T 0421/01 () of 21.10.2003

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2003:T042101.20031021
Datum der Entscheidung: 21 October 2003
Aktenzeichen: T 0421/01
Anmeldenummer: 96109662.5
IPC-Klasse: B23B 47/28
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Stangenbohrlehre
Name des Anmelders: Dr. Hahn GmbH & Co. KG
Name des Einsprechenden: Simonswerk GmbH
Kammer: 3.2.06
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Neuheit (ja)
Erfinderische Tätigkeit (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0056/87
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Das auf die Anmeldung Nr. 96 109 662.5 erteilte europäische Patent Nr. 0 749 793 wurde mit der am 21. Februar 2001 zur Post gegebenen Entscheidung von der Einspruchsabteilung widerrufen mit der Begründung, der Gegenstand des Anspruchs 1 des Patents in der erteilten Fassung weise keine erfinderische Tätigkeit gegenüber der Kombination der Lehre der

D2: DE-A-4 223 094 oder D3: DE-A-4 310 336

mit

D5: DE-U-8 324 628 oder D6: DE-U-8 535 537

auf.

In dieser Entscheidung wurde auch auf das Dokument

D4: DE-A-4 234 496 hingewiesen.

II. Gegen diese Entscheidung legte die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) mit am 11. April 2001 eingegangenem Schriftsatz vom 9. April 2001 unter gleichzeitiger Zahlung der Beschwerdegebühr Beschwerde ein und begründete sie sofort.

III. Am 21. Oktober 2003 fand eine mündliche Verhandlung statt.

Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in geänderter Fassung auf der Basis der

- Ansprüche 1-8, eingereicht mit der Beschwerdebegründung vom 9. April 2001,

- geänderten Beschreibung, Spalten 1 und 2 sowie Einfügung [0003]a, eingereicht in der mündlichen Verhandlung,

- Beschreibung, Spalten 3 bis 5, wie erteilt und

- Figuren 1 bis 6, wie erteilt,

aufrechtzuerhalten.

Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.

IV. Anspruch 1 nach dem einzigen Antrag der Beschwerdeführerin lautet:

"Stangenbohrlehre (100) für das Anbringen der Bohrungen für die Befestigung der Bänder von Fenstern, Türen, und dergleichen an deren Rahmenprofilen,

mit einem stangenförmigen, sich über die Höhe des Flügels erstreckenden Führungsprofil (10)

und mit mindestens zwei an dem Führungsprofil (10) in dessen Längsrichtung verschiebbar geführten Bohrplatten (3,5) für die Bohrungen des oberen und des unteren Bandes,

dadurch gekennzeichnet,

daß an den Enden des Führungsprofils (10) jeweils eine Umlenkrolle (15) drehbar gelagert ist und die Bohrplatten (3,5) durch ein um die Umlenkrollen (15, 15) geschlungenes flexibles Zugglied derart bewegungsverbunden sind, daß sie um gleiche Beträge gegensinnig entlang des Führungsprofils (10) bewegbar sind".

V. Die Argumente der Beschwerdeführerin zur Stützung ihres Antrags lassen sich im wesentlichen wie folgt zusammenfassen:

In der angefochtenen Entscheidung habe die Einspruchsabteilung darauf hingewiesen, daß der Gegenstand des auf den unabhängigen Anspruch 1 Bezug nehmenden Anspruchs 2 auf eine erfinderische Tätigkeit zu beruhen scheine. Sie habe deshalb in ihrer Beschwerde den unabhängigen Anspruch auf diesen Gegenstand eingeschränkt. Nach ihrer Auffassung und der der Einspruchsabteilung bestehe für den Fachmann keine Veranlassung, die aus D4 für eine Zentriervorrichtung einer Spannvorrichtung für Tür- und Fensterrahmen bekannten Merkmale auf eine Bohrlehre nach D2 oder D3 anzuwenden. Nur mit einer rückschauenden Betrachtungsweise könne man dies behaupten, weil für eine Anpassung im Sinne der D4 die aus D2 oder D3 bekannte Bohrlehre völlig umkonstruiert werden müsse.

Ausgehend von D2 oder D3 als nächstliegendem Stand der Technik gelange man auch nicht zum Gegenstand dieses Anspruchs, weil die Bohrlehre nach D5 oder D6 ihre Umlenkrollen nicht an den Enden, sondern mittig habe. Man könne nicht einfach isolierte Teile der Lehre der D5 oder D6 übernehmen und den Rest außer Acht lassen. Es sei durchaus technisch möglich, die Lehre der D5 oder D6 vollständig auf die Stangenbohrlehre nach D2 oder D3 anzuwenden, indem die Umlenkrollen mittig auf das Führungsprofil und die Bohrplatten darauf nicht verschiebbar, sondern davon getrennt angeordnet würden.

D4 biete keine für Stangenbohrlehren anwendbare Lehre, weil es sich dabei um die Verschiebung von den Anschlägen, nicht jedoch von den Bohrlehren handele. Außerdem gebe es in der Anlage nach D4 nur eine einzige Bohrplatte, die damit nicht mit den beiden auf die Stangenbohrlehre angebrachten Bohrplatten vergleichbar sei.

VI. Die Beschwerdegegnerin argumentierte wie folgt:

Die erfinderische Tätigkeit sei nicht gegeben, weil der Fachmann, ausgehend von der D2 oder D3, die beide eine Stangenbohrlehre nach dem Oberbegriff des Anspruchs 1 darstellten, entweder die Lehre der D4 oder die der D5 bzw. der D6 anwenden und somit zum Gegenstand dieses Anspruchs gelangen werde.

Ausgehend von der Stangenbohrlehre nach D2 oder D3 bestehe die objektive Aufgabe darin, die Bohrplatten zentriert zur Mitte der Stangenbohrlehre verschieben zu können, weil Tür- oder Fensterbänder fast immer symmetrisch zur Mitte des Fenster- bzw. Türrahmens befestigt seien.

Nach D5 oder D6 könne man dies dadurch erreichen, daß die Bohrplatten durch ein um Umlenkrollen geschlungenes flexibles Zugglied derart verbunden würden, daß sie um gleiche Beträge gegensinnig bewegbar seien. Die Umlenkrollen, die nach D5 oder D6 mittig im Führungsprofil angeordnet seien, müsse man, ausgehend von dem über die Länge des Fenster- bzw. Türrahmens hinausragenden Führungsprofil nach D2 oder D3, zwangsläufig an den Enden eines solchen Führungsprofils anbringen. Damit sei ebenfalls nahegelegt, die Bohrplatten selbst verschiebbar auf dem Führungsprofil anzubringen.

Nach D4 sei es bekannt, Klemmblöcke, mit denen ein Fenster- bzw. Türrahmens auf einem Arbeitstisch zentriert werde, durch ein um Umlenkrollen geschlungenes flexibles Zugglied derart in ihrer Bewegung zu verbinden, daß sie um gleiche Beträge entlang eines auf dem Arbeitstisch angeordneten Führungsprofils bewegbar seien. Ein Fachmann werde gleich erkennen, daß eine solche Anordnung für die Bewegung der Bohrplatten auf dem Führungsprofil der Stangenbohrlehre nach D2 oder D3 ebenfalls verwendbar sei.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Änderungen (Artikel 123 (2) und (3) EPÜ)

Der Gegenstand des Anspruchs 1 wurde gegenüber dem des erteilten Anspruchs 1 insofern eingeschränkt, als die Merkmale des erteilten von Anspruch 1 abhängigen Anspruchs 2 zugefügt wurden. Anspruch 2 wie erteilt stimmt mit Anspruch 2 wie ursprünglich eingereicht überein, so daß die Erfordernisse des Artikels 123 (2) und (3) EPÜ erfüllt sind. Die Änderungen der Beschreibung dienen dazu, den von den Dokumenten D5 und D6 gebildeten relevanten Stand der Technik nach Regel 27 (1) b) EPÜ zu würdigen.

3. Neuheit (Artikel 54 EPÜ)

Die Neuheit des Gegenstandes des geltenden Anspruchs 1 wurde im Beschwerdeverfahren nicht bestritten. Die Kammer hat sich davon vergewissert, daß keines der im Verfahren vorhandenen Dokumente des Standes der Technik alle Merkmale des Anspruchs 1 offenbart.

4. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)

4.1. Ausgehend von D2 oder D3, die eine Stangenbohrlehre mit den Merkmalen des Oberbegriffes des Anspruchs 1 offenbaren und den nächstliegenden Stand der Technik bilden, liegt der Unterschied in den kennzeichnenden Merkmalen:

- an den Enden des Führungsprofils ist jeweils eine Umlenkrolle drehbar gelagert und

- die Bohrplatten sind durch ein um die Umlenkrollen geschlungenes flexibles Zugglied derart bewegungsverbunden, daß sie um gleiche Beträge gegensinnig entlang des Führungsprofils bewegbar sind.

4.2. Diese Merkmale lösen die Aufgabe, die Bohrplatten immer in gleichen Abständen von der unteren oder oberen Begrenzung des Tür- oder Fensterflügels zu positionieren (siehe Streitpatent, Spalte 1, Absatz [0003]).

Nach Meinung der Kammer gibt es im offenbarten Stand der Technik für den Fachmann keinen Hinweis, das beanspruchte System von Umlenkrollen an den Enden der Stangenbohrlehre nach D2 oder D3 anzubringen und die Bohrplatten durch ein um diese Umlenkrollen geschlungenes flexibles Zugglied derart in ihrer Bewegung zu verbinden, daß sie um gleiche Beträge gegensinnig entlang des Führungsprofils bewegbar sind.

Nach der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern muß die technische Offenbarung eines zum Stand der Technik gehörenden Dokument als Ganzes betrachtet werden, so, wie dies ein Fachmann täte. Es ist nicht zulässig, Teile eines solchen Dokuments willkürlich aus ihrem Zusammenhang herauszulösen, um daraus eine technische Information herzuleiten, die von der Gesamtlehre des Dokuments abweicht oder sogar im Widerspruch zu ihr steht (siehe z. B. T 56/87, ABl. EPA 1990, 188, Punkt 3.1 der Gründe).

4.3. D5 oder D6 bieten dem Fachmann durchaus eine Lehre, die ohne erfinderisches Zutun auf die Stangenbohrlehre nach D2 oder D3 anwendbar wäre, allerdings bei ihrer vollständigen Anwendung nicht zum Gegenstand des Anspruchs 1 führen würde. Denn nach D5 oder D6 besteht die Lehrenvorrichtung nicht aus einem einzigen Führungsprofil, an dem die Bohrplatten verschiebbar geführt sind, sondern aus zwei Führungsprofilen, die derart miteinander bewegungsverbunden sind, daß sie selbst um gleiche Beträge gegensinnig bewegbar sind. Diese Bewegung der zwei Führungsprofile ist relativ zu einem dritten, zentralen Führungsprofil, in dem die Umlenkrollen angeordnet sind, um die ein flexibles Zugglied geschlungen ist, das die zwei anderen Führungsprofile miteinander verbindet.

4.4. Die Lehre der D4 wird nach Meinung der Kammer durch den Fachmann nicht in Betracht gezogen, denn sie betrifft nur die bewegungsverbundene Verlagerung von Anschlägen, jedoch nicht von Bohrlehren. Die einzige Bohrlehre in der Anlage nach D4 hat immer noch eine freie Positionierung gegenüber dem Tür- bzw. Fensterrahmen, ohne mit einer anderen Bohrlehre bewegungsverbunden zu sein.

Wenn ein Fachmann die Gesamtlehre der D4 auf die Stangenbohrlehre nach D2 oder D3 anwenden würde, führte dies allenfalls dazu, daß die auf diese Stangenbohrlehre vorhandenen Längsanschläge (in D2: Bezugszeichen 3 und 5) durch ein um Umlenkrollen geschlungenes flexibles Zugglied nach D4 in ihrer Bewegung verbunden würden, nicht jedoch die vorhandenen Bohrplatten. Er würde somit nicht zum Gegenstand des Anspruchs 1 gelangen.

4.5. Zusammenfassend kommt die Kammer daher zum Ergebnis, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ) beruht.

4.6. Die Gegenstände der abhängigen Ansprüche 2-8 betreffen vorteilhafte Ausführungen des Tisches nach Anspruch 1 (Regel 29 (3) EPÜ) und haben somit ebenfalls Bestand.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die erste Instanz mit der Auflage zurückverwiesen, das Patent mit den folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:

Ansprüche:

Nr. 1-8, eingereicht mit der Beschwerdebegründung vom 9. April 2001;

Beschreibung:

Spalten 1 und 2 sowie Einfügung [0003]a, eingereicht in der mündlichen Verhandlung, und

Spalten 3 bis 5, wie erteilt;

Figuren 1 bis 6, wie erteilt.

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