist Inhaberin des europäischen Patents Nr. 0 827 470 (Anmeldenummer: 96 905 676.1).

II. Die Beschwerdeführerin legte gegen das erteilte Patent Einspruch ein und beantragte, das Patent wegen fehlender Patentfähigkeit zu widerrufen.

Sie berief sich dabei insbesondere auf

D1: EP-A-0 523 194

D4: DD-A-257 743

D5: DE-C-2 950 904.

III. Mit am 31. Mai 2001 zur Post gegebener Zwischenentscheidung hielt die Einspruchsabteilung das Patent in geändertem Umfang gemäß Hilfsantrag 3 aufrecht.

Patentansprüche 1 und 4 lauten:

"1. Druckluft-Versorgungseinrichtung (10.2) für Fahrzeug- Druckluftanlagen mit den folgenden Merkmalen:

- es ist ein Luftkompressor (11) vorgesehen, von dessen Ausgang zur Versorgung der Druckluftanlage eine Förderleitung (17) zu einem Lufttrockner (18) führt,

- an die Förderleitung (1) ist ein zu einer Druckentlastungsstelle (24) absteuerndes Sicherheitsventil (26) angeschlossen.

- ausgangsseitig des Lufttrockners (18) ist mit der Förderleitung (17) wenigstens ein Druckluft-Verbraucherkreis (z. B. 1) angeschlossen, dessen Druck von einem Drucksensor (54.1) überwacht ist,

- es ist eine Steuerelektronik (57) vorgesehen, an welche der Drucksensor (54.1) sowie wenigstens ein Magnetventil (44.5) für die Steuerung der Regeneration des Lufttrockners (18) angeschlossen sind und welche die Druckluftförderung des Luftkompressors (11) steuert, gekennzeichnet durch die weiteren Merkmale:

- die Förderleitung (17) ist ausgangsseitig des Lufttrockners (18) in zu wenigstens zwei Verbraucherkreisen (z. B. I, V) führende Leitungszweige (17.1, 17.5) verzweigt,

- die Verbraucherkreise (I, V) sind durch ein von der programmierbaren Steuerelektronik (57) schaltbares, im jeweiligen Leitungszweig (17.1, 17.5) liegendes Sperrglied von der Druckluftversorgung abtrennbar, wobei das Sperrglied ein im Leitungszweig (17.1, 17.5) angeordnetes Absperrventil (66.1, 66.5) ist, und wobei dieses ein im Leitungszweig (17.1, 17.5) vor oder nach einem Überströmventil (65.1, 65.5) angeordnetes 2/2-Wegeventil (66.1, 66.5) mit federbetätigter Durchlassstellung ist und wobei die Steuerelektronik (57) über einen Datenbus (59) mit der Motorsteuerung des Fahrzeugs verbunden ist."

"4. Verfahren zum Steuern einer Druckluft- Versorgungseinrichtung (10.2) für Fahrzeug- Druckluftanlagen nach Anspruch 1, wobei Steuerelektronik (57) vorgesehen ist, welche in Abhängigkeit vom Druck in wenigstens einem Druckluft-Verbraucherkreis (z. B. I) die Druckluftversorgung der Druckluftanlage steuert, gekennzeichnet durch die weiteren Merkmale:

- der Druck wird von der Steuerelektronik (57) in wenigstens zwei Verbraucherkreisen (z. B. I, V) überwacht,

- die Steuerelektronik (57) trennt die Verbraucherkreise (I, V) in Abhängigkeit von einem kreisabhängigen, programmierten Begrenzungsdruck von der Druckluftversorgung ab,

- die Steuerelektronik (57) verbindet den jeweiligen Verbraucherkreis (I, V) bei Unterschreiten des Begrenzungsdrucks um eine programmierte Druckdifferenz mit der Druckluftversorgung,

- die Steuerelektronik steuert das Befüllen der Verbraucherkreise (z. B. I, V), in Abhängigkeit vom Druck in den Kreisen sowie vom Fahrzustand des Fahrzeugs."

IV. Gegen diese Entscheidung legte die Beschwerdeführerin (Einsprechende) am 12. Juli 2001 unter gleichzeitiger Zahlung der vorgeschriebenen Gebühr Beschwerde ein.

In ihrer am 4. Oktober 2001 eingereichten Beschwerdebegründung verwies sie unter anderem auf

D5: VDI Berichte "Das sichere Nutzfahrzeug" vom 23./24. März 1995, Seiten 119 bis 139

D6: DE-A-4 030 361.

V. Es wurde am 11. Mai 2004 vor der Kammer mündlich verhandelt.

Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen bzw. als unbegründet zurückzuweisen.

VI. Patentanspruch 1 des aufrechterhaltenen Patents läßt sich in folgende Merkmale gliedern:

b) - es ist ein Luftkompressor vorgesehen, von dessen Ausgang zur Versorgung der Druckluftanlage eine Förderleitung zu einem Lufttrockner führt,

c) - an die Förderleitung ist ein zu einer Druckentlastungsstelle absteuerndes Sicherheitsventil angeschlossen,

d) - ausgangsseitig des Lufttrockners ist mit der Förderleitung wenigstens ein Druckluft-Verbraucherkreis angeschlossen, dessen Druck von einem Drucksensor überwacht ist,

e) - es ist eine Steuerelektronik vorgesehen, an welcher der Drucksensor sowie wenigstens ein Magnetventil für die Steuerung der Regeneration des Lufttrockners angeschlossen sind und welche die Druckluftförderung des Luftkompressors steuert.

Oberbegriff des Patentanspruchs 1

f) - die Förderleitung ist ausgangsseitig des Lufttrockners in zu wenigstens zwei Verbraucherkreise führende Leitungszweige verzweigt,

g) - die Verbraucherkreise sind durch ein von der programmierbaren Steuerelektronik schaltbares, im jeweiligen Leitungszweig liegendes Sperrglied von der Druckluftversorgung abtrennbar,

h) - wobei das Sperrglied ein im Leitungszweig angeordnetes Absperrventil ist,

i) - wobei dieses ein im Leitungszweig vor oder nach einem Überströmventil angeordnetes 2/2-Wegeventil mit federbetätigter Durchlaßstellung ist und

j) - wobei die Steuerelektronik über einen Datenbus mit der Motorsteuerung des Fahrzeugs verbunden ist.

Gekennzeichneter Teil des Patentanspruchs 1

VII. Zur Begründung ihrer Anträge führte die Beschwerdeführerin (Einsprechende) folgendes aus:

i) Es sei möglich, von D1 als dem nächstliegenden Stand der Technik auszugehen, da dieser Stand der Technik die Merkmale a) bis e) des Oberbegriffes des Patentanspruches 1 abdecke. Auch die Patentinhaberin sei gemäß den erteilten Unterlagen des Streitpatentes (Spalte 1, Zeilen 11. bis 13) diesen Weg gegangen. Die Bekanntheit der Merkmale a) bis e) aus D1 stehe zwischen den Parteien somit nicht in Frage.

Ausgehend von diesem Stand der Technik stelle sich ein auf dem einschlägigen Gebiet tätiger Fachmann die Teilaufgaben, die Zufuhr von Druckluft in mehrere Verbraucherkreise und die Entnahme von Druckluft aus einem Kreis zur Überleitung in einen anderen Kreis oder zum Zwecke der Regeneration des Lufttrockners fahrzeugspezifisch oder in Abhängigkeit von den Betriebsbedingungen der Druckluftanlage oder des Fahrzeuges auswählbar und steuerbar bzw. regelbar zu machen.

D4 greife insbesondere die oben genannten Teilaufgaben auf. Diese Druckschrift zeige die Ausdehnung einer Druckluftbeschaffungsanlage (Spalte 4, Zeilen 21/22) auf mehrere Kreise. Zu diesem Zweck sei das in D4 beschriebene Schutzkreisventil geeignet und bestimmt. Der Teilaspekt des Luftaustausches zwischen den Kreisen werde auf Spalte 6, Zeilen 36 von D4 angesprochen. D4 erwähne auch auf Spalte 4, Zeilen 22 bis 24 zwei gängige Bauarten von Kompressoren nebeneinander, nämlich erstens die am weitesten verbreitete übliche Bauart mit Kompressor und nachgeschaltetem Druckregler mit Auslaß- bzw. Sicherheitsventil, wie sie beispielsweise in D6 wiederkehre, und zweitens einen selbststabilisierenden Kompressor, ähnlich wie sie in D1 wiederkehre. Aus dieser Textstelle gehe hervor, daß das in D4 gezeigte Mehrkreisschutzventil für sämtliche Arten von Kompressoren bzw. Kompressorensteuerungen geeignet sei. In der Tat beziehe sich die in D4 niedergelegte Erfindung schwerpunktmäßig auf die Ausbildung des Mehrkreisschutzventiles für die vier Verbraucherkreise I, II, III und IV.

D4 beschreibe die Ausbildung des Mehrkreisschutzventiles, erwähne aber auch die Merkmale a) bis c), wobei verständlich sei, daß in D4 ein Lufttrockner expressis verbis nicht beschrieben und nicht dargstellt sei, weil es in der dort niedergelegten Erfindung nicht um die Problematik des Lufttrocknens und der Regeneration gehe, sonder um die Ausbildung des Mehrkreisschutzventiles und seine Anpassung an mehrere Kreise. Einem Fachmann sei es aber bekannt, daß Druckluftbeschaffungsanlagen, wie beispielsweise in D1 ersichtlich, in der Regel auch über einen Lufttrockner mit einem Trockenmittel verfügten, welches austauschbar in einer Kartusche untergebracht sei und auch eine Regeneration mit entsprechender Steuerung erfordere. Der Fachmann werde daher auch in D4 die Merkmale des Lufttrockners und der damit systemimmanenten Regeneration immer mitlesen.

D4 zeige gemäß Merkmal f) nicht nur wenigstens 2. Verbraucherkreise, sondern Leitungszweige, die insgesamt zu vier Kreisen führen. Diese Druckschrift zeige auch das Merkmal g) in Form des Steuerelementes, welches dem Sperrglied entspreche und beispielsweise gemäß der Alternative f) des Anspruchs 2 der D4 als

"Absperrventil, steuerbar oder von Hand betätigt",

ausgebildet sein könne. Die verschiedenen Möglichkeiten der Ausbildung und Anordnung des Sperrgliedes seien in den Figuren 1 bis 6 dargestellt.

Das Sperrglied könne, wie dargelegt gemäß Merkmal h), ein im Leitungszweig angeordnetes Absperrventil sein. Auf die Möglichkeit, dieses Absperrventil "steuerbar" auszubilden (oder eben von Hand zu betätigen) werde ausdrücklich in D4 hingewiesen. Die einfachste und allgemein bekannte Gestaltungsmöglichkeit, eine steuerbare Betätigung vorzusehen, sei die Verwendung eines Magnetventils, welches in seiner einfachsten Form zwei Anschlüsse und zwei Stellungen aufweise und so elektrisch entweder auf Durchgangsstellung oder Absperrstellung steuerbar sei. Die Anwendung einer Steuerelektronik für die elektrische Ansteuerung eines solchen Magnet/Absperrventils stelle keine Besonderheit dar. Auch entspreche es gängiger Praxis, daß in stromlosem Zustand federbelastet die Durchlaßstellung erreicht werde, während durch die elektrische Ansteuerung die Absperrstellung erreicht werde. Damit gehen auch die Merkmale g), h) und i) zumindest implizit aus der D4 hervor.

Bezüglich des Merkmales j) werde auf D5 oder D6 hingewiesen.

D5 zeige insbesondere in Bild 2 auf Seite 124 nicht nur ein "vollelektronisch gesteuertes Bremssystem", sondern auch die für einen Fachmann an sich selbstverständliche Tatsache, daß zu einem Bremssystem auch die Druckluftbeschaffung und -aufbereitung gehöre, ohne die die eigentliche Bremsanlage nicht funktioniere. In Bild 2 von D5 sei nun wieder für den Fachmann erkennbar die übliche "Druckluftgruppe" dargestellt, bestehend aus einem Kompressor, einem in der vom Kompressor ausgehenden Förderleitung nachgeschalteten Druckregler mit entsprechend gesteuertem Auslaßventil und aufgesetzter groß dargestellter Kartusche des Lufttrockners, sowie einem nachgeschalteten Mehrkreisschutzventil, von dem aus sich die Förderleitung zu den einzelnen Kreisen, repräsentiert durch drei dargestellte Druckluftbehälter, verzweige

D5 zeige damit für einen Fachmann auch die Merkmale a) bis f) gemäß obiger Merkmalsanalyse.

In D5 sei aber auch das Merkmal j) beschrieben, nämlich der Datenbus. Es werde hierzu auf die Beschreibung der Seiten 129/130 hingewiesen, sowie insbesondere auf das Bild 5 und die dort dargestellte "Motorelektronik", deren Einflüsse bzw. Signale ebenso wie die Signale der Getriebeelektronik und der Fahrwerkselektronik in den Fahrzeugdatenbus einmündeten und mit dem Zentralsteuergerät der Bremse in Verbindung stünden.

Insbesondere unter Berücksichtigung der dem Gegenstand des Streitpatentes zugrundeliegenden Teilaufgaben liege es für einen Fachmann nahe, die diskutierten Merkmale von D1, D4 und D5 zusammenzufügen.

Der Gegenstand des Anspruches 1 beruhe daher nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

Entsprechendes gelte, wenn man D6 statt D5 zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit heranziehe.

ii) Das Verfahren gemäß Patentanspruch 4 erweise sich auch nicht als auf erfinderischer Tätigkeit beruhend gegenüber der Kombination von D1 und D5.

Ausgehend von D1 seien die Merkmale des Oberbegriffs des Patentanspruchs bekannt, die analog zu den Merkmalen a) und e) des Anspruchs 1 gesehen werden könnten.

D5 zeige insbesondere in Bild 2 die Merkmale des Oberbegriffs sowie die drei Behälter der drei Kreise. In D5 sei beginnend auf S. 128 das "elektronische Systemkonzept" beschrieben. Dabei gehe es nicht nur um die elektronisch gesteuerte Bremse, sondern gehöre hierzu, wie die bildlichen Darstellungen darlegten, auch die zugehörige Druckluftaufbereitung. Die elektronische Steuerung werde über einen Datenbus auch von der Motorelektronik beeinflußt, d. h. die entsprechenden Daten der Motorelektronik würden überwacht, abgefragt, als Steuersignale dem Zentralsteuergerät zugeleitet; dort verarbeitet und entsprechend ausgesteuert. Auf S. 131, Mitte sei eine strukturierte Programmierung sowie statische und funktionale Prüfungen, die zur Anwendung kämen, erwähnt. Dies umfasse notwendigerweise nicht nur das Bremssystem selbst, sondern auch die zugehörige Druckluftaufbereitung, denn das Bremssystem könne nur im Zusammenhang mit der Druckluftaufbereitung überwacht und überprüft werden.

iii) das Verfahren gemäß Patentanspruch 4 sei auch durch die Kombination der Druckschriften D1 und D6 nahegelegt.

Auch bei dieser Argumentationslinie werde D1 als Ausgangspunkt gewählt und insoweit auf die vorangehenden Ausführungen hierzu verwiesen.

D6 zeige die wesentlichen Merkmale des kennzeichnenden Teils des Patentanspruchs 4. Auch hierzu könne auf die vorangehenden Ausführungen hingewiesen werden.

VIII. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) widersprach detailliert dem Vorbringen der Einsprechenden und machte geltend, daß der Gegenstand der Patentansprüche 1 bzw. 4 im Hinblick auf die Druckschriften D1, D4, D5 und D6 als erfinderisch anzusehen sei.

Des weiteren vertrat sie die Auffassung, daß die Beschwerde wegen fehlender Begründung unzulässig sei:

In der Beschwerdebegründung werde zunächst ausgeführt, daß die Einspruchsabteilung in der angefochtenen Entscheidung der Auffassung gewesen sei, keines der im Verfahren befindlichen Druckschriften offenbare das Merkmal "daß die Steuerelektronik über einen Datenbus mit der Motorsteuerung des Fahrzeugs verbunden ist". Sie sei daher zu dem Schluß gekommen, daß der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag III, der dieses Merkmal enthalte, als erfinderisch anzusehen sei.

Danach seien drei neue Druckschriften in der Beschwerdebegründung angeführt worden, darunter die D5 und D6. Im folgenden werde zu den jeweilig eingeführten Dokumenten erläutert, was dort offenbart sei. Dann werde ausgeführt, dieses Merkmal sei dem Fachwissen des Fachmanns zuzurechnen, woraufhin anschließend ausgeführt werde, daß der Gegenstand der aufrechterhaltenen Patentansprüche 1 und 4 gegenüber der D2 und insbesondere der D6 nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe.

Die D2 sei allerdings eine ältere europäische Anmeldung nach Artikel 54 (3) EPÜ. Damit könne der Inhalt dieser älteren Anmeldung nur bei der Prüfung der Neuheit und nicht dagegen bei der Prüfung der erfinderischen Tätigkeit berücksichtigt werden. Aus diesem Grund habe die Beschwerdeführerin keine relevanten Gründe angeführt, weswegen die angefochtene Entscheidung aufzuheben sei. Eine Kombination der D2 mit der D6 oder einem weiteren der eingeführten Dokumente könne offensichtlich nicht zur Aufhebung der Entscheidung der Einspruchsabteilung führen, weswegen keine Begründung vorliege, die zu einer zulässigen Beschwerde führen würde.

Entscheidungsgründe

1. Entgegen der Ansicht der Beschwerdegegnerin ist die Beschwerde ausreichend begründet im Sinne von Artikel 108, Satz 3 EPÜ.

In der angefochtenen Entscheidung war die Einspruchsabteilung der Auffassung, daß der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag II, d. h. mit den obengenannten Merkmalen a) bis i) der Merkmalsanalyse durch Zusammenschau der D4 mit der als nächstkommenden Stand der Technik berücksichtigten Druckschrift D1 nahegelegt sei.

Bezüglich des aufrechterhaltenen Hilfsantrags III mit dem im Patentanspruch 1 hinzugefügten Merkmal j), daß die Steuerelektronik über einen Datenbus mit der Motorsteuerung des Fahrzeugs verbunden ist, hat die Einspruchsabteilung das Nichtnaheliegen damit im wesentlichen begründet, daß dieses Merkmal aus dem zur Verfügung stehenden Stand der Technik nicht bekannt war.

Um die Bekanntheit des Merkmals j) nachzuweisen, hat die Beschwerdeführerin u. a. die Druckschriften D5 und D6 mit der Beschwerdebegründung eingereicht und vorgetragen, daß dieses Merkmal insbesondere bei D5 verwirklicht sei. Sie hat somit die der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegende Begründung in Frage gestellt, und zwar durch das Einreichen von neuen Dokumenten mit denen die mangelnde Stichhaltigkeit dieser Begründung glaubhaft gemacht werden soll.

Die Beschwerdeführerin hat für den durch die Merkmale a) bis i) definierten Gegenstand die Begründung der Einspruchsabteilung übernommen, wonach dieser Gegenstand durch Zusammenschau der Druckschriften D1 und D4 nahegelegt war.

Bezüglich des weiteren Merkmals j) hat sie vorgebracht, daß es entgegen der angefochtenen Entscheidung u. a. aus der Druckschrift D5 bekannt war und implizit geltend gemacht, daß der Gegenstand des Patentanspruchs 1, der dieses zusätzliche Merkmal enthält, durch Zusammenschau der Druckschriften D1, D4 und insbesondere D5 nahegelegt war. Zur Begründung fehlender erfinderischen Tätigkeit gibt somit die Beschwerdebegründung durch Bezugnahme auf gewisse Gründe der angefochtenen Entscheidung alle Merkmale a) bis j) des Patentanspruchs 1 an, die nach Auffassung der Beschwerdeführerin durch den Stand der Technik nahegelegt werden sollen, sowie die Beweismittel d. h. die Entgegenhaltungen D1, D4 und D5 für die vorgebrachten Tatsachen.

Es kann auch nicht behauptet werden, daß im vorliegenden Fall die geltend gemachten neuen Gründe, die sich u. a. auf D5 und D6 stützen, keinen Zusammenhang mit der Begründung der angefochtenen Entscheidung, daß das Merkmal j) aus dem Stand der Technik nicht bekannt war, aufweisen, zumal diese neuen Gründe nach wie vor unter demselben Einspruchsgrund, nämlich mangelnder erfinderischen Tätigkeit fallen.

Es ist richtig, daß die mangelnde erfinderische Tätigkeit in Hinblick auf D1, D4 und insbesondere D5 lediglich eine der beiden vorgebrachten Argumentationslinien darstellt. In einer weiteren Argumentationslinie wird zwar behauptet, daß der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in Hinblick auf eine ältere europäische Anmeldung nach Artikel 54 (3) EPÜ (D2) nicht erfinderisch sei. Jedoch, wenn bei Vorliegen mehrerer Argumentationslinien in der Beschwerdebegründung eine davon ausreichend begründet ist, so ist die Beschwerde zulässig, auch wenn bei einer weiteren Argumentationslinie keine Begründung vorliegt, die zu einer zulässigen Beschwerde führen würde.

Da alle übrigen formalen Verfahrenserfordernisse insbesondere bezüglich der Fristen erfüllt sind, hält daher die Kammer die Beschwerde für zulässig.

2. Erfinderische Tätigkeit - Patentanspruch 1

2.1. Es besteht Einigkeit darüber, daß D1 den nächstliegenden Stand der Technik darstellt.

In dieser Druckschrift ist ein abschaltbarer Luftkompressor vorgesehen, der Druckluft über einen Lufttrockner in einen Vorratsbehälter fördert. Ein am Vorratsbehälter angeordneter Drucksensor überwacht den Druck der eingesteuerten Luft. Sein Druckwert wird von einer Steuerelektronik ausgewertet, um den Luftkompressor ein- und auszuschalten. Hierdurch wird der Druck der in den Vorratsbehälter geförderten Luft gesteuert. Außerdem wird die Feuchtigkeit der Luft in der Anlage gemessen und von der Steuerelektronik die Regeneration des Lufttrockners druck- und feuchtigkeitsabhängig gesteuert.

Ausgehend von diesem Stand der Technik kann die der Erfindung zugrundeliegende Aufgabe darin gesehen werden, die Zufuhr von Druckluft in mehrere Verbraucherkreise und die Entnahme von Druckluft aus einem Kreis zur Überleitung in einen anderen Kreis oder zum Zwecke der Regeneration des Lufttrockners fahrzeugspezifisch oder in Abhängigkeit von den Betriebsbedingungen der Druckluftanlage oder des Fahrzeugs auswählbar und steuerbar bzw. regelbar zu machen (siehe Spalte 1, Zeile 50 bis Spalte 2, Zeile 3 der Streitpatentschrift).

2.2. Diese Aufgabe wurde im wesentlichen durch die folgenden, im Kennzeichen des Patentanspruchs 1 definierten Merkmale gelöst:

f) Die Förderleitung ist ausgangseitig des Lufttrockners in zu wenigstens zwei Verbraucherkreise führender Leitungszweige verzweigt,

g) die Verbraucherkreise sind durch ein von der programmierbaren Steuerelektronik schaltbares, in jeweiligen Leitungszweig liegendes Sperrglied von der Druckluftversorgung abtrennbar,

h) wobei das Sperrglied ein im Leitungszweig angeordnetes Absperrventil ist,

i) wobei dieses ein im Leitungszweig vor oder nach einem Überströmventil angeordneter 2/2-Wegeventil mit federbetätigter Durchlaßstellung ist, und

j) wobei die Steuerelektronik über einen Datenbus mit der Motorsteuerung des Fahrzeugs verbunden ist.

2.3. D4 betrifft ein Mehrkreisschutzventil zur Versorgung einer Mehrzahl von Verbraucherkreisen. Dieses Mehrkreisschutzventil weist eine Mehrzahl von Überströmventilen mit begrenzter Rückströmung auf, von denen je eines einem Verbraucherkreis zugeordnet ist. In einer der einzigen Leitungen des Mehrkreisschutzventils ist wenigstens ein Steuerelement angeordnet, daß ein steuerbares oder von Hand betätigbares Sperrventil sein kann.

Die Idee, eine programmierbare Steuerelektronik mit Drucksensoren zum Überwachen des Drucks in den einzelnen Verbraucherkreisen und zur einzelnen gewünschten Abtrennung dieser Verbraucherkreise auf programmierbare Art und Weise taucht bei D4 nicht auf.

Zudem ist kein Sperrglied in jedem Leitungszweig, die jeweils zu wenigstens einem von wenigstens zwei Verbraucherkreisen führen, offenbart, wobei das Sperrglied ein im Leitungszweig angeordnetes Absperrventil ist und wobei dieses ein im Leitungszweig vor oder nach einem Überströmventil angeordnetes 2/2- Wege Ventil mit federbetätigter Durchlaßstellung ist. Damit sind die Merkmale g), h) und i) aus D4 nicht entnehmbar. Eine Verbindung der Steuerelektronik über einen Datenbus mit der Motorsteuerung des Fahrzeugs ist aus D4 auch nicht entnehmbar (Merkmal j)).

2.4. D5 offenbart insbesondere auf Seiten 129 und 1230 eine CAN- Leitung, die von einem Zentralsteuergerät der Bremse zur Motorelektronik führt und ferner über einen Systemdatenbus zu den Radmodulatoren oder den Achsmodulatoren; daß das Zentralsteuergerät auch der Steuerung der Druckluft- Versorgungseinrichtung dient, ist allerdings nicht dargestellt. Eine Steuereinrichtung für die Druckluft- Versorgungseinrichtung ist nicht einmal in dieser Druckschrift erwähnt. Insofern kann auch nicht angenommen werde, daß das Merkmal j), daß diese Steuerelektronik (zur Steuerung der Druckluft-Versorgungseinrichtung) über einen Datenbus mit der Motorsteuerung des Fahrzeugs verbunden ist, aus D5 zu entnehmen wäre.

Des Weiteren ist nicht in D5 davon die Rede, daß die Verbraucherkreise durch ein von der programmierbaren Steuerelektronik schaltbares, im jeweiligen Leitungszweig liegendes Sperrglied von der Druckluftversorgung abtrennbar sind (Merkmal g)), wobei das Sperrglied ein im Leitungszweig eingeordnetes Absperrventil (Merkmal h)) und wobei dieses ein im Leitungszweig vor oder nach einem Überstromventil angeordnetes 2/2-Wege-Ventil mit federbetätigter Durchlaßstellung ist (Merkmal i)).

Damit sind schon die Merkmale g), h) und i) in einer Kombination der Druckschriften D1, D4 und D5 nicht bekannt. In Richtung auf diese speziellen konstruktiven Maßnahmen ist keiner dieser Druckschriften ein Hinweis zu entnehmen. Da diese Maßnahmen auch nicht als Teil des allgemeinen Fachwissens angesehen werden können, kommt die Kammer zu dem Ergebnis, daß der Gegenstand des Patentanspruchs 1 auf erfinderischer Tätigkeit im Hinblick auf D1 in Kombination mit D4 und D5 beruht.

2.5. Entsprechendes gilt auch für eine Kombination der D1 und der D4 mit der D6:

Aus der D6 ist ein elektro-pneumatisches Bremssystem bekannt, das eine Druckluft-Versorgungseinheit für eine Fahrzeug-Druckluftanlage umfaßt. Die Druckluftversorgungsanlage weist einen Luftkompressor auf, dessen Ausgang zur Versorgung der Druckluftanlage eine Förderleitung aufweist, die zu einem Druckregler 25 führt. Ein Lufttrockner ist ausgangsseitig des Luftkompressors in D6 nicht offenbart, so daß nur ein Teil des Merkmals b) aus D6 entnehmbar ist. An den Druckregler 25 ist ein Vierkreisschutzventil 26 angeschlossen, dem sich entsprechende Druckluftbehälter 27. bis 29 anschließen. Der Druck in den Leitungen vom Vierkreisschutzventil 26 zu den Druckluftbehältern 27 bis 29 wird über Drucksensoren 30 bis 32 erfaßt.

Da in D6 kein Lufttrockner mehr vorgesehen ist, kann das Merkmal d) nicht in D6 realisiert sein. Ferner kann auch das Merkmal e) nicht verwirklicht sein, da die vorgesehene Steuerelektronik mangels eines Lufttrockners in der D6 nicht für die Steuerung der Regeneration des Lufttrockners angeschlossen sein kann. Außerdem ist auch keine Steuerung der Druckluftförderung des Luftkompressors mittels einer Steuerelektronik offenbart. Entsprechend kann mangels des Lufttrockners in D6 das Merkmal f) nicht offenbart sein. Gleiches gilt für die Merkmale g), h) und i). Es handelt sich somit schon um eine völlig andere Steuerelektronik als gemäß der Erfindung. Insofern kann auch nicht die Verbindung einer erfindungsgemäßen Steuerelektronik über einen Datenbus mit der Motorsteuerung des Fahrzeugs der D6 entnommen werden, wonach sich ergibt, daß auch Merkmal j) nicht in D6 realisiert ist.

Es sei zudem noch angefügt, daß aus D4 wenigstens nicht die Merkmale g), h) und i) bekannt sind, da keine von der programmierbaren Steuerelektronik schaltbaren, im jeweiligen Leitungszweig liegende Sperrglieder, die von der Druckluftversorgung abtrennbar sind, in D4 offenbart sind, so daß auch die weiteren Merkmale, daß das Sperrglied ein in einem Leitungszweig angeordnetes Absperrventil ist, wobei dieses in einem Leitungszweig vor oder nach einem Überstromventil angeordnetes 2/2- Wege-Ventil mit federbetätigter Durchlaßstellung ist, realisiert sein kann.

Aus alledem folgt, daß sich der Gegenstand des Patentanspruchs 1 diesem Stand der Technik nicht in naheliegender Weise entnehmen läßt. Er beruht mithin auf erfinderischer Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ.

3. Erfinderische Tätigkeit - Patentanspruch 4

Patentanspruch 4 betrifft

k) ein Verfahren zum Steuern einer Druckluft- Versorgungseinrichtung für Fahrzeug-Druckluftanlagen,

l) wobei eine Steuerelektronik vorgesehen ist, die in Abhängigkeit von Druck in wenigstens einem Druckluftverbraucherkreis die Druckluftversorgung der Druckluftanlage steuert.

Ein entsprechendes Verfahren ist aus der D1 bekannt. Dieses gattungsgemäße Verfahren ist erfindungsgemäß dadurch weitergebildet, daß

m) der Druck von der Steuerelektronik in wenigstens zwei Verbraucherkreisen überwacht wird,

n) die Steuerelektronik die Verbraucherkreise in Abhängigkeit von einem kreisabhängigen, programmierten Begrenzungsdruck von der Druckluftversorgung abtrennt,

o) die Steuerelektronik den jeweiligen Verbraucherkreis bei Unterschreiten des Begrenzungsdrucks um eine programmierte Druckdifferenz mit der Druckluftversorgung verbindet, und

p) die Steuerelektronik das Befüllen der Verbraucherkreise in Abhängigkeit vom Druck in den Kreisen sowie vom Fahrzeugstand des Fahrzeugs steuert.

Ausgehend von der D1 und unter Zugrundelegung der im vorstehenden Absatz 2.1 angegebenen zu lösenden Aufgabe würde ein auf dem einschlägigen Gebiet tätiger Fachmann auch in Zusammenschau der D1, D4, D5 oder D6 nicht zum Gegenstand des Patentanspruchs 4 gelangen. Hinsichtlich dieser Druckschriften wird auf die Ausführungen in den Abschnitten 2.3 bis 2.5 verwiesen. Ergänzend zu diesen Ausführungen wird noch folgendes bemerkt:

Die im Kennzeichen des Patentanspruchs 4 definierten Verfahrensschritte m), n), o) und p) sind aus keiner der D1, D4, D5 oder D6 entnehmbar.

Weder bei D4 noch bei D5 als auch bei D6 ist eine Steuerelektronik zur Steuerung der Druckluft- Versorgungseinrichtung für Fahrzeug-Druckluftanlagen vorhanden. Insofern kann auch nicht angenommen werden, daß insbesondere der Verfahrensschritt p), daß die Steuerelektronik das Befüllen der Verbraucherkreise in Abhängigkeit von Druck in den Kreisen sowie vom Fahrzustand des Fahrzeugs steuert, bei diesen Druckschriften verwirklicht wäre. Dieser Verfahrensschritt ist insbesondere aus der D5 nicht ansatzweise zu entnehmen.

Das Verfahren nach dem geltenden Patentanspruch 4 beruht mithin auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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